
Acta Pacis – Bündnisse und Friedensschlüsse in Hessen
Von Karl Murk
„Acta Pacis“ – damit verbinden Historiker ein mittlerweile auf weit über 40 Bände angewachsenes Editionsprojekt, das seit 1962 sorgfältig ausgewählte und kommentierte Quellentexte zur Geschichte des Westfälischen Friedenskongresses vor allem aus dem Zeitraum 1643 bis 1648 darbietet. Die hier dokumentierte Ausstellung, die vom 9. Oktober 2013 bis 30. Mai 2014 im Foyer des Staatsarchivs Marburg gezeigt wurde, spannte den zeitlichen Bogen weiter und zeigte „Acta Pacis“ vom 14. bis ins 20. Jahrhundert. Dabei wurde Wert auf die Präsentation eines möglichst breiten Spektrums an einschlägigen Schrift- und Bildquellen aus den reichhaltigen Beständen des Staatsarchivs Marburg gelegt. Leihgaben stellte auch das Archiv der Philipps-Universität Marburg zur Verfügung. Bei der Auswahl kam es nicht nur auf den Inhalt und die politische Relevanz, sondern auch auf den exemplarischen Charakter oder den ästhetischen Reiz einer Urkunde, eines Aktenschriftstücks oder Druckerzeugnisses an. So wurden neben wichtigen diplomatischen Noten, Depeschen, Denkschriften und Verträgen auch Friedensallegorien, deren Symbolgehalt sich dem heutigen Betrachter nicht mehr ohne weiteres erschließt, oder Chiffrierschlüssel und Reisepässe, die den diplomatischen Alltagsbetrieb illustrieren, präsentiert.
Die Themenblöcke sind chronologisch gegliedert: Auf unterschiedliche Formen der Streitschlichtung und Friedenssicherung im 14. und 15. Jahrhundert folgen ausgewählte neuzeitliche Friedensschlüsse vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, wobei jedem Säkulum je eine Vitrine zugestanden wurde. Das Spätmittelalter ist mit Gottes-, Land- und Burgfrieden vertreten, das 16. Jahrhundert mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555, das 17. Jahrhundert mit dem Westfälischen Frieden von 1648, das 18. Jahrhundert mit zwei Friedenspaketen, den Friedensschlüssen von Utrecht, Rastatt und Baden (1713/14) und dem Doppelfrieden von Hubertusburg und Paris (1763), das 19. Jahrhundert mit der Wiener Kongressakte von 1815, das 20. Jahrhundert mit dem Versailler Vertrag von 1919. Die Aufzählung zeigt: Es geht um große Politik, um Verhandlungen und Verträge von reichs- und europaweiter, mitunter sogar von globaler Bedeutung. Bei fast allen Friedensschlüssen handelte es sich um epochale Ereignisse, die die Geschicke Deutschlands, Europas und der Welt für Jahrzehnte, mitunter gar für Jahrhunderte bestimmten, die lange und blutige Kriege, wie den Dreißigjährigen Krieg, den Spanischen Erbfolgekrieg, den Siebenjährigen Krieg oder den 1. Weltkrieg, beendeten, Glaubensstreitigkeiten einhegten, dynastische und nationalstaatliche Machtkonflikte lösten, manchmal aber auch Rachegefühle weckten und zu neuen Metzeleien führten.
Der Geltungsbereich der hier dokumentierten Friedensschlüsse wird von Jahrhundert zu Jahrhundert oder von Abschnitt zu Abschnitt ausgeweitet. Geht es in den 1399 bzw. 1439 geschlichteten Fehden zwischen den Grafen von Ziegenhain und Landgraf Hermann II. von Hessen (Dok. 1.3) bzw. zwischen den Grafen von Waldeck und Erzbischof Dietrich von Mainz (Dok. 1.4) noch um Streitgegenstände von lokalem oder regionalem Zuschnitt, so treten mit dem auf dem Wormser Reichstag von 1495 verkündeten „Ewigen Landfrieden“ (Dok. 1.5) die reichsweiten Bezüge in den Vordergrund. Um den Reichsfrieden ging es auch 1555 in Augsburg und zwischen 1643 und 1648 in Münster und Osnabrück. Im Westfälischen Frieden von 1648 brachte die völkerrechtliche Garantie der deutschen Reichs- und Religionsverfassung durch Frankreich und Schweden Europa ins Spiel. Um eine kontinentale Friedensordnung rangen die Diplomaten auf den Kongressen in Utrecht, Rastatt und Baden (1713/14) und in Wien (1814/15). Die Pariser Friedensschlüsse von 1763 und von 1919/20 beendeten kriegerische Auseinandersetzungen mit Weltkriegscharakter, den siebenjährigen Kolonialkrieg zwischen England und Frankreich, der u. a. in Nordamerika, der Karibik und Indien ausgefochten wurde, bzw. den 1. Weltkrieg, und bezogen mehr oder weniger erfolgreich auch die außereuropäische Welt in die europäische Friedensordnung mit ein.
