Herausgegeben von Fritz Wolff und Margret Lemberg

Einführung
Die Grundlagen für die Entwicklung Deutschlands und seiner Einzelstaaten in der Neuzeit sind mit der Reformation gelegt worden. Theologisch war sie das Werk Martin Luthers, politisch in erster Linie das des Landgrafen Philipp von Hessen. Die theologische Argumentation der Wittenberger hat ihre Umsetzung in die praktische Politik - nach innen und nach außen! - vor allem durch das aktive Eingreifen des jungen Landgrafen erhalten.
"Reformation" bedeutet in der Sprache der Zeit nicht ausschließlich Kirchenreform, sondern in einem umfassenderen Sinne die Wiederherstellung der gesellschaftlichen Ordnung. Für Landgraf Philipp, der 1518 als Dreizehnjähriger die Regierung in einem von inneren Kämpfen zerrissenen und von den Nachbarn bedrohten Lande angetreten hatte, war die Konsolidierung seiner landesherrlichen Stellung die vordringliche Aufgabe. Kirchliche Mißstände, die schon die vorreformatorische Generation erkannt und zu heilen versucht hatte [Dokument 1], gefährdeten mit dem vielfach anstößigen Lebenswandel in den Klöstern und bei den Weltgeistlichen die ethischen Normen der Gesellschaft ebenso wie der korrumpierende Ablaßhandel des Erzbischofs Albrecht von Mainz [Dokument 2, 3, 6]; nicht weniger bedroht schienen die Grundlagen der sich ausformenden Staatlichkeit Hessens durch die wilden Fehden des Reichsritters Franz von Sickingen [Dokument 4], der Hessen 1518 brandschatzte und dem von ihm verspotteten landgräflichen Knaben 35000 Gulden abpreßte.
Mit dem Aufstand der Bauern 1525 schienen alle staatlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Formen zu zerbrechen. Aus der von Luther eingeleiteten theologischen Diskussion war eine unkontrollierbare sozialrevolutionäre Bewegung unter der Führung von Thomas Müntzer geworden. Durch das entschlossene militärische Handeln des Landgrafen Philipp [Dokument 5, 7, 8] im Bündnis mit seinem streng altkirchlich gesinnten Schwiegervater, Herzog Georg von Sachsen, konnte der Aufstand mit dem Sieg über die Bauern bei Frankenhausen niedergeworfen werden.
Die Lehre, die Philipp aus den Ereignissen der ersten sieben Jahre seiner Regierungszeit zog, war die, daß er, der als Landesherr Friede und Recht zu sichern hatte, die Ordnung der Dinge selbst in die Hand nehmen mußte. Die von ihm im Herbst 1526 einberufene "Homberger Synode" [Dokument 20], eine Versammlung von Vertretern der hessischen Landstände und der Geistlichkeit, legte die Grundzüge der neuen Kirchen- und Sozialordnung fest. Armen- und Krankenfürsorge sowie das gesamte Bildungswesen, bisher Aufgaben der Kirche, wurden jetzt Aufgaben des Staates. Die Einrichtung von Armenkasten in den Städten und Dörfern und von Landeshospitälern (Haina, Merxhausen) in aufgegebenen Klöstern [Dokument 10, 11] entsprach dieser neuen Verpflichtung ebenso wie die Gründung der Universität Marburg, die die Ausbildung des Beamten- und Pfarrerstandes im neuen Geiste übernehmen sollte und für die großzügige Stipendien ausgesetzt wurden [Dokument 18, 19, 20, 21, 22, 23].
Zur Finanzierung der neuen Einrichtungen wurde das Vermögen der aufgelösten Klöster verwendet; ihre Einkünfte flossen hinfort in die landesherrlichen Kassen. Die Mönche und Nonnen sollten mit einer Rente abgefunden werden [Dokument 12, 13]. Man nahm an, daß die meisten von ihnen ohnehin ihre Klöster verlassen würden. Aber es zeigte sich doch, daß dies nicht überall der Fall war und daß es oft zu unschönen Begleitumständen und zu sozialen Härten kam [Dokument 14, 15].
Die angestrebte konfessionelle Geschlossenheit des Territoriums wurde nicht nur durch die Reste der katholischen Kirchlichkeit, sondern auch durch immer noch vorhandene reformatorische Nebenströmungen wie die der Täufer in Frage gestellt [Dokument 16]. Für die Freiheit ihres Bekenntnisses war in dem christlich-protestantischen Obrigkeitsstaat kein Platz. Gleichwohl wurden sie in Hessen toleriert, wenn sie auf öffentliche oder heimliche Gemeindebildung verzichteten, und nicht wie in Kursachsen, dem Lande Luthers, mit der Todesstrafe bedroht. Die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Hessen fand einen gewissen Abschluß mit der Ziegenhainer Kirchenordnung 1539. Hier wurde die Stellung der Pfarrer, der Laienvertretung und der Gemeinden geregelt und zum ersten Male in einer deutschen Landeskirche die Konfirmation eingeführt, die als Konzession an die Auffassungen der Täufer verstanden wurde [Dokument 17].
Bei aller Festigung des landesherrlichen Kirchenregiments im Innern blieb doch dessen Bedrohung von außen, durch Kaiser und Reich, bestehen. Das Wormser Edikt (1521) hatte Luther und alle seine Anhänger in die Acht erklärt. Der Reichstag zu Speyer (1529) hatte die Befolgung des Wormser Edikts erneut eingeschärft und jede kirchliche Neuerung verboten. Dagegen protestierte Landgraf Philipp als Führer einer kleinen Ständegruppe im Reichstag, der "Protestanten", wie sie hinfort genannt wurden. Hessen, ein kleiner deutscher Mittelstaat, wäre allein nie in der Lage gewesen, dem mächtigen Kaiser Karl V. zu trotzen. So war es das dauernde Bestreben des Landgrafen, Alliierte für ein Verteidigungsbündnis gegen Kaiser und Papst zu gewinnen. Luther selbst hat sich solchen Versuchen, in denen er eine Umwandlung seines theologischen Anliegens in ein Instrument der Politik befürchtete, von Anfang an widersetzt. Als Landgraf Philipp im Marburger Religionsgespräch (1529) eine Einigung zwischen Luther und Zwingli, der mit seinen Anhängern längst zum bewaffneten Widerstand entschlossen war, herbeiführen wollte, um eine Einheitsfront gegen die katholische Kirche aufzubauen, hat Luther die Gespräche an der Abendmahlsfrage scheitern lassen [Dokument 24, 25, 26, 27, 28].
Auf dem Felde der praktischen Politik war jedoch die grundsätzliche Frage die, ob sich ein Christ mit Waffengewalt seiner Obrigkeit widersetzen dürfe. Luther hat sie zunächst eindeutig verneint und den unbedingten, auch leidenden Gehorsam gefordert. Erst nach dem Augsburger Reichstag (1530), wo die Konfessionsschrift der Evangelischen vom Kaiser und der katholischen Reichstagsmehrheit schroff zurückgewiesen wurde, hat sich diese Haltung - auch unter dem Eindruck der staatsrechtlichen Argumentation des Landgrafen selbst - geändert [Dokument 29, 30]. So konnte im Februar 1531 in Schmalkalden das Verteidigungsbündnis der Protestanten (neben Hessen und Kursachsen drei Fürsten, zwei Grafen und elf Städte) geschlossen werden [Dokument 31].
Fünfzehn Jahre lang konnte der Schmalkaldische Bund die Durchsetzung und Festigung der Reformation in den protestantischen Territorien sichern und ihre Ausbreitung im Reich unterstützen. Die durch die Bigamie des Landgrafen Philipp (1540) verursachte Vertrauenkrise [Dokument 32, 33] hat jedoch die Aktivitäten des Bundes gelähmt und auch weitergewirkt, als 1546 tatsächlich der bewaffnete Konflikt mit Kaiser Karl V. ausbrach [Dokument 34]. Im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 wurden die Protestanten niedergeworfen, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen wurde in offener Feldschlacht gefangengenommen, Landgraf Philipp mußte sich mit der Kapitulation von Halle dem Kaiser unterwerfen [Dokument 35].
Karl V. hat nach seinem militärischen Sieg über den Schmalkaldischen Bund mit dem auf dem Reichstag zu Augsburg 1548 verkündeten "Interim", der "einstweiligen" Regelung der Kirchenfrage, auch die Rekatholisierung der besiegten Länder angestrebt. Obwohl der gefangene Landgraf die Annahme des Interims empfahl, haben sich Pfarrerstand und Volk in Hessen der Wiederherstellung des alten Kirchenwesens widersetzt [Dokument 36, 37].
Der kirchliche und politische Schwebezustand wurde beendet, als die protestantische Fürstenopposition unter der Führung von Kursachsen und Hessen 1552 erneuert zu den Waffen griff und nach einem schnellen Sieg über den Habsburger im Passauer Vertrag (1552) die Zulassung der Augsburger Konfession als reichsrechtlich anerkanntes Bekenntnis erzwang. Dieses Ergebnis wurde auf dem Reichstag zu Augsburg 1555 als "Augsburger Religionsfriede" sanktioniert [Dokument 38].
Damit war die große Epoche der Reformation in Deutschland abgeschlossen. Der Augsburger Religionsfriede hat wenigstens für die nächsten Generationen einen Glaubenskrieg, wie er in Westeuropa, in den Hugenottenkriegen Frankreichs und im Aufstand der Niederlande, schon wenige Jahre später ausbrach, im Reiche verhindert und auf Dauer das politische Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Konfessionen in einem wenn auch nur locker gefügten Staatsverband ermöglicht. Den konfessionellen Frieden im eigentlichen Sinne hat er trotzdem nicht bringen können.
Die durch das Konzil zu Trient (1545-1563) neu erstarkte katholische Kirche hat bald darauf mit der Gegenreformation eine geistige und geistliche Offensive gegen die Protestanten eingeleitet, vor allem durch die Schulgründungen des Jesuitenordens, und auf protestantischer Seite trat dem alten lutherischen Bekenntnis in einer sogenannten "Zweiten Reformation" eine Konkurrenz in dem von Westeuropa eindringenden Calvinismus entgegen, der auch unter den deutschen Fürsten, darunter Kurpfalz und Hessen, Anhänger fand. Die sich von Jahr zu Jahr steigernden Polemiken zwischen den drei Konfessionen im Reich, Katholiken, Lutheranern und Calvinisten, haben nicht unwesentlich zu der Katastrophe des 1618 ausgebrochenen Krieges, der zum Dreißigjährigen Kriege wurde, beigetragen. Gleichwohl ist der Augsburger Religionsfriede, der im Westfälischen Frieden 1648 bestätigt wurde, die Grundlage der künftigen Entwicklung geblieben. Bis in die Gegenwart hat er die konfessionelle Landkarte Deutschlands und die kulturelle Prägung der deutschen Länder bestimmt.
