

Anmerkung: Die Angaben der Inhalts-Anzeige stimmen nicht in allen Fällen mit dem wirklichen Inhalt überein.

Vorwort.
Seit dem Jahre 1789 kämpft die Revolution gegen die bestehende Ordnung der Dinge in Europa. So beharrlich in ihrem Streben, als abscheulich in ihren Mitteln, ist sie zuletzt, - nachdem sie ihr blutiges Panner von einem Ende dieses Welttheils bis zum anderen getragen, Millionen Menschen - Leben, wie Milliarden an Geld verschlungen, und die von ihr heimgesuchten Länder allen Schauer der Anarchie und der Willkühr-Herrschaft Preis gegeben, - in der westlichen Hälfte Europas siegreich gewesen. In Frankreich – ihrem eigentlichen Herde, - in Belgien, Portugal, Spanien, England und der Schweiz trimuphiren heute mehr oder weniger ihre Principien. Zwar ist auch dort der Kampf noch nicht beendigt, denn sie sogenannte Volks - Souveränität gewährt den Völkern keine dauernde Ruhe, und die besitzenden Volksklassen vertheidigen noch ihr Eigenthum und ihre gesetzlichen Vorrechte gegen die alles invellirende Parthey der Proletarier. Allein die Grundlagen der alten Staats-Gebäude sind dahin, und das was an ihre Stelle getreten, hat dem auflösenden, demokratischen Princip ein entschiedenes Uebergewicht verliehen. Ihrem Systeme getreu, hat die revolutionäre Propaganda den Geist der Zwietracht und des Aufruhrs immer weiter auzubreiten gesucht. Noch bluten Italien und Polen an den Wunden, die wiederholte Empörungen und Meuterungen ihnen geschlagen, und auch Deutschland das Land der Treue – ist nun der „Krankheit der Zeit“ nicht verschont geblieben. Diese Erscheinung ist um so betrübender als namentlich Deutschland in den letzten Decenien unter dem milden Scepter weiser und gerechter Fürsten, die ihm inmitten einer sturmbewegten Zeit die Segnungen eines nun bereits zwanzigjährigen Friedens zu erhalten wußten auf der Bahn der Civilisation, gesetzlichen Freiheit und materiellen Wohlstandes Fortschritte gemacht hat, welche selbst die stolzesten Hoffungen der nächstvorigen Generation übertroffen haben, und die mit dem frohen Bewußtsein eines gesicherten Rechtszustandes und eines steten, besonnenen Fortschreitens zum Besseren, alle Volksklassen des gemeinsamen deutschen Vaterlandes in den Gefühlen der Liebe, Erfuhrcht und Dankbarkeit um ihren angestam[m]ten Herrscher vereinigen sollten. Eine böswillige Parthey hat aber mit rastlosem Eifer sich bemüht, das Gefühl seines Glückes in dem Volke zu ersticken und den Samen der Zwietracht in ganz Deutschland auszustreuen. Ehrfürchtige Gelehrte und Halbgelehrte, unpractische Schul - Philosophen und Dogmatikter bemächtigten sich in einer verhängnisvollen Zeit der Presse, um von der angeblichen „Noth des Volkes“ hyperbolisch zu deklamiren, alle Unbilder der Vergangenheit und Gegenwart den Regierungen zur Last zu legen, die bestehenden Institutionen und Verfassungen anzufeinden, und eine radikale Umwälzung des Bestehenden, so wie die Einführung republikanischer Regierungsformen als das einzige und unfehlbare Mittel des allgemeinen Wohles anzugreifen. Durch Reden und Schriften in diesem Sinne erhitzten selbst öffentliche Lehrer die eitle, bewegliche Jugend zu hochverräterischen Unternehmungen, ja bis zum Wahnsinn politischen Meuchelmordes. Auch in der, in Folge des Art: 13 der deutschen Bundes - Akte ins Leben gerufenen Stände - Versam[m]lungen trat den Regierungen vielfältig eine friedliche Oppostion entgegen, deren heftige, nicht selten aus den unlautersten Motiven entspringenden Angriffen dem Ansehen und der Wirksamkeit jener bei der Masse der, keines eigenem Urteils fähigen, empfindlichen Eintrag thaten. So ist es unter dem Einflusses der Zeitereignisse in den Nachbarstaaten gekommen, daß in Deutschland selbst bei gemäßigten Menschen eine Unstim[m]ung, in der altes Mistrauen und neue Irrthümer sich begegneten, künstlich erzeugt ward, daß undeutsche Vorstellungen und Wünsche tief in das Volk eingedrungen sind, und daß, nachdem auf diese Weise der Grund gelegt war, die Revolutions – Parthey darauf bald im Finsteren Schleichende, bald in offene Angriffe übergehende Umtriebe direkt auf ihr Ziel, den Umsturz des Bestehenden – hinarbeitet. Da über den Ursprung, den Umfang und die Bedeutsamkeit dieses Nebels vielfältig irrige Ansichten herrschend, in Folge deren jene bald zu hoch, bald zu niedrig angeschlagen wird, während eine richtige Beantwortung der Fragen, ob und welche Maaßregeln zu Erhaltung und Befestigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung im Deutschland zu ergreifen sein möchten? Durch eine genaue und zuverlässige Kenntniß der betreffenden Thatsachen und ihres Zusammenhanges bedingt ist; so schien es der CentralBehörde angemessen, in Gemäßheit des Art:7 des hohen Bundes – Beschlusses vom 20 Juni1833 die wesentlichen Resulte ihrer seitherigen Forschungen in dem nachstehenden Aufsatze zusam[m]enzufassen, welcher mit einer gedrängten, aber vollständigen Uebersicht der stattgehabten revolutionären Umtriebe eine auf Thatsachen gegründete Untersuchung ihrer Ursachen, des Grades ihrer Gefährlichkeit und der Mittel der Abhülfe verbindet.

§. 1.
Die von der vormaligen Central Untersuchungs Commission in Mainz angestellten Nachforschungen haben diese Behörde in Bezug auf den Ursprung der revolutionären Umtriebe bis über das Jahr 1810 zurückgeführt. Dieselben entwickelten sich von da an zunächst aus geheimen politischen Verbindungen, welche ursprünglich die Bekämpfung der damals auf Deutschland lastenden Uebermacht Frankreichs bezweckten, theilweise jedoch unter den Feldgegeschrei: „ Deutschlands Einheit und Einigkeit“ auch dann noch zu wirken und sich auszubreiten fortfuhren, als jener Zweck erreicht und Deutschlands äußere Freiheit errungen war, angeblich, um durch Erhaltung und Belebung des „Volksgeistes“ das Erkämpfte zu behaupten, und selbst durch die Kraft einer sogenannten „öffentlichen Meinung“ in Bezug auf Deutschlands Einheit die Festsetzung von Formen zu bewirken, welche allein seine Freiheit zu sichern geignet seien sollten. Schon in diesen ersten politischen Verbindungen sind zwey Classen Theilnehmern zu unterscheiden, von welchen es der einen mehr nur um Erreichung patriotischer Zwecke, wenn auch auf ungesetzlichen Wege, zu thun war, während die andere jene Vereine lediglich als Mittel zur Verwirklichung weiter gehender, revolutionärer Entwürfe zu benützen suchte. Unter den Mittgliedern der letzteren Classe zeichneten sich in jener Periode der politische Pamphletist Ernst Mortiz Arndt, der Erfinder des Turnwesens Friedr. - Ludwig Jahn der Stifter des „Usinger Vereins,“ Wilhelm Snell, und der Vorstand des „deutschen Bundes,“ Justiz-Raht Karl Hofmann aus Rödelheim besonders aus. Zwar lösten sich im Jahre 1815 die gedachten Verbindungen, als deren Fortsetzung für die Mitarbeit der Einzelnen nicht mehr räthlich erschien, der Form nach auf; indessen setzten die übelgesinnten Mitglieder derselben das frühere politische Treiben ununterbrochen fort, indem sie durch Gleichheit der Grundsätze und Bestrebungen verbunden, durch consequent benützte Mittel auf die öffentliche Meinung, auf das Volk und auf die Jugend planmäßig einzuwirken sich bemühten. Besonders thätig zeigte sich diese Parthey in den auf Einfürung ständischer Verfassungen berechneten Umtrieben, wobei sie, mit absichtlicher Verwechslung der Begriffe und Verhältnisse, Repräsentativ – Verfassungen Fremder Staaten als Muster pries, und als das unfehlbare Mittel, den Dämon der Empörung für immer zu bannen und das goldene Zeitalter herbeizuführen, rühmte, während es ihr in der That nur darum zu thun war, die souveräne Gewalt der Fürsten möglichst zu beschränken, die Staats - Verwaltung ihrem Einfluss zu unterwerfen und hindurch ihrem geheimen Ziele – der großendeutschen Republik – näher zu kommen. Gleichzeitig entstand und verbreitete sich auf den deutschen Universitäten eine Studentenverbindung mit politischer Tendenz, zu welcher Jahn in einem schon im Jahr 1812 mit Fichte berathenen Aufsatze den Vorschlag gemacht hatte, und die unter den Namen der allegmeinen deutschen Burschenschaft bringt ununterbrochen bis auf die neuste Zeit bestanden hat. Die dieser Verbindung zum Grunde liegende unklare, aber eben darum um so lebhaftere Idee des „Einen und freien Deutschlands“ ergriff die damals noch theilweise durch die Theilnahme an den Befreiungs – Kriegen begeisterte, auch durch das systematisch betreibene Thurnwesen aufgeregte akademische Jugend um so mehr, je mehr sie sich in dem ihr eingeflößten Wahne gefiel, daß sie berufen und der Nachwelt verpflichtet sey, eine Verbesserung des durch ihre Väter verschlechterten öffentlichen Zustandes mit Anstrengung aller ihrer Kräfte und Aufopfer– ung ihrer selbst zu bewirken, - eine Anmaßung, in welcher die durch Apologieen öffentlicher Lehrer und Schriftsteller, unter denen besonders die Professoren Fries, Kieser, Luden, Oken und die Brüder Gottlieb und Karl Welker * genan[n]t werden, bestärkt und gesteigert ward.
-----------------
* Karl Welker war in jener Periode nach einander Professor der Rechte in Gießen, Kiel, Heidelberg und Bonn. Auf letzterer Universität wurde er im Jahr 1819 wegen Verdachts der Theilnahme an demagogischen Verbindungen in Untersuchen gezogen, und nahm hierauf einen Ruf an die Universität Freiburg an, wo er im Jahr 1832, gleichzeitig mit Rottek in den Ruhestand versetzt ward. Die Rolle, welche er als Abgeordneter des Bezirksamts Ettenheim auf den badischen Landtagen gespielt hat, ist bekannt.
Die berüchtigte Wartburgsfeyer /18 Oktober 1817/ gab von allem diesem bereits ein trauriges Zeugniß, und wir erblicken seitdem in der Burschenschaft eine von älteren und höher stehenden Revolutionären sorgfältig gehegte und häufig benützte Pflanzschule politischer Schwärmer und Verbrecher. Nachdem schon im Mai 1818 von der Burschenschaft zu Gießen der Grundsatz: „der Zweck heiligt die Mittel“ berathen und angenommen worden war, und aus den überspanntesten Mitgliedern jener Verbindungen sich allmählig engere Vereine zu bilden anfiengen (sic!), unter welchen sich der zu Jena, wo damals Karl Follenius sein Wesen trieb, zu den sog: Unbedingten rechnete, neigte sich die politische Stim[m]ung 1818/19 immer zu gewaltsamen Ausbrüchen, und es konnte daher kaum befremden, als am 23“ März 1819. Kotzebue unter dem Dolche des Jenaeser Burschenschafter Sand aus Wunsiedel fiel, und bald darauf (am 1“ Juli 1819) der Apotheker Karl Löning aus Wiesbaden, ein eifriges Mitglied der früheren „deutschen Gesellschaft,“ den Herzogl. Nassauischen Regierungs-Präsidenten Ibell zu ermorden versuchte, zwei Beispiele, welche Gleichgesinnte zu ähnlichen Thaten begeistern und die politischen Gegner verstummen machen sollten. Auf diesen schmählichen Umtrieben und Ausbrüche eines bis zum Wahnwitz gesteigerten politischen Fanatismus, der übrigens viele Bewunderer und Vertheidiger fand, erfolgten, nebst zahlreichen Einschreitungen der Behörden, die Bundestags – Beschlüsse vom 20“ Septbr. 1819, durch welche die Central Untersuchungs Comission in Mainz errichtet, die Schulen und Universitäten einer strengeren Aufsicht unterworfen, die Theilnahme an der Burschenschaft und Verbindungen mit aus Schließung von öffentlichen Ämtern bedroht, und auf die, so vielfältig mißbrauchte Presse unter gleichförmige, gesetzliche Bestimmungen gestellt ward. Indessen erholte sich die Revolutions Partey bald von dem Schreken, welche diese Maaßregeln ihr verursacht hatten, indem die im Jahr 1820 kurz nacheinander erfolgten Insurrektionen von Spanien und Neapel, so wie gleichzeitige Unruhen in Frankereich ihre Hoffnungen neu belebten, woneben auch in Vollziehung jener Bundesbeschlüsse nicht allenthalben mit Nachdruck und Consequenz verfahren ward. Da sich übrigens die Parthey überzeugt haben mochte, daß sie für sich allein zur Erreichung ihrer Zwecke zu schwach sei, und da überdieß mehrere Ihrer Koryphäen, welche sich in das Ausland zu Flüchten veranlaßt gesehen hatten, hindurch mit auswärtigen Gleichgesinnten in Berührung gekommen waren, so trat von da an, in den revolutionären Treiben die bemerkenswerthe Aenderung ein, dass viele der deutschen Demagogen, welche bis dahin unauslöschlichen Haß gegen das Ausland, besonders gegen Frankreich, gepredigt hatten, nun mit den Revolutionären anderer Länder sich verbanden und deren Hülfe nachsuchten, um in ihr Vaterland die Fackel des Aufruhrs zu schleudern, so daß seit dieser Zeit die revolutionären Umtriebe in Deutschland mehr nur als eine Fraktion der allgemeinen Bewegung erscheinen, welche die Ruhe von Europa zu erschüttern drohte. Es wird behauptet, daß schon im Jahr 1820 eine förmliche Verbindung zwischen den deutschen und französischen Revolutionären zu Stande gekommen sey. Zuverläßiger ist, dass in dem gedachten Jahren sich in Deutschland eine revolutionäre Verbindung von Männern /: Männerbund :/ gebildet, welcher namentlich auf die Besetzung der König. Preuß. Festung Erfurt Einfluß zu erlangen suchten und zu diesem Behufe den kom[m]andierenden Ingenieur – Offizier daselbst, Major v. Fehrentheil, für ihre Zwecke gewan[n]. Außerdem ist jedoch über die Mitlieder und das Treiben dieser Verbindung, die sich in ein tiefes Dunkel zu hüllen wusste, wenig bekan[n]t geworden. Vollkom[m]en ermittelt ward dagegen der im Jahr 1812 gestiftete „Bund der Jungen“, welcher dem Männerbunde als blindes Werkzeug dienen sollte. Der Jenaeser Student Adolph v. Sprewitz, der gleich mehreren anderen Burschenschaften im Frühjahr 1821 den insurginten Pinmontesern zu Hülfe geeilt war, den Zweck seiner Reise aber durch die schnelle Unterdrückung der italienischen Aufstände die kais. östreichischen Heeren vereitelt sah, empfieng die der Carbonaria nachgebildeten Statuten dieser, ausdrücklich auf den Umsturz der deutschen Regierungen und Verfassungen gerichteten Verbindung, von dem flüchtigen Privatdozenten Karl Follenius, dem Turnlehrer Karl Völker und dem vormaligen K. preuß. Hauptmann v. Dittmar welche sich damals ergrimmt über die Vereitlung ihrer auf Italien gesetzten Hoffnungen, zu Chur in der Schweiz aufhielten. Die Ausbreitung dieses geheimen Bundes auf den meisten deutschen Universitäten ging sofort um so leichter von statten, als derselben eigentlich nur einen höheren Grad der, allen Verboten zum Trotz, überall wieder ausgelebten Burschenschaften bildeten und daher bei letzteren großen Ankla[n]g fand. Indessen fieng nach einiger Zeit der Eifer für diese Verbindung, deren Thätigkeit sich zunächst auf eine aufregende Einwirkung auf die Burschenschaft und auf verschiedene Zusammenkünfte beschränkte, zu erkalten an, als wiederholte Versuche ihrer Theilnehmer, über den im Hintergrunde stehenden Männer- bund näheren Aufschluß zu erlangen, fruchtlos geblieben waren und überdieß die Befestigung des Villelleschen Ministeriums in Frankreich und die Besiegung der Revolutions- Parthey in Spanien die Aussichten auf das Gelingen revolutionärer Unternehmungen sehr entfernt hatten. Der „geheime Jünglings-Bund“ war deshalb bereits in einer theilweisen Auflösung begriffen, als er zu Ende des Jahrs1823 entdeckt und zum Gegenstande mehrfacher gerichtlicher Untersuchungen gemacht ward, aus deren Grund viele seiner Theilnehmer zu bedeutenden Criminal-Strafen verurtheilt, hiernächst aber, in Betracht ihrer Jugend, ganz oder theilweise begnadigt wurden.