Fast jeder Friedensschluss stand unter einer bestimmten Leitidee, die der Epoche ihren Stempel aufprägte. Im Gottesfrieden, den Wilderich von Vilmar 1377 mit Graf Ulrich von Hanau verabredete (Dok. 1.2), manifestiert sich die für das Mittelalter charakteristische enge Verbindung zwischen weltlicher und geistlicher Machtsphäre in der Form, dass Friedensbruch mit geistlichen und weltlichen Strafen geahndet wird. Der „Ewige Landfrieden“ von 1495 (Dok. 1.5), der ein absolutes Fehdeverbot im Reich verhängte und jede gewaltsame Selbsthilfe mit der Reichsacht bedrohte, war ein Markstein im Prozess der Verrechtlichung des Reiches und der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols. Auch die großen Friedensschlüsse der Neuzeit waren nach einem oder mehreren übergreifenden Ordnungsprinzipien gestaltet: Der Augsburger Religionsfriede vom 25. September 1555 und der Westfälische Frieden vom 24. Oktober 1648 schufen eine paritätische Reichs- und Religionsverfassung, ohne die das aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen bestehende Heilige Römische Reich als Rechts- und Friedensordnung nicht hätte fortbestehen können. Die gegen die französischen Hegemonialbestrebungen zunächst Ludwigs XIV., dann Napoleons gerichteten Friedenskongresse von Utrecht, Rastatt und Baden (1713/14) und von Wien (1814/15) basierten auf dem Grundsatz des Gleichgewichts der Kräfte, zielten auf die Schaffung eines fein austarierten Machtausgleichs in einem pluralistischen Staatensystem, das in der zeitgenössischen Diplomatensprache als „europäisches Konzert“ bezeichnet wurde. Nach den Turbulenzen, die die Französische Revolution und die napoleonische Machtexpansion in Europa ausgelöst hatten, erfolgte die Restauration und Neugestaltung Europas auf dem Wiener Kongress 1814/15 sowohl in außenpolitisch-dynastischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die innere Staats- und Gesellschaftsordnung der beteiligten Mächte unter dem Schlagwort der Legitimität. Die Pariser Vorortverträge von 1919/20 schließlich waren maßgeblich geprägt vom Nationalitätenprinzip in Form des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Dass dies Recht dem besiegten deutschen Reich nicht oder nicht konsequent zugebilligt wurde, trug mit dazu bei, das Friedenswerk in Deutschland in Misskredit zu bringen.
Auch wenn es in unserer Ausstellung nicht oder nicht primär um hessische Landesgeschichte geht, spiegelt die Quellenauswahl doch zwangsläufig auch die spezifisch hessische Sichtweise auf die Ereignisse wider. Die Instruktionen und Gesandtenberichte geben Auskunft darüber, ob und inwieweit die Landgrafen von Hessen bzw. Hessen-Kassel, späterhin die Kurfürsten von Hessen in die Friedensverhandlungen involviert waren. Bis zum Verlust der staatlichen Eigenständigkeit 1866 war dies fast immer der Fall, mal mehr, mal weniger. Mangels Macht und Ressourcen agierte man nur selten an vorderster Front. Die hessischen Bevollmächtigten saßen im Konzert der Großen meist am Katzentisch oder verfolgten das Geschehen von den Besucherrängen. Ihre Verhandlungspositionen ergaben sich aus der Glaubenszugehörigkeit des Herrscherhauses, aus dynastischen, finanziellen und sicherheitspolitischen Erwägungen, aus der strategischen Lage des Territoriums, das als Durchgangsland von Nord- nach Süddeutschland immer wieder Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen war.
1555 begegnet uns ein zögerlicher, von der für ihn demütigenden kaiserlichen Haft gezeichneter Landgraf Philipp, der bei der Unterstützung seiner Glaubensgenossen auf dem Augsburger Reichstag Vorsicht walten lässt und jede Konfrontation mit dem Kaiser und König vermeidet (Dok. 2.2). Ganz anders 1648 Landgräfin Amalie Elisabeth, deren Geschäftsträger in Münster und Osnabrück (Dok. 3.4 - 3.6) forsch gegen die Machtpositionen der kaiserlich-katholischen Partei anrennen, maßgeblichen Anteil an der Gestaltung des Reiches im ständischen Sinne und an der Einbindung Schwedens und Frankreichs in das Vertragswerk haben. 1713/14 legt Landgraf Karl in Utrecht, Rastatt und Baden großen Wert auf die „securitas imperii“, die Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen des Reiches gegenüber Frankreich, auf Geldzahlungen, die es ihm ermöglichen, sein stehendes Heer beizubehalten, sowie auf die erb- und eigentümliche Übertragung der Festung und des Amtes Rheinfels (Dok. 4.2, 4.8). Gut einhundert Jahre später ist sein Urenkel Wilhelm I. nach dem Schiffbruch, den das Kurfürstentum 1806 erlitten hat, auf dem Wiener Kongress vornehmlich darauf bedacht, die mit Glück zurück gewonnene Herrschaft zu stabilisieren und rangmäßig gegen die süddeutschen Könige und die Darmstädter Großherzöge abzusichern (Dok. 51). 1866 verschwindet Kurhessen von der Bühne der großen Politik, das Land wird preußische Provinz. Das schlägt sich auch in unserer Quellenauswahl nieder: Die Dokumente zum Friedensschluss von Versailles wurden Akten entnommen, in denen sich die Probleme der preußischen Provinzbehörden bei der Umsetzung der Vertragsbestimmungen oder die geistig-mentalen Nachbeben, die der Friedensvertrag in der Region auslöste, widerspiegeln. Letztere fanden ihren Niederschlag u.a. in studentischen Entschließungen „gegen das Versailler Diktat“ und für die „Wiederherstellung der deutschen Ehre“ (Dok. 7.11) oder – ein ganz finsteres Kapitel – in Hetzkampagnen gegen jüdische Mitbürger, die vermeintlichen „Nutznießer des deutschen Todfriedens“ (Dok. 7.3).
