Stadtrundgang Marburg im Mittelalter (Sek. I)
Stadtrundgang Marburg im Mittelalter (Sek. I)

Marburg im Mittelalter

Der Name „Marburg“ erscheint zum ersten Mal in einer Urkunde von 1138/39 und fällt damit in den Beginn der thüringischen Herrschaft in Oberhessen. Das Grafengeschlecht der Ludowinger hatte seinen Machtbereich durch Erbschaft bis nach Ober- und Niederhessen ausdehnen können; der neu dazugewonnene Besitz musste anschließend mithilfe des Baus von Burgen und Städten gesichert werden. Die Marburger Burg selbst war zu dieser Zeit schon vorhanden, eine genaue Datierung ihrer Erbauung ist allerdings bis heute nicht möglich. Wahrscheinlich hatte sich auch in ihrem Schutz bereits eine kleine Ansiedelung gebildet, vielleicht sogar ein Marktflecken. Sicher ist jedoch, dass die Ludowinger die Burg zur Befestigung mit Turm und Ringmauer versahen und die Entwicklung der Ansiedlung beeinflussten, indem sie sie planmäßig ausbauten; denn die Stadt lag verkehrsgünstig an den Verbindungsachsen Leipzig-Köln und Frankfurt-Norddeutschland. Belege für ihre Erweiterung liefern auch die Befestigung durch eine Stadtmauer und die Prägung einer eigenen Münze, dem Marburger Pfennig.

Diese Einheit ist nicht nur als Erarbeitung innerhalb der Schule gedacht, sondern soll die SchülerInnen selbst auch in die Stadt führen, wo sie den historischen Raum und seine Objekte an ihrem ursprünglichen Standort und in ihrem ursprünglichen Zusammenhang und nicht davon losgelöst wie im Museum erleben können.

Dazu bietet es sich an, jedem Thema einen eigenen Ort der Stadt zuzuordnen und die aus den Quellen zusammengetragegen Informationen an diesem vorzutragen. Die hier vorgestellten Orte und Plätze dienen dabei nur als Vorschlag.

Nicht alle der verwendeten Dokumente entstammen dem Mittelalter; da sie aber i.d.R. noch mittelalterliche Strukturen aufweisen, werden sie hier der Einfachheit halber als "mittelalterlich" bezeichnet.

Die Dokumente wurden so transkribiert, dass sie sinnvoll für den Schulgebrauch zum Einsatz kommen können.

 

Vorschlag zum methodischen Vorgehen:

Zum Einstieg bietet sich ein Vergleich eines mittelalterlichen und eines aktuellen Stadtplans an, der die Entwicklungsschritte der Stadt demonstrieren kann.

Im Anschluss daran können sich die SchülerInnen in Gruppen den einzelnen Themen zuordnen und die dazugehörige Quelle in einem ersten Schritt mithilfe der Fragen erarbeiten. In einem weiteren Schritt können sie dann ihre Ergebnisse anhand der Erläuterungen überprüfen sowie Zusatzinformationen in ihren Vortrag einarbeiten.  

Folgende Themen können bearbeitet werden:

  1. Leben in der Stadt: Polizeiordnung
  2. Leben in der Stadt: Aufnahme als Bürger
  3. Leben in der Stadt: Armut und Spenden
  4. Religiöse Minderheiten: Umgang mit Juden
  5. Schule in Marburg
  6. Handwerk: die Zünfte

Zu jedem Thema gehört ein Dokument.

 

Verwendete Literatur:

Primärliteratur:

Küch, Friedrich: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg. Bd. 1. Marburg 1918.

 

Sekundärliteratur:

Dettmering, Erhart: Kleine Marburger Geschichte. Regensburg 2007.

Erdmann, Axel: Die Marburger Juden. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Dargestellt anhand der staatlichen Quellen unter besonderer Berücksichtigung des 19. Jahrhunderts. Dissertation. Marburg 1987.

Gottwald, Ursula: Marburg. Spurensuche in einer mittelalterlichen Stadt. Marburg. Jonas Verlag 1992.

Schwind, Fred: Zur Verfassungs- und Sozialgeschichte Marburgs im späten Mittelalter. In: Marburger Geschichte. Rückblick auf die Stadtgeschichte in Einzelbeiträgen. Hg. von Erhart Dettmering und Rudolf Grenz. S. 167-200. Marburg 1980.

Volk, Otto: Stadt und Schule im mittelalterlichen Marburg. In: Marburger Geschichte. Rückblick auf die Stadtgeschichte in Einzelbeiträgen. Hg. von Erhart Dettmering und Rudolf Grenz. S. 201-236. Marburg 1980.

Leben in der mittelalterlichen Stadt Marburg
Leben in der mittelalterlichen Stadt Marburg

Liebe Schülerinnen und Schüler,

über das Mittelalter habt ihr bestimmt in eurer bisherigen Schullaufbahn schon einiges gehört. Möglicherweise wisst ihr aber noch nicht viel über das Leben der Marburger vor mehr als 600 Jahren. Gab es Armut und Reichtum? Eine funktionierende Wirtschaft? Und mussten die Marburger Kinder auch schon zur Schule gehen?

In den folgenden Quellen findet ihr Antworten auf diese Fragen.