§. 2.
Von da an bis zum Jahr 1830 trat in Folge der durch die Entdeckungen und Mittheilungen der Central Untersuchungs Comission zu Mainz geweckten Thätigkeiten der Behörden und der oben berührten Zeit- Ereignisse in den Aeusserungen des revolutionären Geistes ein Stillstand ein, und es wurden daher zu Ende des Jahres 1827 die Arbeiten jener Comission beendiget. Indessen konnte es dem aufmerksam[m]en Beobachter nicht entgehen, daß die Revolutionsparthey ihre strafbaren Hoffnungen und Plane keineswegs aufgegeben hatte, daß vielmehr das Feuer noch unter der Asche glim[m]e, und nur auf einen passeneden Zeitpunkt harre, die Fackel der Zwietracht auf das Neue zu entzünden. Ein solcher bot unerwartet in der französischen July – Revolution sich dar. Diese verhängnißvolle Ereigniß wurde von den deutschen Liberalen mit dem ausgelassensten Jubel berüßt. Sie gebärdeten sich, als ob dasselbe nicht nur die Lage Frankreichs, sondern auch die von Deutschland verändert häthe, und als vollends durch die Einwirkungen der Propagande bald darauf die Insurrektionen von Belgien und Polen erfolgten, glaubten die deutschen Revolutionäre, daß es nun an der Zeit sey, mit der Verwirklichung ihrer Entwürfe den Anfang zu machen. So erklären sich die im Herbst 1830 und Januar 1831 stattgehabten aufruhrerischen Bewegungen in Braunschweig, wo das herzogliche Residenzschloß in Brand gesteckt wurde, in dem Königreiche Sachsen, in Kurhessen, in der großherzoglichen Provinz Oberhessen, in Altenburg und Hannover, welche zugleich warnendes Zeugniß geben, wie leicht auch in Deutschalnd die minderen Volksklassen von ränkevollen Demagogen zu gewaltsamen Ausbrüchen hingerissen werden können. Da hierauf der von seinen empörten Unterthanen vertriebene Herzog Karl von Braunschweig zum Besitz seiner seiner Regierungs – Rechte nicht wieder gelangte, und bald die Königreiche Sachsen und Hannover ständische Verfassungen erhielten; so ermangelte die ofterwähnte Faktion nicht, böslicherweise solches als Erstlings – Erfolge ihrer Thätigkeit darzustellen, und hierauf die Hoffnung weiterer Siege zu gründen.

Das Hauptmittel hinzu wurde in dem unbeschränkten Gebrauche oder vielmehr Missbrauche der Druckerpresse gefunden, welche auch in der That von da an, in Deutschland bisher unerhörte Anstrengungen machte, durch die frechsten Verschmähungen der Regenten, durch partheische und gehässige Kritiker aller Regierungshand lungen, durch böswillige, auf die Leidenschaften des sklavisch geschmeichelten großen Haufens berechnete Verwirrung der Begriffe über die Rechte und Pflichten der Unterthanen, durch lügenhafte und übertriebene Schilderungen der auf denselben angeblich ruhenden Lasten und durch ganghafte Angreifungen republikanischer Institutionen, kurz durch Verläumdungen und Zänke aller Art allgemeine Unzufriedenheit, Gährung und Misstrauen zu erregen, und die Gemüther für die beabsichtigte Umwälzung des bestehenden vorzubereiten und aufzureizen. Die Zahl der in diesem Sinn von brodlosen Candidaten, missvergnügten Beamten und ehrsüchtigen Gelehrten geschriebenen periodischen Blättern nahm fast mit jedem Monat zu, und alle wetteiferten in dem Cynismus der Sprache und in die Bösartigkeit der Tendenz. Vergebens bemühten sich einige Regierungen, diese systematische Vergiftung der öffentlichen Meinung durch gut und gemäßigt geschriebene Zeitschriften zu neutralisiren. Die Stimme der Wahrheit fand in dem verworrenen Geschrey der Leidenschaften kein Gehör und die Parthey, welche sich für infallibel, Andersdenkende für Rebellen gegen Recht und Vernunft erklärt und gemäßigte Meinungen verdam[m]t, wußte jene Versuche erfolglos zu machen. Die wirksameren Mittel – die bundesgesetzliche Censur – wurde theils von eingeschüchterten Censoren nicht vorschriftsmäßig geübt, theils auf die mannigfaltigste Art umgangen. So ließ z.B. die Redaktion des „Hochwächters“ in Stuttgart, eines revolutionären Blattes, welches von zwey begnadigten Mitgliedern des „Jünglingsbundes“ den Apothekern Rödinger und Tafel, in Gemeinschaft mit dem jetzt flüchtigen Demagogen Rudolph Lohbauer herausgegeben ward, die ihr von der Censur gestrichenen Artikel mit hämischen Anmerkungen und Zusätzen in einem mehr als 20 Bogen starken Band in Pforzheim drucken und an ihre Abonnenten unentgeldlich vertheilen. Andere benützten das nahe Frankreich oder geheime Winkel Pressen, um aufrührerische Flugschriften herauszugeben, mit welchen Deutschland in den letzten Jahren wahrhaft überschwem[m]t worden ist. Am weitesten wurde jedoch der Preß- Unfug von dem Redakteur der „deutschen Tribüne“ Dr. Goerg August Wirth aus Hof getrieben. Nachdem derselbe zu Ende des Jahres 1831 den Druck seines revolutionären Journals von München nach Homburg in Rheinbaiern verlegt hatte, um solches, wie er erklärte, „unter dem Schutze der dort geltenden französischen Gesetzgebung fortzusetzen, erließ er im Februar 1832 eine in 50,000 Exemplaren verbreiteten Aufruf, in welchem er „zur Wiedererweckung der zur Zeit „vernichteten deutschen Nation, und zur Ueberwindung des hartnäckigen Wiederstandes der „Könige, welche unter sich zur Unterdrückung „ der Völker verbündet seien,“ zur Bildung eines öffentlichen Vereines zur Unterstützung der freien Presse aufforderte, welch’ letztere dann mittelst allgemeiner Verbreitung der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit „eines deutschen Reichs mit demokratischer Verfassung“ die Befreiung Deutschlands „auf gesetzmäßigem Wege“ bewirken werde. Dieser Preß- oder Vaterlands-Verein kam unter der Direktion der Advokaten Schüler, Savoye und Geib von Zweibrücken wirklich zu Stande, und verbreitete sich, - zumal nachdem der non von der k. bayerischen Regierung des Rheinkreises verfügten Arrest des Dr. Wirth und seiner Presse von der Anklagekammer des dortigen Appelationsgerichts, welche damals in jenem Aufrufe nichts Ungesetzliches fand, wieder aufgehoben worden war, schnell über einen großen Theil von Deutschland; woeben selbst unter den „liberalen“ Deutschen in Paris eine Abtheilung desselben gebildet ward, deren Vorstand der revolutionäre Schriftsteller Joseph Heinrich Garnier aus Rastatt war. Auch ließen sich Wirth und sein Genosse, Dr. Siebenpfeiffer/: Redakteur des „Westboten“:/, als die von ihren redigirten Zeitschriften endlich unterdrückt worden waren, hindurch nicht abhalten, diesselben mit den Geldern des Preßvereins noch einige Zeit mittelst einzelner revolutionärer Flugschriften fortzusetzen.

§. 4.
Nachdem durch diese und ähnliche Umtriebe, Wozu namentlich auch die Durchzüge der landesflüchtigen polnischen Insurgenten benützt wurden, mit welchen die deutschen „Liberalen“ in dem Hasse gegen Russland sympathisirten,- in einem großen Theile von Deutschland besonders in Rheinbayern, eine Gährung erzeugt worden war, welche in den Revolutionären, zumal bei der von ihnen für Furcht und Schwäche gehaltenen Passivität mancher Regierungen, sanguinische Hoffnungen erregte, gieng die Parthey ihrem Ziele um einen Schritt näher, und veranstaltete Volksversammlungen, bei welchen aufrührerische Lieder gesungen, und ähnliche Reden gehalten wurden. die bedeutendste dieser Versam[m]lungen war das am 27“ May 1832 gefeierte, berüchtigte Hambacher – Fest, an welchem gegen 30,000 Menschen aus Rheinbaiern, Baden (worunter etwa 300 Heidelberger Studenten), Hessen, Rheinpreußen, Nassau, Frankfurt, Württemberg und mehreren anderen deutschen Bundes Staaten nebst einer Anzahl Franzosen und Polen Theil genom[m]en haben. Schon die von dem oben erwähnten Dr – Siebenpfeiffer verfaßte, weit verbreitete Einladung zu diesem „deutschen Nationalfeste“ ließ voraussehen, was von demselben zu erwarten sey. Die Königl. Bayerische Regierung des Rheinkreises hatte daher die Vorsicht, unter den 8“ – May 1832 ein Verbot desselben zu erlassen, zu dessen Zurücknahme am 17“ desselben Monats sie nur durch vielfältige, selbst von dem gerade versam[m]elten Landrathe der Provinz unterstützte, dringende und drohende Versammlungen bewogen ward. Die Verordnung, daß über die Zeit des Festes nur mit Pässen versehenen Reisenden der Eintritt in den Rheinkreis gestattet werden solle, konnte bei der Masse der zu Hunderten die Gränze überschreitenden nicht gehandhabt werden. Bei dem feyerlichen Auszuge, mit welchem das Fest begann, sah man viele Kokarden und Fahnen mit den altdeutschen Farben (:schwarz, roth, gold:) dagegen wurde eine Fahne mit den bairischen Nationalfarben zurückgewiesen. Die hierauf von den revolutionären Journalisten Dr – Wirth, Dr – Siebenpfeiffer, Dr – Grohse und Dr – Pistor, dem Pfarrer Hochdörfer aus Sembach, dem Advokaten Hallauer aus St: Wendel, dem Candidaten Scharpff aus Homburg, dem Heidelberger Burschenschafter Brüggemann aus Hoysten und mehreren Anderen an die versam[m]elte Volksmenge gehaltenen, von dieser mit großem Beifall aufgenom[m]enen, später durch den Druck verbreiteten Reden können nur mit den wüthendsten Deklamationen der französischen Jakobiner im Jahre 1793 verglichen werden. Alle erschöpften sich in den gröbsten Schmähungen und Lästerungen der regierenden Fürsten, welche wiederholt „geborene Hochverräter an der menschlichen Gesellschaft“ genannt wurden, so wie in den grellsten Schilderungen des angeblich auf Deutschland lastenden Drucks und Elends und bemühten sich, ihre Zuhörer zu überzeugen, daß der dermalige Zustand des Vaterlandes ganz unerträglich und schmachvoll, eine Abhülfe von Seiten der Fürsten und ihrer Regierungen aber durchaus nicht zu erwarten sey, weßwegen das Volk sich nothwendig selbst helfen und das „eine und freie Deutschland“ durch eigene Kraft erringen müsse. Nachdem Dr – Wirth seine Diatriben mit einer feierlichen Verwünschung aller Souveraine beschlossen hatte, überreichte ihm der Litteratus Friedrich Funk aus Frankfurt a/m, Namens der dortigen „Patrioten“ ein deutsches Schwerdt als Ehrengeschenk, welches Wirth der Menge der Menge mit den Worten zeigte, „ob das nicht ein Wahrzeichen sey.“ Der Advokat Rey aus Straßburg übergab der Versammlung eine Adresse der dortigen Gesellschaft „amis du peuple,“ und begrüßte dabei „die neu aufkeimende republikanische Freiheit von Deutschland.“ Auch von einem polnischen National Comité in Paris und aus mehreren deutschen Städten kamen der Versam[m]lung ähnliche Adressen zu. Die nächste und natürlichste Folge des Hambacherfestes war eine solche Steigerung der Aufregung unter dem Volke in Rheinbayern, daß man jeden Augenblick gewaltsame Ausbrüche befürchten musste, die sich wahrscheinlich nur in Hinblick auf die bedeutende Militär - Macht, welche die Regierung sofort in jener Provinz zusammenzog, unterblieben sind. In den Städten Pirmasens, Bergzabern, Neustadt und in vielen Dörfern wurden Freiheitsbäume errichtet, und im Namen der Freiheit Entfernung aller Polizei – und anderer Beamten, so wie uneingeschränkte Disposition über die Forsten, Gemeinde – Kassen verlangt, während die wohlhabenden Einwohner, welche der fanatisirte Pöbel „Aristokraten“ nannte, Tag und Nacht für ihr Leben und ihr Eigenthum zittern mussten. Es liegen auch Anzeigen vor, dass in einer den Tag nach dem Feste von den Koryphäen desselben in dem Hause des ständischen Abgeordneten Schoppmann zu Neustadt gehaltenen Berathung die Frage: ob man sich sofort als provisorische Regierung Deutschlands constituiren und die Revolution beginnen wolle? zwar vorläufig verneint, dagegen beschlossen wurde, in mehrere Bundesstaaten Emissäre zu senden, um darüber: wie weit das Volk für die Revolution vorbereitet sey, und über welche Kräfte man im Falle des Ausbruchs gebiethen kann? Zuverlässige Erkundigung einzuziehen, was von dem Central Comité des Pressvereins im Juny 1832 auch wirklich vollzogen ward. Ausser Hambach wurden am 27“ Mai 1832 auch in St: Wendel, wo der Pfarrer Juch das Volk aufreitzte, und bald darauf ernstliche Unruhen ausbrechen, ferner in Gaibach, wo der Hofrath Behr von Würzburg vor fünf bis sechstausend Menschen eine aufregende Rede hielt, Volksversammlungen gehalten, und selbst von den „liberalen“ Deutschen zu Paris in Gemeinschaft mit dortigen Republikanern unter dem Vorsitze des Generals Lafayette ein polnisches Fest gefeiert, welches insofern Erwähnung verdient, als solches auch einen Zusam[m]enhang des, einige Tage später, erfolgten Aufstandes der Republikaner in Paris (5“ und 6“ Juni 1832) mit den angeführten Ereignissen in Deutschland hindeutet. Aehnliche Volksversammlungen fanden bald darauf in Bergen und in Wilhelmsbad im Kurfürstenthum Hessen, wo sich acht bis zehntausend Menschen eingefunden hatten, so wie auf dem Dreifaltigkeitsberge bei Spaichingen im Königreiche Württemberg statt.
4. Volks - Versammlungen, insbesondere Hambacherfest. (§ 4) I

§. 5.
Man würde sich jedoch täuschen, und das sonst so treue und besonnene Volk der Deutschen verkennen, wenn man die damals in Süddeutschland durch die bedenklichsten Symptome fast allgemein sich kundgebende Aufregung der Gemüther ausschließlich der Zügellosigkeit der Presse und den Umtrieben einer Handvoll, meist obscurer Demagogen zuschreiben wollte. Wenn aber die grundlosen Klagen und Beschwerden der Presse in den aus der Wahl und dem Vertrauen des Volks hervorgegangenen ständischen Kammern ein Echo fanden, wenn jenes sah, wie viele seiner Vertrauten allen Verfügungen und Entwürfen der Regierung tadelnd, hemmend und beschränkend entgegen traten, und wenn selbst öffentliche Diener und Behörden - Organe der Staatsgewalt – ungestraft dieser entgegenzuwirken wagten; so konnten die Beispiele solcher Autoritäten nicht verfallen, auf die Masse des Volkes den tiefsten, dem Ansehen und der Wirksamkeit der Regierungen nachtheiligsten Eindruck zu machen, und den vorerwähnten Umtrieben den kräftigsten Vorschub zu leisten. Leider war aber alles dieses nur zu sehr der Fall. In den, zum Theil unter dem Einflusse der revolutionären Presse, gewählten Stände – Kammern trat gerade zu einer Zeit, deren krankhafte Erscheinungen für alle wahren Patrioten die dringendste Aufforderung enthielt, den für Erhaltung der öffentlichen Ruhe und gesetzlichen Ordnung besorgten Regierungen den eifrigsten Beistand zu leihen, letzteren nicht selten eine dem Auslande nachgeahmte, auf Volksgunst und Befriedigung widriger Leidenschaften berechnete, systematische Opposition entgegen, welche sich in den heftigsten Ausfällen auf die Staatsverwaltung, unstatthaften Drohungen und Steuer Verweigerung und wiederholten Angriffen auf die deutsche Bundesverfassung gefiel, und, während sie ihre Rechte und Befugnisse über die verfassungsmäßigen Schranken auszudehnen suchte, häufig die wohlmeinendsten Absichten und Maasregeln der Regierungen vereitelte. Während der jedem Unbefangenen klar vor Augen liegende, beispiellose Misbrauch der politischen Drucker – Presse jede weitere Ausführung über die Nothwendigkeit ihrer Beschränkung entbehrlich machte, ertönten die ständischen Kam[m]ern von den dringensten Petitionen um unbeschränkte Preß – Freiheit, und die bestehende Öffentlichkeit der Verhandlungen schien manchem Abgeordneten nur das Mittel, durch maaßlosen Gebrauch der Rede – Freiheit auch außerhalb der Kammer unlautere Zwecke zu erreichen. Ein Blick auf die ständischen Verhandlungen jener Periode in Bayern, Württemberg, Baden, beiden Hessen und Nassau, und auf die bei Auflösung mehrerer „vergeblicher Landtage“ von den betreffenden Regierungen erlassenen Manifeste beweist zur Genüge die traurige Wahrheit des hier Gesagten. Nicht minder notorisch ist, dass öffentliche Behörden und Beamte, von denen manche selbst früher an geheimen politischen Verbindungen Theil genommen hatten, mit der Parthey der „Liberalen“ sympathisirten und deshalb,- im Hinblick auf ihre vor willkührlicher Entlassung und Zurücksetzung gesicherte Existenz um das Misfallen ihrer Oberen unbekümmert,- theils die zum Schutze der bürgerlichen Gesellschaft vor revolutionären Umtrieben erlassenen Gesetze und Verordnungen nicht mit dem gehörigen Eifer und Nachdruck vollzogen, theils die Parthie der Demagogen offen zu nehmen sich erkühnten. Wir erinnern dießfalls nur an die am 26. März 1832 stattgehabte Befreiung des Behufs seiner Ausweisung aus dem königlichen Rheinkreise auf dem Transporte begriffenen Journalisten Georg Fein aus Braunschweig durch einen eigenmächtigen Beschluss des Friedensrichters Klein zu Anweiler, und an das oben erwähnte Erkenntniß des Appellationsgerichts in Zweybrücken vom 14. April 1832, durch welches der revolutionäre Preß – Verein für gesetzmäßig erklärt ward,- zwei bekannte Beispiele, denen wir, wenn es nötig wäre, aus den von uns eingesehenen, in verschiedenen deutschen bundesstaaten verhandelten Untersuchungs – Akten noch mehrere andere anreihen könnten. Diese beunruhigende Lage der Dinge in Deutschland veranlasste die Bundestagsbeschlüsse vom 28. Juni und 5. Juli 1832, welche,- obwohl sie im wesentlichen nichts Neues bestimmen, sondern nur den festen Entschluß sämtlicher Bundesregierungen verkünden, die bereits durch die Bundesakten und die Wiener Schluß – Akte festgestellten Gerechtsame des Bundes gegen die Eingriffe der ständischen Kammern und gegen den Misbrauch der Presse zu handhaben, so wie die gesetzliche Ordnung und Ruhe im deutschen Bunde gegen die Umtriebe von Aufwieglern zu wachen,- von der Parthey, gegen die sie gerichtet waren, durch eine Masse der heftigsten Flugschriften, Protestationen, Petitionen und Adressen bestritten und angegriffen wurden; wodurch sich die hohe Bundesversammlung bewogen fand, durch Beschluß vom 9. August 1832 die zuversichtliche Erwartung auszusprechen, „daß die Regierungen, in deren Staaten derley Akte der Auflehnung gegen die im Staats – Oberhaupte vereinigte Staatsgewalt sich ereignen, gegen die Urheber und Verbreiter solcher Protestationen, Petitionen und Adressen die Untersuchung einleiten, und nach den Gesetzen verfahren werde“, was dann auch vielfältig geschehen ist.