Die Visitation des Klosters Haina vor der Reformation, um 1508
[Bruder Gerhard, Prior des Klosters Altenberg, erteilt als Visitations-Beauftragter des Abts in Altenberg, dem das Kloster Haina unterstellt war, sämtlichen Ordensangehörigen des Klosters Haina folgende Weisungen:]
2. Bestraft wird mit 3 Tagen Wasser und Brot oder schwereren Strafen nach Ermessen von Abt und Prior, wer Laien ohne ausdrückliche Genehmigung des jeweils Vorsitzenden zur Konventsmensa oder anderen Versammlungsorten der Brüder mitbringt oder gar in den Schlafsaal führt.
3. Brüder, die wegen Verstößen im Kapitel oder sonst durch Prior, Subprior oder andere Vorgesetzte gemaßregelt werden, dürfen sich bei Strafe schwerer Schuld und Karzer nicht dagegen empören, sondern müssen die Buße widerspruchslos hinnehmen und notfalls durch Nachweis ihrer Unschuld Gnade erwirken. [...]
5. Der Abt soll Brüdern die Erlaubnis zum Verlassen des Klosters nur bei dringender Notwendigkeit oder Nutzen für das Kloster erteilen; wer unbegründete Anträge stellt, soll 3 Tage lang im Kapitel gegeißelt werden und bei Wasser und Brot fasten, dazu 1 Jahr lang keine Erlaubnis erhalten.
6. Bei Vermögensstrafe wird verboten, Getränke, insbesondere Wein und Bier, von auswärtigen Orten und Städten ins Kloster bringen zu lassen, wie dies bei einigen mit schwerem öffentlichem Ärgernis festgestellt worden ist; alle sollen mit den im Konvent gereichten Getränken zufrieden sein; wer Gelage veranstaltet, wissentlich von derartigen Getränken trinkt oder an Geselligkeit mit solchen Getränken teilnimmt, verfällt ebenfalls der Vermögensstrafe. Wenn Abt, Prior und Subprior bei der Bestrafung der Verstöße nachlässig befunden werden, haben sie bei der nächsten Visitation des Vaterabts schweren Tadel und Strafe zu erwarten.
Aus den lateinischen Ablaßinstruktionen des Erzbischofs Albrecht von Mainz mit Festlegung der Tarife, 1517
[...] Vor allem müssen die Ablaßkäufer und Beichtväter, nachdem sie den Beichtenden die Größe dieser vollkommenen Nachlassung und ihrer Wirkungen erklärt haben, sie fragen, für wieviel Beitrag, Geld oder andere zeitliche Güter sie nach ihrem Gewissen die genannte vollkommene Nachlassung mit ihren Wirkungen nötig zu haben meinen. Dies darum, damit sie darauf die Leute um so leichter zum Zahlen bewegen können. Und da die Zustände der Menschen allzu mannigfaltig und verschieden sind, daß wir sie nicht erwägen und so bestimmte Taxen auferlegen können, so schien uns, daß solche Taxen im allgemeinen folgenderweise unterschieden werden können:
Die Könige und Königinnen sowie ihre Kinder, die Erzbischöfe und Bischöfe sowie andere große Fürsten, die sich in die Orte begeben, in denen das Kreuz aufgestellt ist, oder sonst dort befinden, sollen mindestens 25 rheinische Goldgulden bezahlen. Die Äbte und großen Prälaten der Kardinalkirchen, Grafen, Barone und andere mächtige Edelleute und ihre Frauen sollen jeweils 10 Goldgulden zahlen. Andere Prälaten und kleinere Edelleute, wie auch die Rektoren berühmter Orte, und alle anderen, die, sei es von beständigen Einkünften, sei es von Kaufhandel, durchschnittlich im Jahr 500 Goldgulden Einkommen haben, sollen 6 rheinische Goldgulden zahlen. Andere Bürger und Kaufleute, die durchschnittlich 200 Goldgulden einnehmen, sollen 3 rheinische Goldgulden zahlen. Andere Bürger, Kauf- und Handwerksleute, die eigene Einkünfte und Familie haben, sollen einen Gulden zahlen, andere kleinere Leute einen halben Gulden.
Ein Lied und ein Gegenlied auf Landgraf Philipp von Hessen
[Die drei ersten Strophen des zehnstrophigen Liedes auf Landgraf Philipp lauten:]
Landtgraff Philips von Hesse / Ein hochgeborner Fürst / Du hast vil Stett und Feste / Darnach die Graven dürst / Darzu vil voller Kasten / In deinem Fürstenthum / Darnach die Graven tasten / Bringt i[h]n ein kleinen Frum / Sanct Elsbeth helt den Thum.Ein hochgeborner Fürste / bist[d]u in teuschen Landt / Vill Adels wol geterste / Der leit so nach der Handt / Drum bist[d]u onerschrocken / und greiffst es dappfer an / schlechst du dan uff ein Glocken / Du finst manch tausent Man / Gerüst im Felde stan.
Ir Graven last euch sagen / seht euch gar eben vor / wert uns nitt all erschlagen / Wir fallen euch ins Hor / Ir wölt mit Fürsten kriegen / das stet euch ubel an / Die Hessen wern nit flihen / Sie wölen mitt Freyd daran / Do habt kein Zweiffel an. [...]
[Das Gegenlied "was antwurt ich dir geben wil", das auf der nächsten Seite abgebildet ist, hat neun Strophen. Die ersten drei werden im folgenden transkribiert:]
Eyn reysig Knecht vermessen / sich underwunden hat / Vom Lantgraven in Hessen zu singen grosse That. / Wie er vil Stett un[d] Lande / in seinem Fürstentum hab / Die Kasten vol Provande / das mag als neme[n] ab.
Wo man nit thut betrachte[n] / merck Fürst so hochgeborn / Das End / un[d] wil verachte[n] / all Welt so wirt verlorn / Ein Spil das man meynt habe[n] / In gar gewisser Hant / So thut es fürter traben / eim andern wirts bekant.
Also magt auch geschehen / dem Land zu Hessen balt / Niemants meyn sie ansehen / Wöln also mit Gewalt / All Graven un[d] auch Edeln / Itz bochen gar und gantz / Man wirts in anders Zedeln / und pfeiffen uff zu Dantz. [...]
Das hab ich dir gesungen / bin Hans von Schore g[e]nandt.[...]
Aus dem Gutachten über Georg Witzel vom 5. November 1538
Durchlauchter, hochgeborner Fürst, gnädiger Herr. Nachdem E.F.G. von mir begehren, daß ich E.G. wohl zu erkennen geben, wie sich Jorge Witzel im Leben, Lehren, Wandel und Wesen gehalten und in was für Artikeln er irrte, darauf gebe ich E.F.G. diesen Bericht:
Zu Vacha etliche Jahre vor dem Aufruhr [dem Bauernkrieg] hab ich Jorge Witzel erstlich kennengelernt, da ist er ein Vicarius oder Meßpfaffe gewesen, hielt sich (wie der Papisten Gewohnheit war) zu bösen, gemeinen Weibern; etliche bezahlten sich selbst, nahmen ihm die Kleider und gingen damit davon.
Da aber Doctor Martinus Luther anfing zu schreiben und zu predigen, gefiel ihm das Wort der Gnaden Christi sehr wohl, und er wurde ein großer Eiferer, half und riet mit allem Fleiß, die Lehre Christi auszubreiten, die Menschenlehre und Papisterei zu zerstören; er half und riet, daß Manns- und Weibspersonen das Klosterleben verließen und sich in ehelichen Stand begaben; er schrieb auch viele Briefe an die Mönche und Nonnen in den Klöstern, wo er Bekanntschaft hatte [...].
Also verließ Jorge Witzel sein Vicariat gegen den Willen seines Vaters, und Doctor Straus machte ihn zum Prediger zu Wenigenlupenitz und gab ihm eins Bürgers Tochter aus Eisenach, ein feines, frommes Kind. [...]
Jorge W. war immer noch ein großer Eiferer und den papistischen Zeremonien Feind, hätte alles gerne beseitigt, dabei eiferte er auch hart um ein gutes, christliches Leben und strafte die öffentliche Sünde und Laster hart. [...]
Als auch Thomas Müntzer zu Mühlhausen seine Schwärmerei anfing, gefiel uns das beiden nicht, sondern (ohne Ruhm zu reden) ich zu Grossenberingen und Jorge Witzel zu Wenigenlupenitz warnten unser Pfarrkinder vor seiner Lehre. [...] Da war uns Müntzer feind, schalt uns Suppenprediger, geile Weichenfresser, der Fürsten Heuchler und, als er auszog, vergaß er uns nicht und drohte, uns beiden die Köpfe abzuschlagen. [...] Wie aber Witzel in dem Aufruhr durchgehalten hat, weiß ich nicht eigentlich. Ich glaube aber, daß er durch falsche Zungen sehr verlogen und verunglimpft worden ist, daß etliche ihn lieber tot als lebendig gesehen hätten, aber er entlief, und Gott half ihm davonzukommen.
Von der Zeit an ist Jorge Witzel der Wittenbergische Lehre, des Lebens und Wandels höchster Feind, denn er spricht, der Luther habe ihm solches zugeschickt. Weil er sich aber gerne gerächt hätte [...], so wandte er sich gen Vacha in sein Vaterland. Zu Vacha schrieb er an jedermann Briefe, sang und sagte vom Luther und hätte ihm jedermann gerne zu Feinde gemacht, hielt sich wieder zu den Papisten, sagte, ihre Dinge seien nicht so böse, wie es Luther mache; er schrieb auch dabei Bücher, aber niemand wollte sie drucken; und soviel er zuvor geeifert hatte um das Evangelium und Luthers Lehre, so hart und noch mehr eiferte er nun dawider mit Reden, Schreiben, Lästern. [...] Ich weiß aber nicht, ob ihm der Amtmann das Land verboten hat oder wie er sonst hinwegkam und ein Nest bei dem Grafen Mansfeld gefunden hat, wo er noch ist. [...]