Natürlich seht ihr hier nicht die Originale, sondern Abschriften. Sie sind in eine Sprache übersetzt, die leichter zu verstehen ist. Wer aber doch einmal Lust hat, sich die Quellen im Original anzuschauen - also mit Brief und Siegel -, der besucht am besten das Staatsarchiv hier in Marburg.

Viel Spaß bei einer Zeitreise in die Marburger Vergangenheit!

Stadtplan Marburg an der Lahn - Burg; Alt- und Neustadt, 12./13. Jahrhundert
Stadtplan Marburg an der Lahn - Burg; Alt- und Neustadt, 12./13. Jahrhundert

Der Stadtplan zeigt die Entwicklung der Alt- und Neustadt Marburgs sowie der Burg im 12. und 13. Jahrhundert. 

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Polizeiordnung des Landgrafen Philipp, 15.Okt. 1557
Polizeiordnung des Landgrafen Philipp, 15.Okt. 1557

Wir, Philipp, von Gottes Gnaden Landgraf zu Hessen, Graf von Katzenellenbogen, veranlassen zu wissen, dass wir aus ernsthaften Gründen nachfolgende Ordnung und Satzung geben, [...], die also befolgt werden soll,während bei Zuwiderhandlung dabeigeordnete Bußen und Strafen unnachlässig folgen.

 

  1. Es soll keiner, sei es Hofgesinde, Student, Bürger oder ein anderer, den andern verachten oder mit bösen Worten bedenken, auch nicht schlagen oder herausfordern, sondern sich gegeneinander friedlich und gütlich verhalten.
  2. Wer bei Nacht über die Gassen gehet, soll Kerzen, Licht oder Leuchten tragen und still und züchtig sein, nicht rufen, juchzen oder schreien, auch vor niemandes Häusern auflaufen, Fenster einschlagen oder –werfen.
  3. Beide Artikel sollen verboten sein bei Pein vier Wochen lang im Turm zu sitzen und mit Wasser und Brot gespeist zu werden.
  4. Es soll keiner, er sei, wer er wolle, Student oder Bürger, bei der Nacht unter den Kleidern Feuerbüchsen tragen, bei Verlust des Kopfes.
  5. Kein Student soll Winterszeit, nach sieben Uhr des abends, auf der Gasse gehen und Sommerszeit nach neun Uhr. Welche dennoch die Gasse betreten, die soll der Wachtmeister aufgreifen und dem Rektor überantworten, dass der Rektor dieselbigen in Haft nimmt und bestraft.
  6. [...]
  7. [...]
  8. [...]
  9. Wer verursacht, dass einer den anderen tot oder wund schlägt, es sei eine Student, Bürger oder ihr Gesinde, derselbige soll, er sei, wer er wolle, herauf in unser Schloss geführt, daselbst festgehalten und deswegen bestraft werden.
  10. [...]
  11. Und damit diese unsere Ordnung durchgesetzt wird, Frieden und Ruhe erhält, so haben wir aus gnädiger Wohlmeinung verordnet und wollen, dass alle Nacht fleißige Wacht in unserer Stadt Marpurg gehalten werde, deswegen haben wir einen Wachtmeister eingesetzt.
  12. Dieser unser Wachtmeister soll alle Nacht mit fünfzehn Personen aus unserer Bürgerschaft zu Marpurg durch die Stadt wachen.

Gegeben den fünfzehnten Oktober anno domini 1557

Philipp I. zu Hessen

 

Arbeitsaufträge:

  1. Lies noch einmal das Vorwort Philipps und überlege, was der Anlass für die Polizeiordnung gewesen sein könnte.
  2. Warum war es wohl nötig, in der Nacht eine Kerze oder einen Leuchter bei sich zu tragen?
  3. Überlege, warum der Landgraf so genau ausführt, was in der Stadt verboten ist.
  4. Empfindest du die in Artikel 3 und 4 beschriebenen Strafen als gerecht? Argumentiere dabei auch aus damaliger Sicht und bedenke die Signalwirkung dieser Strafen.
  5. Verfasse einen Brief an einen Jungen oder ein Mädchen im Marburg des Jahres 1557 und schildere ihm/ihr, wie es in Marburgs Straßen heute zugeht und welche Regeln die Stadt für das Miteinander aufgestellt hat.

 


 

Erläuterungen:

Die innere Ordnung der Stadt war klar geregelt und die soziale Kontrolle streng, um ein förderliches Zusammenleben ermöglichen zu können.

Ein Arbeitstag betrug im Sommer die Zeit zwischen Sonnenauf- und Untergang, im Winter war die Arbeitszeit kürzer, da in der Nacht nicht gearbeitet werden durfte. Jedes offene Licht hätte einen Brand auslösen können, wie es im Jahr 1319 geschah. Damals brannten alle Häuser der Oberstadt ab. Das erste danach errichtete Gebäude aus dem Jahr 1321 ist das Haus Hirschberg Nr.13.

Das in Artikel 2 formulierte Gebot, nachts Kerzen oder Leuchten dabei zu haben, verweist darauf, dass es in der Stadt keine Beleuchtung gab und die Straßen in einem völligen Dunkel lagen. Die Oberstadt erhält erstmals im Jahr 1808 20 Straßenlaternen.