§. 6.
Daß die seither erwähnten Ereignisse und Umtriebe auch auf die Stimmung eines großen Theils der akademischen Jugend bedeutenden Einfluß übten, kann um so weniger befremden, als zu der Zeit, in welcher jene Macht hatten, die streng verbotene Burschenschaft auf den meisten deutschen Universitäten wieder aufgelebt war, und eifriger je ihr Wesen trieb, - eine Erscheinung, welche von der Pflicht Erfüllung der dortigen akademischen Aufsichts Behörden unvortheilhaftes Zeugniß giebt. Die ersten aktenmäßigen Spuren der Erneuerung dieser allgemeinen politischen Studentenverbindung zeigen sich schon im Herbst 1827, wo die Burschenschaften in Erlangen, Würzburg, Jena und Leipzig zusammen in ein Cartel traten, welcher sich nach und nach auf die Universitäten München, Tübingen, Halle, Bonn, Gießen, Marburg, Kiel und Heidelberg erstreckte, von welcher übrigens später mehrere aus dem allgemeinen Verbande wieder austraten, während die auch aus den Universitäten Breslau, Greifswalde, Freiburg und Rostock bestandenen burschenschaftlichen Vereine so wie bekannt, niemals in dem gedachten Verbande standen. Jene Verbindung der einzelnen Burschenschaften bildete fortan, wie früher, die allgemeine deutsche Burschenschaft, welche eine eigene Constitution hatte, mit der die Statuten jener Lokal-Vereine im Wesentlichen übereinstimmen mussten. Sie wurde repräsentiert durch die sei: Burschentage, d.h. durch periodische Versam[m]lungen, welche von Abgeordneten der einzelnen Burschenschaften zu Berathung und Entscheidung burschenschaftlicher Angelegenheiten gehalten wurden und deren Beschlüsse für die Spezial-Burschenschaft, sofern diese in dem allgemeinen Verband bleiben wollten, verbindende Kraft hatten. In der Zwischenzeit, von einem Burschentage zum andern, besorgte eine hinzu erwählte geschäftsführende Burschenschaft die gemeinsamen Angelegenheiten der Verbindung. Die einzelnen Burschenschaften theilten sich gewöhnlich in einen engeren und einen weiteren Verein, von welcher jener die Vorsteher und die in das politische Treiben tiefer eingeweihten Mitglieder enthielt, welche allein um die auswärtige Correspondenz wissen durften. Als eine Pflanzschule für den weiteren Verein waren die sogenan[n]ten Commentbursche oder Kneipfreunde zu betrachten, nämlich Studenten, welche das Gesellschafts Lokal regekmäßig zu besuchen pflegten und vor der wirklichen Aufnahme in die Verbindung eine Art von Probezeit zu bestehen hatten. Der Sinn der Mitglieder für Politik wurde geweckt und genährt durch die sog: Kränzchen, welche aus kleinen Abtheilungen unter einem Führer bestanden und in denen regelmäßig staatsrechtliche Gegenstände besprochen und politische Schriften gelesen wurden, zu welchen Behufe jede Burschenschaft eine kleine Bibliothek besaß, die, wie sich bei der Untersuchung ergab, gewöhnlich die verderblichsten revolutionäre Schriften enthielt. Den Zweck der allgemeinen Burschenschaft bezeichneten ihre Statuten bis zum Herbst 1831 mit den Worten: „Vorbereitung zur Herbeiführung eines in Freiheit und Staats-Einheit geregelten Volkslebens im „deutschen Vaterlande mittelß sitt„licher Ausbildung.“ – Für diesen Zweck sollten ihre Mitglieder, wie viele derselben ausdrücklich angegeben haben, nicht nur während ihrer Studienzeit, sondern ihr ganzes Leben lang „durch Wort und That“ zu wirken suchen. Unter der Verpflichtung zur „That“ verstanden schon damals Mehrere, selbst eine Theilnahme an ausbrechenden Revolutionen, wogegen Andere sich auf geistige Mittel beschränken wollten. Diese Meinungverschiedenheit veranlaßten in einigen Burschenschaften, namentlich zu Erlangen, Jena und Halle, eine Spaltung der Mitglieder in zwey besondere Verbindungen, von welchen sich die eine, die zu einer entschieden revolutionären Standung sinnigte, Germania, die andere aber Arminia nannte, die letztere, deren Wesen von den Germanen als deutschthümlich pietistisch verspottet und befehdet wurde, konnte sich jedoch nicht lange behaupten, zumal die, ausschließlich von Germanen beschickten, Burschentage sich gegen sie erklärten. Unter dem Einflusse der Zeit-Ereignisse bildete sich die gewaltige politische Standung der Burschenschaft bald weiter aus, und wir haben schon am 29ten Juli 1831 die burschenschaftliche Parthey in Heidelberg den Jahrestag der französischen Revolution mit Festen feyern, während die Germanen in Müchen, ganz gegen die Sitte anderer Studentenvereine, sich mit „liberalen“ Bürgern in Verbindung setzten und Journalisten, wie Doctor Liebenpfeiffer, Pistor und Eisenmann, sowie Mitglieder der ständischen Opposition, wie von Clasen, Schwindel und Kullmann, an ihren Festen und Gelagen Theil nehmen ließen. Durch die Beschlüsse der von den Burschenschaften der Universität München, Erlangen, Würzburg, Jena, Marburg, Gießen, Tübingen, Leibzig und Kiel beschickten Burschentags in Frankfurt (Ende September 1831) wurde jene gefährliche Richtung förmlich funktioniert, und der Zweck der allgemeinen Burschenschaft dahin abgeändert, daß solcher nicht mehr in einer bloßen Verbreitung zur Herbeiführung einer in Freiheit und Staatseinheit geregelten Volkslebens, sondern in der Herbeiführung einer solchen selbst bestehen solle, worauf nun die Burschenschaften von „freisinnigen“ Bestrebungen thätigen deutlich nehmen und revolutionären Bewegungen, sofern solche mit dem vorerwähnten Zweck im Einklang stünden, sich anschließen sollten. Diese Beschlüsse erklären den Eifer und das Interesse, mit welchen die Burschenschaft von da an, den Bewegungen und Umtrieben der deutschen Revolutionsparthei folgte, ihren lauten Entschlus eines für die durchziehenden politischen Insurgenten die allgemeinen Theil, welche der wirth`sche Preßverein auf den meisten Universitäten fand, den zahlreichen Besuch der aber erwähnten Volksversammlungen von Studenten, von welchen Einzelnen selbst aufregende Reden hielten, sowie die Lieferung von Aufsetzen für revolutionäre Zeitschriften, wie z.B. den „Westboten,“ den Wärhter am Rhein“ und den „Schwarzwälder“, endlief das auffallende Bestreben der Burschenschafter, sich gleichgesinnten Bürgern anzuschließen und mit den selben gemeinschaftlicher Sache zu machen, was die Münchner Burschenschaft im Sommer 1832. sogar veranlasste, der damals geschäftsführenden Burschenschaft in Tübingen den /: nicht genehmigten :/ Vorschlag zu machen, den bisherigen formellen Bestand der Burschenschaft aufzulösen und als „ Pfilister“ mit den Bürgern zusammenzuleben. Nach tieferen Blicke in die damals unter der Burschenschaft herschenden Aufregung gestatten die von einigen ihrer ausgezeichnetsten Mitglieder an vertraute Freunde geschriebenen Briefe, aus welchen erfullt, wie sehr die Ideen nicht nur von Revolution, sondern selbst von Fürstenmord sich der jungen Gemüther bemächtigt hatten, und wie sehr in diesem politischen Taumel des wissenschaftliche Studium vernachlässigt wurde. So heißt es in einem, ohne Zweifel nun dem Burschenschafter August Ludwig Rochau aus Wolfenbüttel *.) an seinen Freund Dr. Rüder in Eutin geschriebenen Briefe ddv Jena den 6ten Februar 1832: „Die Wirkung, welche der Durchzug der Polen auf die deutschen Gemüther gemacht, ist ungeheuer; sie wir gewiß nicht so schnell wieder verschwinden. Sie zu erhalten und zu steigern, haben wir Zeit bis zu Ende Juni, dann
*.) Rochau war Vorsteher der Burschenschaft zu Jena und Abgeordneter der selben bei dem Burschentag in Frankfuhrt. Später nahm er an der Meuterei vom 3s April 1833 .. selbst Theil. Nachdem er auf der Flucht von da zu Darmstadt verhaftet worden, schoß er sich mit einer Terzerole in den Mund und versuchte mit einem Jagdmesser sich die Pulsader abzuschneiden, beides jedoch ohne den beabsichtigten Erfolg.
„ aber muss unter jeder Bedingung etwas Entscheidenes geschehen. Bleibt das Unternehmen bis dahin ohne kräftige äußere Stütze; so ist Thüringen der beste Grund auf welchem das Feuer angefacht werden kann. Bedenke die moralische Wirkung, welche sechs oder sieben Entthronungen, ohne große Mühe und Gefahr abgemacht, hervor bringen müssten. Und wenn dann zugleich drei oder vier Messer in Bewegung gesetzt würden? Ueberhaupt fange ich an, wieder einiges Zutrauen zu dieser letzeren Theorie zu fassen, und ich weiß Beute, welche die praktische Anwendung der selben nicht scheuen“ Der selbe Rochau schrieb am 7ten August 1832 aus Wolfenbüttel: „Die Heidelberger arbeiten weiter, nur leider zu weilen etwas unvorsichtig; zwey von ihnen, Brüggemann und Köhler, sitzen auf Hochverrath, doch steht ihrer Befreiung, sobald dieselbe dringend erscheinen wird, nichts im KlageMan lebt dort in dem schönstenHaftungstunnel und erwartet täglich die Sturmglocke und Lärmtrommel zu hören. – die Freiburger verkneipen Haabe und Gut, gleichsam in Erwartung des jüngsten Tages, der sie solcher Bedürfnisse überheben wird.“ Der Student Hermann von der Hude aus Lübeck meldete am 18s Juni 1832 von Heidelberg: „ Unsere Burschenschaft in Heidelberg ist als solche ausgezeichnet; bis auf den letzten Mann entschie den revolutionär gesinnt, kann sie zu jeder Zeit eine gute Freischar abgeben, wenn es zum Kloppen kommt…So interessant nun im Ganzen des politischen Treiben hier in Heidelberg sein mag, so ist es doch auf der anderen Seite zu störend, einst allein für die Studien, sondern über überhaupt für die persönliche Ruhe. Den ganzen Winter hindurch nämlich, bis auf den jetzigen Augenblick haben wir in der steten Erwartungen gelebt, es würde in Rheinbaiern losgehen; und zu dem Glauben kamen wir nicht etwa aus reiner Vermuthung, sondern durch Verbindungen, die wir in Rheinbaiern und namentlich mit den Journalisten. Ja einmal, im Winter war es schon so weit gekommen, daß wir ohne Ruhe des Nachts zu genießen, jeden Augenblick auf befehl zum Aufbruch harrten.“ Ein Brief des Studenten August Wichmann aus Rabenkirchen in Holstein dr= Jena den 25ten Juli1832 schildert die Stimmung der dortigen Burschenschaft nach der Publikation der Bundes- Beschlüsse vom 28n Juni 1892 folgendermaßen: „ Die neusten Bundestags-Beschlüsse erfüllten uns, wie Dich, mit Wuth; daher verbrannten wir sie des Abends auf dem Markte..*.) Hier wird nun das schönste Leben geführt. Da wir jeden Tag erwarten, daß es fortgeht; so ist die Wissenschaft an den Nagel gehängt, und unser künftiger Felddienst wird hinter den Bierbänken auf alle Weise ausgemalt .“ Um dieselbe Zeit ließ der nun flüchtige Heidelberger Burschenschafter Heinrich Köhler aus Itzehoe in Nr 101 des „Wächters am Rhein“ nachstehenden Artikel einreichen: „Alle Anatomen sind der Meinung, daß die Brust eines meineidigen Fürsten sich gar leicht durchbohren lässt; der Brustknochen, die Rippen, die Muskeln derselben sind ebenso beschaffen wie die anderer Menschen.
*.) Diese Angabe hat sich bestätigt. - Von der Heidelberger Burschenschaft wurde um dieselbe Zeit ein ähnlicher Frevel verübt.
„ Wenn man jegliches Rechtsverhältnis aufhebt, so muß man sich auf Gewalt gefasst machen. Es ist leider möglich, dass die Masse des deutschen Volkes dieser Gewalt nicht ausüben wird. Darauf kann man sich aber verlassen, daß es Tausende von deutschen Männern giebt , welche, entschieden in ihrer Gesinnung, zu jeglicher That entschlossen sind, welche eine Schmach der Art mit Blut abwaschen.“ Doch merkwürdiger ist eine unter den Papieren des Heidelberger Burschenschafters Brüggemann aus Höxter gefundener, unvollendeter Brief, welchen der selbe kurz vor seiner Verhaftung im Juni 1832 an die Vorsteher des Preß-Vereins in Zweibrücken als Antwort auf die von jenen durch einen Emissär (von Rauschenblatt) gestellten Fragen, /: verg. §. 4.:/ zu schreiben angefangen hatten, und worin sich nachstehende Stelle befindet: „ fünfund zwanzig bin dreißig junge Männer sind unbedingt bereit, für sich selbstständig irgend ein Wagstück auszuführen, sobald der Befehl dazu von den Männern ihres Vertrauens kommt. Zum Handeln in größerer Masse- bei förmlichen Ausbruche- sind aber wohl zwei bis dreihundert Theilnehmer, und dreißig bis vier zig Anfänger und Signalgeber zu garantieren. Zu Handlungen, die einer auf eigene Faust voll führen soll, dürfte auf acht Männer fest zu bauen sein. - Die Bürger von Heidelberg sind schlecht, doch sind einige reiche darunter, die bei etwaigen Gelegenheiten aus Feigheit ziemlich Ausrüstungssteuer geben würden, und zwar ohne Widerstand. Heidelberg wäre auf einen Tag unser mit allen Kassen, durch die Feigheit der Bürger länger aber könnten wir es schwerlich halten, wenn nicht das Militär anderswo in Schach gehalten wäre. Einige Bürger sind übrigens sehr für uns enthusiasiert, halten auf den benachbarten Dörfern Bauernversammlungen, warthen zu Bewaffnung und thun übzeugt alles, was drei bis vier von uns, denen sie ihr Vertrauen schenken, ihnen befehlen. – So Heidelberg im Allgemeinen.“- Bei einer solchen Stimmung ihrer Mitglieder kann es nicht befremden, wenn die Burschenschaft, welche überdieß auch noch von politischen Emissären, namentlich von den Göttinger Häftling Dr. v. Rauschenblatt und dem unbegirten Freiburger Studenten Wilhlem Obermüller aus Carlsruhe, bearbeitet wurde,- zuletzt in ein förmliches hochverräterisches Complott übergieng. Der Anstoß hiezu erfolgten, als die revolutionäre Plane der Männer sich der Ausführung näherten, von der Burschenschaft in Würzburg, welche mit dem WesterbundsVerein zu Frankfurt in Verbindung gestanden und von diesem veranlasst worden zu sein scheint, wiederholt auf die Einberufung eines Burschentags zu dringen, welcher auf endlich an Weihnachten 1832 in Stuttgart abgehalten ward. Auf diesem Stuttgarter Burschentage, welchem als Abgeordnete der einzelnen Burschenschaften von Tübingen Friederich Böhringer von Maulbrun, von Würzburg Adolph Wieslizennd aus Königssee, von Erlangen, Friedrich August Crämer von Kleinlangheim, von Münschen Friederich Ludwig Arnold aus Werenck, von Heidelberg Karl von Reitztenstein aus Celle und von Kiel Karl Justus Waldemar Müller aus Rensburg anwohnten, und auf dessen Berathungen auf der vorerwähnte Wilhelm Obermüller eingewirkt haben soll, wurde in der Hauptsache beschlossen: 1.)daß der Zweck der Burschenschaften von nun an die Erregung eine Revolution sein sollte, um durch diese die Einheit und Freiheit Deutschlands zu erringen; 2.) daß sich die Burschenschaft dem WesterlandsVerein anschließen, und 3.) daß die Heidelberger Burschenschaft /: wegen der Nähe von Frankfurt :/ die geschäftführende für das Jahr 1833 sein solle. Zugleich wurde, wie mehrere angaben, festgesetzt,: die einzelnen Burschenschaften sollten, über den beobachteten Volksgeist und über vorkommende merkwürdige politische Erscheinungen an die geschäftsführende Burschenschaft periodisch Bericht erstatten; ferner eine jede Burschenschaft könne sich künftig constituieren, in welcher Form sie wolle, wenn es nur in Uebereinstimmung mit den leitenden Grundsätzen und mit den Zwecken den allgemeinen Burschenschaft gestehe, die Burschenschaft solle sich auf den Landsmannschaften nähere, endlich soll eine Gemeinschrift durch Zeichen und Zahlen verabredet worden sein. Die Folgen dieser Beschlüsse, welch etztere auch von der Burschenschaft zu Jena angenommen wurden, werden weiter unter bey Erzählung des Frankfurter Attentats vom 3n April 1833 angegeben werden. Hier, wo zunächst, von der studierenden Jungend die Rede ist, ist nur noch zu erwähnen, daß selbst auf einigen Gymnasien und Lyzeen, wie zu Neubrandenburg, zu Strelitz, zu Münster, zu Görlitz, zu Altenburg, Coburg und Aschaffenburg sich Verbindung der Schüler mit politischer Richtung gezeigt haben.