Die zwölf Artikel der Bauern
[Die zwölf Bauernartikel beginnen wie eine Predigt mit dem Gruß: Dem christlichen Leser Frieden und Gnade Gottes durch Christum. Dann wendet sich die Einleitung gegen die Widerchristen und ihre Meinung, daß die Bauern auf Grund des neuen Evangeliums zu Aufruhr und Gewalttaten aufrufen. Die Bauern wollten keinen Aufruhr, sondern nur die Verwirklichung der Lehren des Evangeliums: Liebe / Fride / Geduldt / unnd Ainigkaiten. Wie Gott einst die Kinder Israel aus der Hand Pharaos befreit habe, so werde er auch die Bauern erhören und erretten.]
Die Grundtlichen und rechten haubt Artickell / aller Bawrschafft unnd Hyndersessenn der Geistlichen unnd Weltlichen Oberkeyten / von welchen sie sich beschwert vermeynen.| Artikel 1: | Jede Gemeinde soll das Recht haben, ihren Pfarrer selbst zu wählen und abzusetzen. Die Pfarrer sollen das Evangelium lauter und klar predigen, one allen menschlichen zusatz. |
| Artikel 2: | Die Bauern sind bereit, den Kornzehnten weiter zu entrichten; er soll für den Lebensunterhalt des Pfarrers und für die Armen verwandt werden. Der kleine Zehnt soll beseitigt werden. |
| Artikel 3: | Die Leibeigenschaft soll aufgehoben werden; die Bauern werden dann gern gegen unser erwelten und gesetzten oberkayt [...] gehorsam sein. |
| Artikel 4: | Die Bauern verlangen die Freigabe von Jagd und Fischfang. |
| Artikel 5: | Es soll wieder Gemeindewald bestimmt werden, aus dem sie Brenn- und Zimmerholz erhalten. |
| Artikel 6: | Die Dienstleistungen sind auf ein erträgliches Maß, wie unser Eltern gedient haben, zurückzuführen. |
| Artikel 7: | Zusätzliche Dienste sollen umb eynen zymlichen pfenning bezahlt werden. |
| Artikel 8: | Die Entrichtung der Abgaben soll neu geregelt werden. |
| Artikel 9: | Bestrafung soll nicht mehr willkürlich, nach gunst, sondern nach dem Gesetz erfolgen. |
| Artikel 10: | Gemeindeland, das zu Unrecht in privaten Besitz genommen worden ist, soll zurückgegeben werden. |
| Artikel 11: | Bei Todesfällen sollen keine Abgaben mehr bezahlt werden, und es soll nicht gestattet werden, daß man witwen, waisen also schentlich berauben sol. |
| Artikel 12: | Die Bauern sind bereit, jeden ihrer Artikel fallen zu lassen, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, daß er mit der Heiligen Schrift nicht in Einklang steht. Der frid Christi sey mit unns allen. |
Die Schlacht fur Franckenhausen, dorinnen uber Funfftausent erleget worden.
Als nun dem Landgrafen zu Hessen von dieser Handlung der Bauern je länger je größer und beschwerlicher Botschaft und Bericht von dem Herzog zu Sachsen und anderen zukam, daß sie auch den Grafen von Schwarzburg ihre Stadt Franckenhausen mit Gewalt eingenommen hätten und da umher großen Mutwillen trieben, bedachte er, daß, wenn die Bauern dermaßen überhand nehmen und obsiegen sollten, ihnen später gar schwerlich Widerstand zu leisten sein würde. Er zog deshalb mit Eile nach dem Land Thüringen und kam also zuerst nach Eisenach, da fand er schon etliche sächsische Räte. [...] Ferner zog er nach Langensalza, das Herzog Georg gehörte, da ließ der Amtmann auch etliche hinrichten. Während solcher Reise stieß Herzog Heinrich von Braunschweig unaufgefordert zum Landgrafen mit 250 Reitern und sechshundert Landsknechten.
Da nun Müntzer der Fürsten Ankunft vernahm, lagerte er sich mit seinem Haufen außerhalb der Stadt Frankenhausen, auf einem Berg nahe bei derselben Stadt gelegen, der Hausberg genannt; sein Haufen war bis zu dreizehntausend Mann stark; sie hatten auch etlich grobe Geschütze bei sich. Als aber der Landgraf ins Feld kam, am Sonntag Cantate, so daß Müntzer und sein Anhang eigentlich seine Kriegsrüstung beschauen konnten, waren etliche, die rieten, man sollte am selben Tag noch die Bauern angreifen. Andere widerrieten und meinten, das Volk wäre von der weiten Reise [...] müde, [...] darumb sollte man sich nicht understehen zu schlagen, das Volk wäre denn zuvor mit Speise und Trank wieder erquickt und gestärkt. Diesen ward gefolgt. [...] Als das Müntzer sah, hielt er's für ein Zeichen von Furcht.[...]
Es schickte auch des Abends noch der Landgraf etliche Gesandte zu den Bauern und ließ ihnen sagen, wenn sie sich auf Gnad und Ungnad ergeben und die Hauptleute ausliefern wollten, wolle er sich für sie bei ihren Oberherren verwenden, daß ihnen Gnade widerfahren solle. [...] Worauf diese Antwort gegeben wurde: [...] Sie würden Jesum Christum als ihren Seligmacher bekennen, wenn die Fürsten und die ihren auch neben ihnen bekennen wollten, so hätten sie es gerne, wollten sie das aber nicht tun, so müßten sie es gewärtig sein, was ihnen darüber beiderseits widerführe. [...]
Auf den Montag nach Cantate brach man auf und zog wieder nach den Bauern. [...] Da ward abermals ein junger Edelmann an die Versammlung der Bauern abgefertigt, sie zu verwarnen, daß sie die Hauptleute übergäben, ihr Leben erretteten, damit nicht soviel Blut vergossen würde. Diesen Edelknaben sollen die Bauern entleibt haben, was den Adel sehr verdroß, so daß darnach bei ihnen kein Gnade mehr zu spüren wae. Als nun der Langraf seine Schlachtordnung zurichten ließ, das Geschütze auffuhr, ist etlichen unter den Bauern das Herz entfallen und haben sich hinten vom Berge, darauf sie lagen, hinweg gemacht; die übrigen, die standen, sind blieben. Darauf hat Müntzer sie getröstet, sie sollten nur ohne Sorge und Furcht sein, alle die Kugeln, so ihre Feinde gegen sie schießen würden, wolle er in einem Ärmel sammeln, in Summa, sie würden ihnen keinen Schaden tun, sondern einer von ihnen würde mit einem Filzhut zehn von ihnen umwerfen. Und weil des Morgens ein Regenbogen erschien und die Sonne mit eitlem Blut aufging, sprach Müntzer, das wären gewisse Gottes Zeichen, daß sie den Sieg behalten sollten, er ermahnte sie deswegen, nur getrost und herzhaft zu sein und sich fröhlich der Gegenwehr zu stellen. [...]
Wigand Lauze informiert seine Leser über die Kastenordnung und die Aufhebung der Klöster in Jahre 1527.
Der Gotteskasten
Es ist auch im selben Jahr die Ordnung mit dem Kasten vorgenommen worden, darin aller Zünfte und Gilden Zinsen und Renten gelegt werden, von welchen man den Hausarmen, Kranken und noch zu erziehenden Kindern, nach eines jeden Notdurft, Krankheit und Armut alle Wochen zweimal Brot, Geld und andere Handreichungen gibt, so daß auch eine jede Stadt ihre Armen selbst ernähren und erhalten muß und den fremden, unbekannten Bettlern nicht gestattet wird, vor den Kirchen zu sitzen oder öffentlich auf den Gassen von Haus zu Haus umher betteln zu gehen.
Klostergelübde aufgehoben
Die nun solches mit Erlaubnis ihrer Obrigkeit getan, denen ist gegen ihre Verzichtsbriefe nach dem Vermögen und dem jährlichen Einkommen eines jeden Klosters eine ziemliche Abfindung geschehen. Den Alten hat man etlich Jahre Geld und jährliche Fruchtzinsen ihr Leben lang verschrieben und zugestanden, damit sie ihren christlichen Ehestand desto besser vollführen könnten. Die aber im Kloster haben bleiben wollen als Äbte, mit denen hat sich der Landesfürst auch gütlich um ihren Unterhalt verglichen. Etliche sind auch ohne alle Abfertigung in andere Klöster gezogen.
Da durch das Predigtamt des Heiligen Evangeliums die Götzendienste gestraft wurden, [...] hat die weltliche Obrigkeit allenthalben im Hessenlande geboten, die Bilder, zu welchen die Leute liefen und die sie um Hilfe anriefen, ganz und gar hinwegzutun. Denn die Prediger haben der Obrigkeit folgendes vorgehalten, nämlich da sie schuldig sei, alle Gotteslästerer und Zauberer zu strafen, und Macht hätte, alles auszurotten, womit Zauberer und Lästerer umgingen, ebenso sei sie auch schuldig, [...] alle Götzen, bei denen der gemeine Mann Hilfe und Trost suche und also damit öffentlich Abgötterei triebe, abzuschaffen. [...]
Verzeichnis der bei der vom Landgrafen Philipp von Hessen angeordneten Inventarlisten im Kloster Caldern vorgefundenen Kleinodien und geistlichen Gewänder:
| 1 Kelch haben die Nonnen bei sich behalten 1 Kelch in den Kasten getan 1 rote Camelot [Kasel] 1 schwarze Camelot 2 braune Camelot | 1 rote Samtkasel 1 alte verbrauchte schwarze Kasel 1 braune Samtkasel 1 grüne Ablaßkasel |
4 post Exaudi [5. Juni 1527]
Register der abgefertigten Klosterpersonen, Caldern
Gerdruth Stermde, Äbtissin aussem Stift Köln, hat nichts ins Kloster bracht und über dreißig Jahr darin gewesen. Bittet, sie darin zu lassen oder aber bittet, meynen Gnädigen Herrn underthäniglichen, sie ihr Leben lang zu versorgen und stellt solches zu meynem Gnädigen Herrn, [Vorschlag:] ein Haus zu Marburg, dem Kloster zuständig, [ihr zu überlassen], darzu [...] acht Malter Frucht ihr Leben lang.