Im letzten Ausstellungsabschnitt verlassen wir das diplomatische Parkett und wenden uns den Friedensfesten zu. Die sorgfältig inszenierten Feiern anlässlich von Friedensschlüssen preisen die Wiederherstellung von Sicherheit, Ruhe und Ordnung. Sie tragen damit sowohl den stabilisierenden Intentionen der jeweiligen Obrigkeit als auch den in der Bevölkerung verbreiteten Stimmungen und Gefühlen Rechnung. Lang aufgestaute Friedenssehnsucht, Erleichterung und Freude über das Ende von Tod und Zerstörung, Hunger, Not und Elend manifestieren sich in Menschenaufläufen und Jubelszenen auf öffentlichen Plätzen (Dok. 8.2), in Gottesdiensten und Fackelumzügen (Dok. 8.8), Feuerwerken (Dok. 8.4; 8.5), Ehrenpforten (Dok. 8.6), Konzerten (Dok. 8.11) und Zechgelagen. Die symbolpolitisch aufgeladenen Feierrituale sind immer auch Dankbekundungen gegenüber dem friedensstiftenden Landesherrn und Lobpreisungen Gottes.

Die in diesem Ausstellungsraum versammelten Urkunden sind Zeugnisse von unterschiedlichen Formen der Streitschlichtung und Friedenssicherung im Spätmittelalter.
Die Abfolge der ausgewählten Dokumente zeigt den Gang der räumlichen Ausdehnung des Friedensbegriffs: grundlegende Voraussetzung für Handlungsfähigkeit war der Burgfriede. Ohne Regeln für das friedliche Zusammenleben der Besatzung war der militärische Nutzen einer Burg in Frage gestellt (Dok. 1.1). Fehden zwischen verschiedenen Burgherren, die im Spätmittelalter aufgrund der zunehmenden Schwäche der Rechtsprechung und des Vollzugs von Reichsrecht massiv zunahmen, wurden mithilfe von Verträgen beendet, bei denen die Kontrahenten untereinander einen "Gottesfrieden" schlossen (Do, 1.2; 1.3). In anderen Fällen trat der Landesherr als Streitschlichter auf (Dok. 1.4); und mit dem Wormser Landfrieden von 1495 wurde der Versuch unternommen, ein allgemeines Verbot der Fehde reichsweit durchzusetzen (Dok. 1.5).
Die Schencken und Ganerben zu Schweinsberg schließen einen Burgfrieden, in dem u. a. der Schutz des Leibes, der Ehre und der Güter der Familie festgeschrieben sowie ein Fehdeverbot verhängt wird.
1447 Januar/Februar
Militärischen Wert hatte eine Burg nur, wenn ihre Besatzung friedlich zusammenlebte. Burgfriedensverträge, die von allen Burgbewohnern und meist auch von Gästen beschworen wurden, regelten das Zusammenleben auf der Burg. Verwandte Familien, die gemeinsam eine Burg besaßen, bildeten vor allem im Spätmittelalter sog. Ganerbenverbände. Die von diesen abgeschlossenen Burgfrieden gewährleisteten das friedliche Miteinander, regelten den Ausbau der Besitzungen, die Verpflichtungen der einzelnen Vertragspartner zur Instandhaltung des Gemeinschaftsbesitzes und beschränkten die Möglichkeiten des Besitzwechsels. Wurde ein Ganerbe in eine Fehde verwickelt, waren die anderen zu Hilfe oder Neutralität verpflichtet. Burgfrieden oder Ganerbenverträge waren Vorläufer der adligen Hausgesetze und förderten die Entwicklung der Standesrechte.
Der Ritter Wilderich von Vilmar verpflichtet sich, den mit Graf Ulrich von Hanau verabredeten Gottesfrieden von Donnerstag vor Johannis bis Samstag nach Johannis zu halten.
1377 Juni 17
Die zunehmende Kraftlosigkeit und der Verfall von Rechtsprechung und Urteilsvollstreckung führten im spätmittelalterlichen Reich zu einer ausufernden Selbsthilfe in Gestalt der Fehde. Die seit dem 11. Jahrhundert abgeschlossenen Gottesfrieden versuchten, das Rauben und Morden durch eine Kombination weltlicher und geistlicher Strafen einzudämmen. Friedensbrechern wurden z.B. die Exkommunikation, die Verbannung aus der Kirche oder die Sakraments- und Grabverweigerung angedroht. Ein Merkmal der deutschen Gottesfrieden war die Verschmelzung von „pax Dei“ und „treuga Dei“. Letzteres beinhaltete Friedensgebote für bestimmte Zeiträume, meist Wochentage, kirchliche Feiertage oder bestimmte Zeiten des Kirchenjahrs.