§. 7.
Unter den revolutionären Umtrieben, welche außer den bereits erwähnten, im Jahre 1832 in Deutschland Statt hatten, zeichnen sich die den könig. Württemberg. Oberlieutenants Ernst Ludwig Koseritz zu Ludwigsburg besonders aus. Dieser Offizier war schon im Jahre 1825 mit einigen Mitgliedern des „geheimen Jünglingsbundes“ (:verg. §. 1.:) bekannt geworden, und huldigte von da an, einem ungemessenen, übelverstandenen Liberalismus. Nach den Ereignissen des Jahres 1830 schloß er sich der Faktion an, welche von der Voraussetzung ausgehend, daß es auchin Deutschland zu einer allgemeinen Umwälzung kommen müssem, Deutschlands Einheit mit republikanischer Regierungsform mit revolutionärem Wege herbeizuführen trachtete. Mit ihr theilte Koseritz gleiche Ansichten, Gesin[n]ungen und Bestrebungen. Um in seinem Kreise der Revolution vorzuarbeiten, die durch einen Anstoß von Aussen, besonders von Frankreich, als unvermeidliches Ereigniß erwartet wurde, stiftete Koseritz einen Klub in Ludwigsburg, durch welchen er Bürger und Offiziere in politische Verbindung zu bringen und sich eine Macht gegen die Regierung zu verschaffen suchte, zog Offiziere, deren politische Ansichten entsprechend schienen, in sein Interesse, und zettelte durch aufwieglung von Unter – Offizieren eine Militär – Meuterei in der Garnison Ludwigsburg an. Durch die eifrigen Bemühungen des Feldwebels Lehz vom fünften königlich. Württembergischen Infanterie Regiment, den er sich zum Gehülfen ausersehen hatte, gelang es ihm, eine Anzahl gedienter und tüchtiger Unteroffiziere für sich zu gewin[n]en, die ihm zusagten, bei dem damals nahe geglaubten Volks – Aufstand die Fahne des Aufruhrs aufzustecken und sich der Volks Parthey anzuschließen. Hiernächst forderte er sie auf, in der Stille vertraute Kameraden zu werben, beim Ausbruch aber ihre unterhabende Man[n]schaft der Parthey des Aufruhrs zuzuführen, zu welchem Ende er ihnen bereits den Sammelplatz, wo sie seine weiteren Befehle erwarten sollten, bezeichnete, und einen Theil seines Operations – Plans vertraute, wornach unter Anderem das 600 Sträflinge zählende Straf – Arbeitshaus geöffnet, die Stadt Ludwigsburg den herbeigerufenen aufrührerischen Bauern zur Plünderung überlassen, dergleichen die ResidenzStadt Stuttgart geplündert, und im Falle des Widerstandes angezündet werden sollte. Durch eine sophistische Auslegung ihres Diensteides suchte Koseritz die Unteroffiziere in ihrem vorhabenden Treubruche zu bestärken, machte ihnen Hoffnung auf Offiziers – Stellen und spiegelte ihnen die Theilnahme höherer Offiziere vor, um sie seinen verführerischen Zuflüsterungen zugänglicher zu machen. Der Verräther wurde mit dem Tode bestraft. Von seinen Umtrieben setzte Koseritz fünf seiner Kameraden, deren verkehrte politische Richtung ihm zusagte, in Kenntniß, und diese Offiziere waren pflichtvergessen genug, das Verbrechen ungehindert zu lassen, unerachtet ihnen bekannt war, daß die Meuterei zu revolutionären Zwecken eingeleitet sei. Einigen machte Koseritz das – nur von Einem derselben abgelehnte – Ansinnen, in seinem Geiste auch in ihrem Regimente zu wirken und die Unteroffiziere zum Treubruche zu verleiten. Andere ließen sich so weit herbey, daß sie zum Theil mit Misbrauch ihrer Dienstgewalt, durch Worte oder ihr Benehmen sträflichen Einfluß auf die bereits verführten Unteroffiziere übten, wodurch diese in dem Entschlusse, ihrer militärischen Pflicht untreu zu werden, bestärkt werden mussten. Auch in Stuttgart wurden auf Anstiften des Koseritz Versuche gemacht, die UnterOffiziere aufzuwiegeln; ob Aehnliches in den Garnisons – städten Heilbron[n] und Ulm versucht worden, ist nicht vermittelt. Indessen wucherte das Verbrechen in der Garnison Ludwigsburg geraume Zeit fort, ohne daß genau erhoben wäre, wie groß die Zahl der Verführten gewesen. Nur zehn UnterOffiziere waren geständig, ihre Theilnahme an dem Aufruhre zugesichert zu haben. Koseritz aber hatte durch den Feldwebel Lehz Kunde erhalten, dass die Zahl der Meuterer fünfzig bis sechzig betrage, und er glaubte auf zweihundert UnterOffiziere von allen Waffengattungen rechnen zu können. Mit den UnterOffizieren schien auch die Mannschaft gewonnen, weil auf junge Soldaten nichts mehrzu wirken im Stande ist, als das Beispiel ihrer unmittelbaren Führer. Mittlerweile waren von anderer Seite unter Bürgern, Landleuten und Handwerksgesellen sträfliche Umtriebe in Württemberg gemacht worden, die in dem allgemeinen Revolutions – Plane mit den Bestrebungen des Koseritz zusammemhiengen. Der Redakteur des „Hochwächters“ Rudolph Lohbauer in Stuttgart war hiebei besonders thätig. Nach dessen Entwicklung (:Septbr. 1832:) bemächtigten sich der Architekt Weihenmaier, die Lithographen Malté und Schertlen, so wie der Gärtner Eduard Schmidlen einer Gesellschaft von dreißig bis vierzig Schusters – Gesellen in Stuttgart, welche sie mit solchem Erfolge bearbeiteten, daß der Angeschuldigte Malté erklärte: „Die Leute, an denen er seine Freude gehabt, hätten ihn eigentlich in Verlegenheit gesetzt, indem sie sich alsbald bereit erklärt, der Revolution sich anzuschließen, wobey sie ihm vorläufig bereits ihre Wohnung, wo sie am Tage des Losschlagens zu finden seien, bezeichnet hätten“. – Andere Personen bezeugen, von einem der fanatisierten Gesellen öfters gehört zu haben: „es werde bald los brechen; wenn es los gehe, dann wolle er tüchtig zuschlagen; er nehme hierzu sein Keileisen und fange dann bei den Höchsten an“. – Um dieselbe Zeit stifteten die Brüder Eduard und Herrman[m] Schidlin mit dem Lithographen Malté die sog : Mittwochs – oder Montags – Gesellschaft in Stuttgart, welche ungefähr hundert Mitglieder zählte und nach ihren obrigkeitlich genehmigten Statuten lediglich „Belehrung über die bestehenden Gesetze und die Verfassung Württembergs“ bezweckte, in der That aber eine revolutionäre Tendenz verfolgte, und wohl nur aus diesem Grunde von den Advokaten Rödinger, Tafel und anderen Revolutionaren eifrig besucht ward. Der Tübinger Student Georg David Hardegg aus Eglosheim, welche den Städtern nicht Muth genug zutraute, machte dagegen Versuche zu Bearbeitung des Landvolks, namentlich in der Gegend von Tübingen, wobey ihn der Aphotheker – Gehülfe Mayer von da unterstützte, und wozu ihm der Buchhändler Frankh von Stuttgart eine Anzahl revolutionärer Schriften überließ, womit er jedoch bei den dortigen Landleuten keinen Eingang fand. Koseritz war in der Zwischenzeit auch mit auswärtigen Revolutiosmännern und mit Emissären der französischen Propaganda in Verbindung getreten, und hatte von zweyen derselben, dem Polen Zalewsky und Zakrewsky, erfahren, daß die Propaganda die Republikanisierung von Deutschland herbeyzuführen hoffe, wenn dieses Land in die Mitte zwischen zwey große Revolutionen im Osten und im Westen von Europa gebracht werde, zu welchem Behufe gegen zweihundert polnische und französische Emissäre thätig seien. Von einem gemeinsamen Handeln mit dem Auslande zu gewaltsamer Realisierung der deutschen Republik, war übrigens in Württemberg erst die Rede geworden, nachdem Koseritz mit dem Buchhändler Gottlob Friedrich Frankh von Stuttgart und dem Studenten Hardegg welche, sich beide früher in Paris aufgehalten, und daselbst revolutionäre Verbindungen angeknüpft hatten, näher bekannt geworden war. Durch Frankh, der den Verkehr mit dem Auslande unterhielt und zu diesem Ende öftere Reisen machte, erhielt Koseritz Kenntniß von den Planen und Mitteln der Frankfurter Revolutionäre, so wie von den Umtrieben in den Nachbarländern Baden, Hessen; und wurde mit jenen in unmittelbare Verbindung gesetzt, so daß von da an, die revolutionären Umtriebe in Württemberg nur einen Theil des hochverrätherischen Complotts bilden, welches am 3“ April 1833 in Frankfurt a/m zum Ausbruche gekommen ist.

§. 8.
Fragt man, wodurch die freie Stadt Frankfurt der Central – Punkt solcher Umtriebe in Deutschland geworden, so bieten die geographische Lage dieser Stadt in der Mitte der deutschen Bunds – Staaten, ihr lebhafter und ausgebreiteter Verkehr mit Freunden aus allen Ländern, die Eigentümlichkeit ihrer republikanischen Verfassung, der hier jährlich stattfindende Wechsel in der Person des obersten Magistrate, und die bei einem Staate von so geringem Umfange natürlich verhältnismäßig geringeren polizeilichen und militärischen Mittel, Erklärungs – Gründe dar, welche es, auch abgesehen von anderen mitwirkenden Ursachen, begreiflich machen, daß der selbst in größeren Staaten sich offenbarende Geist der Auflehnung gegen die bestehende Ordnung der Dinge hier in einer ununterbrochenen Reihe von politischen Excessen in steigender Progression sich kund gegeben hat. Schon im Herbst 1831 hatte in Frankfurt aus Anlaß der Thorsperre ein blutiger Aufstand statt, der Wirth'sche Preß – und Vaterlandsverein (§.3.) fand hier über 800. Theilnehmer. Eine von dem „liberalen“ Advokaten Dr. Reinganum im Frühjahr 1832 verfaßte, höchst unziemliche „Protestation deutscher Bürger“ für Preßfreiheit “ erhielt 256 Unterschriften, meistens von Advokaten, Aerzten, Kaufleuten und anderen Personen aus dem Mittelstande. Des Ehrensäbels, welche die Frankfurter „Patrioten“ dem Demagogen Dr. Wirth am 27. März 1832 in Hamburg überreichen ließen, ist schon oben (§.4.) gedacht worden. An den Volksversammlungen in Bergen und Wilhelmsbad (§.4.) nahmen die erwähnten Frankfurter lebhaften Antheil. Drey derselben, die Literaten Friedrich Funk, Wilhelm Sauerwein und Christoph Freieisen, machten aus der Herausgabe zahlloser revolutionärer Zeit – und Flug – Schriften, die vermöge ihrer populären Schreibart besonders auf die unteren Volks – Klassen zu wirken geeignet waren, ein Gewerbe. Als zu Ende Junis 1832 das Central – Comité des Preßvereins zu Zweybrücken in Folge der Flucht oder Verhaftung seiner Mitglieder sich aufgelöst hatte, veranstaltete das aus den Advokaten Dr. Gährt und Dr. Jucho, dem Kaufmann Johann Daniel Theihsinger und dem Siebmacher Johann Georg Einbiegler zu Frankfurt bestehende Comité jener Verbindung eine Zusammenkunft von Abgeordneten mehrerer Filial – Comités, welche am Juli 1832 unter dem Vorsitze des ständischen Abgeordneten Dr. Georg Strecker aus Mainz in dem Hause eines Kaufmanns in Frankfurt *.) abgehalten, und worinn die Stadt Frankfurt zum nunmehrige Sitze des Centralcomités des Preß – und Vaterlands – Vereins erwählt ward. Um diesselbe Zeit wurde von Frankfurt aus eine Masse revolutionärer Schriften in den benachbarten Staaten verbreitet. Bald darauf, in Oktober 1832, fanden in dieser Stadt aus Anlaß der
*.)des reichen Großhändlers Johann David Hinkel.
Verhaftung des revolutionären Schriftstellers Christoph Freieisen, Unruhen statt, welche von Mitgliedern jenes Vereins ausgiengen und geleitet wurden. Schon früher, im August 1832, hatte die Verbindung der Frankfurter Revolutionäre mit denen in Württemberg begonnen, welche durch öftere Reisen des Buchhändlers Frankh und des Studenten Hardegg nach Frankfurt, so wie andererseits der politischen Emissäre Obermüller und Lehrer Knöbel aus Dürkheim, dann der Advokaten Gärth und Neuhof, von Frankfurt nach Württemberg vermittelt wurde. Aehnliche Verbindungen wurden von letzteren nach und nach in den Frankfurt zunächst umgebenden Staaten angeknüpft. In dem Großherzogthum Hessen, namentlich in der Provinz Oberhessen war eine politische Aufregung unverkennbar. Genährt wurde sie hauptsächlich von dem damaligen Rektor Weidig zu Butzbach, der an dem revolutionären Treiben schon lange Jahre hindurch, lebhaften Antheil genommen, auf eine große Anzahl von Personen, selbst von gereifteren Alter erheblichen Einfluß gewonnen hatte, und dem zur Erreichung seiner Zwecke alle Mittel genehm waren. Mit ihm setzten sich die gedachten Frankfurter Revolutionäre schon im Sommer 1832 in Verbindung. Schon in dieser Zeit kamen Gärth, Jucho und Rauschenblatt mit Weidig bei dem Pfarrer Flick zu Petterweil zusammen.Die Wohnung des letzteren, wurde nach seinem auch anderweit bestätigten Geständnisse, zu Zusammenkünften benützt, welche von Neujahr 1833 ab, die Frankfurter Revolutionäre mit Weidig, dem Apotheker Trapp, dem Dr. August Breitenstein, dem Dr. Neuhoff und dem polnischen Flüchtling Scylling hatten. Zu diesen Zusammenkünften, deren eine auch bei Trapp abgehalten worden ist, wurde über die Ausführung einer mit einem Aufstande in Frankfurt zu beginnenden deutschen Revolution umständlich berathschlagt; dabei wurde mitgetheilt, wie weit an anderen Orten, namentlich im Königreich Württemberg, das Aufruhrprojekt gediehen sey. Daß es dabei auf ein Losschlagen im Großherzogtum selbst abgesehen war, und daß zu solchen der Aufruhr in Frankfurt, wenn er gelinge, nur das Signal geben sollte, darüber lassen die folglich zu erwähnenden Vorgänge in Giessen keinen Zweifel. Ein ähnlicher Verkehr scheint mit Gleichgesinnten in Mainz, Wiesbaden, Gießen, Marburg und mehreren anderen deutschen Städten bestanden zu haben, namentlich behaupteten die Frankfurter Revolutionäre, auf die Mitwirkung des Professors Jordan in Marburg, welchem sie einen sehr großen Einfluß auf das Volk in Kurhessen zuschreiben, bestim[m]t rechnen zu können. In den Monaten Januar und Februar 1833 dehnte der vorerwähnte Militärarzt Dr. Breidenstein das revolutionäre Complott auf das landgräflich hessische Militär in Homburg aus, wobei er den von ihm verführten Unteroffizieren und Soldaten eröffnete: „es bestehe in ganz Deutschland eine die Abschaffung sämtlicher Fürsten bezweckende Verschwörung, an welcher namentlich viele Hessen, Nassauer, Bayern, Württemberger und Badner, wie auch eine große Anzahl Polen Theil nehmen, und welche am 18. März 1833 in Frankfurt, wo es zunächst auf die Bundestagsgesandten abgesehen sey, zum Ausbruch kommen werde.“ Aus neueren Untersuchungen in Polen erhellt, dass von dem Central – Comité aller revolutionären Umtriebe in Paris anfangs wirklich der 19. März 1833 zum Tage des Ausbruchs des beabsichtigten allgemeinen Aufstands bestim[m]t war, wovon Dr. Breidenstein um so eher Kenntniß haben konnte, als er bis kurz vor seiner am 27. Februar 1833 erfolgten Verhaftung vielfältig nicht nur mit den Frankfurter Revolutionären, sondern auch mit aus Frankreich kommenden Emissären, namentlich einem vormals polnischen Majors Meisner, verkehrt hatte. Die Entdeckung der Meuterei in Homburg und die aus Anlaß der oben erwähnten Umtriebe unter dem Landvolke (§.7.) einige Wochen zuvor erfolgte Verhaftung des Studenten Hardegg und seines Genossen Frankh schreckte die übrigen Verbündeten keineswegs ab, sondern beschleunigte insofern die Ausführung ihrer strafbaren Plane, als sie sich nun selbst nicht mehr sicher glaubten. In einer schon früher verabredeten Zusammenkunft in dem Dorfe Groß – Gartach bei Heilbronn am 3. März 1833, an welcher der könig. Württemberg. Oberlieutnant Koseritz und der Gürtlermeister Dorn von Ludwigsburg, dann der Advokat Dr. Gärth von Frankfurt, der Apotheker Trapp von Friedburg und der RechtsCandidat Friedrich Breidenstein von Homburg, (: ein Bruder des vorerwähnten Militär – Arztes :) Theil nahmen, wurde daher, nach gegenseitiger Darlegung der den Verschworenen zu Gebot stehenden Mittel, beschlossen, daß die Revolution an einem Tage, längstens binnen vier Wochen, durch gleichzeitige Aufstände in Frankfurt und Ludwigsburg begonnen werden solle. Dr. Gärth eröffnete hierbei dem Koseritz, daß in dem Hause des Dr. Gustav Bunsen in Frankfurt, der mit ihm an der Spitze der dortigen Revolutionäre stehe, Waffen und Munition für unsere hundert Mann bereit lägen, daß die Artillerie des Frankfurter Bürger – Militärs ganz auf ihrer Seite sey, dass nicht minder zwey preussische Posener Regimenter, welche zu Kreuznach in Garnison lägen, gleichfalls für die Sache gewonnen seyen, und daß auch das Nassauische Militär für eine Revolution sehr gut gestim[m]t sey. Gleichzeitig mit dem Ausbruche der Revolution in Frankfurt würden auch die Lyoner losschlagen, und in Polen die Revolution wieder beginnen; auch werde eine Colonne Polen, das Depot in Besançon, entweder durch das Elsaß und Rheinbaiern, oder durch Baden nach Frankfurt dringend, und noch vorher, was er jetzt einzuleiten beabsichtigte, zwanzig polnische Offiziere nach Rorschach und Rheineck kommen, theils um, wenn in Frankfurt losgeschlagen worden, aus dem Schwarzwalde die Revolution zu leiten; theils nur, wenn es erforderlich, zu Anführung der Württemberg. Truppen sich verwenden zu lassen.“ Andererseits war auch Koseritz durch die von ihm eingeleitete Militär – Meuterei /§.7./ in dem Besitze von Mitteln, die, wenn auch nicht so beträchtlich, als sie den Frankfurtern früher geschildert wurden, zum Losschlagen hinreichend schienen, denn wo bewaffnete Macht zum Aufruhr bereit ist, bedarf es sonst keiner weiteren Mittel. Uebrigens empfing Koseritz, um seinen Umtrieben von nun an mehr Ausdehnung und Nachdruck zu geben, von Gärth theils baar, theils in einem von dem Handlungshause Johann David Hinkel und Winkler zu Frankfurt ausgestellten Wechsel eine GeldUnterstützung von 473 f, welche er jedoch groeßtentheils für sich behielt. An die Spitze der neuen Regierung in Württemberg wollte Gärth, wie er gegen Koseritz äußerte, den Professor Jordan von Marburg stellen.
Frankfurter Complott zu Bewirkung einer allgemeinen deutschen Revolution. a.) Bildung und Ausdehnung des Complotts (§8) I
Frankfurter Complott zu Bewirkung einer allgemeinen deutschen Revolution. a.) Bildung und Ausdehnung des Complotts (§8) II
Frankfurter Complott zu Bewirkung einer allgemeinen deutschen Revolution. a.) Bildung und Ausdehnung des Complotts (§8) III
Frankfurter Complott zu Bewirkung einer allgemeinen deutschen Revolution. a.) Bildung und Ausdehnung des Complotts (§8) IV
Frankfurter Complott zu Bewirkung einer allgemeinen deutschen Revolution. a.) Bildung und Ausdehnung des Complotts (§8) V
Frankfurter Complott zu Bewirkung einer allgemeinen deutschen Revolution. a.) Bildung und Ausdehnung des Complotts (§8) VI
Frankfurter Complott zu Bewirkung einer allgemeinen deutschen Revolution. a.) Bildung und Ausdehnung des Complotts (§8) VII