Agnes und Anna Doringen bitten, sie im Kloster zu lassen, wenn solches aber nicht geschehen mag, bitten sie, sich mit ihren Verwandten zu bedenken; man soll ihnen 11 Maltern halb Roggen halb Hafer Marburger Maß aus des Klosters Gefälle geben, wiedereinlösbar für 200 Gulden.
Katharina von Ense bittet, sie im Kloster zu lassen, wenn es aber nicht möglich ist, bittet sie, sich mit ihren Freunden [Verwandten] zu bedenken. Man soll ihr 5 Malter halb Roggen halb Hafer Marburger Maßes aus dem Klostergefälle geben, wiedereinlösbar für 100 Gulden.
Katharina Gumpel von Biedenkopf hat etwa 200 Gulden ins Kloster gebracht und ist ein alte schwache Person, sie bittet, sie im Kloster zu lassen. Jahresrente von 10 Malter halb Roggen halb Hafer, wiedereinlösbar für 200 Gulden.
Anna von Trohe, hat 50 Gulden ins Kloster gebracht, und ist 30 Jahre darin gewesen, sie bittet, darin bleiben zu dürfen, wenn es aber nicht möglich ist, bittet sie, sich mit ihren Verwandten zu bedenken. Jahresrente von 5 Malter halb Roggen halb Hafer Marburger Maßes aus dem Klostergefälle, wiedereinlösbar für 100 Gulden. [...]
Katharina Sommer von Frankenberg, die nichts in das Kloster eingebracht hat, bittet, nachdem sie darin viel gearbeitet hat, sie im Kloster zu belassen. Vorschlag: Jahresrente von 2 Maltern halb Roggen halb Hafer Marburger Maßes. [...]
[begonnen am 3. September 1527]
Das Formular eines Verzichtsbriefes
Ich N.N., ehmals Ordensperson zu ......, tue kund hiermit für mich und meine Erben und [...] bekenne öffentlich: Nachdem aus Gnaden des allmächtigen, ewigen Gottes sein heiliges wahres Evangelium wiederum zu Tage gekommen ist, ich aus Verleihung seiner göttlichen Gnade zu meiner selbst Bedenken kommen bin und in mir nicht anders, denn was der vermeinten ungöttlichen Geistlichkeit zu dem heiligen Evangelium und der schuldpflichtigen gemeinen, christlichen Liebe zuwider gewesen ist, gefunden habe, daraus so viel mir anders Christ zu sein und christlichem Leben gemäß zu leben gebühret und beliebt hat, ich denselben vermeinten Stand zu verlassen und mich in ein ehrbares, gottseliges Leben zu begeben verursacht worden bin, daß demnach ich den durchlauchtigsten, hochgebornen Fürsten und Herrn Philipp Landgrafen zu Hessen etc. untertänig ersucht und gebeten habe, mich gnädiglich aus den bemeldeten Klostergütern und -gefällen [...] zu bedenken. [...]
[Nachdem ein Mönch oder eine Nonne diesen oder einen ähnlich lautenden Verzichtsbrief unterschrieben hatte, erhielt der oder die Betreffende eine Verschreibung:]
Nachdem der N.N. aus ehrbarlichem Bedenken und eignem christlichen Bewegnis den Stand der vermeinten Geistlichen zu verlassen und sich in ein ehrbar geselliges und gemeinsam christliches Leben zu begeben verursacht worden ist, daß wir demnach als der Landesfürst zu Widerlegung und Vergeltung desjenigen, so er mit ins Kloster gebracht hat, auf daß er sich desto besser mit Ehren erhalten möge, aus christlichen Bedenken - auf Wiederkauf verschrieben und ihm damit laut seines Verzichts abgelegt haben[hier folgt jeweils die ausgehandelte Abfindung.]
Die Prediger Erhard Schnepf, Hartmann Ibach, Rosenweber und Adam Krafft teilen dem Landgrafen ihre Bedenken mit.
E.F.G. haben den Räten zu Marburg einen Befehl überschickt, das Heiligtum [die Gebeine der hl. Elisabeth] zu begraben. Diese haben unseren Rat erbeten. Wir haben uns untereinander beraten und bedacht, daß E.F.G. Vornehmen als eine christliche und gute [Tat] keineswegs zu hindern sei, daß es aber doch vonnöten ist, so zu handeln, daß man das, was Recht ist, auch recht ausrichtet.
Nun hören wir mit Schmerzen, daß ausländische Spötter, unsers christlichen Vorhabens Widersacher, großen Spott treiben sollen mit E.F.G. und leider, wie wir auf der Kanzlei gehört haben, auch etwas mit Wahrheit. Nämlich [heißt es], daß E.F.G. die Klosterjungfrauen in Hessen mit solchem Jammer und in Armut verjagen soll, daß sie zu Mainz und anderswo im Frauenhaus und bei Pfaffen ihr Brot suchen müssen [...], als würde auf E.F.G. Seiten nicht Gott, Gottes Ehre, der Seelen Heil gesucht, sondern nur zum Deckel des Geizes unchristlicher Weise mißbraucht. [...] Nun glaube ich [Adam Krafft], daß E.F.G. dieses schändliche Ärgernis unbewußt ist, daß es so im Finstern schleiche und schmeisse, deshalben ist es vonnöten, nicht länger zu schweigen, sondern zu rufen: Not ist! Not! necessitas zwingt uns, Treue, Schuld, Pflicht und Lieb treiben uns, solches anzuzeigen. [...] So ist nun deshalb unser aller [...] Bitte [...], E.F.G. wollen sich ein wenig Zeit nehmen, einen Monat weniger oder mehr, die Sachen zu bedenken, sich mit so viel Vögten, Klosterleuten und dergleichen zu beratschlagen [...], daß E.F.G. bösen Leuten aus dem Maul und von der Zungen käme, welches geschehen mag, [...] wenn man den Vögten sagt, daß sie den Ausgewiesenen gute Frucht und nicht Dreck, fröhlich, nicht mit Fluchen geben und daß die armen Hintersassen nicht über Billigkeit beschwert werden mit Diensten; denn ich höre nicht über E.F.G. Dienst klagen, aber über der Knechte Dienst schreit jedermann. Wenn diese Personen zufriedengestellt, Pfarrherrn versehen und Schulen besoldet werden, muß der Gottlose den Mund halten. Wo aber dieses nicht bedacht und das andere so eilends und geschwind vorgenommen wird, werden wir den Unverständigen neue Ursache geben, mehr und mehr zu lästern, den Verständigen aber entweder öffentlich zu klagen oder heimlich zu seufzen.
Zum Letzten bekennen etliche öffentlich, daß im Deutschen Hause [zu Marburg] nicht wenig Hurerei getrieben werde und die Personen allein darum zu Kommunion gezwungen werden, damit man Messe haben möge. Und derweil wir uns vorgenommen haben, niemanden von des Herrn Tische mit seinem Leib und Blute zu speisen, er habe denn seinen Namen verzeichnen lassen und führe einen christlichen Lebenswandel, so laufen etliche hinab ins Deutsche Haus; deshalb sehen wir es für nötig und gut an, daß E.F.G. nach der Schrift Philipp Melanchthons alle Sakramente in der Pfarrkirche reichen ließe und sonst nirgends und die Messe im Deutschen Haus samt den Gesängen aufhöre, da es nur oben in der Pfarrkirche hindert.
So wären auch die Personen viel geneigter, das Kloster zu verlassen, wenn sie eine ehrliche Abfertigung haben möchten. Die Firmanei ist ein Schlund allen Geldes zu Marburg; da ist man täglich voll. Die Schultheißen in den Dörfern sind Weinschenken, verhandeln alle Streitereien beim Wein. Da versäuft der Arme das Seine so schändlich, daß, wo man nicht wehret, der arme Bauersmann in kurzer Zeit keinen Heller haben wird. Danach wird folgen Stehlen, Morden, Aufruhr. [...] In den Städten liegt man täglich beim Bier, verspielt, versäuft, was Gott gibt; Weib und Kind müssen betteln. Da sollte man Wirt und Gäste strafen; es geschieht aber nichts. Was mag aus diesem Verhalten auf Dauer erfolgen? Denn einen schweren, gewissen Aufruhr werden solche nackten, betrunkenen, verspielten Buben erregen, und solche sagen alles Böse vom Wort Gottes und von der Obrigkeit. [...]
Wenn wir es nicht in treuer Meinung E.F.G. angeben, wollten wir wohl wie andere stillschweigen. Aber es ist keines Frommen, Treuen Art, seines Herrn Schande verschweigen, seinen Schaden nicht warnen. Wir meinen es recht und gut; Gott weiß, wir haben das Unsere getan. Wir sollen E.F.G. vermahnen, E.F.G. greife die Sachen an, Gott wird Hilfe, Gnade, Beistand und Stärke, Kraft und Weisheit verleihen. [...]
Marburg, Donnerstags nach Bonifacii anno [15]29.
Landgräflicher Erlaß gegen die Wiedertäufer, 1528.
Lieben Getreuen, wir vernehmen, daß unsere Untertanen an etlichen Orten sich des Wiedertaufens, auch anderer beschwerlicher Artikel, die wir als die Obrigkeit gar nicht leiden noch dulden können, annehmen, nämlich daß sie in unsere Predigt nicht gehen, sich von unserer christlichen Gemeinde fernhalten, ihre Kinder nicht taufen lassen, dafürhalten und predigen, daß ein Christ keine Obrigkeit haben oder ertragen muß, wollen auch mit uns und unsern Untertanen in Zeiten der Not zu Felde nicht ziehen oder das Vaterland retten und beschirmen helfen. Auch sagen etliche, daß der Aufruhr, den Müntzer und seine Gesellen gemacht haben, gottgewollt gewesen sei und diejenigen, die dieselben gestraft haben, von Gott wiederum gestraft werden sollen [...]. Da wir nun hieraus nicht anders spüren und befinden, als daß aus solcher ihrer Meinung und Sektiererei eine Trennung in unserer christlichen Gemeinde und merklicher Aufruhr und Blutvergießen entstehen würden und daß es besser sei, daß beizeiten darauf geachtet würde; denn so dieser Handel weitläufig würde, dann müßte man mit Gewalt, daraus viel Blutvergießen und Schaden folgen würde, die Ruhe wiederherstellen [...] - so ist deshalb an euch unser ernster Befehl und Meinung:
1. Wenn Ihr in euerm Amt solche Personen, Männer oder Weiber, die die Wiedertaufe und die obgemeldeten Artikel bekennen, vernehmen werdet, daß Ihr sie alsdann vorfordert und durch den Prediger bei euch mit allen Fleiß unterrichten lasset. Wenn sie dann auf ihrem Irrtum beharren und sich mit wahrer Schrift nicht davon weisen lassen wollen, [...] so sollt Ihr denselben [...] ernstlich ansagen und gebieten, alles dasjenige, so sie haben, Haus, Hof, Äcker [...] innerhalb vierzehen Tagen zu ihrem Besten zu verkaufen und zu veräußern und mit Weib und Kindern unter einer andern Herrschaft ihre Wohnung und ihren Aufenthalt zu suchen. [...]