Nächtliche Störungen und gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Bürgern und Studenten (z.T. sogar mit Toten und Verletzten) waren an der Tagesordnung. Die von Philipp verfügte aufzustellende Bürgerwehr, die einem beträchtlichen Aufwand gleichkommt, sollte diesen entgegenwirken und zwischen Ritterstraße und Untergasse, Barfüßer Tor und Wettergasse kontrollieren, um die Sicherung der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten. Aus den Artikeln geht ebenso hervor, dass die Universität noch eine eigene Gerichtsbarkeit hatte (Art.5).

Für Philipp den Großmütigen (1504-1567) sollte die Universität die Erziehung von jungen Männern zu leistungsfähigen und verlässlichen Staats- und Kirchenbeamten im eigenen Land leisten. Auch deshalb ist das ungebührliche Verhalten der Studenten nicht tolerierbar, die "prediger [...] und andere gelerten leute" werden sollten, "die der christlichen gemein und landen und leuten dienen mochten".

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Gewohnheitsrecht bei der Aufnahme als Bürger in Marburg, um 1395
Gewohnheitsrecht bei der Aufnahme als Bürger in Marburg, um 1395
Gewohnheitsrecht bei der Aufnahme als Bürger in Marburg, um 1395
  1. Nota [Es wird verfügt], dass die Stadt jeden Bürger aufnehmen kann, wie, wann oder woher er auch kommt, und wäre es, dass er nicht in die Stadt kommen konnte und steckte aber die Füße unter die Pforte in die Stadt und begehrte die Bürgerschaft, sollte man ihn empfangen, und er sollte sich verantworten.
  2. Wenn einer Bürger wird, so gibt es drei Gründe, weshalb ihn die Stadt nicht aufnehmen kann: Wenn ihm eine Fehde [Feindschaft, Streit, ausgetragen ohne das Einschalten einer höhere Instanz, die Recht spricht] droht, wenn er schon mit jemandem in Fehde liegt, wenn er eines Herrn oder eines Amtmanns eigen wäre, wenn er in der Schuld eines Herrn oder eines anderen stünde.
  3. Wenn einer die Bürgerschaft empfangen will, der soll dem Bürgermeister in die Hand geloben, unserm Herrn, dem Landgrafen und der Stadt Marburg getreu und hold zu sein und allen Schaden von der Stadt abzuwenden und sich nicht gegen unsern Herrn und gegen die Schöffen und den Rat zu wenden. Dann soll er seine Hand und die Finger erheben und schwören und sprechen: "Was ich in Treue gelobet habe, das will ich stets und fest halten."
  4. Außerdem soll der Bürger von dieser Zeit an ein Haus in der Stadt besitzen mit einem Herd und Hausrat, so dass man ihm alle Belange der Stadt mitteilen kann.
  5. Außerdem soll er ansagen, wo er vorher gewohnt hat und die Gebühr und den Botenlohn zahlen.
  6. [...]
  7. Ein Bürger soll zum Erwerb der Bürgerschaft ein Pfund Heller zum Bau der Pfarrkirche "Unser lieben Frau" geben, außerdem dem Obristen Hauptmann 1 Schilling Pfennige, dem Bürgermeister 1 Schilling Pfennige und jeglichem Schöffen vier Heller und dem Unterbürgermeister ein halbes Maß Wein und dem Schreiber ein halbes Maß Wein; hat er das alles erledigt, wird er sofort in das Bürgerbuch eingeschrieben.

 Großes Stadtbuch Blatt 21; Eintrag von Johann Hottermann.

 

Arbeitsaufträge:

  1. Wer wird in der Stadt als Bürger aufgenommen und wer nicht?
  2. Welche Gründe sind vorstellbar, weshalb eine Person aufgenommen, eine andere nicht aufgenommen wird?
  3. Welche Pflichten und Kosten muss ein Marburger Neubürger bei seiner Aufnahme in Kauf nehmen?
  4. Beurteile, was es bedeutet, dass man hohe Kosten leisten muss, um Marburger Bürger werden zu können.
  5. Welche Pflichten hat ein Marburger Einwohner heute? Welche Aufgaben müssen heute erfüllt werden, um Bürger Marburgs zu werden?

 


 

Erläuterungen:

Im 12. und 13. Jahrhundert entstehen viele neue Städte; um Marburgs Bedeutung zu erhalten und auszubauen, braucht die junge Stadt viele Ansiedler. So lassen die Stadtherren besondere Rechte zu, um das Wohnen in Marburg "attraktiv" zu machen. Z.B. zeigt das Stadtrecht - rechtliche Gleichheit ohne Ansehen der Person - fortschrittliche Elemente im Gegensatz zum Landrecht, das auf persönlichen und ständischen Grundlagen urteilt.

Auch können sich Hörige binnen Jahr und Tag, also nach einem Jahr und einem Tag in der Stadt, ihrer rechtlichen Abhängigkeit entledigen, sofern sie sich in dieser Zeit unbescholten verhalten und nicht von ihrem Herrn zurückverlangt werden.

Alle Einwohner der Stadt mussten natürlich auch Steuern zahlen: zum einen das Feuergeld, den Herdschilling, zum anderen das Geschoss, das sich nach dem Vermögen des Einzelnen berechnete. Dabei musste der Steuerpflichtige sein Hab und Gut selbst einschätzen und einen Eid darauf schwören.