§. 9.
In Gemäßheit des in Großgartach gefaßten Beschlusses entwickelten die Frankfurter Revolutionäre fortan eine große Thätigkeit. Dr. Gärth reiste aus Straßburg und Besançon, um sich der Theilnahme der dortigen polnischen Insurgenten, denen er einen Wechsel auf 3000 francs überbrachte, zu versichern. Friedrich Breidenstein ging nach Gießen, wo er die Burschenschaft aufforderte, sich bereit zu halten, und einige ihrer Mitglieder nach Frankfurt zu senden, was ihm auch zugesagt ward; wonächst er sich, ohne Zweifel in gleicher Absicht, nach Marburg begab. – Ein dritter, der Advokat Dr. Gustav Körner von Frankfurt machte zwey ähnliche Missions – Reisen, die eine nach Würzburg, Leipzig, Jena, Kassel und Göttingen, die andere nach Mainz, Rheinbaiern und Metz in Frankreich. Gleichzeitig veranlasste der Dr. med. Gustav Bunsen von Frankfurt mündlich und schriftlich die geschäftsführende Burschenschaft in Heidelberg, sich zum Aufstande, dessen Erfolg er als völlig gesichert rühmte, zu rüsten und auch die übrigen Burschenschaften aufzufordern, einzelne Theilnehmer nach Frankfurt zu senden. – Der Advokat Dr. Neuhoff von Frankfurt endlich reiste am 21. März 1833 nach Ludwigsburg, wo er dem Oberlieutenant Koseritz eröffnete: Die Frankfurter hätten ihren Plan geändert, und ließen ihn auffordern, zuerst und zwar bestim[m]t innerhalb vierzehn Tagen loszuschlagen, sich zunächst des Arsenals in Ludwigsburg zu bemächtigen, und hierauf unter jeder Bedingung mit seiner Mannschaft nach Frankfurt zu marschieren, um sofort mit den sich daselbst concentrirenden Truppen der Revolutionsparthey sich zu vereinigen. Koseritz lehnte jedoch dieses Ansinnen, welcher in ihm Zweifel über die den Frankfurtern zu Gebot stehenden Mittel erweckte, ab, erneuerte aber sein Versprechen, gleichzeitig mit, - oder wenigstens den Tag nach den Frankfurtern, den Aufstand in Ludwigsburg zu begin[n]en. Einige Tage darauf erhielt Koseritz von Gärth ein mit chemischer Tinte, wozu Neuhoff das Auflösungsmittel zurückgelassen, geschriebenes Billet, des Inhalts: „Lieber Koseritz! Nun losgeschlagen, kein Blut geschont! die Polen brechen auf aus Besançon; ich habe die bestellt; sie werden durch die Schweiz in Deutschland einfallen. - “ Diesem Schreiben folgte gleich darauf ein zweites, indem Koseritz dringend an die Erfüllung seines Versprechens erinnert ward. Derselbe will sich jedoch nun mehr und mehr überzeugt haben, daß weder die Mittel der Verschworenen, noch die Stimmung des Volkes für jetzt das Gelingen des beabsichtigten Unternehmens hoffen ließen, und er schickte daher am 29. März 1833 den Gürtler Dorn von Ludwigsburg nach Frankfurt, angeblich um den dortigen Revolutionären von einem unzeitigen Ausbruche abzurathen und ihnen zu melden, daß er innerhalb der festgelegten Frist in Ludwigsburg nicht losschlagen könne. Als fester und ernstlicher Entschluß des Koseritz scheint aber dieser Auftrag weder ausgerichtet, noch aufgenom[m]en worden zu sein. Aus allen Umständen geht vielmehr hervor, daß sich die Frankfurter bis zum letzten Augenblick auf sein Versprechen verlassen haben, damals auch, im Vertrauen auf die geleistete Zusage, schon so weit gegangen waren, daß sie nicht wohl mehr zurücktreten konnten. Bereits trafen nämlich in den letzten Tagen des März 1833 die bestellten Theilnehmer des Aufruhrs von allen Seiten in Frankfurt ein. Von Heidelberg kamen die Burschenschaftler Karl von Reitzenstein, aus Celle, Eduard Fries, Ernst Mathiae, und Herrmann Friedrich Moreé aus Grünstadt in Rheinbaiern, Heinrich Eimer aus Lahr und Peter Feddersen aus Altona. Die Burschenschaft in Würzburg sendete die Studenten Adolph Wislizenus aus Königsten, Bernhard Lizius aus Aschaffenburg, Julius Rubner aus Wunsiedel, Heinrich Joseph Freund aus Pirmarsens, Karl Sigmund Pfretschner aus Cronach, Ignaz Sartori aus Würzburg, Johann Dörflinger aus Brückenau, Friedr. Gambert aus Regensburg und Eduard von Welz aus Kelheim. Diesen schloßen sich von der Universität Erlangen die Studenten Friedrich August Crämer aus Rheinlangheim, Bernhard Julius Dähnert aus Rügenwalde und Friedrich Handschuh aus Niederwehren an, welche der vorerwähnte Lizius zur Theilnahme beredet, und abgelehnt hatte. Von Göttingen, wohin die Frankfurter noch zu Ende Merz den vormaligen Würzburger Studenten Augustin Kunradi aus Augsburg entsendet hatten, erschienen August Ludwig Rochau aus Wolfenbüttel, Julius Thankmar Alban aus Gräfentonna und Karl Friedrich Holzinger aus Ansbach. Von Gießen endlich fanden sich ein: der dortige Student Alexander Lubansky aus Warschau, der Privatlehrer Ernst Schüler aus Darmstadt relegirte Student Eduard Scriba aus Schwickartshausen. Von der Rheinuniversität Tübingen kam niemand, wahrscheinlich weil das an den Studenten Böhringer gerichtete Einladungsschreiben diesem, der bereits eine Ferien – Reise angetreten hatte, zu spät eingehändigt ward. Aehnliche Umstände schienen auf die Abordnung von Mitgliedern der Burschenschaften zu München, Jena und Kiel nach Frankfurt verhindert zu haben. Uebrigens würde sich, wie Mehrere angaben, jedenfalls eine viel größere Anzahl von Studierenden daselbst eingefunden haben, wenn diesselben nicht das Gelingen des dortigen Unternehmens als ganz unzweifelhaft betrachtet hätten. Jedessen bereiteten die in den Universitäts – Städten Zurückbleibenden sich vor, auf die erste Nachricht von dem Ausbruche der Revolution in Frankfurt gleichfalls loszuschlagen. Die Vereins – Mitglieder in Heidelberg schafften sich zu diesem Behufe Waffen an, wozu auf der in 60 f bestehende Betrag der dortigen Preß – Vereins – Kasse verwendet ward, und verabredeten, sich zunächst der der Stadt Heidelberg gehörigen Kanonen zu bemächtigen, sodann nach Mannheim zu ziehen, mit den dortigen revolutionären gesinnten Bürgern sich zu vereinigen, hiernächst ihren Genossen aus Rheinbayern die Rheinbrücke freizuhalten, und gemeinschaftlich mit diesen alsdann das Mannheimer Zeughaus zu stürmen. Aehnliche Vorbereitungen und Verabredungen fanden auch in Gießen statt. Dort traten Personen, die den Studenten Jahren entwachsen waren, namentlich der Privatdozent Dr. Hundeshagen, und der Candidat Ernst Schüler an die Spitze, versam[m]elten revolutionär gesinnte Studenten und junge Bürger, eröffnete ihnen kurz vor dem 3. April, den auf diesen Tag bestim[m]ten Ausbruch der Revolution in Frankfurt und forderten sie zur Bewaffnung auf, die dann auch theilweise erfolgte. Alle erwarteten nur die Nachricht von dem glücklichen Ausfalle in Frankfurt, um Gießen und die Umgegend zu revolutioniren. Weidig war es, von dem sie am 4. April früh Nachricht über den Stand der Sache einholen liessen, und eine Reise, welche Dr. Hundeshagen unmittelbar nach der erhaltenen Nachricht von dem Ausfalle des Attentats in Frankfurt, zu dem in das Treiben vielfach verwickelten damaligen Apothekers Doering in Marburg, - dem Hauswirthe Jordans – unternahm, spricht dafür, was auch anderweit bestätigt wird, dass zwischen Gießen und Marburg über diese Angelegenheit das Einverständniß nicht fehlte. Nach einer weiteren Aussage war auch in Würzburg von einem Ueberfalle der dortigen Festung die Rede. Außer den vorerwähnten Studenten trafen um die angegebene Zeit mehrere andere Meuterer in Frankfurt ein; so von Straßburg die schon oben genannten politischen Flüchtlingen Dr. Ernst von Rauschenblatt aus Alsfeld und August Kunradi aus Augsburg; dann der flüchtige Würzburger Student Wilhelm Zekler aus Nürnberg mit dem gleichfalls bereits genannten Wilhelm Obermüller aus Karlsruhe, welcher unterwegs seinem Bruder, den Kellner Theodor Obermüller und den vormaligen Freiburger Studenten Ludwig Silberrad aus Ferlach mitnahm, auch mit dem Zeitungsredakteur Abatty in Karlsruhe verkehrte, und von seinem Vermögen eine baare Summe von 1500 fr erhob, wovon ohne Zweifel ein Theil für die Meuterei verwendet worden ist. Derselbe soll seinen Genossen eröffnet haben, daß auch in Mannheim und den badischen Oberlande revolutionäre Vereine bestünden. Der mit seiner Familie auf der Auswanderungs – Reise nach Amerika begriffene vormalige Münchner Student Theodor Engelmann von Imsbach in Rheinbayern kehrte von Metz nach Frankfurt zurück, um, wie er unterwegs einem Bekannten vertraute, „ die dortigen Bundestagsgesandten hängen zu halten.“ Endlich fanden sich hier auch mehrere polnische Offiziere ein, von welchen zwey zuvor mit dem pensionirten Hofgerichtsrathe v. Itzstein in Mannheim einen verdächtigen Verkehr gepflogen hatten.