Graf Engelbert III. von Ziegenhain und Nidda beurkundet den Friedensschluss mit Landgraf Hermann II. von Hessen
1399 Oktober 1
Die vorangegangene Fehde gegen den Landgrafen hatte Engelbert gemeinsam mit seinen Brüdern Gottfried IX., Johann II., Otto und Philipp sowie mit Simon von Wallenstein und Kornrad von Urff geführt. Da Engelbert und seine Anhänger keineswegs auf alle Ansprüche gegen Hessen verzichten wollen, sollen je zwei Freunde der beiden Streitparteien eine gütliche Einigung herbeizuführen suchen. Die während der Fehde gefangen genommenen Männer sollen freigelassen werden, nachdem sie Urfehde geschworen haben. Mittels der Urfehde verpflichteten sich die Geschädigten bzw. Fehdeführer zur Einstellung der Gewaltmaßnahmen und zur Friedenswahrung.
Landgraf Ludwig I. von Hessen schlichtet eine Fehde zwischen Erzbischof Dietrich von Mainz und den Grafen Heinrich VII. und Wolrad I. von Waldeck um die Burgen und Städte Ober-Waroldern und Rhoden.
1439 Oktober 4
Gedrucktes Exemplar des Wormser Landfriedens von 1495
Im Wormser Reichsabschied von 1495 kulminierte die weltliche Landfriedensgesetzgebung des Spätmittelalters. Der sog. „ewige Landfriede“ verhängte ein absolutes Fehdeverbot und bedrohte die gewaltsame Selbsthilfe mit der Reichsacht. Da sich das eingewurzelte Konfliktverhalten nicht durch einen Federstrich beseitigen ließen, musste das Fehdeverbot auch in den Reichsabschieden des 16. Jahrhunderts wiederholt eingeschärft werden.

Der Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1555 war ein Reichsgrundgesetz, das die durch die Glaubensspaltung ausgelöste Verfassungskrise des Reiches beenden sollte. Die Spannungen und Konflikte ergaben sich aus der für beide Konfessionen geltenden starken geistlichen Wesensbestimmtheit der weltlichen Obrigkeit, die in der „cura religionis“ eine ihrer vornehmsten Amtsaufgaben erblickte. Infolge der Reformation kam es auch zu einer tiefen Spaltung der Rechtsordnung, die bis in die 1550er Jahre immer wieder durch mehrdeutige Formelkompromisse verdeckt wurde. Der Augsburger Religionsfrieden schuf mit seinen Schutzbestimmungen für das Bekenntnis und Kirchenwesen von Lutheranern und Katholiken, der vollen Garantie der weltlichen Rechtsstellung und religiösen Freiheit der weltlichen Reichsstände („cuius regio, eius religio“; „ius reformandi“), dem „Geistlichen Vorbehalt“, dem religiösen Emigrationsrecht der Untertanen („ius emigrandi“) etc. eine politische Koexistenzordnung zwischen beiden Konfessionen. Was als weltliche Zwischenlösung bis zur kirchlichen Wiedervereinigung gedacht war, führte im Ergebnis ungewollt zur Verfestigung der Glaubensspaltung. Letztlich konnte das Reich als äußere politische Einheit nur in der religiösen Spaltung und Vielfalt bestehen, indem es den Konfessionen, die einander geistlich die Wahrheit und das Lebensrecht bestritten, weltliche Freiheit und Gleichheit garantierte. Im Westfälischen Frieden bestätigt und weiterentwickelt, bildete der Augsburger Religionsfrieden bis 1803/1806 das Fundament der paritätischen Religionsverfassung im Reich und der obrigkeitlichen Kirchenherrschaft in den Territorien.
Johann Joachim Müller, Historie von der Evangelischen Ständte Protestation und Appellation [...] wie auch ferner dem zu Augsburg [...] übergebenen Glaubens-Bekenntnis, die Augspurgische Confession genannt, Jena 1705
Der in Weimar als herzoglich sächsischer Archivar tätige Johann Joachim Müller (1665-1731) bietet einen quellengestützten Abriss der Glaubensstreitigkeiten von der Protestation der evangelischen Reichsstände auf dem Reichstag zu Speyer (1529) bis zur Übergabe der „Confessio Augustana“ auf dem Reichstag zu Augsburg (1530).
Abb. 1) Bemerkungen Landgraf Philipps Soviel denn Articul der Religion belangt.
1555 März 26
Abb. 2) Beilage zum Bericht der hessischen Gesandten Heinrich Lersner und Jost Didamar Uff furgenomene Rathschlagung denn gemeinen Frieden in Religion und andernn sachenn belangende wirdet bedacht das solcher uff volgende wege anzustellen
1555 Mai 7
Abb. 3) Wie in Religion Sachen ein gemeiner bestendiger Fridt uffgericht, beschlossen und hinfür gehalten werden soll
- D., 1555 September
Die fortdauernde reichsrechtliche Relevanz und Bedeutung des Augsburger Religionsfriedens manifestierte sich nicht nur in dickleibigen staatsrechtlichen Abhandlungen und Gesetzessammlungen, sondern auch in zahlreichen Gedenkveranstaltungen und Jubiläumsfeiern.
Abb. 1&2) Christoph Lehmann, De Pace Religionis Acta Publica et Originalia, Das ist: Reichshandlungen, Schrifften und Protocollen über die Reichs-Constitution des Religion-Friedens, 3 Bde, Frankfurt 1707.
Abb. 3) Johann Jacob Schmauß, Corpus Juris Publici S[acri] R[omani] Imperii Academicum, enthaltend des Heiligen Römischen Reichs Grund-Gesetze, Frankfurt/Leipzig 31735.