2. Es soll auch den Amtsverwandten ernstlich untersagt werden, sich der Wiedertäufer, ihrer Weiber und Kinder derselben Sekten mit Herberg, Essen und Trinken und anderm Vorschub anzunehmen. [...]
3. Welche sich aber bekehren und wiederum in unsere Gemeinde treten, das Wort Gottes hören und andere christliche [Gebräuche] unserer Gemeinschaft zu Liebe und zu Leide mit uns haben und tragen wollen, die sollt Ihr gütig aufnehmen und ihnen untersagen, daß sie sich hinfort vor Schaden und Nachteil hüten. [...]
Auszug aus der Ziegenhainer Zuchtordnung
[...] Zum Dritten sollen die Ältesten der Kirchen sampt den Dienern des Wortes anrichten und daran sein, daß alle Kinder, wann sie des Alters halben fähig sein mögen, zu den Catechismos[unterricht] geschickt werden, welche Catechismos man auch an jedem Ort wohl auf solche Zeit halten kann, daß ein jeglicher seine Kinder dazu zu schicken unbeschweret sein würde.
Es ist auch die Obrigkeit schuldig, daß sie auch durch ihr Ampt männiglich dazu anhalte, dann so die einen jeden Menschen die seinen in sein Gewalt und Gehorsam verschaffen und darin halten soll, wie viel mehr gebühret sich, ihr zu versehen, daß Christo dem Herrn die, so durch ihn erschaffen und darüber ihm auch in der heiligen Taufe ergeben und eingeleibt sein, durch sie zugeführet und in ihm zu leben auferzogen werden. Es sollen auch die Ältesten und Prediger versehen, daß die Kinder, so nun durch die Catechismos im christlichen Verstande so weit bracht sein, daß man sie billich solle zum Tisch des Herren zulassen, an einem vornehmen Fest, als Ostern, Pfingsten und Weihnachten, vor aller Gemein[de] dem Pfarrherr an dazu verordneten Ort von Eltern und Paten dargestellt werden, um den die Ältesten und alle ander Diener des Worts stehen sollen. Da soll der Pfarrherr dieselbigen Kinder die vornehmsten Stücke des christlichen Glaubens befragen, und nachdem die Kinder darauf geantwortet, sich auch da öffentlich Christo dem Herrn und seiner Kirchen ergeben haben, soll der Pfarrherr die Gemein[de] vermahnen, den Herrn diesen Kindern umb Beständigkeit und Mehrung des heiligen Geistes zu bitten und solches Gebet mit einer Kollekte beschließen. Dem allem nach soll dann der Pfarrherr denselbigen Kindern die Hände auflegen und sie also im Namen des Herrn konfirmieren und zu christlicher Gemeinschaft bestätigen, auch darauf zum Tisch des Herrn gehen heißen, mit angehängter Vermahnung, sich im Gehorsam des Evangelii treulich zu halten und christliche Zucht und Strafe von allen und jeden Christen, vornehmlich aber von den Seelsorgern, alle Zeit gutwillig aufzunehmen und derselbigen gehorsamen Folge zu tun.
Karte der Landgrafschaft Hessen.
Reformation der Kirchen Hessens
auf den Grund des Wortes Gottes als der sichersten Richtschnur
angeordnet auf der Hochwürdigen durch den Gnädigsten Fürsten der Hessen, Philipp, unter eigener Beteiligung des Durchlauchtigen Fürsten am 20. Oktober 1526 zu Homberg abgehaltenen Synode.
Die Hessische im Namen des Herrn zu Homberg versammelte Synode wünscht Allen und Jeden, die Christi Namen anrufen, wenn Gegenwärtiges zu ihnen gelangt, Frieden und Gnade von Gott, unserm Vater, und unserem Herrn Jesus Christus.
1. Gespriesen sei Gott, unser Herr, der, nach so langer Finsternis unserer sich erbarmend, seiner ewigen Wahrheit Licht gesandt und Christum, den Trug-Geister und die Lehren vom Teufel besessener Menschen verdunkelt hatten, und aufs Neue kund gemacht hat. [...] Im Vertrauen auf diesen Namen haben wir beschlossen, mit gänzlicher Hintansetzung der gottlosen Überlieferung der Menschen zu leben und uns leiten zu lassen von seinem Wort, welches aller Gläubigen einzige und dabei sichere Richtschnur zum Heile ist.
2. Wir waren im Irrtum und irreten vordem gleich Blinden vom Wege der Wahrheit und des Heiles ab, wir wanderten auf des Irrtums und Verderbens Pfade; nun, durch Gottes Erbarmen erleuchtet, freuen wir uns, auf den Pfad, den wir verlassen hatten, in solcher Weise zurückgekehrt zu sein, daß wir wünschen müssen Alle insgesamt auf ihn herüberzuziehen und zu leiten, und sie so für denselben zu gewinnen, daß sie nimmer von ihm weichen.
3. Aus diesem Grunde haben wir für sämtliche Gemeinden unseres Hessenlandes [...] dasjenige schriftlich zusammengefaßt, was wir als den Gemeinden selbst von Nutzen erkannt haben, und was wir vor Gott und dem Kaiser aus Gottes Wort zu verantworten bereit sind, gemäß dem Abschiede des jüngst zu Speyer gehaltenen Reichstages.
[...]
Kap. 29
Vom Universitätsstudium zu Marburg.
164. Da es Gott gefallen hat, das Herz unseres Fürsten, jetzt wo das Evangelium in seiner Herrlichkeit leuchtet, für Einrichtung eines Universitätsstudiums zu Marburg zu stimmen und dies auch höchst nötig ist zur Vermehrung der Zahl derer in unseren Gemeinden, die ihnen im Gottes Wort auf eine gelehrte Weise vorstehen und das Rechte anraten können, so untersagen wir, kraft Gottes, auf der Universität etwas zu lesen, was der Förderung des Gottesreiches hinderlich sein könnte.
165. Angestellt bei ihr sollen erstens solche werden, die sich zur heiligen Schrift bekennen, und zwar ganz rein, sonst sollen sie abgesetzt werden. Ferner solche, welche Vorträge über das bürgerliche Recht halten, und zwar so, daß alle gottlosen Beschränkungen aus Gottes Wort beseitigt werden und "was mit Gottes Wort nicht übereinstimmt" aus diesem berichtigt wird. Deshalb sollen Rechtsgelehrte berufen werden, die, gelehrt und fromm zugleich, nach Gottes Wort alle Lehren bemessen. Sollte einer von ihnen etwas im Widerspruch mit Gottes Wort behaupten, so soll er aus Dienst und Gemeinschaft entlassen werden. Drittens soll wenigstens ein Professor der Medizin bestellt werden, der gelehrt und fromm zugleich ist. Viertens sollen Vorträge über freie Künste und schöne Wissenschaften gehalten und für alle, vorzüglich die mathematischen, als sicherster Maßstab das Wort Gottes gelten. Fünftens sollen Lehrer der Sprachen als Professoren bestellt werden.
166. Weiter verbieten wir das Halten von Vorlesungen über jenes mit Unrecht so genannte kanonische Recht.
167. Wer auf dieser ehrwürdigen Studien-Anstalt etwas im Widerspruch mit Gottes heiligem Worte aufzustellen wagen sollte, der sei verflucht.
Kap. 30
Von der Knaben-Schulen.
168. In allen größeren sowohl als kleinen Städten und in den Dörfern sollen Schulen sein, in welchen die Knaben in den Elementarlehren und im Schreiben solange unterrichtet werden, bis die, welche es wollen, zum Studium in Marburg befähigt, dorthin zur höheren Ausbildung sich begeben.
169. Und wenn hier und da in den Landschulen ein vollständiger Elementarunterricht unmöglich ist, so sollen wenigstens die Bischöfe oder ihre Gehilfen den Unterricht im Lesen und Schreiben erteilen. Die Gemeinden sollen aber nur Taugliche zu diesem Geschäft erwählen, solche, die auch zum Wohlverhalten und zum Fleiß die Knaben anzuhalten vermögen. Dagegen soll auch für ihr völliges Auskommen gesorgt werden, damit sie ungehindert sich diesem Geschäft ganz widmen können, und die Visitatoren und Bischöfe sollen darüber wachen, da nicht wenig, sondern gar viel darauf ankommt, daß die Jugend der Gläubigen auch guten Unterricht erhält.
Durch eine "Stipendiaten-Ordnung" regelte der Landgraf die Finanzierung des Studiums.
Ordnung durch den durchleuchtigen, Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Philipsen, Landgrafen zu Hessen, Grafen zu Catzenelnbogen etc. bedacht am Dienstag nach Invocavit, Anno 1542. Wie es mit den Stipendiaten, so gen Marburg zum Studio gesandt, gehalten werden soll.
Von der Wahl der Stipendiaten, wie die gewählet sollen werden.
1. Wählen sollen an einem jeden Ort der Pfarrer, der Schulmeister, die Ältesten der Kirchen und die zwei Bürgermeister, nämlich der im Amt ist und der das vergangene Jahr regiert hat, und solches bei ihren Pflichten und ihrem Gewissen, damit sie Gott, der Kirchen und der Obrigkeit zugetan sein, des sie auch allemal durch den Pfarrer erinnert werden sollen, nämlich einen Jungen oder eine Mannsperson, der des Alters, der Lehre, der Geschicklichkeit und der Tugend wegen zum Dienst in der Kirche der Allertauglichste und zu solchem Dienst auf förderlichste zu gebrauchen sein wird, indem sie keine Gunsterweisung, keine Fürsprache noch viel weniger ein Geschenk, Geld oder eine Gabe annehmen, weder erwarten noch erhoffen etc.
2. Und wenn man einen Bürger oder Bürgerssohn haben kann, soll man denselbigen nehmen, wenn nicht, soll man einen vom Dorf nehmen, doch möglichst einen Landsmann.