§. 10.
Inzwichen war von den Frankfurter Revolutionären in der Wohnung des Dr. Gustav Bunsen daselbst ein bedeutender Waffen – und Munitionsvorrath gesam[m]elt worden. Der Schwerdtfeger Glauth von da lieferte hinzu 120 Gewehre mit Bajonetten, welche ihm, das Stück zu 7. fr baar bezahlt wurden. Außerdem wurden ungefähr drei Centner Pulver und ein Centner Bley angeschafft und zu scharfen Patronen verarbeitet, und selbst Kononen Patronen verfertigt. Auch eine Menge dreifarbiger Schärpen und Binden /: schwarz, rot, gold :/ als Erkennungszeichen, Raketen zum Signalgeben, Säbel, Pistolen, Dolche und Beile wurden in Bereitschaft gehalten. Nachdem die Hauptverschworenen die Zeit des Ausbruchs, auf den 3“ April 1833. Abends ½ 10 Uhr festgesetzt hatten, wurde solches den zur Theilnahme berufenen Studenten, mit Ausnahme der Gießenr, am Nachmittage des 2dn= April in einer Zusam[m]enkunft zu Backenheim, einem ganz nahe bei Frankfurt liegenden kurhessischen Städchen, - von dem Dr. Bunsen eröffnet, welcher ihnen zugleich erklärte, daß sie bestim[m]t seien, die Hauptwache zu stürmen, für alles Uebrige sei gesorgt. Von dem glücklichen Ausgange des ersten Schlages hänge die Theilnahme vieler Anderer ab. Die Burschenschaft und das Militär in Frankfurt seien für eine Revolution; 2000 Handwerksburschen seien bereit, an dem Aufruhre Theil zu nehmen, und auf das Sturmläuten würden auch die Sachsenhäuser und die Bauern in die Stadt kommen. Bunsen erwähnte hinbei auch eine am Abend des 2“ Aprils stattfindenden Zusammenkunft und Beratschlagung der Frankfurter Revolutionäre, und scheint hiermit zunächst eine, insgeheim die Fortsetzung des längst verbotenen Preß- und Vaterlands- Vereins bildene Gesellschaft von Frankfurter Bürgern gemeint zu haben, an deren Spitze die Advokaten Dr. Gärth, Dr. Körner und Dr. Neuhof, die Brüder Gustav und Karl Bunsen, der Schwertfeger und Artillerie - Oberlieutenant Glauth, der Litteratus Sauerwein, der Buchhändler Gustav Oehler und andere Revolutionäre befanden. Als aber einige Studenten aus Mistrauen den Wunsch äußerten, jener Versammlung anzuwohnen, und über die Mittel und Plane der Verschworenen nähere Auskunft zu erhalten, wurde solches unter nichtigen Vorwänden abgelegt und und von den jungen Theilnehmern am Complott wiederholt Blindes Vertrauen auf ihre Führer Verlangt. Auch in dem Laufe des folgenden Tages / 3“ April 1833/ waren die Studenten in ihrem Bestreben, die gewünschte Aufklärung zu erhalten, nicht glücklicher und es würden deshalb mehrere zurückgetreten sein, wenn sie nicht durch die Furcht, dass ihnen solches als Feigheit ausgelegt worden möchte, abgehalten worden wären. Uebrigens drohte an diesem Tege das ganze Unternehmen durch Entdeckung vereitelt zu werden. Ein damals in Geschäften zu Frankfurt anwesender Privat – Beamter aus Würzburg *.), - erhielt nämlich an dem Morgen jenes Tages ein anonymes Schreiben, in welchem hm eröffnet wurde: „Vaterlands- Freunde aus verschiedenen Gegenden Deutschlands seyen hier vereint. Anbenbs um ½ 10 Uhr werde die Sturmglocke angezogen werden. Man werde die Hauptund die Constabler – Wache stürmen, die Gefangenen befreien, sich der Persone
*.) Der Consulent Andreas Quante von Würzburg. Einer der Redner des Volksfestes in Gaibach /= §. 4=/
des Bundestags – Gesandten versichere und eine provisorische Regierung für Deutschland errichten. Unterstützung erwarte man aus der Umgegend, namentlich von Hanau und Backenheim, und rechne sicher auf die seine.“ – Von dem Inhalte dieses Schreibens setzte der Advokat, auf anrathen eines Bekannten, den damaligen ersten Bürgermeister von Frankfurt in Kenntniß. Es hatte jedoch solches keine weiteren Folgen, als das Linien – Militär in der Kaserne konfignirt, die aus 41 Man[n] bestehende Wachmannschaft der Hauptwache um zehn Mann verstärkt und der diese Wache kom[m]andierende Lieutenant im Allgemeinen benachrichtigt wurde, daß an jenem Abend unruhige Auftritte zu besorgen seien und er deshalb auf seiner Hut sein solle. Die von fünfzehn Soldaten besetzte Constablerwache (: Polizei – und Zeughauswache:) erhielten keine Vertsärkung. Abends zwischen 8 und 9 Uhr versammelten sich diejenigen, welche die Hauptwache zu stürmen bestim[m]t waren, in der Wohnung des Dr. Gustav Bunsen in dem Münzhofe, diejenigen aber, welche die Constabler-Wache angreifen sollten, in dem hinzu gemietheten Saale des Wirthshauses hinter der Rose. Der erstere, 33 Mann starke Haufen bestand aus den oben genannten Burschenschafts – Mitgliedern aus Heidelberg, Würzburg, Erlangen und Göttingen, ferner aus denjenigen, die aus Straßburg gekommen waren, nebst dem Kellner Theodor Obermüller, dem Ludwig Silberrad und Theodor Engelmann, aus drei Lehrern an dem Erziehungsinstitute des Georg Bunsens, Namens Eduard Kollhof aus aus Friedland, Georg Nahrn aus Kriegsfeld und Wolph Berchelmann aus Frankfurt, endlich aus dem Dr. Gustav Bunsen und Dr. Gustav Körner von da. Die drey letzteren versahen die Rolle von Unteranführern des in drey Rotten getheilten Haufens, während von Rauschenblatt den Oberbefehl hatte. In dem Wirthshause hinter der Rose Versam[m]elten sich die Advokaten Dr. Gärth und Dr. Neuhof, die drey Giessener, Schüler, Scriba und Lubansky, mehrere vormalige polnische Offiziere, von welchen einer Michalowsky hieß, und ein anderer, - wahrscheinlich der oben / §. 8. / erwähnte Major Meisner, bei dem nachherigen Angriff kommandierte, der vormalige Sergant Zwick aus Frankfurt und mehrere Handwerker. Unter letzteren befand sich höchst wahrscheinlich der Schumachermeister Friedel und der Tapeziergeselle Humbert aus Frankfurt , so wie zwei Zöglinge des Rektors Wiedig von Butzbach, die ganze Rotte bestand aus zwanzig Mann, und wurder später noch durch zwey oder drey Gesellen des Schwerdtfegers Glauth Verstärkt. Säm[m]tliche Meuterer bewaffeten sich mit den vor vorräthigen, geladenen Gewehren mit Bajonetten, Pistolen, Säbeln und Dolchen, und versahen sich mit Patronen, Schärpen und Binden, Beilen und Raketen, wonneben auch einige sich mittelst falscher Bärte und schwärzen des Gesichts unkenntlich machten. Kurz vor dem Aufruhre forderte Von Rauschenblatt Freiwillige auf, um den Stadt – Commandanten von Frankfurt zugleich Chef der LinienTruppen in seiner Wohnung zu überfallen und zu ermorden, wozu sich die Studenten Alban und Crämer erboten, ohne daß es jedoch zur Ausführung gekommen wäre.

§. 11.
Mit dem Schlage halb zehn Uhr überfielen beide Abtheilungen der Aufrührer mit Hurra – Geschrey und unter dem Rufe: „Es lebe die Freiheit! Freiheit und Gleichheit! Revolution!“ gleichzeitig die zu beiden Enden der Zeilstraße gelegenen Wachgebäude,- die Hauptwache und die Constabler Wache. – Die vor denselben stehenden Schildwachen wurden überwältigt und schwer verwundet, die in den Wachstuben befindlichen Soldaten von ihren in den Vorhallen aufbewahrten Schießgewehren abgeschnitten; zugleich fielen durch die Thüren und zertrüm[m]erten Fenstern Schüsse, wodurch mehrere Soldaten getödtet oder verwundet wurden; die übrigen zersträuten sich. Somit waren die Aufrührer in wenigen Minuten Meister der beiden Hauptwachen von Frankfurt. Der erste Gebrauch, welchen sie von diesem momentanen Siege machten, war die gewaltsame befreiung der in den Wachgebäuden theils wegen Preße Vergehen, theils wegen Theilnahme an den Aufständen vom Oktober 1831 und 1832 /§.8./ verhafteten Angeschuldigten, worunter auch die Litteraten Funk und Freieisen. Die Befreiten wurden aufgefordert, sich den Aufrührern anzuschließen, was auch von mehreren geschehen ist. Einer der Befreiten, Namens Henkelmann, der sich der schwer bedrohten Gefangenwärterin annehmen wollte, wurde voneinem der Rebellen unerkannt ohne weiteres mit dem Bajonette erstochen. Eine andere Parthei der Aufrührer bemühte sich, die noch anwesenden Soldaten, so wie die durch den Tumult herbeigezogene Volksmenge zur Theilnahme zu bewegen. Einem jener Soldaten wurde zu diesem Behufe eine Geld – Summe von 57f [Florin] 30x[Kreutzer] gegeben. - Vor der Hauptwache hielt ein Meuterer eine Rede, in welcher er sagte: „ Ihr Bürger, geht nach Haus, holt eure Gewehre! jetzt ist der Augenblick gekommen, wo ihr eure Freiheit erlangen könnt! Streitet für die deutsche Freiheit! die Brüder aus Rheinbayern sind im Anzuge! Nieder mit dem deutschen Bunde! Es lebe die Freiheit!“ Ein anderer rief: „Freiheit! Herunter mit den Fürsten; nieder die Hunde! Heute ist der Tag, wo ganz Deutschland befreit wird!“ Diese und ähnliche Aufforderungen blieben jedoch ohne den beabsichtigten Erfolg; auch suchten sich einige Bürger der Waffen, die ihnen von Aufrührern aufgedrungen worden waren, alsbald wieder zu entledigen. Inzwischen hatte sich eine dritte Parthei der Aufrührer, auf den Thurm der Domkirche begeben, wo die Thürmerin gezwungen ward, beinahe eine Stunde lang Sturm zu läuten. Andere gaben sich viele Mühe, der in dem Zeughause befindlichen Kanonen habhaft zu werden, was ihnen aber glücklicher Weise nicht gelang, indem in jenem Falle der Aufstand sich in die Länge gezogen und hiedurch die Masse des Pöbels und der Gleichgesinnten, von denen sich bereits in schiedenen Theilen der Stadt mehrere bewaffnete Rotten zu zeigen anfingen, Zeit gewonnen haben würde, sich den Rebellen anzuschließen. So aber wurde der Aufruhr durch das aus der Kaserne herbeieilende Bataillon Frankfurter Linien – Infanterie schnell unterdrückt. Zuerst ward die Hauptwache und zwar ohne Widerstand wieder besetzt, indem die noch daselbst befindlichen Studenten sich vor dem anrückenden Militär theils auf die Constablerwache zurückzogen, theils entflohen, so daß nur einer derselben, der sich verspätet hatte (:Rubner aus Wunsindel:) nach verzweifelter Gegenwehr gefangen genom[m]en ward. Dagegen wurde die Constablerwache erst nach einem zwar kurzen, aber hartnäckigen Kampfe wieder eingenommen, wobey es von beiden Seiten mehrere Todte und Verwundete gab. Im ganzen sind bei diesem Aufruhre sechs Soldaten getödtet und vierzehn, meist schwer, verwundet worden. Auch zwey unbetheiligte Zuschauer erhielten gefährliche Schuß – und sechs andere leichte Stich – Wunden. Von den Aufrührern wurden zwei, der Vormalige Sergeant Zwick und ein Schustergeselle Metzger aus Rolle in der Schweiz, bei Einnahme der Constablerwache erschossen und vier, nämlich Dr – Bunsen, Dr – Körner und die Studenten Rubner und Eimer, leicht verwundet. Auch sollen während des Kampfes einige schwer verwundete Meuterer von ihren Genossen fortgeschafft worden sein, welche später nicht ermittelt werden konnten. Nach Dämpfung des Aufstandes zerstreuten sich die Aufrührer nach allen Richtungen, und es schienen namentlich die Anstifter desselben sich die Mittel der Flucht schon in Voraus bereit gehalten zu haben. Von den 25 Theilnehmern an dem Attentate, deren die Behörden nach und nach habhaft wurden, sind, die meisten, Studenten oder Handwerksgesellen. Die Schuldigsten – Dr – Gärth, Dr – Gustav Bunsen, Dr – Körner, Berchelmann, Dr – v. Rauschenblatt und die polnischen Offiziere – sind nebst vielen anderen meist entkom[m]en.

Gleichzeitig mit dem Aufruhre zu Frankfurt rückte ein Haufen von ungefähr sechzig bewaffneten Landleuten aus Bonames und einigen anderen benachbarten Dorfschaften unter der Anführung des RechtsCandidaten Friedr. Breidenstein aus Homburg vor der Höhe /§.8./ des Müllers Wilhelm Schrimpf und des Oekonomen Georg Neuhof (: eines Bruders des oben erwähnten Advokaten :) aus Bonamus in militärischer Ordnung unter Trommelschlag und Vortragung einer Fahne in den kurhessischen Grenzort Preungesheim, verjagte den dortigen Zolleinnehmer, vernichtete die Zoll – Papiere und zog sodann über die Friedberger Warte gegen die Stadt, machte jedoch untere derselben Halt und kehrte, nachdem die Anführer das Mislingen ihres Unternehmens ihrer Genossen in Frankfurt erfahren hatten, nach Bonamus zurück, von wo die Tumultuanten sich zerstreuten. An demselben Abende überbrachte ein von Frankfurt gesendeter Handlungsdiener dem Oberlieutnant Koseritz in Ludwigsburg einen von Gärth’s Hand geschriebenen Zettel, des Inhalts: Lieber Koseritz! Wort gehalten! Losgeschlagen unter jeder Bedingung, und benachrichtigte ihn zugleich, daß in diesem Augenblicke der Aufruhr in Frankfurt begonnen werde. Schon einige Tage früher war bei Koseritz ein polnischer Offizier, Namens Poninsky oder Posensky eingetroffen und hatte ihm eröffnet, daß auf unmittelbaren Befehl Lelewels in Paris zwanzig polnische Offiziere in Rorschach und Rheinek am Bodensee angekom[m]en seien, um, sobald sie von Deutschland hinzu Ordre erhalten, sich in den Schwarzwald zu werfen, und denselben zu revolutioniren. /Verg. §.8./ Auch hatten Koseritz und Torn aus Besançon und Avignon mit chemischer Tinte geschriebene Briefe erhalten, welche ihm meldeten, dass die dortigen Polen – Depots demnächst aufbrechen und den deutschen Revolutionären zu Hülfe eilen würden, was dann auch einige Tage später wirklich geschah, indem am 7. April 1833 ungefähr 400 vormals polnische Offiziere aus dem Depots zu Besançon, Dijon und Salins in die Schweiz einrückten, um, wie sie unverholen erklärten, in das Großherzogthum Baden einzufallen, und den deutschen Revolutionären Beistand zu leisten, wovon sie jedoch durch die sofort getroffenen militärischen Maaßregeln abgehalten wurden. In Folge jener Nachrichten versam[m]elte Koseritz am Charfreitage, den 5. April 1833 heimlich in der Nähe von Ludwigsburg einen Theil der meutererschen Unteroffiziere /§.7./, und versicherte sich wiederholt ihrer Gesinnungen, indem er ihnen den nahen Ausbruch eines Volks – Aufstands verkündete. – Als aber noch an demselben Tage die Kunde von der Unterdrückung des Frankfurter Aufrufes in Ludwigsburg eintraf, gab zwar Koseritz seinen verbrecherischen Vorsatz nicht ganz auf, fand aber gerathen, dessen Ausführung auf günstigere Zeiten zu verschieben. Um die Zeit des Frankfurter Attentats, nämlich am 20. und 24. Merz, dann am 2. und 24. April 1833, fielen fünf Banden polnischer Revolutionäre, welche sich nicht ohne hinterlassene Spuren durch Süddeutschland zu schleichen gewußt hatten, unter dem Oberbefehl eines ehemaligen Obersten Joseph Zaliwsky von Galizien aus in Russisch Polen ein, und machten daselbst Versuche, dieses Land auf das Neue zu insurgieren, welche jedoch bald unterdrückt wurden. In demselben Monat April wurde zuerst in Genua, wo auch vorliegenden Anzeigen zu Folge schon am 4. April die Frankfurter Meuterei bekannt gewesen, sofort aber auch in Turin, Chamberg, Allessandria und mehreren anderen Städten des Königreichs Sardinien eine große Verschwörung entdeckt, welche besonders unter dem dortigen Militär viele Mitglieder zählte, ihrem Ausbruche nahe war und die Verwandlung der monarchischen Staaten Italiens in eine Republik zum Zwecke hatte. Um dieselbe Zeit sollen auch in Frankreich, namentlich in Lyon, Aufstände vorbereitet worden sein, und es scheint, dass deren Ausbruch nur im Hinblick auf den ungünstigen Erfolg der vorerwähnten auswärtigen Verschwörungen unterblieben ist. Die Gleichzeitigkeit aller dieser revolutionären Bestrebungen, so wie die gerichtlichen Bekenntnisse vieler Theilnehmer an denselben setzten außer Zweifel, daß der hochverräterische Complott, welcher am 3. April 1833 in Frankfurt a.M. zum Ausbruche gekommen ist, sich nicht auf Deutschland beschränkt, sondern über einen großen Theil von Europa verbreitet hat, und von einem gemeinschaftlichen Centralpunkte aus, der bekannten Propaganda in Paris – geleitet worden ist.