Abb. 4) „Kurtzer Historischer Bericht nebst demselben nachgefügten neu-verfertigten Jubel-Cantaten“ über das „Frieden-Danck und Freuden-Fest“ vom 28. September 1755 anlässlich des 200jährigen Jubiläums des Augsburger Religionsfriedens in der Reichsstadt Reutlingen.
Die sog. „Declaratio Ferdinandea“ vom 24. September 1555 sicherte die Bekenntnisfreiheit der landsässigen evangelischen Ritter und Städte in den geistlichen Territorien. Mit diesem Zugeständnis versuchte König Ferdinand I., der die Verhandlungen auf dem Augsburger Reichstag stellvertretend für seinen Bruder Karl V. führte, den Protestanten den im Religionsfrieden enthaltenen „Geistlichen Vorbehalt“ schmackhaft zu machen. Die umstrittene Bestimmung sah vor, dass geistliche Fürstentümer nicht zum Protestantismus übertreten durften. Da die „Declaratio“ nicht in den Reichsabschied aufgenommen wurde, hielten die Katholiken sie für reichsrechtlich ungültig.

Der Westfälische Frieden vom 24. Oktober 1648 – bestehend aus dem kaiserlich-französischen Friedensvertrag von Münster und dem kaiserlich-schwedischen Friedensinstrument von Osnabrück – war das Ergebnis mehrjähriger Verhandlungen zwischen den beteiligten europäischen Mächten und den deutschen Reichsständen. Er beendete für das Reich den Dreißigjährigen Krieg, ordnete dessen religiöse und politische Verfassung neu und leitete als europäischer Friedensvertrag eine neue Ära der Diplomatie und des Völkerrechts ein. Neben zahlreichen territorialen Veränderungen, Herrschaftsneuregelungen und landeshoheitlichen Bestimmungen („ius territoriale tam in ecclesiasticis quam politicis“, Bündnisrecht der Reichsstände) enthielt das Vertragswerk wichtige religionspolitische Weichenstellungen (Normaljahr 1624, konfessionelle Parität, Anerkennung der Reformierten als Untergruppe der Augsburger Konfessionsverwandten), die zu einer dauerhaften Beilegung der konfessionellen Streitigkeiten und Konflikte im Reich führten. Das „Instrumentum Pacis Osnabrugense“ enthielt den deutschen Reichs- und Religionsfrieden, der als ganzes in das „Instrumentum Pacis Monasteriense“ inseriert wurde. Frankreich und Schweden übernahmen damit völkerrechtlich die Garantie der deutschen Reichs- und Religionsverfassung, deren Europäisierung in der Folge eine wichtige Voraussetzung für die Wahrung des Friedens in der Mitte des Kontinents bildete. Bis zum Ende des Alten Reiches blieb der Westfälische Frieden das maßgebliche Reichsfundamentalgesetz.
Theatrum Pacis [...] Friedens-Schauplatz/Das ist: Alle die fürnemste Friedens-Instrumenta und Tractaten/so vom Jahr 1647 an bis auf das 1660. in Europa aufgerichtet und beschlossen worden, Nürnberg 1663 (mit Widmung für den Mainzer Kurfürsten-Erzbischof und Reichserzkanzler Johann Philipp von Schönborn)
Johann Gottfried von Meiern, Instrumenta Pacis Caesaro-Suecicum et Caesaro-Gallicum, Göttingen 1738
Französische Liste der Gesandten und Bevollmächtigten auf dem Westfälischen Friedenskongress/L’Ordre des Ambassadeurs et Plenipotentiaires de la Chrestienté, assemblez a Munster et a Osnabruk pour la Paix generale.
Paris 1646
Entwurf eines Beglaubigungsschreibens der Landgräfin Amalia Elisabeth von Hessen-Kassel für ihre Gesandten Reinhard Scheffer, Adolf Wilhelm von Krosigk, Johann Antrecht und Johann Vultejus.
Kassel 1644 Mai 23/Juni 2
Pass der Landgräfin Amalia Elisabeth von Hessen-Kassel für die Geheimen und Kriegsräte Adolf Wilhelm von Krosigk und Johann Vultejus für die Reise von Kassel nach Münster.
Kassel 1644 Mai 28/Juni 7
Porträts der hessen-kasselschen Bevollmächtigten auf dem Westfälischen Friedenskongress, Johann Vultejus, Adolf Wilhelm v. Krosigk und Reinhard Scheffer.
Chiffrierschlüssel für Obristlieutenant Johann Christian Motz und Generallieutenant von Geyso.
Protokollauszug über die Verhandlungen zwischen dem kaiserlichen Bevollmächtigten Maximilian Graf von Trautmansdorff und dem schwedischen Gesandten Johann Adler Salvius über die Stifter Minden und Osnabrück.
Osnabrück 1647 Januar 28
Friedenssaal in Osnabrück, in: Johann Gottfried v. Meiern, Acta Pacis Westphalicae Publica oder Westphälische Friedens-Handlungen, 4. Teil, Hannover 1735.
Friedenssaal in Münster, in: Johann Gottfried v. Meiern, Acta Pacis Westphalicae Publica oder Westphälische Friedens-Handlungen, 5. Teil, Hannover 1735.