Je nach Bedarf des Landgrafen kam noch zweimal im Jahr die sog. Bede hinzu, die Kriege finanzieren oder Schulden minimieren sollte.

Nur das Bürgerrecht erlaubte es, am politischen Leben der Stadt teilzuhaben. Erlangt werden konnte es durch den Nachweis, über finanzielle Mittel zu verfügen – z. B. ein Haus zu besitzen - und damit wirtschaftlich unabhängig zu sein.

Die Stadt interessierte sich also im Hinblick auf ihr Fortbestehen und ihren Wohlstand für zahlungskräftige Neubürger, jedoch hatte es in den Jahren 1347-1351 eine verheerende Pest gegeben, und es wird vermutet, dass die Stadt darum bemüht war, die nicht geschlossenen Lücken in ihren Reihen zu füllen.

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Auszug aus der Aufstellung der Stadt Marburg über alle Armenspenden, um 1512

Die Spendenausgaben und -ausrichtungen zu Marburg

  1. Die erste Spende gibt man am Allerseelentag (2. November). Die Almosen des Kochs gibt man im Kerner armen Leuten, jungen und alten; auch ein schönes Brot.
  2. [...]
  3. [...]
  4. Die vierte Spende gibt man am Heiligen-Elisabeth-Tag (19. November), gestiftet von Else von Lare. [Else von Lare lebte im späten 15. Jahrhundert in der heutigen Oberstadt nahe bei Pfarrkirche und Kerner. Sie entstammte einem reichen Haushalt der oberen städtischen Gesellschaft. Ihre Schenkungen an Kirche und Klöster zeigen ihre Glaubensvorstellungen, die sie eine umfangreiche Vorsorge für ihren Tod treffen lassen, aber auch ihre Fürsorge für Lebende und Tote.] Auf dem Kirchhof soll man 20 Mannspersonen jeweils ein großes Tuch von 2 1/2 Ellen [1 Elle entspricht ca. einem halben Meter] geben, Kinder erhalten jeweils 2 1/2 Ellen Leintuch und 20 Frauen jeweils ein Paar Schuhe.
  5. [...]
  6. Die sechste Spende - zwei Pfennige [entspricht ungefähr 50 Cent] - gibt man zu Aschermittwoch 120 armen Menschen, Männern und Frauen, Geistlichen, Schülern und Aussätzigen [...]. In Contz Moelnhoebers Haus in der Lingelgasse in Weidenhausen gibt es einen Gulden, im Haus Haitzfelden in der Barfüßergasse zwei Gulden [1 Gulden = 240 Heller = Pfennig, heute umgerechnet etwa 20 Euro].
  7. [...]
  8. [...]
  9. [...]
  10. [...]
  11. [...]
  12. Die zwölfte Spende gibt man auf den heiligen Gründonnerstag [Tag vor Karfreitag], sie hat gestiftet der reiche Sifurt. [Siegfried zum Paradies war Sohn eines reichen Marburger Schöffen (einer von 12 vom Landgrafen auf Lebenszeit ernannten Schöffen, die aus den reichen Bürgerfamilien stammten. Unter dem Vorsitz des vom Landgrafen beauftragten Schultheißen bildeten die Schöffen das Verwaltungsgremium der Stadt sowie das Gericht) und Bürgermeisters, Geburtsjahr unbekannt, gestorben 1386 in Frankfurt am Main].

    Man gibt 72 armen Mannspersonen jedem 2 Pfennigwecke, 2 Heringe, ein Halbe Erbsen mit der Schüssel und ein Halben Wein mit dem Krug. Dem Pfarrer für die Seelenmesse 1 Pfund Geld, 6 schöne Brote, jedes einen Pfennig wert, ein Viertel Wein; dem Kaplan, der das Evangelium liest, 1 Tornes [1 Groschen, entspricht ungefähr 1 Euro], dem Schulmeister ein Tornes, beiden Opferleuten ein Tornes, dem Schultheißen ein halbes Viertel Wein, dem Bürgermeister ein Viertel Wein, jedem Schöffen, der Handreichungen tut oder gegenwärtig ist, ein halbes Viertel Wein, dem Unterbürgermeister 1/2 Viertel Wein. [...]

[...]


Arbeitsaufträge:

  1. Notiere, welche Personen Spenden erhalten und woraus die Spenden bestehen.
  2. An welchen Orten wurden die Spenden ausgegeben?
  3. Ermittele anhand der Spendenempfänger, wie groß die Anzahl der Armen in Marburg gewesen sein könnte.
  4. Überlege, warum die Abgabe der Spenden auf bestimmte Tage fällt.
  5. Vergleiche heutige soziale Aufwendungen wie etwa Hartz IV mit dem oben beschriebenen Spendensystem. Bedenke dabei auch, was der Begriff "Spende" bedeutet.

 


 

Erläuterungen:

Genau lässt sich heute nicht mehr feststellen, wie hoch die Anzahl der Armen in Marburg gewesen ist. Wahrscheinlich machten sie etwa 20 % der Einwohner aus. (Einwohnerzahlen: Im Jahr 1447 registrierten die Erheber der Steuern 650 Haushalte, das sind etwa 2500 Einwohner).