§. 13.
Der ungünstige Erfolg jenes Unternehmens und die durch dasselbe hervorgerufenen Einschreitungen und Maasregeln der Regierungen, wozu insbesondere auch die durch Bundesbeschluss vom 20. Juni 1833 erfolgte Errichtung der Bundes-Centralbehörde in Frankfurt zu rechnen ist, - schreckte die unverbesserliche Parthei der revolutionär Gesinnten nicht ab, den zerrissenen Faden ihrer Umtriebe wieder aufzunehmen, und bald darauf entspann sich hieraus ein, allen Umständen nach, noch weiter verbreitetes und gefährlicheres Complott. Schon der Ton der über die Frankfurter Meuterei laut gewordenen Stimmen deutete nichts weniger, als Reue und Entsagung an. Während die Einen das, nun einmal nicht ganz abzuläugnende, Faktum als unbedeutend lediglich als einen tollen Studenten – Streich darzustellen suchten, entblödeten sich andere nicht, die Hochverräter, die unter dem Schleyer der Nacht schuldlose Menschen meuchlings ermordet oder verstüm[m]elt hatten, als Helden zu greifen und zu besingen, und eine Menge anonymer Drohbriefe drohte den Behörden, welche gegen die Schuldigen nach Vorschrift der Gesetze verfahren würden, Tod und Verderben. Die „unglücklichen Opfer der Tyranney“, wie die verhafteten oder flüchtigen Meuterer genannt wurden, waren ein Gegenstand des regsten Mitleids, welches sich nicht allein auf Geld – Collekten und andere Unterstützungen beschränkte, sondern bald in das eifrige und nicht erfolglose Bestreben überging, den auf Erforschung der Wahrheit gerichteten Bemühungen der Behörden durch Vermittlung schädlicher Collusionen der Untersuchungs – Gefangenen unter sich und mit Auswärtigen entgegen zu arbeiten, und jene aus den Händen der Gerichte zu befreien. Selbst öffentliche Blätter wurden dazu benützt, von erfolgten Verhaftungen, Haussuchungen oder einzelnen Untersuchungs – Resultaten die Genossen warnend in Kenntniß zu setzen. Als im August 1833 der Apotheker Trapp von Friedberg /verg.§.8./ des Arrestes entlassen wurde, ward er bei seiner Rückkehr mit öffentlichen Ehren und Freudenbezeugungen empfangen, wie solche sonst nur dem Landesherrn zu Theil zu werden pflegen. Dagegen fand die Verhaftung des Rektors Weidig von Butzbach /verg. §. 8./ in der zweiten Kammer der großherz. Hessischen Stände den heftigsten Tadel, welchem ähnliche Beschwerden in den Abgeordneten – Kammern von Württemberg und Baden sich anreihten. Der durch Zuschiebung von Feilen, Bestechung und ähnliche Mittel vorbereitete Ausbruch und die Flucht des Bernhard Lizius (§.9) aus dem Frankfurter Untersuchungs – Gefängnisse erregte unter den Liberalen dieser Stadt eine ausserordentliche Freude, und die Spottlieder, welche bei dieser Gelegenheit auf die Behörden gedichtet wurden, wurden noch jetzt von den unteren Volksklassen daselbst gesungen. – In Tübingen wurde am 6. Juni 1833 der Jahrestag des Republikaner – Aufstands in Paris durch ein Gelage gefeiert, an dem zweihundert Studenten und Bürger Theil nahmen, welche Freiheitslieder sangen, den „ Vorkämpfern der europäischen
„ Freiheit, den Helden des 6 Juni, so wie den Mitgliedern der Ständischen Opposition“ (unleserlich) ausbrachen, und sich dabei so erhitzten, daß unmittelbar auf das Fest ein Straßentumult folgte, bei welchem Schwere Excesse gegangen wurden. Von ungleich größerer Bedeutung, als die oben angeführten Thatsachen, erscheint aber die geheime Verbindung welche zu Ende des Monats August 1833 zunächst in Frankfurt, bald darauf aber auch in mehreren anderen deutschen Bundesstaaten sich zu bilden und auszubreiten anfing, und von einigen ihrer Theilnehmer ausdrücklich als ein „Fortsetzung des Preß- oder Vaterlandsvereins.“ /: §. 3.:/ bezeichnet worden ist. Die Verbindung, welche den Namen „Union“ oder „Männerbund“ führt, ward nach dem Muster der französischen Gesellschaft der Menschen Rechte /: société des droit de l`homme et du citoyen :/ organisiert, mit welcher sie auch in engem Verbande stand.*) Ihr Zweck war in ihrem (zu der Akte gebrachten) schriftlichen Statuten dahin bezeichnet: „das Wiederaufleben des allgemeinen deutschen Vaterlands zu befördern.“Bei der Aufnahme wurde übrigens den Mitgliedern unumwunden eröffnet, dass es darauf abgesehn sey,
*) Die Gesellschaft der Menschenrechte in Paris erneuerte, wie aus einem in dem Paris-Gerichtshofe daselbst erstatteten Vortrag erhellt, im November 1833 ihr Central Comité, welches sofort, unter dem Vorsitze von Cavaignat, eine Art von Republikanischen Manifeste erließ, das nebst einem Abdrucke von Robespierrés berüchtigter „Erklärungen der Menschen- Rechte“auf der 163 Sektionen dieser Gesellschaft führte den Namen „Frankfort.“
Die bestehenden Regierungen umzustürzen, und ganz Deutschland in Eine Republik zu verwandeln, ja, es wird behauptet, dass der Plan sogar dahin gegangen, Deutschland und Frankreich in einem Freistaat zu vereinigen, während nach anderen Angaben die Oberhäupter der künftigen deutschen Republik vorläufig schon erwählt gewesen sein sollen *) Der Männerbund theilte sich in Sektionen welche nummeriert waren, und je aus 12 bis 16 Mitgliedern bestanden, und in Vereinen, die je aus 12 Sektionen gebildet waren. Jede Sektion hatte einen Präsidenten und einen Kassier, an welchen die Mitglieder regelmäßige Geldbeiträge zu leisten hatten, die Hauptsächlich zur Anschaffung von Waffen und Munition bestim[m]t waren. Ausser der Leitung jener Geldbeiträge übernahm jedes Mitglied bei
*) Er wurden diesfalls der Professor Jordan zu Marburg, u. Oberapellationsgerichtsrath Pfeiffer in Kassel genannt.
dieser Aufnahme die feierliche Verpflichtung, den wöchentlichen Sektions versammlungen anzuwohnen, so viel möglich neue Sektionen zu bilden und zum Erblühen des Vereins mit Gut und Blut bei zutragen, über das Bestehen ud den Zweck der Verbindung das tiefste Sillschweigen zu beobachten, auch in den Waffen sich zu üben. In den einzelnen Sektionen standen mit Einander nur durch ihre Präsidenten In Berührung. – In den Sektions-Versam[m]lungen wurden gewöhnlich revolutionäre Lieder, namentlich das berüchtigte „Fürsten zum Land hinaus!“ gesungen, der gleichen Schriften gelesen, und die revolutionären Absichten des Vereins besprochen. – Jedes Sektionsmitglied erhielt bey seiner Aufnahme Statt des Namens eine Nummer, auch führten dieselben beinahe alle Spitznamen. –Alle Vereinsmitglieder sollen sich dutzen. Schriftliches durfte über die Verbindung (mit Ausnahme Der Statuten :) nicht existieren. Ueber dieser Verbindung, welche zunächst auf die Theilnahme von Handwerkern beruhent war, stand eine andere, die übrigens nur einen höheren Grad jener gebildet hat, deren Mitglieder den gebildeten Stände angehörten und die Handwerker- Sektionen leiteten, die Leitung des Ganzen aber war drey Oberen übertragen. *“ Es wird behauptet, daß sich der Männerbund schnell über ganz Deutschland verbreitet habe. Ueber die Zahl der bestandenen Sektionen differiren die vorliegenden Angaben von 93 bis 300, glaubhaft aber ist die Aussage, dass die Zahl der Sektionsmitglieder in Frankfurt und der Umgegend im Winter 1833/34 vierzehnhundert bis fünfzehnhundert betragen habe, auch ist erwiesen, daß
*“ Es wird angegeben, daß einer dieser Oberen der pens. Vicepräsident Mohr in Leipzig Mainz sey, die beiden Anderen aber sich in München u. Berlin Befinden.
eine der in Frankfurt vollständig ermittelten Sektionen die Num[m]er 85 führte. Unter den übrigen Städten, in welchen solche Vereine bestanden hätten, wurde besonders Höchst, Hofhein, Hanau, Homburg, Darmstadt, Mainz, Oppenheim, Coblenz und mehrere andere Orte am Rhein genan[n]t. Nicht minder liegen aktenmäßige Spuren Ihrer Existenz in dem Großherzogthum Baden (In Freiburg, Durlach, Karlsruhe und Heidelberg :) und in dem Königreich Württemberg (in Rottweil und Rehm) vor.*) Ihren Hauptsitz hatte die Verbindung in Frankfurt a/m, wo die Zahl ihrer Mitglieder sich, glaubwürdigen Angaben zu Folge, auf ungefähr fünfhundet belief, an deren Spitze der praktische Arzt Dr. = Karl Bunsen / ein Bruder des oben §. 10. Erwähnten, nach Amerika entwichenen Gustav Bunsen) der Advokat Dr. = Sucko (:vergl. §. 8) und die Litteraten Friedrich Funk und Christoph Freieisen standen. **)
*) der Soldat Friedr. Stotz vom 5. königl. Württbg. Inf. Regiment hat bekannt, dass er, noch ehe er unter das Militär getreten, im Septbr. 1833 von dem Buchhändler Willman[n] zu Rottweil feierlich in eine Geheime Verbindung aufgenom[m]en worden sey. Der letztere übernahm an dem Tage an welchem er nach Verbüßung einer ihm wegen schweren Pressvergehen zuerkannten Strafe des Arestes entlassen worden war, das Präsidium einer Sektion, mit deren Bildung er einen, seiner Genossen noch vom Gefängnis aus beauftragt hatte, ein auffallendes Beispiel der, leider häufigen Unwirksamkeit der wegen politischer Vergehen verhängten Freiheitstrafen.
*) welche den Zweck habe, alle Fürsten von ihrem Thron zu stoßen, und ganz Deutschland in eine Republik zu verwandeln.“ Stotz nahm dann den Soldaten Kiehel in Ulm in dieselbe Verbindung auf. Ersterer wird deshalb zu zehnjähriger, - Letzterer zu siebenjähriger Festungsstrafe verurtheilt.
**) Durch Erkenntniß vom 8“ Febr. 1836 ist Funk deshalb zu fünfjähriger und Dr. = Bunsen zu vierjaähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden. Die Untersuchung gegen Sucko ist noch im Laufe. Freieisen ist entwichen.
Auf ähnliche Weise verhält es sich mit dem Funk, welcher bald nach seiner Im September 1833 erfolgten Entlassung aus dem Strafarrest als einer der thätigsten Führer der Verbindung erscheint. So soll derselbe am 29“ November 1833, welchen ungefähr sechzig Sektions-Mitglieder in Frankfurt als Jahrestag der polnischen Insurrektion durch Gastmaler feyerten hierbey eine aufregende Rede gehalten haben. Bald darauf hielt derselbe vor ungefähr vierhundert Personen, meist aus den unteren Volksklassen, öffentlich Vorlesungen im Gasthofe zum goldenen Roß, über die „Geschichte der alten Deutschen“, deren „Freiheit und Gleichheit“ den Zuhörern als Muster dienen sollte. Ehe noch diese Vorlesungen verboten waren, veranstalteten Funk und die bei allen revolutionären Umtrieben in Frankfurt besonders thätigen Brüder Franz und Georg Rottenstein, von da, Exerzierübungen, an denen sehr viele Sektions-Mitglieder Theil nahmen, welche dadurch, wie mehrere von ihnen ausdrücklich einbekan[n]t haben, für den Fall des Ausbruchs der Revolution eingeübt werden sollten, um dem Militär eher Stand- halten zu kön[n]en. Nachdem die Behörde, nicht ohne Widerstand, auch diesem Unfug ein Ende gemacht hatte, veranstaltete der Litteratus Funk je an den Sonntagen in den Monaten Januar und Februar 1834 militärische Promanaden der Schar seiner Anhänger auf die benachbarten Ortschaften von Frankfurt. die Zahl der hier Theilnehmenden belief sich auf 60 bis 70 Mann, meistens solche, die auch an den Exerzier-Uebungen Theil genom[m]en hatten. Vor dem Abmarsche, welcher sowohl hin, als her in militärischer Ordnung erfolgte, wurde verlesen. Funk, die beiden Rottenstein und andere leiteten die Züge, welche eine Vor- und Nachhut hatten. Statt der Gewehre trugen die Aussziehenden Stöcke. In den betreffenden Ortschaften wurden Freiheitslieder gesungen, und revolutionäre Schriften verbreitet. Der Zweck der Auszüge war offenbar, die Vereins-Mitglieder zusam[m]enzubringen und an militärische Ordnung zu gewöhnen, so dann aber auch das Landvolk aufzureitzen und unter denselben Anhang zu gewinnen. Unter den zu diesem Behüte verbreiteten revolutionären Druckschriften zeichnete sich durch eben so populäre, als bösartigen Schreibart das sogenan[n]te Bauern Conservations- Lexikon aus, von dem zu Anfang des Jahres 1834 nach und nach fünf Blätter erschienen, welche die Artikel, Republik, Staat, Abgabe, Bürger, Brief- Geheimniß, Aristokratie, Bund, Congreß, Constitution und Soldat“ enthalten, und in vielen hundert, mit einer Wickelpresse gedruckten Exemplaren ausgestreut wurden. Als Verfasser dieser höchst geährlichen Schrift wird, auf ganz glaubwürdige Weise der Litteratus Funk bezeichnet, welcher sich nach vorliegenden Aussagen auch nebst dem Advokaten Dr. = Sucko hauptsächlich mit deren Verbreitung befasste, was endlich am 8ten März 1834 seine Verhaftung herbeiführte, in Folge deren sich, weil siegleiches Schicksal befürchten mochten, die Litteraten Freieisen und Sauerwein von Frankfurt nach Straßburg und in die Schweiz zurückzogen. Obgleich die Union in Frankfurt hindurch mehrere ihrer thätigsten Mitglieder verloren hatten, so dauerten ihre Umtriebe daselbst dennoch ununterbrochen fort. Während die höher stehenden Revolutionäre einen lebhaften Verkehr mit Straßburg und Paris unterhielten, wohin schon im Oktober 1833 ein gewisser Schmidt gleichsam als Bevollmächtigter des Männerbundes geschickt worden war, und woher auch öfters Briefe wie angegeben wird, namentlich von dem General Lafayette, gekom[m]en sind, wurde, - obwohl der Zeitpunkt des Anfangs der beabsichtigten Revolution Noch nicht bestim[m]t, sondern auf den Eintritt gewisser Umstände ausgesetzt war, - in den Sektions- Versammlungen an welchen ein paar mal auch Heidelberger Studenten Theil nahmen, vorläufig darüber berathen, wie man sich in dem Falle des Ausbruchs zu benehmen habe, wobey detaillirte Pläne, insbesondere darüber, wie die in der Vorstadt Sachsenhausen garnisonierten k. k. österreich. Truppen durch Verbarrikadierung und Besatzung der Mainbrücke von dem Einrücken in die Stadt abgehalten werden könnte, entworfen wurden. Auf von einem durch Freiwillige aus den Sektionen gleichzeitig an einem Tag in ganz Deutschland zu verübenden allgemeinen Fürstenmorde war die Rede, während ein wegen versuchter Befreiung der Dr = Wirth nach Frankreich entwichenden Rheinbayer, /: Candidat der Theologie Kurz:/ mit dem Plane, den König der Franzosen zu ermorden, umgegangen sein soll *)
*) Von einer Theilnahme oder Mittwisserschaft deutscher Revolutionäre an Fieschis versuchten Königsmord (: 38 Juli 1833) hat sich bisher keine Spur ergeben.
Um dieselbe Zeit machten die Sektions-Mitglieder sowohl in, als ausserhalb Frankfurt viele Versuche, Unteroffiziere und Soldaten für ihre Zwecke zu gewinnen, und es cirkulierten üger den günstigen Erfolg dieser Umtriebe in den Frankfurter Sektionen höchtst auffallende Gerüchte. Hiernächst sam(m)elten einzelne Mitglieder der letzteren heimlich Waffen und Munitions-Vorräthe, welche nach den darüber vorliegenden Aussagen bedeutend gewesen sein müssen. Selbst von Anschaffung von Brandraketen wäre hierbey die Rede gewesen. Endlich wurde behuts der befreiung mehrerer der auf der Constablerwache wegen Theilnahme an der Meuterei vom 3“ April 1833 verhafteten Inquisiten ein Complott angezettelt, welches am 2“ Mai 1834 zum Ausbruch kam. Ein Sektionsmitglied, der Barbier Brücher von Lengsfeld, welcher die Gefangenen rasierte, steckte ihnen Feilen und ähnliche Instrumente zu und benachrichtigte sie von dem Befreiungsplan seiner Genossen. Andere Sektions-Mitglieder hatten durch baare Geldspenden und große Versprechungen mehrere Soldaten der Wachmannschaft für ihr Vorhaben gewon(n)en, von Welchem es dann drey, die Linien-Schützen Schäfer, Bader und Gamm so einzurichten wussten, dass ihnen gerade in der entscheidenden Stunde die Wachposten vor den Gefängnissen eingeräumt wurden, während ein weiterer, der Soldat Fischer, eine auf der anderen Seite des Wachgeländes stehende Schildwache durch Bitten und Drohungen zu bewegen suchte, der Entweichung der Gefangenen kein Hinderniß in den Weg zu legen. Gleichzeitig begab sich eine große Anzahl von Sektions-Mitgliedern, worunter mehrere bewaffnet, aus ihrem gewöhnlichen Versam(m)lungsorte, dem Himmelsgässer Hofe, in die Nähe der Constablerwache, wo jedem sein Posten und seine Rolle zugewiesen war. Mit dem Schlagen zehn Uhr ließen sich auf ein gegebenes Zeichen fünf Verhaftete nämlich Alban, Eimer, Handschuh, Wilhelm Mormüller und Rubner (ein (unleserlich) Karl Pfretschner, war mit den erforderlichen Vorbereitungen nicht ganz fertig geworden) auf die Zielstraße herab, und gleichzeitig rückten die Haufen der Verschworenen gegen die Constablerwache heran, um die Flüchtigen, für welche in den Nebenstraßen Mäntel und Hüte bereit gehalten wurden, in sich aufzunehmen und die mit deren Verfolgung beauftragten Soldaten zurückzuhalten. Letzteres veranlasste, dass , zumal auch aus den Haufen der Meuterer gegen die Wache Schüsse fielen, die Soldaten wiederholt Feuer gaben, wodurch vier Personen getötet und mehrere verwundet wurden. Indessen gelang es nur dem Inquisiten Alban zu entkom[m]en. Rubner zerschmetterte sich durch einen Fall die Hirnschale und starb nach wenig[en] Stunden, Eimer brach den Fuß und blieb deshalb unter seinem Gefängnisse liegen, Handschuh vermochte, da er beim Herablassen aus einem Gefängnisse den Fuß verrenkt hatte, nur bis in die nächste Straße zu kommen, und auch Mormüller wurde noch in derselben Nacht in dem Hummelsgässer Hofe, wohin er von dem in dieser Sache besonders thätigen Handelsmann Gustav Oehler aus Frankfurt geführt worden war, wieder zur Haft gebracht. Mit Alban entwichen auch der Soldat Ludwi Thomas Schaefer aus Frankfurt von seinen Posten, der Barbier Brücher und die Metzgerknechte Justus Schwab und Ludwig Pschgg Vogt von Frankfurt, zwei der eifrigsten Sektionsmitglieder, zunächst nach Straßburg. Seit dieser Zeit ist zwar die öffentliche Ruhe in Frankfurt nicht mehr gestört worden, und es musste allerdings theils der unglückliche Ausgang des Complotts Vom 2“ März 1834, theils die Flucht oder Verhaftung ihrer verwegensten Mitglieder auf die Thätigkeit der Union von lärmenden Einflusse sein. Daß übrigens die Umtriebe dieser Verbindung nicht ganz aufgehört haben, erhellt, neben vielen anderen Anzeigen, vorzüglich aus einem Schreiben, welches der Dr. = Karl Bunsen vom 12ten Oktober 1834 den polnischen Emissär Adam Thoma aus Höchst zur Umberlieferung an den neu in (unleserlich) befindlichen Litteraten Freyeisen übergeben hat, und in welchen Bunsen die Frage des Freieisen: wie es mit dem revolutionären Vereine stehe, mit folgenden Worten beantwortet: „Wir arbeiten trotz diesem ununterbrochen, es geht aber langsam. M in M, J in M und andere der Haupt stützen sind faul, und überlassen es uns, Opfer zu bringen. – Nun, mich soll wie ein Unfall beugen, weiß ich doch, was ich will und wie ich es will.“ Aehnliche Antworten erhielt Thoma von noch mehreren anderen Revolutionären, an welche ihn Freieisen addressiert hatte. Auch behauptet ein anderer Angeschuldigter, wahrgenom[m]en zu haben, daß die Sektionen noch im Januar 1833 thätig waren. Endlich liegen Anzeigen vor, daß im Frühjahr, zu Anfang May’s 1835, ein Allgemeiner revolutionärer Ausbruch, welcher in Frankfurt mit Befreiung der politischen Gefangenen und Ermordung der Mitglieder der deutschen Bundesversam[m]lung beginnen sollte, beabsichtigt worden ist.