Zwecks Klärung der in Münster und Osnabrück offen gebliebenen Fragen, insbesondere der Demobilisierung und des Truppenabzugs, tagte von April 1649 bis Juni 1650 der Friedensexekutionskongress in Nürnberg. Die Verhandlungsergebnisse wurden im Nürnberger Reichs-Friedens-Rezess vom 26. Juni 1650 festgehalten.
Unterzeichnung des Reichsfriedensrezesses in Nürnberg am 26. Juni 1650, in: Theatrum Europaeum (1647-1651), 6. Teil, Frankfurt 1652.

Die großen europäischen Friedenskongresse des 18. Jahrhunderts waren Foren des Machtausgleichs in einem pluralistischen Staatensystem. Die Verträge von Utrecht/Rastatt/Baden (1713/1714) beendeten den Spanischen Erbfolgekrieg und schlossen zugleich die Epoche des europäischen Kampfs gegen die französischen Suprematiebestrebungen ab. In Utrecht einigten sich Frankreich, England, die Niederlande, Portugal, Preußen und Savoyen auf die Installierung einer bourbonischen Sekundogenitur in Spanien und weitere territoriale Neuregelungen, die den Sicherheitsinteressen der Unterzeichnerstaaten Rechnung trugen. Das Friedenswerk blieb zunächst ein Torso, da weder der von den Regelungen enttäuschte Kaiser noch das Reich den Vereinbarungen zustimmten. Indes sollte sich rasch zeigen, dass der Kaiser den Kampf gegen Frankreich allein mit den erschöpften Kräften des Reiches nicht weiterführen konnte. So kam es im Winter 1713/14 zu bilateralen Friedensverhandlungen zwischen Wien und Versailles, die im Vertrag von Rastatt ihren Abschluss fanden. Der Rastatter Friede bestätigte im Wesentlichen den von Utrecht und erkannte dem Kaiser die bisher spanischen Niederlande zu. Ein halbes Jahr später beendete der Badener Friede zwischen dem Reich und Frankreich, der keine erheblichen Abweichungen von den Rastatter Abmachungen aufwies, das lange Ringen um das spanische Erbe. Die Friedensschlüsse veränderten fast die ganze Landkarte Europas und verschoben die Gewichte in der europäischen Staatengemeinschaft erheblich zugunsten Englands. An die Stelle des weltumspannenden spanischen Reichs, der französischen Hegemoniebestrebungen und des habsburgischen Universalismus trat nun das englische Prinzip des europäischen Gleichgewichts.
In den ersten Präliminarkonferenzen, die 1709 im Haag zustande kamen, überzogen die Alliierten ihre Forderungen, indem sie Ludwig XIV. über alle Verzichtsleistungen hinaus zum Vorgehen gegen seinen Enkel Philipp V. zu verpflichten suchten, falls dieser die Herausgabe des spanischen Erbes verweigern sollte. Letztlich führte dies zum Abbruch der Verhandlungen.
In der Instruktion geht es zunächst um zeremonielle Fragen, insbesondere um den Rang und Status des hessischen Gesandten. Was die Friedensbedingungen betrifft, so hofft Karl, dass mit denen praeliminarien die sache so weith schon in einen guthen stand gestellet und fest gesetzet worden seyn, daß dabey so wohl vor das gemeine Reichs Interesse die behörende nothdurft zugleich mit besorget, als auch die satisfacirung der gesamten hohen Alliirten in Ihren billigen postulatis guther grund geleget worden seyn möge. Konkret verlangt er im Interesse der securitas imperii die Rückerstattung Straßburgs und des Elsass, ferner u. a. Religionsfreiheit für die Protestanten in Frankreich, Reparationszahlungen für erlittene Kriegsschäden sowie die Abtretung von Stadt, Festung und Amt Rheinfels und der gegenüberliegenden Burg Katz.
Neben dem „Ministre plénipotentiaire“ von Dalwigk und dem Legationsrat Klaute zählten ein der französischen Sprache mächtiger Hofkavalier, so [...] zu abstattung der Complimenten zu gebrauchen ist, nebst Diener, ein Legationssekretär, ein Page, vier Lakaien, ein Kopist, ein Bursche, ein Vorreiter, zwei Kutscher und ein Koch zur landgräflichen Delegation.
Utrecht 11. Februar und 8. März 1712
Lithographie der Rastatter Friedensverhandlungen zwischen Prinz Eugen von Savoyen, dem Interessenvertreter des Kaisers (2. von links), und dem französischen Bevollmächtigen Marschall Villars (rechts).
Andreas Lazarus von Imhof: Neueröffneter historischer Bildersaal, 1727
Konzepte zu Schreiben des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel an den niederländischen Bevollmächtigten am französischen Hof, Sicco van Goslinga, und Königin Anne von England zur Unterstreichung seiner Ansprüche auf die erb- und eigentümliche Übertragung der Festung Rheinfels und der Stadt Sankt Goar.