3. Man soll auch in dem Fall nicht darauf sehen, ob der Vater reich oder arm sei, sondern allein vor Augen haben, ob er der Kirchen nütze und ob die Person der Kirche dienlich sei oder nicht.
4. Und welcher also gewählt wird und die Wahl annehmen will, soll die Versicherung geben, wie es verordnet ist. Nämlich unter der Bedingung, daß er, wenn er erwachsen ist, der Kirche diene, wenn er das nicht tun möchte, muß er den halben Betrag des empfangenen Stipendiums wieder zurückgeben, sobald er das vermag. Und solches Geld sollen auch diejenigen, so die Auswahl zu treffen haben, zu einer jeden Zeit, ohne alle Abzüge, wieder eintreiben.
5. Und wenn des Knaben Vatter und Mutter leben, so sollen seine Eltern neben ihm sich dazu verpflichten.
6. Daneben soll auch der Gewählte zu Marburg nach der Ordnung, die dort existiert, examiniert werden und die oben genannten Superintendenten Obacht haben, daß alle andere Vorschriften, die eingerichtet worden sind, streng und genau eingehalten werden.
[...]
9. Und nachdem diese Knaben zum Kirchendienst erwählt werden, soll man daruf sehen, daß sie als Kleriker leben, sich nicht verschwenderisch geben, keine bunten oder "verhackten" Kleider besitzen, auch keine langen Messer tragen, sondern einen züchtigen Lebenswandel führen und sich nicht mit Saufen und anderm unzüchtigen Leben beflecken, sondern recht und ehrlich verhalten.
[...]
11. Sonderlich haben seine fürstliche Gnaden an folgendes gedacht: Wenn ein junger Mann sein Studium beendet hat und ein Pfarrer, Schulmeister und die Ältesten der Kirche befinden, daß er einen guten Verstand und Gelehrsamkeit besitzt und es also nützlich und gut sei, daß er weiter studiere, so sollten sie zusammen mit den zwei oben genannten Bürgermeistern die Macht besitzen, ihm das Stipendium zu verlängern, bis er das Alter erreicht habe, vollkommen gelehrt und verständig sei, um der Kirche zu dienen und die anderen zu überragen.
12. Außerdem soll man das Stipendien-Geld nicht den Stipendiaten, sondern dem jeweiligen Ökonom schicken, unter der Androhung einer Buße für die Übertreter, wenn sie sich anders verhalten und säumig sind. Auch soll der Ökonom dem Stipendiaten solches Geld nur von Zeit zu Zeit geben, auf schriftlichem Antrag des Magisters, nicht so oft, wie es der Stipendist wünscht. Würde aber einer gefunden, der nicht fleißig studierte, dem soll man sein Stipendium entziehen, einen anderen an seine Stelle setzen oder ihn sonst ausschließen nach der Erkenntnis der Professoren zu Marburg.
Philips L[andgrafen] zu Hessen sszt.
Speisezettel für die Stipendiaten auf alle Tage der Woche
Wie sich der probst versprochen, die Stipendiaten zu tractiren uber dem tisch.
Vor allen dingen soll der probst gutt brodt und gar kost den Stipendiaten uber tisch bringen.
Der drank soll auch nitt mitt dem drinken verderbett unnd darumb in Zeitten des Brawens vleissig versucht werden in allen fassen, wie er gestalt sey und soll zu mall nitt mehr alß ein halben gebraw thun.
Waß die wochen uber den Stipendiaten gespeyset werden soll.
Montag
Zu morgen ein suppe, ein essen fleisch, keeß. Abents ein suppen mit eyer, da manß haben kan, eyer, oder dur fleisch, kes oder butter.Dinstag
Ein furgemues, ein gericht fleisch, keß. Abents durchgeschlagen Erbis, oder ein suppe, ein essen fleisch, kes oder butter.Mittwochen
Ein suppe mitt fleisch oder seelgerede [Innereien], und kes. Abents ein furgemues, ein lappen [Bauchfleisch] und keß.Donnerstag
Ein furgemues, ein essen fleisch, kes oder butter. Abents durchgeschlagen erbis, drey stueck fleisch uff einer suppe, gebratens von frischem mitt vorlegenem fleisch.Freytag
Ein stockfisch, bier und brott, oder sunst zugemues, kees oder butter, abents und morgens.Sonabent
Sol gehalten werden gleych den mittwochenSontag
Ein furgemus, drey stueck fleisch uff einer suppen, und gebrattens. Abents ein suppe, gericht fleisch, kes oder butter.Es sall auch zun Zeiten mit gensen, huenern und dergleychen Speiß verenderung geschehen.
Die stuben in Zeitten zuwermen.
Soll auch dieser tisch der Stipendiaten mitt essenspeyß nitt geringert, mag woll besser gehalten werden.
Aus den 15 Marburger Artikeln:
[12. Von der Obrigkeit]
Zum zwölften, daß alle Obrigkeit und weltliche Gesetze, Gerichte und Ordnungen ein rechter, guter Stand sind und nicht verboten, wie einige Papisten und Wiedertäufer lehren und halten, sondern daß ein Christ, der dazu berufen oder geboren ist, sehr wohl durch den Glauben Christi selig weren kann, gleichwie im Vater- und Mutterstand, Stand des Herrn und der Frau etc. [...]
[14. Von der Kindertaufe]
Zum vierzehnten, daß die Kindertaufe recht sei und sie [die Kinder] dadurch in Gottes Gnade und in die Christenheit aufgenommen werden.
[15. Vom Sakrament des Leibes und Blutes Christi]
Zum fünfzehnten glauben und halten wir all von dem Nachtmahl unseres lieben Herrn Jesus Christus, daß man nach der Einsetzung Christi beide Gestalten gebrauchen soll; daß auch die Messe kein Werk ist, mit dem einer für den anderen, tot oder lebendig, Gnade erlange; daß auch das Sakrament des Altars ein Sakrament des wahren Leibes und Blutes jedem Christen vonnöten ist; desgleichen der Gebrauch des Sakramentes wie das Wort vom allmächtigen Gott gegeben und verordnet ist, um damit die schwachen Gewissen durch den heiligen Geist zum Glauben zu bewegen. Da wir uns aber zu dieser Zeit nicht geeinigt haben, ob der wahre Leib und das wahre Blut Christi leiblich in Brot und Wein seien, so soll doch ein Teil dem anderen gegenüber christliche Liebe, sofern eines jeden Gewissen es immer ertragen kann, erzeigen, und beide Teile den allmächtigen Gott fleißig bitten, daß er uns durch seinen Geist das rechte Verständnis bestätigen wolle. Amen
Martinus Luther
Justus Jonas
Philippus Melanchthon
Andreas Osiander
Stephanus Agricola
Johannes Brentius
Johannes Oekolampadius
Huldrychus Zwinglius
Martinus Bucerus
Caspar Hedio
Eines der sieben Gemälde des Historienmalers Peter J. Th. Janssens aus dem Jahre 1903 in der neogotischen Aula der Philipps-Universität hält den "Einzug der Reformatoren" fest.
Aus dem Briefwechsel Martin Luthers mit seiner Ehefrau
Meinen freundlichen lieben Herrn1 Katharina Lutherin, Doctorin, Predigerin zu Wittenberg.
Gnad und Friede in Christo. Lieber Herr Käth!
Wisset, daß unser freundlich Gespräch zu Marburg ein Ende hat, und seind fast in allen Stücken eins, ohne daß die Widerteil wollten eitel Brot im Abendmahl behalten und Christum geistlich darinnen gegenwärtig bekennen. Heute handelt der Landgraf ob wir könnten eins werden, oder doch gleichwohl, so wir uneins blieben, dennoch Brüder und Christus' Glieder unter einander uns halten. Da arbeit der Landgraf heftig. Aber wir wollen des Brüdern und Glieders nicht, friedlich und guts wollen wir wohl. Ich achte, morgen oder übermorgen wollen wir aufbrechen und zu E. Gn. Herrn gen Schl. in Voigtland ziehen, dahin uns S. K. F. Gn. berufen hat.
Sage dem Herrn Pommer, daß die besten Argumente seind gewesen des Zwinglii, daß corpus non potest esse sine loco, ergo Christi corpus non est in pane2, des Oecolampadii: dies Sacramentum est signum corporis Christi3. Ich achte, Gott habe sie verblendet, daß sie nichts haben müssen fürbringen. Ich habe viel zu tun, und der Bott eilet. Sage allen gute Nacht und bittet für uns! Wir seind noch alle frisch und gesund und leben wie die Fürsten. Küßt mir Lensgen und Hänsgen!
Am Tage Francisci, 1529
E. williger Diener
Martinus Luther.
Johann Brenz, Andreas Osiander, Doctor Stephan [Agricola] von Augsburg seind auch kommen.
Sie seind hier toll worden mit Schweißschrecken, gestern haben sich bei fünfzig geleget, deren seind eins oder zwei gestorben.
_______________
1 Luther redet in seinen Briefen seine Frau immer mit "Herr" an.
2 Ein Körper kann nicht ohne Ort existieren, also ist Christi Leib nicht im Brot.
3 Dieses Sakrament ist nur ein Zeichen.
(StAM Best. 180 LA Marburg Nr. 162. Revolutionäre Umtriebe, Volksversammlungen, öffentliche Aufzüge sowie das Vereinswesen betr. von 1854-1871)
Aus dem Briefwechsel des Landgrafen Philipp mit Martin Luther
Lieber Doctor Martinus! Mein Begehr ist nach wie vor, wollt ein Vermahnung an alle Gläubigen tun dies Reichstags halben, und ob Ihr nit gnugsamen Bericht hättet, so schreibt mir, so will ich Euch alle ergangene Handlung zuschicken. Es tut not, die Schwachgläubigen zu trosten und vermahnen.
Ich kann Euch noch, als zu dem ich ein sonderlich gute Meinung habe, unangezeigt nit lassen, daß wohl etlich seind, die vermeinen, so der Kaiser mit seinem Anhang uns, die Oberkeit haben, strafen wollt des Evangeliums halben, und so Sein Maj. des Teufels Lehre wullt widder ufrichten, sollten wir's gestatten und hätten mit nicht dargegen Macht zu wehren.