In den meisten Fällen handelte es sich bei den Abgaben um Brot, Heringe, Tuch und Geld.

Generell waren die Steuern und Abgaben, die zu zahlen waren, im Gegensatz zu heute regressiv - je höher das Einkommen, desto niedriger die Besteuerung.

Während die Ärmsten, deren Einkommen sich auf 5 Pfund (=50 Schilling) oder weniger belief, 3-4 Schilling Bede bezahlen mussten (was 10% ihres Einkommens entsprach), gaben die Reichsten 0,26%, also 40 Schilling ihres sich auf etwa 15000 Schilling belaufenden Vermögens.

Aufgrund der nach Wohngebieten eingetragenen Steuerzahlungen lässt sich nachvollziehen, wo die Ärmsten in der Stadt im Jahr 1455 wohnten: nämlich Am Grün und am sog. Leckerberg, also dem Roten Graben, Zwischenhausen und Ketzerbach. Dann folgte der Pilgrimstein, Weidenhausen, der Steinweg und die Neustadt. Die west-östliche Seite des Obermarktes sowie die westliche Seite der Wettergasse waren die bevorzugte Wohngegend der Reichsten, während die Wohlhabenden westlich der Hofstatt und in der Barfüßerstraße lebten.

 

 

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Auszug aus der Juden-Ordnung des Landgrafen Philipp von Hessen über das Verhalten der Juden in einer christlichen Gemeinschaft, 1539
Auszug aus der Juden-Ordnung des Landgrafen Philipp von Hessen über das Verhalten der Juden in einer christlichen Gemeinschaft, 1539

Ordnung Philipps, unseres Landtgraven von Gottes Gnaden zu Hessen, [...], darüber, wie die Juden nun in unserem Fürstenthum, unserer Gravschaft und Gebieten gelitten und geduldet werden sollen.

 

  1. Zuerst sollen die Juden unsern Amtsleuten, auch den Pfarrherrn jedes Orts, wo sie wohnen, mit dem Eide versprechen, keine Gotteslästerungen wider Christus unsern Herrn und seine heilige Religion zu treiben [...]. Auch müssen sie versprechen, dass sie die Seelen der ihren [...] nicht beschweren wollen, damit [...]einige arme gutherzige Juden nicht davon abgehalten werden, zu unserer wahren Religion zu finden.
  2. Zum anderen sollen die Juden geloben [...], nirgends neue Synagogen auffzurichten, sondern alleyn die alten mit aller Stille zu gebrauchen.
  3. [...]
  4. Zum vierten, dass sie zu den Predigern, die man ihnen insonderheit verordnen wird, samt ihren Weibern und Kindern kommen und Predigt hören sollen und wöllen.
  5. Zum fünften sollen sie in zimlicher (wie es sich geziemt =mäßig und angemessen) Weise in den Städten und Orten, sofern dort Zünfte sind, kaufen und verkaufen. Doch sollen sie ihr Ware nicht verteuern, sondern für einen zimlichen billichen Pfennig geben, wie es ihnen unsere Beamten oder Burgermeyster und Rath befehlen, und sollen keine Ware verkaufen, die ihnen von unseren Beamten, Burgermeystern oder Rath nicht gestattet worden sind. [...]
  6. [...]
  7. Zum siebenden sollen Juden keinen Wucher [Praktik, beim Verleihen von Geld, beim Verkauf von Waren o. Ä. einen unverhältnismäßig hohen Gewinn zu erzielen] treiben und unsere armen Leuthe nicht ausnehmen. Leihen sie aber einem Bürger einen Gulden, zwei oder drei oder mehr, soll es geschehen im Beisein unserer Amtsleuthe. Für hundert verliehene Gulden erhalten sie eyn Jahr lang fünf Gulden. Treibt aber eyn Jude damit Wucher, so verliert er die Hauptsumme seines verliehenen Geldes, die Hälft aller seiner Güter und wird zudem mit vier Wochen Thurm gestraft. [...]
  8. Zum achten sollen sie eynen Eid zu Gott schwören, keynem Bürger, Burgermeyster oder Diener oder [deren] Weibern etwas zu schenken, bei der Strafe ihres Leibs und Lebens, damit unsere Beamten also nicht durch Gaben bestochen und so den Juden ihre Finanzen, unbilligen Wucher und ungebührlichen Handel gestatten oder zusehen.
  9. Zum neunten wird der Jude mit dem Tode bestraft, welcher eyn Christenweib oder eine Jungfrau schändet oder beschläft. [...]
  10. [...]
  11. [...]
  12. [...]
  13. [...]
  14. Zum viertzehenden wöllen wir haben, dass sie uns den Schutzpfennig geben.

 

Arbeitsaufträge:

  1. Wodurch bestimmte Philipp das religiöse Leben der Juden?
  2. Welcher Arbeit dürfen die Juden nachgehen? Welchen Bestimmungen unterliegen sie dabei? Vermute, welche Berufe sie nicht ausüben dürfen!
  3. Erläutere die Einstellung gegenüber den Juden, die im siebten und achten Artikel deutlich wird.
  4. Überlege, worum es sich beim sog. "Schutzpfennig" (14. Artikel) handeln könnte.
  5. Recherchiere, wie viele Mitglieder die Jüdische Gemeinde Marburgs heute hat und wo sich ihre Synagoge befindet.