Kassel 1714 April 2/Kassel 1714 Juni 7

Die erste kriegerische Auseinandersetzung unter den europäischen Mächten mit Weltkriegscharakter wurde nicht auf einem allgemeinen Friedenskongress, sondern durch zwei unabhängig voneinander ausgehandelte Friedensschlüsse beendet. Der weltumspannende Doppelkrieg der 1750er und frühen 1760er Jahre (Kolonialkrieg zwischen England und Frankreich/Spanien in Übersee; Siebenjähriger Krieg zwischen Preußen und einer großen Koalition in Mitteleuropa) fand seinen Abschluss im Doppelfrieden von Paris/Hubertusburg. England, Frankreich und Spanien einigten sich in Paris über den Frieden in Übersee, Preußen und Österreich zur gleichen Zeit in Hubertusburg über die neue Machtverteilung in Mitteleuropa. Hauptgewinner in Paris war England, dem Kanada und Nordamerika bis zur Mississippi-Linie, darüber hinaus etliche westindische Inseln, der Senegal in Afrika, Minorca im Mittelmeer und die Vorherrschaft in Indien zufielen, während Frankreich im Wesentlichen auf die Rolle einer Kontinentalmacht ohne größere maritim-koloniale Ambitionen reduziert wurde. In den nur sechs Wochen dauernden Friedensverhandlungen zwischen Preußen, Österreich und Sachsen in Hubertusburg (30. Dezember 1762 bis 15. Februar 1763) setzte sich der preußische König in den wichtigsten Fragen durch, wie z.B. der Wiederherstellung des territorialen Status quo ante, der Wahrung der Erbansprüche auf Ansbach und Bayreuth und der Verweigerung von Entschädigungszahlungen an Sachsen. Die Selbstbehauptung gegen eine schier übermächtige europäische Koalition ließ an Preußens Zugehörigkeit zum Kreis der europäischen Großmächte keine Zweifel mehr aufkommen.
Die Dose wurde von Johann Henrich Hamer in Iserlohn anlässlich der Friedensschlüsse zwischen Preußen und dem Russischen Kaiserreich in Sankt Petersburg am 5. Mai 1762 sowie zwischen Preußen und Schweden am 22. Mai 1762 in Hamburg angefertigt. Durch die Friedensschlüsse schieden beide Mächte aus der Front der Gegner Preußens im Siebenjährigen Krieg aus.
Der Text im linken Abschnitt der Dose lautet: Es wechselt alles ab/Nach Krieg und Blutvergießen/Lässt uns des Himmels Huld/Der Friedens Lust genießen. Rechts heißt es: Der Himmel gebe, dass/dem Beyspiel dieser Drey/auch alle Kriegende/bald mogen fallen bey.
Diese Hoffnung sollte im darauf folgenden Jahr in Erfüllung gehen.
Regensburg 1763 März 10
Hubertusburg 1763 Februar 15
Hubertusburg 1763 Februar 15
Paris 1763 Februar 10

Anlass und Zweck des von Oktober 1814 bis Juni 1815 in Wien tagenden Kongresses war der Vollzug des 1. Pariser Friedens vom 30. Mai 1814. Nach den Revolutionskriegen und den napoleonischen Machtexzessen sollte eine neue territoriale, politische und rechtliche Ordnung in Europa durch einen möglichst vollständigen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten geschaffen und durch die Einbindung aller Mächte in die Friedensverantwortung garantiert werden. Für Deutschland kam dem Kongress die Aufgabe zu, die ungelöste Verfassungsfrage zu regeln. Die Wiener Verhandlungen wurden vom Sachsen-Polen-Problem (preußische Forderung nach Einverleibung Sachsens; russische Ansprüche auf ganz Polen) überschattet, das zu entscheidenden Dissensen zwischen den Mächten führte und den Kongress mehrfach zu sprengen drohte. Am Ende gelang unter dem Eindruck der Rückkehr Napoleons aus Elba und unter Betonung des Legitimitätsprinzips sowohl die Erhaltung Sachsens als auch die Rückführung des auf den Besitzstand von 1792 reduzierten Königreichs Frankreich in den Kreis der europäischen Großmächte. In Mitteleuropa wurde durch die Gründung des Königreichs der Vereinigten Niederlande und den Deutschen Bund eine neue Ordnung geschaffen, die sowohl Frankreich in Schach hielt als auch einen Damm gegen Russland bildete. Am Ende stand kein Bündel von bilateralen Verträgen, sondern eine einzige umfassende Kongressakte (9. Juni 1815) als neues europäisches Grundgesetz. Die deutsche Bundesakte vom 10. Juni 1815, die eine Föderation der deutschen Staaten auf staatenbündischer Grundlage schuf, wurde ebenso wie alle anderen Vereinbarungen in die Kongressakte aufgenommen und damit ein Bestandteil des europäischen Gleichgewichtsmechanismus. Für Europa markiert der Wiener Kongress den Übergang von einem über zwei Jahrzehnte währenden Zustand der Instabilität zu einer neuen internationalen Ordnung, die die politische und territoriale Landschaft des Kontinents bis zum 1. Weltkrieg entscheidend prägte.
Wien 1814 Oktober 8
Wien 1815 Februar 22
Wien 1814 November 2
Wien 1815 Februar
Wien 1815 Juni 8
Der aus Tann in der Rhön stammende Heidelberger Juraprofessor und badische Staats- und Kabinettsrat Johann Ludwig Klüber weilte als Beobachter des Kongressgeschehens in Wien und veröffentlichte zwischen 1815 und 1819 eine achtbändige Sammlung der Akten sowie eine Übersicht der diplomatischen Verhandlungen des Wiener Kongresses.