Nu kann ich mich erinnern, daß Ihr dem Kurfürsten etc. einmal [...] ein Ratschlag stalltet, darin Ihr anzeigt, man sollt nit anfahen, so man aber uns uberziehen wollt, hätt man sich zu wehren. [...] Ist nu hieruf mein Begehr, wollt mir Euer Meinung in diesem Fall anzeigen. Ich kann aber nit unterlassen, Euch, als den, der viel geschafft hat, etlicher Ursachen dieses Falls zu erinnern, uf daß Ihr ihm dester stattlicher nachdenken mogt.
Zum ersten, ist der Fall im neuen Testament nit beschrieben, auch bei der Apostel Zeit, nach meinem Wissen, nit vorhanden gewest, als nämlich, daß ein Oberkeit, die ein Land erblich innhab, den Glauben angenommen und nachmals von einer großen Oberkeit verfolgt.
Zum andern, ist's mit den deutschen Fursten viel ein ander Ding, dann mit den vorzeiten, die schlecht Landpfleger gewest sein und nit Erbherrn. Die wälschen Fursten haben auch soliche Freiheit nit, darzu auch das Herkommen dermaßen nit herbracht, wie wir Deutschen. [...]
Es ist nach weiter offenbar wahr, daß kein Kaiser je in deutschen Landen Macht gehabt hat, einigen Fursten mit Gewalt 1 Gulden anzufordern, und ob er sie schon gefordert hätt, wär es in der Gestalt nit geben worden. So aber ein Kaiser etwas mit Bewilligung gemeiner Stände erlangt, das ist man ihme schuldig zu geben gewest.
Zum dritten ist wahr, daß der Kaiser uns so wohl gelobt und geschworen ist, als wir ihme, und wir seind ihme nit allein geschworen, sondern ihm und dem Reich zugleich. So nu der Kaiser uns nit hält, so hat er sich selbst zu einer gemeiner Person gemacht und kann nit mehr vor ein rechten Kaiser angesehen werden, sondern vor ein Friedbrecher, zuvoran dweil er kein Erbkaiser, sondern ein gewählter Kaiser ist.
Zum vierten, hat der Kaiser uf allen Reichstagen gesagt und us Hispanien geschrieben, er erkenn sich vor kein Richter in diesen zweispältigen Sachen, sondern es gebühr ein Concilio, solch Sach zu ortern und zu vergleichen. Dweil er, der Kaiser, nu selbst solchs bekennt und einmal solchs Richterampt [...] von sich geworfen, wie kann ihm dann nunmals solchs zugelassen werden? zuvoran dweil er so parteisch handelt, daß er Kläger, Richter und Antworter ist, und will wederumb unser Antwort weder sehen, hören noch annehmen, wilchs doch nach heidenischen Rechten zu viel ist. [...]
Dies wollt ich Euch also nach meiner Einfalt angezeigt haben, demnach Euer Vernunft, da Ihr von Gott hochlich begabet, weiter nachzudenken haben, und bitt Euern Rat und Bedenken.
Datum Freitag nach Galli, Anno Dom. XXX. [...]
[= Friedewald, 21.Oktober 1530]
Ein Porträt Landgraf Philipps von Hessen. Holzschnitt von
Hans Brosamer 1534. (nach Lucas Cranach)
Der Schmalkaldische Bundesvertrag, 21. Februar 1531
Nachdem sich die Läufte dieser Zeit hin und wieder gleich sorglich, geschwinde und vorab dergestalt erzeigen, zutragen und anschicken, [...] so will unser höchste Notdurft und schuldiges Amt der Obrigkeit erfordern, ob sich itzo oder künftig zutragen oder begeben würde, daß jemand uns oder unsere Untertanen mit Gewalt oder der Tat von dem Wort Gottes und erkannter Wahrheit zu dringen [...] und also wiederumb zu den abgetanen und veränderten Mißbräuchen zu nötigen unterstünde, solches alles möglichsten Fleißes zu verhüten, damit dann solche Gewalt abgewendet und das Verderben beider, Leib und Seele, unser und unserer Undertanen, verhütet werden möge, so haben wir Gott dem Allmächtigen zu Lobe, zu mehrem Gedeihen und Aufwachsen göttlicher, freien Lehre, zu Erweckung und Förderung eins christlichen, einhelligen Wesens und Friedens dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und aller Ehrbarkeit, dazu insgemein unsern Fürstentümern, Städten und Landschaften zum Gutem, zur Wohlfahrt, Ehre, Nutz und Frommen, allein zu Gegenwehr und rettungsweise, die einem jeden nicht allein von menschlichen, sondern auch von geschriebenen Rechten zugelassen und vergönnt ist, mit- und gegeneinander eines christlichen und freundlichen Verstands [Bündnis] vereinigt. [...] Ob sich dann begebe, daß ein Teil unter uns, wer auch der wäre, um das Wort Gottes, evangelischer Lehr und unsers heiligen Glaubens [...] befehdet und überzogen würde, und derselbige auf uns andere schleunigst, endlich Rechten leiden möchte, daß dann wir alle die anderen, [...] ein jeder seinen höchsten Vermögen nach unerwartet der anderen den Befehdeten oder Vergewaltigten helfen, retten und entschütten, [...] und also den Handel einander getreulich helfen führen, sich auch kein Teil ohne der andern Wissen und Willen in eine Richtung, Vertrag oder Anstand einlassen oder begeben.
Es soll auch dieser unser christlicher Verstand [Bündnis] kaiserlicher Majestät, unserm allergnädigsten Herrn, oder keinem Stand des Heiligen Römischen Reichs oder sonst jemandem zuwider [sein], sondern allein zu Erhaltung christlicher Wahrheit und Friedens im Heiligen Reich und deutscher Nation und zu Entschüttung unbilliger Gewalt für uns und unsere Untertanen und Verwandten allein in Gegenwehr und rettungsweise vorgenommen [werden].
Eine der problematischsten Entscheidungen des Landgrafen war seine Zweitehe mit Margarete von der Saale. Der Briefwechsel läßt ahnen, in welch schwierige Lage Luther gebracht wurde, als die Bigamie im Reich bekannt wurde. Der Landgraf dankt Luther am 5. April 1540 für seinen Ratschlag; die Abbildung zeigt die erste Seite des Konzepts mit handschriftlichen Ergänzungen des Landgrafen.
Aus dem Briefwechsel des Landgrafen Philipp mit Martin Luther
Unsern gnedigen grus zuvor! Hochgelerter, lieber, getrewer! Des ratschlags oder antwort, so Ir und der Philippus Melanchthon uns b[e]neben dem Bucero uff die Werbung, so der Bucerus an euch beide In unserm namen gethan, zugefertiget, Bedancken wir uns gegen euch gnediglich, seints auch hinwider In gnaden und allem guten zurkennen g[e]neigt, Hoffen zu gott, durch solch zugelassen mittel alle Evangelische hendel desto freyer, getröster und mutiger zutreiben, auch unsern wandel und leben zupessern. Und, wo wir herwider die sachen Christi beforderen und furtsetzen konnen, So soll ab got wil, an uns nichts erwinden [ermangeln]. [...]Philips, von gots gnaden Lantgrave zu
Hessen, grave tzu Catzenelnpogen etc.
Wollen euch demnach gnediger meynung nit [ver]pergen, das wir uns, wie Ir villeicht vom Philippo [Melanchthon] werdet verstendiget sein, In beisein des Philippi, Buceri und anderer mer, aber doch nit grosser anzal erbarer leute, ein erbare, tugentreiche Jungfrawen vertrawen lassen, (wilche eurm weibe verwandt, das ich dan gantz gern habbe, das Ich mit gott und erren euer s[ch]wager bin.)
Gott der verleihe sein gnad und segen dartzu. Wir gedencken auch die sach, sovil muglich, bei uns In geheim zu behalten. (Wo es aber jhe an meinen willen herr forr keme, so bin ich dannost [dennoch] getrost, das Ichs mit guttem gewissen und umb besserung willen meins lebens an gefangen habb, und Ich weis, das es wieder got nit ist. Und ob Ich des halb werde angeredt werden, will Ich doch mit endtlicher [endgültiger] andtwurdt nit eilen, sonder vurnemlich euern, auch Philippi und Butzeri rat drin habben, was Ich zu andtwort gebben soll.)
[...]
Datum Schmalkalden Montags post Quasimodogeniti [5. April] Anno 1540.
Martin Luther antwortet am 10. April 1540 und bittet darum, seinen Ratschlag geheimzuhalten.
Martin Luthers Antwort auf die Nachricht von der Eheschließung mit Margarethe von der Sale
Dem Durchleuchtigen, hochgebornen fursten und herrn, Herrnn Philipps, Landgraven zu Hessen, graven zu KatzenElbogen, Zigenhain, Dietz und Nida, meinem gnedigen herrnn.
G.V.f. Durchleuchtiger, hochgeborner furst, gnediger herr! Ich hab E.f.g. schrifft empfangen, darin ich mercke, das E.f.g. guter Dinge sey uber unserm gegebenen ratschlag, den wir gern heymlich sehen halten. Es hat mir aber M. Philipps noch nicht davon, das E.f.g. anzeigen, geschrieben. Wirds aber wol thun, oder mundlich sagen. Wir woltens aber gern darumb heymlich lassen seyn, umb des exempels willen, wilchem hernach yderman, auch zu letzt die groben baurn folgen wollen, villeicht eben so gros oder grosser ursachen, sie weren ia oder nicht, fur wenden, dadurch wir denn gar viel zu schaffen mochten kriegen. Derhalben sich E.f.g. wolten hierin verheissen haben. Unser lieber herr sey mit e.f.g. ynn allen gnaden, Amen.
[Wittenberg,] Sonnabents nach Quasi Modogeniti [10. April] 1540.
E.f.g.
Williger
Martinus Luther.
Auszug aus: Warhafftige [...] Beschreibung der [...] Kriegen und Geschichten [...]