 


 

Erläuterungen:

Jüdische Einwohner hat es in der Stadt Marburg schon seit dem 13. Jh. gegeben, wie die Ausgrabung der mittelalterlichen Synagoge auf dem kleinen Platz am Schlosssteig beweist.

Erste schriftliche Nachweise liefert ein Kaufvertrag aus dem Jahr 1317, in dem die "Judenschule" in der damaligen Judengasse erwähnt wird. Das jüdische Gotteshaus, das auch als Versammlungsraum und Schule diente, da jüdische Kinder keine christlichen Schulen besuchen durften, wurde später abgebrochen. Der Grund dafür ist die Vertreibung der jüdischen Gemeinde aufgrund des Vorwurfs, am Ausbruch der von 1347-51 dauernden Pest mitschuldig gewesen zu sein. Steine der abgebrochenen Synagoge wurden 1452 zum Bau einer Mauer für die Kilianskapelle verwendet.

Die Gegend, in der die Synagoge stand - am Randgebiet der frühesten Bebauung - muss als "üble" Wohngegend betrachtet werden, lief doch eine Abflussrinne vom Schlossberg durch die Judengasse und das "Dreckloch", die Verbindungstreppe zwischen Wettergasse und Pilgrimstein, in die Lahn.

Wie groß die Anzahl der jüdischen Bürger tatsächlich war, ist ungewiss, sie überstieg jedoch kaum die Zahl von 7 Familien (ca. 30-40 Personen) (Homepage Jüdische Gemeinde).

Die Familien hatten einen eigenen Friedhof - der entsprechend jüdischer Vorschrift außerhalb der Stadtmauern lag (heute Georg-Voigt-Straße/Alter Kirchhainer Weg).

Der Landgraf versuchte durch sog. "Judenordnungen", das Leben der Juden in seiner Stadt zu regeln und diese zu "schützen".

Die Regeln bedeuteten jedoch große Einschränkungen: So verlangte er, wie in Artikel 1 zu sehen, Mitsprache bei der inhaltlichen Verbreitung der Talmudischen Lehre und beschränkte den Bau von Synagogen (Artikel 2).

Zudem legt er den Juden einen "Schutzpfennig" auf, den sie an ihn zu bezahlen hatten, damit er ihnen im "Notfall" Schutz bieten konnte. Nur sog. "Schutzjuden" erhielten die Berechtigung, in Marburg zu leben.

In der Quelle nicht erwähnt: Juden ist der Besitz von Grund und Boden verboten, sodass sie keine Landwirtschaft betreiben können. Auch als Handwerker konnten sie nicht arbeiten, da ihnen der Zutritt zu einer Zunft verwehrt war. So blieben Handel und kleinere Gewerbe als Tätigkeitsfelder, u.a. Vieh- oder auch Geldhandel, der jedoch streng überwacht wurde.

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Ordnung der Marburger Stadtschule, 14. Mai 1431
Ordnung der Marburger Stadtschule, 14. Mai 1431

Im Jahr tausend vierhundert dreißig eins des Herren am Montag nach unseres Herren Himmelfahrt haben Conrad Synning und Gerlach Schonenbach, Bürgermeister zu Marburg, Schöffen, Rat und die Vier, einträchtig im Rathaus zusammengesessen und sind darüber eingekommen, wie es von jeher gewesen und gehalten ist, wie ein Schulmeister und sein Unterschulmeister es mit ihren Schülern, die Bürgerskinder sind, halten sollen und was sie von den selben Bürgerskindern als Lohn nehmen sollen.

  1. Ein Bürgersohn, der es hat, soll dem Oberschulmeister ein Jahr als Lohn acht Turnose [=6,6 Schilling, ein Betrag zwischen 3 und 6 Euro] der Marburger Währung geben. Wer nicht alles geben kann, von dem soll der Lehrer nehmen, was redlich ist. Und das Bürgerkind, das in der Stadt um Brot ansteht, braucht keinen Lohn zu geben.
  2. Der Bürgersohn, der es hat, soll seinem Hilfslehrer, von dem er unterrichtet wird, alle 14 Tage zur Speisung einen Heller [etwa ein Euro] geben.
  3. Der Bürgersohn, der es hat, soll jeden Tag zwei Brote geben, ausgenommen in der Fastenzeit.
  4. [...]
  5. [...]
  6. Vor Ostern, wenn man die Schüler wegschickt, soll ein jeder Schüler zwei Heller geben und nicht mehr.
  7. [...]
  8. Ein Schulmeister soll zuerst und zuvor die Kinder der [Marburger] Bürger getreulich unterrichten, bevor er die Fremden bildet, und er soll seinem Unterschulmeister auftragen, gleiches zu tun. [...]
  9. [...]
  10. Ein Schulmeister soll darauf achten, dass alle seine Schüler, die am Chorgesang teilnehmen, jeden Tag zur Messe und zur Vesper kommen, sie seien Bürgerkinder oder Fremde.
  11. Ein Schulmeister soll mit seinem Unterschulmeister und mit seinen Schülern jeden Sonntag und an allen Feiertagen das ganze Jahr hindurch in der Pfarrkirche die Frühmesse singen und an allen Tagen im Jahr das Hochamt und die Vesper. Ein Schulmeister soll auch dafür sorgen, dass in der Kirche richtig gesungen wird, ohne alle Konfusion.
  12. Kein Bürgersohn soll einem Oberschulmeister oder Unterschulmeister Geld und Wertsachen geben, um von der Frühmesse an den Sonn- und Feiertagen befreit zu werden.
  13. [...]
  14. Der Oberschulmeister, seine Hilfslehrer und alle Schüler sollen jeden Sonntag und an allen Feiertagen in die Messe gehen.
  15. Ein Schulmeister und Unterschulmeister sollen alle ihre Schüler dazu anhalten, sich im Chor züchtig zu benehmen und nicht zu raufen und sich nicht zu ziehen und zu stoßen. [...]
  16. [...]
  17. [...]
  18. Kein Schüler soll dem Lehrer Holz aus dem Wald holen.
  19. Kein Lehrer darf mehr Lohn von seinen Schülern fordern als festgelegt.
  20. [...]
  21. Ein Schulmeister soll seine Schüler zu ordentlichem Benehmen anhalten und zu Ordnung erziehen.
  22. Auch soll ein Schulmeister seine Schüler dazu ernstlich anhalten, alle Gesangbücher oder alle anderen Bücher, die sie aus der Kirche mit in die Schule nehmen, reinlich zu bewahren; kein Schüler soll seine Hände oder Arme darauflegen, sie sollen sie auch nicht zerreißen oder zerschneiden und ihnen keinen Schaden zufügen.