Carlton Palace 1820 Dezember 31

Der am 28. Juni 1919 in Versailles unterzeichnete und am 10. Januar 1920 in Kraft getretene Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Reich und den Siegermächten Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und USA sowie 22 weiteren Staaten, die mit den Hauptmächten verbündet oder assoziiert waren, beendete formell den 1. Weltkrieg. Gemeinsam mit den zwischen September 1919 und August 1920 abgeschlossenen Friedensverträgen der Alliierten mit Österreich, Ungarn, Bulgarien und der Türkei war er Bestandteil des Vertragssystems der sog. Pariser Vorortverträge. Anders als ihre Vorgänger standen die Friedensmacher von 1919 am Ende eines von ungeahnten Leiden gekennzeichneten Krieges, in dem die Massen in einem bis dahin nicht erlebten Ausmaß mobilisiert worden waren. In der Stunde des Sieges forderte die öffentliche Meinung ihren Tribut ein: Der Weltkrieg führte im Lager der Entente zur Vorstellung von der moralischen Alleinschuld Deutschlands (und seiner Verbündeten) am Kriegsausbruch. Auf diesem Grundsatz war der Versailler Vertrag aufgebaut. Zu den für Deutschland diskriminierenden politischen und wirtschaftlichen Bestimmungen zählten der Ausschluss vom Völkerbund, Gebietsabtretungen an Belgien, Frankreich, Polen und die Tschechoslowakei, bei denen das von den Alliierten propagierte Selbstbestimmungsrecht der Völker inkonsequent angewendet wurde, ferner das Verbot des Anschlusses Österreichs, der Verlust der Kolonien, die Demilitarisierung sowie umfangreiche Reparations- und finanzielle Wiedergutmachungsleistungen. Für das Deutschland der Zwischenkriegszeit wurde der „Schandfriede“ von Versailles zum großen Trauma. Insbesondere der Streit um den Kriegsschuldartikel 231 vergiftete jahrzehntelang die Gemüter. Er führte nicht nur zwischen Deutschland und den Siegermächten, sondern auch innerhalb des Reiches zu leidenschaftlichen Auseinandersetzungen und bot den Nationalsozialisten einen willkommenen Ansatzpunkt für ihre Agitation.
Im Gefolge des Versailler Vertrages sollte in mehreren deutschen Gebieten durch Volksabstimmungen über deren weitere Zugehörigkeit zum Reich entschieden werden. In Preußen führte vor allem die in großen Teilen Oberschlesiens und einem Teil von Niederschlesien vorgesehene Volksabstimmung zu einer beispiellosen Mobilisierung. Nachdem am 20. März 1921 59,6 % für den Verbleib bei Deutschland, 40,4 % für die Angliederung an Polen gestimmt hatten, entschied die Botschafterkonferenz in Paris am 20. Oktober 1921, dass das Gebiet entsprechend dem Wahlergebnis aufzuteilen sei. Der vorwiegend agrarisch geprägte Westen Oberschlesiens blieb deutsch, während der Osten mit den industriellen Zentren um Kattowitz an Polen fiel.
Berlin 1920
Berlin 1921
Berlin 1921 Januar 21
Berlin 1923
Studenten gegen Versailles: Entschließung der deutschen akademischen Jugend gegen das Versailler Diktat und für die Wiederherstellung der deutschen Ehre anlässlich der 10. Wiederkehr der Unterzeichnung des Friedensvertrags

Im letzten Ausstellungsabschnitt verlassen wir das diplomatische Parkett und wenden uns den Friedensfesten zu. Die sorgfältig inszenierten Feiern anlässlich von Friedensschlüssen preisen die Wiederherstellung von Sicherheit, Ruhe und Ordnung. Sie tragen damit sowohl den stabilisierenden Intentionen der jeweiligen Obrigkeit als auch den in der Bevölkerung verbreiteten Stimmungen und Gefühlen Rechnung. Lang aufgestaute Friedenssehnsucht, Erleichterung und Freude über das Ende von Tod und Zerstörung, Hunger, Not und Elend manifestieren sich in Menschenaufläufen und Jubelszenen auf öffentlichen Plätzen (Dok. 76), in Gottesdiensten und Fackelumzügen (Dok. 82-84), Feuerwerken (Dok. 78, 79), Ehrenpforten (Dok. 80b), Konzerten (Dok. 85a-e) und Zechgelagen. Die symbolpolitisch aufgeladenen Feierrituale sind immer auch Dankbekundungen gegenüber dem friedensstiftenden Landesherrn und Lobpreisungen Gottes.
in: Johann Gottfried von Meiern, Acta Pacis Westphalicae Publica oder Westphälische Friedens-Handlungen, 6. Teil, Hannover 1736
Volksauflauf anlässlich der Publikation des Friedensschlusses zwischen Spanien und den Vereinigten Niederlanden am 5. Juni 1648 in Antwerpen
in: Theatrum Europaeum, 6. Teil: 1647-1651, Frankfurt 1652
Kaiserliches Feuerwerk anlässlich des Friedensfests nach Abschluss des Nürnberger Exekutionskongresses 1650
in: Johann Gottfried von Meiern, Acta Pacis Executionis Publica, oder Nürnbergische Friedens-Executions-Handlungen und Geschichte, Teil 2, Göttingen 1738
Schwedisches Feuerwerk im Rahmen des Nürnberger Friedensfests 1650
in: Theatrum Europaeum, 6. Teil: 1647-1651, Frankfurt 1652
Berlin 1763 April 4
Berlin 1871 Mai 31
Melsungen 1871 Februar 23