Anno 1546
| Des andern Jahres nechst nach diesen Gesagten Dingen itzt erwiesen/ Hat sich der mechtig Krieg erhebt/ Desgleich Teuschland kaum hat erlebt/ Ungefehr im Monat Julio/ Zwischen dem Kaiser Carolo/ Und etlich Einigungsverwandten/ Die Protestierenden genannten/ Deren Hauffen der Landgraff fiert Sampt andern/ auch dran ordiniert. Und sahen sich erst beide Hauffen/ Da man gewiß meint würd sich rauffen/ Als Kaiserliche Majestat/ Ihr Leger het bei Ingoldstadt. Dem fiengen an hart zuzusetzen Mit Feldschlangen und scharffen Metzen/ Auch anderm Gschütz an langer Rej/ Ser hefftig ein Tag oder drej/ Die Herrn/ der Evangelisch Bund: Nit wol erzelen mags ein Mund/ Wie da die grossen Pfeiffen sungen/ Daß Arm und Bein in Lüften sprungen. Es donnert als mit solcher Macht/ Gleich ob Himmel und Erd kracht. Solch grewlich erschreckter Knall Gieng uber alle Berg und Thal. [...] | Der Landgraff hets wol gut im Sinn/ So waren andre wider ihn. [...] Auch hat der Hauff sich da getheilt/ Nach seinem Land der Churfürst eilt. Der Landgraff thet ihm auch also/ Denn was schafft er allein mehr do? Von Bewren Herr Maximilian/ Fiel Darmstadt mit Sturm zwejmal an Eh er sich an ihn wolten geben: Zu Franckfurt het er besser Leben. Anno 1547 Der Krieg beruht allein auff Hessen/ Und steckt der from Fürst in der Pressen/ Sein Beistand war ser worden klein/ Drumb hofft er nuhr auff Gott allein: [...] |
Landgraf Philipp war im Jahre 1547 gezwungen, um Verzeihung zu erlangen, durch einen Fußfall vor dem Kaiser öffentlich seine Unterwerfung zu demonstrieren.
Auszug aus: Wahrhafte Beschreibung, welcher gestalt vor der Röm. Kais. Majestät zu Hall an der Sal Landgraff Philip [...] seinen Fußfall gethan
Und als sie alle auf [dem] genannten Saale [an]gekommen sind, haben die Kaiserl. Hofmeister Platz gemacht, damit die Kurfürsten samt dem Landgrafen vor der Kaiserlichen Majestät, welche, wie vorher gesagt, schon saß, kommen mochten; wie auch geschehen. Also ist der vielgenannte Landgraf mit seinem Kanzler, Dr. Tilmann Günderode, ohne einige Vorrede vor dem Teppich, auf dem der Stuhl der Kaiserliche Majestät stand, auf den Estrich auf die Knie gefallen. Doch zuvor, ehe er niederkniete, hat er mit dem Kurfürsten [Moritz] ein wenig geredet und gelächelt; die Kaiserliche Majestät [hat] aber sauer gesehen. Der erwähnte Kanzler mitsamt seinem Herrn also kniend, baten danach, indem sie Wort für Wort von einer Schrift oder einem Zettel ablasen, um Gnade und Verzeihung. [...]
Nach [der] Antwort ist der Landgraf ohne Danksagung, aus eigenem Antrieb, aufgestanden; die Kaiserliche Majestät [hat] sauer gesehen und ihm weder die Hand gegeben, noch mit einem Wort angesprochen.
Da hat der Herzog Alba sich dem Landgrafen genähert, seine Hand genommen und, vorangehend, sich mit den vorher erwähnten Kurfürsten und dem Landgrafen von der Kaiserlichen Majestät weg zum Saale hinausbegeben. Diesen folgte der von Arras; alle haben ihre Pferde bestiegen und sind auf die Moritzburg, das Quartier des Herzogs Alba, geritten; dort haben sie alle zusammen zu Abend gespeist. Danach ist der erwähnte Landgraf in ein besonderes Gemach geführt worden und von acht oder zehn Rotten spanischer Hakenschützen, die sich beständig abwechselten, ohne Beteiligung durch deutsche Landsknechte, die sonst im Schloß anwesend sind, mit großer Sorgfalt in seinen Kammern und Stuben bewacht worden.
Spottlied auf den Melsunger Pfarrer Lening und das Interim, 1548
Ein Lied wider den abtring[ig]en Propheten Leningen, Butzbach genannt,
ein Se[e]lmörder zu Milsungen und ganzen Hessenland:
Ach Lening, lieber Julie, was hast[d]u nun getan,
Du hast Gots vergessen umb weltlichen boesen Loihn.
Ja Lening, Baals Esel, bist[d]u dorumb ausgezogen?
Das Evangelium lesters mit Antichrist und Bapsts Lahr.
Ach Lening, lieber Antichrist, wie will es dir ergehen.
Vor dem gestrengen Gerichte Gots, wie wiltu da bestehen?
Belian, lieber Kukack, du kanst kein ander Gesank,
Dan dich der Teufel leret, du stirbest, in solchem Gestank.
Ach Lening, lieber Interim, wer hat dich erdacht?
Ein verlaufen Moenich hat dir geschworen, aus des Bapsts Sall herbracht.
Du hettest billich umbgekert, do der Engel dir widerstunt
Mit der heiligen Gotteslehr, wilche du furtest in deinem Mund.
O Judas, lieber Heuchler, du hettest billich umbgekert,
durch Gottes Wort und Lere, wilche du furtest in dienem Mund
O Judas, supplantator, mit deinem falschen Eid
wol in der Sacristei, wie hast[d]us gemeint?
Zu Cassel, in der Heuptstadt wol in der Pfaffen Raidt
Gingstu voran der Riegge und tetest das Wort.
Man spueret aus deinen Worten deins Herzen falschen Wan,
Du brauchest das Evangelium zum Deckel; es wirt ubel gan.
Du hast vil ubels in Land gefurt mit deiner Lieganei [Bigamie]
Du hast noch keinen Fridden mit deiner Abgoetterei.
Meineidiger Mammelauke, hast[d]u dich von Gott geschworn;
In des Teufels Reich bist[d]u auserkoren.
O Lening, mich nimet Wunder, das from Adel mit dir umbher gehet,
Schanddeckel hat kein Ruhe, bis er sie all betört.
Wer uns dis Liedlein neu gesang, er hat noch mehr bei ime,
Will itzunt die Frommen warnen, vors Teufels interim
O ihr Christen, kleine Schar, huetet euch vor des interims Lahr.
Die Seel werden sie euch nit nehmen, das sagt uns Gott vorwar!
Der Auszug aus einem Reisebericht zeigt, wie im evangelischen Hessen das Interim verkündet wurde und wie die Geistlichkeit reagierte.
Ein Bericht von Pfarrer Lenings Reise:
Montags den 3. Septembris [1548] sind wir von Eschwege gen Allendorf geritten, haben dasselbst zu uns beschrieben Philips Dieden, Andres von Netter, Wilhelm Wolf zu Germerod und Bertholden von Bischoffshausen; außer Berthold von Bischoffshausen leisteten alle der Ladung Folge, dazu auch die Pfarrer, Amtsbefehlhaber, Burgermeister, Rat und Vorsteher der Gemeinden, sowie Hans Jorg von Eschwege.
[Der Annahme des Interims wurde allseitig zugestimmt.]
Die Predicanten haben sich vernehmen lassen, dieweil sie verstanden [haben], daß sie das Wort Gottes noch lauter und rein predigen dürfen, und daß die Communion in beider Gestalt und die Priesterehe nachgelassen [erlaubt] würden, wollten sie solches dankbar annehmen, sich auch in dem, was äußerliche Ceremonien seien, nicht beschweren, desgleichen Chorrock, Meßgewand und anderen Ornat antun.[In einigen Punkten bitten sie um weitere Auskunft, ...] doch was sie mit gutem Gewissen tun können, wollen sie halten.
Der Augsburger Religionsfrieden, 1555
1. Deklaration König Ferdinands vom 24. September 1555
Wir haben kraft Vollmacht Römischer kaiserlicher Majestät unseres lieben Bruders und Herren [...] entschieden, [...] daß die den Geistlichen zugehörigen Ritterschaften, Städte und Kommunen, die [schon] lange der Augsburgischen Konfession anhängen und derselben Religion Glauben, Kirchengebräuche, Ordnungen und Zeremonien öffentlich [...] und bis auf den heutigen Tag gebrauchen, [...] bis zu christlicher und endgültiger Religionsvergleichung unbehelligt gelassen werden sollen.
2. Auszug aus dem Reichstagsabschied [Religionsfrieden], 25. September 1555
Wir, Ferdinand, von Gottes Gnaden Römischer König, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs etc. [...] gebieten, daß hinfort niemand [...] um keinerlei Ursachen willen [...] den andern befehden, bekriegen, berauben, fangen, überziehen und belagern, [...] sondern ein jeder dem anderen in echter Freundschaft und christlicher Liebe begegnen soll. [...] Und damit dieser Frieden auch im Hinblick auf die Religionsspaltung [...] desto beständiger zwischen der Römischen Kaiserlichen Majestät, uns, sowie den Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Heiligen Reiches deutscher Nation aufgerichtet und gehalten werde, so sollen die Kaiserliche Majestät, wir, sowie Kurfürsten, Fürsten und Stände des Heiligen Reiches keinen Stand des Reiches der Augsburgischen Konfession wegen [...] gewaltsam überziehen [...] oder sonst gegen sein Wissen, Gewissen oder Wollen von dieser Augsburgischen Konfession, [von] Religion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Zeremonien [...] auf andere Wege drängen [...]. Dagegen sollen die Stände, die der Augsburgischen Konfession zugehörig sind, jene Stände, die der alten Religion anhängen [...], gleicherweise bei ihrer Religion [...] bleiben lassen. [...] Doch sollen alle anderen, die den beiden genannten Religionen nicht anhängen, in diesem Frieden nicht gemeint, sondern [vom Frieden] gänzlich ausgeschlossen sein. [...]
Wo ein Erzbischof, Bischof, Prälat oder ein anderer geistlichen Standes von unserer alten Religion abtreten würde, hat derselbe sein Erzbistum, Bistum, Prälatur und andere Benefizien, einschließlich aller Einkommen [...] zu verlassen.
Wo aber [...] Untertanen, die der alten Religion oder der Ausburgischen Konfession anhängen, wegen dieser ihrer Religion [...] mit Weib und Kindern an andere Orte ziehen und sich niederlassen wollten, soll ihnen Ab- und Zuzug, auch der Verkauf ihres Hab und Guts gegen sehr billigen Abtrag der Leibeigenschaft und Nachsteuer [...] unbehindert bewilligt sein. [...]
Nachdem aber in vielen freien und Reichsstädten die beiden Religionen [...] bisher eine Zeitlang in Gang und Gebrauch gewesen sind, sollen dieselben hinfort auch so bleiben [...] und die Bürger und anderen Einwohner, geistlichen oder weltlichen Standes, dieser freien und Reichsstädte friedlich und ruhig bei- und nebeneinander wohnen. [...]