 Großes Stadtbuch Blatt 12; Abschrift von Heinrich von Homberg.

 

Arbeitsaufträge:

  1. Welchen Pflichten mussten die Schüler nachkommen?
  2. Welche Fächer bzw. Fähigkeiten werden in der Marburger Stadtschule wohl gelehrt?
  3. Was sagt dir Artikel 12 über das Verhalten einiger Jungen?
  4. Überlege, welche Eltern ihre Kinder die Stadtschule besuchen lassen?
  5. Wie empfindest du die enge Verzahnung von Schule und Kirche? Was könnte der Grund für sie sein?
  6. Schreibe einen Brief an einen Schüler des Jahres 1431 und berichte ihm, was sich im Vergleich zu deinem heutigen Schulalltag verändert hat.

 


 

Erläuterungen:

Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts stand die Stadtschule den Bürgersöhnen offen, beaufsichtigt wurde sie von Bürgermeister und Stadtrat.

Der Schulmeister war ein städtischer Bediensteter, der bei Amtsantritt ein einmaliges Handgeld, den sog. Mietpfennig erhielt. Ursprünglich handelte es sich bei der Lehrtätigkeit um ein geistliches Amt, so wurde es auch überwiegend von Geistlichen ausgeübt.

Der Unterschulmeister wurde in der Regel direkt vom Oberschulmeister auf eigene Kosten angestellt. An beide Lehrer mussten die Schüler das Schulgeld bezahlen. Zudem mussten sie Naturalabgaben in Form von kleinen Broten sowie Holz für den Ofen (im Winter) und Kerzen zur Beleuchtung aufbringen.

Überwiegend Söhne aus Familien erfolgreicher Kaufleute oder wohlhabender Handwerker, deren Mitarbeit zu Hause nicht benötigt wurde, besuchten die Schule. Hier sollten sie die notwendigen Fähigkeiten erwerben, um einen Beruf in Handel oder Gewerbe ausüben zu können (Lesen, Schreiben, Rechnen, Buchhaltung), aber auch um auf einen Besuch der Universität vorbereitet zu sein.

Aus der Quelle geht jedoch hervor, dass auch weniger begüterte Jungen aufgenommen wurden. Zudem erhielten auch Söhne aus dem Umland und anderen Stäten die Möglichkeit, die Stadtschule zu besuchen.

Ende des 15. Jahrhunderts zählte die Schule etwa 80 bis 100 einheimische Kinder, die Einwohnerzahl lag bei ungefähr 2500 Personen.

Kennzeichnend für die Stadtschule ist die enge Verzahnung von Schule und Kirche bzw. gottesdienstlichem Leben. U.a. mussten die Schüler täglich in die Messe gehen und im Gottesdienst singen, was auf eine städtische Kultur verweist, die religiös-kirchlich geprägt ist.

Das Schulhaus am heutigen Lutherischen Kirchhof 3 wurde jedoch von der Stadt finanziert.

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Artikel des Wollenweberhandwerks zu Weidenhausen, 24. Juli 1365
Artikel des Wollenweberhandwerks zu Weidenhausen, 24. Juli 1365

Bekanntgemacht sei all denen, die dieses Schriftstück sehen, hören oder lesen, dass wir, die Meister und sämtliche Handwerker des Wollenhandwerks zu Weidenhausen, übereingekommen sind, unserem Handwerk zu nutzen und es zu ehren mit allen Artikeln, wie sie hier geschrieben stehen:

  1. [...]
  2. Aufnahmebedingungen: Wenn jemand zu den vier Meistern kommt und nach unserer Bruderschaft verlangt, den sollen die vier Meister achten und lehren, wenn er dem Handwerk treu und ehrlich ist, so sollen sie ihm die Bruderschaft verleihen. Wer aber das Handwerk nicht genug achtet, dem sollen sie die Bruderschaft nicht verleihen.Wer die Tochter eines Meisters oder eines Meisters Frau heiratet, die eine Witwe ist, und auch das Handwerk achtet, der soll die Bruderschaft halb kaufen. Die vier Meister sollen niemanden in die Bruderschaft aufnehmen, der unehelich geboren ist.
  3. Was auch die vier Meister von den Handwerkern wegnehmen, das sollen sie für in Not geratene Handwerker und unser Rathaus [= Zunfthaus in der Lingelgasse] zu Weidenhausen abgeben.
  4. Einmal jährlich, am Sonntag nach dem Tag des heiligen Jacobs [25. Juli], sollen und wollen wir neue Meister wählen.
  5. [...]
  6. Wenn ein Zunftgenosse sich über den anderen beschwert, dann sollen die Klagen zuerst vor die vier Meister gebracht werden, welche unverzüglich gerecht und angemessen darüber urteilen sollen. Wenn sich aber die Meister nicht entscheiden können, dann erst möchten die Genossen ihre Klagen vor das Gericht bringen.
  7. Wer sich als Angehöriger des Handwerks schlecht und rücksichtslos verhält (u.a. gegenüber den Meistern), der soll solange unbeschäftigt sein, bis er die Bruderschaft erneut gekauft hat, so oft wie es nötig ist.

Auch soll man dies alles, wie es hier geschrieben steht, tun und halten, […] ohne alle Arglist. Und dass dies ewiglich steht und festgehalten wird, haben wir unser Handwerksiegel an diese Urkunde gehängt, die gegeben ist dreizehnhundert Jahre nach Gottes Geburt in dem fünfunddreißigsten Jahr.

Arbeitsaufträge:

  1. Welche Aufnahmebedingungen formulieren die Zunftmeister? Welche Rückschlüsse lassen diese über ihre Gemeinschaft zu?
  2. Welche Regeln haben die Zunftmitglieder zu beachten?
  3. Welche Aufgaben übernimmt die Zunft?
  4. Die Wollenweber geben sich selbst eine Zunftordnung, nicht der Landgraf. Was kannst du daraus über ihre Bedeutung schließen?
  5. Recherchiere, welche mittelalterlichen Zünfte es in Marburg noch gegeben hat. Ein Blick in den Stadtplan kann dir dabei helfen.

 


 

Erläuterungen:

Die Wollenweber sind die wichtigste Zunft für das Marburger Wirtschaftsleben. Sie stellen Tuch her, dessen Verbreitung sich bis nach Basel, München, Wien und Budapest sowie Krakau verfolgen lässt.

Die Tuchherstellung bestand aus mehreren Arbeitsgängen: So musste die rohe Wolle zuerst gewaschen und geschlagen, dann gekämmt und gesponnen werden. Das so entstandene Garn wurde zu einem Tuch verwebt. Im Anschluss daran wurde das Tuch gewaschen und gewalkt (verfilzt).

Aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsgänge waren in der Zunft mehrere Handwerkszweige vereinigt: Weber, Wollschläger, Kämmerinnen und Spinnerinnen, Färber und Walker.

Neben dem in der Quelle erwähnten Zunfthaus errichteten die Wollenweber 1560 ein zweites, noch erhaltenes Zunfthaus, was auf ein gewisses Vermögen hinweist. Das erste wurde 1891 jedoch beim Neubau der Weidenhäuser Brücke abgerissen. Ihre Waren verkauften die Zunftmitglieder in der unteren Etage des 1526 errichteten Rathauses.

Ihr Selbstbewusstsein, bedingt durch ihren Erfolg, drückten die Zunftmeister damit aus, dass sie keine Bestätigung des Landgrafen für ihre Artikel vonnöten hielten.

Die Zunft war auch eine Gemeinschaft, die ihren Mitgliedern eine gewisse Lebenssicherheit bot – dem Artikel 3 ist zu entnehmen, dass in Not geratenen Handwerkern, also Berufsunfähigen, auch Alten und Witwen, eine materielle Absicherung zur Verfügung stand, für die, wie bei einer Art Versicherung, alle Mitglieder aufkamen.

Die Artikel geben auch einen Eindruck über das Ausbildungsverhältnis zwischen Lehrling und Meister: Lehrlinge sich sollten neben dem Erlernen von handwerklichen Fähigkeiten ebenso ein sittliches und soziales Verhalten aneignen. Die Lehrzeit von drei bis vier Jahren verbrachte der Lehrling in der Regel im Haus seines Lehrherren, im Anschluss daran begab er sich auf Wanderschaft, um bei anderen Meistern zu lernen. Da die Zahl der Meister in einer Stadt begrenzt war, blieb oft nur die Möglichkeit, die Witwe eines Meisters zu heiraten, wie es auch in Artikel 2 heißt.

Die Zünfte entschieden, wie viele Meister, Gesellen und Lehrlinge in einem Gewerbe arbeiten durften, so sollte gewährleistet sein, dass alle Mitglieder einen gleichmäßigen Wohlstand erhielten. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten sie einheitliche Verkaufspreise, Arbeitszeiten und Löhne festsetzen und überwachen. Auf diese Weise wurde jegliche Konkurrenz unterbunden.

 

 

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