§. 14.
Der Anstoß hinzu ging zunächst von den deutschen politischen Flüchtlingen aus, welche sich damals in großer Anzahl in der Schweiz auf hielten,*) wo sie besonders in den Canto-
*.) Die Zahl der Seit dem 1` Januar 1831 mit SteckBriefen verfolgten deutschen politischen Flüchtlinge betrug am 1` Juli 1835 bereits 161, seit dem sind noch fünf und zwanzig neue dazu gekommen.
nen Bern und Zürich ein Asyl, mehrere auch vortheilhafte Anstellung gefunden hatten.*) Die große Mehrzahl derselben befand sich jedoch, ungeachtet der ihnen von Verwandten und Verbandsgenossen aus Deutschland zuströmende Unterstützung in sehr dürftigen Zuständen. Selbst verschuldetes
*) Dr. Gärth (vergl. §. 8. 10) ist als Staatsanwalt, Dr. Siebenpfeiffer (vergl. §. 3. 4.) als Lehns-Commissär, und Sudopt, Lohbauer (vergl. §. 3. 7.) als Professor der Kriegswissenschaften in Bern angestellt; Dr. Karl Hunderhagen hat gleichfalls eine Professor-stelle daselbst erhalten. Die Flüchtlinge Schauberg, Weiland und Gelpke bekleiden die Stelle von Privatdozenten an der Universität in Zürich; Schüler, Scriba (vergl. §. 10.) und der flüchtige Zeitungsredakteur Oehterricher aus (unleserlich) sind als Schullehrer in der Schweiz angestellt.
Unglück, Mangel und Arbeitscheu steigerten daher in diesen, durch ein unstätes Leben vollends verwilderten Menschen den Wunsch nach einer revolutionären Umwälzung in Deutschland, von der allein sie die Rückkehr in das Vaterland hoffen durften, bis zur höchsten Ungedult, und die geographische Lage der Schweiz, so wie die Commivenz einiger Cantons-Regierungen begünstigte die Bestrebungen, von dem sicheren Asyle aus, die Fackel des Aufruhrs in die benachbarten Staaten zu schleudern. Davon ausgehend, daß, wenn solche nur einmal in einem derselben gezündet, die Flammen der Empörung bald weiter umsich greifen würde, nahmen viele jener deutschen Flüchtlinge keinen Anstand, in Verbindung mit italienischen und polnischen Revolutionären an dem verunglückten Unternehmen gegen Savoyen / : 2. Febr. 1834.) Theil zu nehmen. Bald darauf kittete ein Theil der deutschen Flüchtlinge unter dem Namen: „das junge Deutschland“ eine neue Verbindung welche unter dem Motto: Freiheit, Gleichheit, Humanität! das alte Ziel, - die Revolutionierung und Republikanisierung von Deutschland verfolgten. Zu dem leitenden Comité dieser Verbindung gehörtem die Brüder August und Friederich Breidenstein, der vormalige Redakteur des „Wächters am Rhein“ Franz Strohmauer aus Tauberbischoffsheim, der Burschenschaftler Georg Peters aus Berlin und der Lehramts-Candidat Heinrich Naht aus Schwäbisch Gmünd. Schon früher hatte der berüchtigte Advokat Joseph Mazzini aus Genua unter den italienischen Flüchtlingen unter dem Namen: „das junge Italien“ eine ähnliche Verbindung gebildet; auch hatten die in der Schweiz befindlichen polnischen Offiziere (§. 12.) unter sich ein „junges Polen“ errichtet. *) Alle diese Verbindungen haben ihre Wurzel in der Carbonarie, und scheinen anfänglich der „haute venda universelle“ oder dem „comité diserteur“ zu Paris untergeben gewesen zu sein. Missvergnügt über den Eprismus und Mangel an Unterstützung von Seiten dieses französischen Centralcomités, vielleicht auch unmittelbar nach Unterdrückung der April- Aufstände in Lyon und Paris vorerst von den dortigen revolutionären wenig
*) Zeitungsnachrichten zufolge sind die revolutionären Bewegungen und (unleserlich), welche im August 1835 in Catalonien stattfanden, von einer Verbindung „des jungen Spanien“ ausgegangen, dass auf eine „junge Schweiz“ sich constituiert habe, dafür liegt in der republikanischen Zeitschrift dieses Namens eine erhebliche Anzeige, in der auch jene das Motto „Freiheit, Gleichheit, Humanität“ führt. Im April 1835 soll in Frankreich, und vermutlich in Paris eine „jeune France“, dem Bunde zugetreten sein.
sich versprechend, veranlasste aber Mazzini am 15` April 1834 zu Bern eine Vereinigung jener drei Vereine in einen allgemeinen, unter dem Namen, „das junge Europa“, dessen Mitglieder sich zu einem beständen Kampfe gegen alles Bestehende in Absicht auf Politik, Religion und Literatur verpflichteten*) Es wurde hierüber ein förmlicher „Akt der Verbrüderung“ aufgenommen, welcher in acht Artikeln eine Art Schutz- und Trutz- Bündniß der einzelnen Verbindungen enthält, und Namens des „jungen Deutschlands“ von den Brüdern August und Friederich Breidenstein, so wie von den politischen Flüchtlingen Stro[h]meyer (sic.), Barth und Peters unterzeichnet ist. Eine Unterstützung von 1000 Francs, welche
*) Bald darauf, im Frühjahr 1835, wurde auch in der k. k. Provinz Galizien eine aus Frankreich dahin verpflanzte revolutionäre Verbindung mit republikanischer Tendenz entdeckt, welche den Namen „Europäische Gesellschaft“ führt.
Mazzini den deutschen Flüchtlingen gegeben hatte, scheint das Zustandekom[m]en jener Vereinigung befördert zu haben. Sechs Wochen später, im Juni 1834, erließ das Comité des jungen Deutschlands zwey in Bern gedruckte Proklamationen an „die Unterdrückten Deutschlands“ und an „die deutschen Soldaten[“] , welche die dringendste Aufforderungen zur Empörung enthalten. Um dieselbe Zeit begann in der Schweiz die systematische Bearbeitung deutscher Handwerksgesellen zu revolutionären Zwecken. Zu diesen Behüte drängten sich die flüchtigen Demagogen in die Gesellschaften und Trinkgelagen der Handwerksburschen, lehrten sie revolutionäre Lieder singen, theilten aufrührerische Schriften unter ihnen aus, machten ihnen die grellsten Schilderungen des angeblich auf Deutschland, und namentlich auf den gewerbtreibenden Klassen lastenden Drucks und Elends und forderten sie auf, des Joch der Fürsten abzuschütteln und für die allgemeine deutsche Republik zu kämpfen, wozu viele der bethörten jungen Leute sich bereit erklärten. Unter den bei diesen Umtrieben besonders thätigen Revolutionären werden die schon oben erwähnten Ernst Schüler (§. 10), Georg Rottenstein und Justus Schwab (§. 13), ferner die Burschenschafter Steinmetz aus Eilenburg und Schapper aus Weinbach genannt. Das ganze ist nach Angaben von den in Le[h]re (sic.) angestellten Dr. Gärth und Dr. Siebenpfeiffer geleitet worden. Von dem Erfolg ihrer Bemühungen gab die bekannte, sehr zahlreiche Versam[m]lung deutscher Handwerks-Gesellen im Steichhölzi bei Bern am 27 Juli 1834, wo aufrührerische Reden gehalten, ähnliche Lieder gesungen, Fahnen mit den Landesfarben einzelner Bundesstaaten zerissen und mit Füßen getreten, und dagegen Symbole des Aufruhrs aufgepflanzt wurden, - sprechendes Zeugniß als hierauf von den deutschen Regierungen, um ihre Landeskinder der Gefahr der Verführung und der Verwicklung in hochverrätherische Umtriebe zu entziehen, Aufforderungen zur Rückkehr, beziehungsweise Verbote des Wanderns in fremde Länder, wo dieses heillose Treiben von den Behörden geduldet wurde, ergingen, boten die Demagogen allen auf, die Handwerksgesellen zum Ungehorsam und Widersetzlichkeit gegen ihre Obrigkeit zu veranlassen. Uebrigens fanden solche Bearbeitung deutscher Handwerker nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Frankreich, namentlich in Paris statt, wo nach den, der Centralbehörde zugekom[m]en Nachrichten, ein aus den vormaligen Advokaten Schüler und Savoye aus Zweybrücken (§: 3) und dem Burschenschafter Jakob Vendig aus Köln zusam[m]engesetztes Ober-Comité bestande hat und wo die „liberalen“ deutsche Handwerksgesellen eine Association bildeten, welche vorzüglich von dem Göttinger Flüchtling Dr. Schuster aus Lünn und den Lithographen Urban Muschani aus Steißlingen geleitet ward. Der Plan eines mit Hülfe der verführten Handwerks-Gesellen in FrühJahr 1835 auszuführenden bewaffneten Einfalls in das Großherzogthum Baden, wo auch auf Anhang unter dem Volke und unter dem Militär gerechnet wurd, (vergl. §. 13) wurde nach vorliegenden gerichtlichen Aussagen „ von den Vorstehern in Paris“ schon im Spätsommer 1834 entworfen, und den Genossen in der Schweiz mitgetheilt, wo nur die dem „jungen Deutschland“ eine feste Gestaltung erhielten. Aus den zu unseren Akten gebrachten, durch mehrfache gerichtliche Aussagen bestätigten Statuten des jungen Deutschlands erhellt, dass dasselbe unter der schon oben erwähnten Leitung eines aus wenigstens fünf Mitgliedern bestehenden Ausschusses in einzelne Klubs getheilt ist, an deren Spitze je ein Präsident und ein Sekundär stehen, welch letzterer zugleich die aus den regelmäßigen Geldbeiträgen der Theilnehmer gebildete Kasse verwaltet, das weiter jedes Mitglieder bei seiner Aufnahme sich verpflichtet, sich zu bewaffnen, und an den von den Vorstehern beschlossenen Waffen- Unternehmen Theil zu nehmen, und dass jeder Verrath eines Verbindungs- Mitgliedes mit dem Tode bestraft ist, zu welchen Behüte dem betreffenden Klubs beziehungsweise dem Ausschüsse eine Art von Staats- Gerichtsbarkeit eingeräumt ist. Der gleichen Klubbs bestanden namentlich in Bern, wo ungefähr 400 Handwerker unter dem Einfluss der Verbindung standen, in Biel, Zürich, Solothurn, St. Gallen, Genf und Lausanne, auch ergiebt sich Aus verschiedenen gerichtlichen Auslagen, daß die Ausbreitung der gedachten Verbindung in der Schweiz auch jetzt noch keineswegs in Abnahme begriffen ist. Mit dem Sanktionen des Männerbundes (§.13) unterhielten die Führer des Jungen Deutschlands fortwährend sowohl durch schriftliche Correspondenz, als durch Emissäre einen lebhaften Verkehr, Theils an den Muth und die Thätigkeit ihrer Genossen in Deutschland durch glänzende Schilderung des Erfolges der Umtriebe in der Schweiz zu erhöhen, theils um über den Strand der Sache in Deutschland zuverlässige Kunde zu erhalten. Einer dieser Emissäre, der schon oben / §. 13/ erwähnte herzogl. Nassauische Corporal Wem. Thoma von Höchst hatte im September 1834 von den, damals in Anrau sich aufhaltende Journalisten Georg Fein aus Braunschweig und Christopher Freieisen aus Frankfurt nicht weniger als dreizehn Schreiben an verschiedene Personen in Freiburg, Karlsruhe, Darmstadt, Höchst und Mainz mitbekommen, welche er auch den Adressenten *) richtig
*) In Freiburg dem Zeitungsredakteur Giehne, in Darmstadt dem Advokaten, Justizrath Buchner.
Überlieferte, hierauf aber auf der Rückreise in die Schweiz in Haft und Untersuchung gerieht. Gleiches Schicksal hatte der Schumacher Geselle Karl Riehler aus Niederlichteren, welcher im Februar 1835 dem gewesenen Lieutenant Sold in Durlach von dem neu in Straßburg sich beliebigen Verwendung mit einem schreiben zugeschickt wurde, in dem sich folgende Stelle befindet: „Ich würde dringend, dass in Bezug auf das j.D.(junge Deutschland) ein günstiger Schritt von unserer Seite geschehe. Ich fange an, etwas zu wittern, und wir müssen uns beschleunigen. Ueberhaupt sind, nach mehrfältig vorliegende Aussagen, die aus der Schweiz nach Deutschland zurückkehrende Handwerks- Gesellen häufig zum Colportiren revolutionärer Schriften, so wie zum Bestellen von Briefen an die Verbündeten benützt worden wo neben nach Übereinstim[m]ende Aussage, auch Versuche gemacht worden sind, die Verbindung durch Emissäre in Deutschland selbst auszubreiten. Man wollte, sagt diesfalls der angeschuldigte Hoffbauer in Berlin, - ein Netz von einzelnen Verbindungen in Deutschland gründen, und wenn es dann Zeit sey, das Signal zur Revolution geben, eine Absicht, welche soviel bekannt, nicht aufgehoben ist.

§. 15.
Während auf solche Art durch den Männerbund und des jungen Deutschland (§. 13. 14) auf den deutschen Handwerksstand gewirkt wurde fing im Frühjahr 1834 auf das Unwesen der Burschenschaft (§. 6) trotz der deshalb noch anhänglichen gerichtlichen Untersuchungen, auf den Universitäten wieder aufzuleben an. Am 30n März 1834 constituierte sich in Gießen eine neue Burschenschaft, deren Zweck in ihren (zu den Akten gebrachten) Statuten dafür angegeben ist: „für das Erfassen, die Verbreitung und Realisirung der Ideen Freiheit, Gleichheit und Einheit Deutschlands zu wirken.“ Um dieselbe Zeit offenbarte sich in Heidelberg so deutliche Spuren einer Erneuerung der Burschenschaft, daß sich die dortige akademische Behörde veranlaßt sah, sieben Studenten, auf welche dießfalls der dringendste Verdacht fiel, jedoch leider /: ohne vorgängige Untersuchung:/ von der Universität wegzuweisen. Diese freche Versöhnung des wiederholt eingeschärften gesetzlichen Verbots scheint mit Umtrieben der älteren Revolutionäre im Zusammenhange gestanden zu sein. Zu dem Hessischen zeigten sich dieselben besonders thätig. Wir haben diesfalls uns, daß im Frühjahr 1834 auf der Badenburg (zwischen Gießen und Marburg) eine Versammlung statt fand, an welcher die Pfarrer Weidig in Oberglenn (früher Rektor in Butzbach :), und Flick von Peterweil (vergl. § 8) der med. Dr. Helfs und der Privatdozent Dr. Eichelberg von Marburg, so wie mehrer Advokaten, Bürger und Studenten von Gießen und Marburg Theil nahmen, und wo auf den Antrag des Weidig, der den Anwesenden eröffnete, daß er kurz zuvor eine Reise nach Frankfurt. Mainz, Darmstadt, Mannheim und Wiesbaden gemacht und in letzterem Ort einer ähnlichen Versammlung beigewohnt hatte, - beschlossen wurde, revolutionäre Flugschriften zu schreiben, insgeheim drucken zu lassen und zu verbreiten, zu welchem Behufe von den Gleichgesinnten periodische Geldbeträge erhaben werden sollen. Auch sollte eine für ganz Deutschland berechnete, „liberrale Zeitschrift“ herausgegeben werden. Bald darauf, im Juli 1834, erschien der „Hessische Landlote,“ – eine der bösartigsten revolutionären Schriften, welche unter den gröbsten Schmähungen deutscher Souveräne unumwunden zum Aufruhr auffordert. Als Verfasser dieser Flugschrift, welche ohne Zweifel von dem Buchdrucker Preller in Offenbach gedruckt worden ist, wird der Gießenr Student Georg Büchner aus Darmstadt genannt, während die Gießener Studenten Minnigerode und Schütz sich zunächst mit ihrer Verbreitung befaßten. Der Pfarrer Weidig von Oberglenn hat allen Umständen noch zu ihrer Abfassung und Verbreitung mitgewirkt. nicht minder war derselbe dabey thätig, als als im Januar 1835 eine neue Auflage des „Hessischen Ladboten“ veranstaltet wurde, zu deren Druck der Privat-Dozent Dr. Eichelberg den Faktor der Elwert’schen Buchdruckerei in Marburg, Rühle, veranlaßten, und welche dann von Giessener Studenten agbeholt und verbreitet ward. Schon früher war, ohne Zweifel unter Weidig’s Mitwirkung, die revolutionäre Druckschrift: „Leuchter und Beleuchter“ in zahlreichen Exemplaren von Marburg aus in dem Großherzugthum Hessen verbreitet worden. Um vorerwähnte Zeit machten die Anhänger des schon damals zu Frankfurt in Haft und Untersuchung befindlichen Advokaten Dr. Jucho, mit welchen sie fortwährend colludirten, einen Versuch, den auf ihn und seinen Genossen Funk lastenden Verdacht der Abfassung und Verbreitung des „Bauernconversationslexikons“ /§. 13/ zu entkräften: Zu diesem Behufe sollte eine Fortsetzung jenes Lexikons erscheinen, und den getäuschten Behörden den Beweis Liefern, daß die genannten beiden (unleserlich) wie an diesen, so auch an den früheren Blättern der gedachten revolutionären Schrift keinen Theil gehabt hätten. Dieses Unternehmen wurde dadurch begünstigt, daß Jocho´s Freunde nach die von Funk´s Hand geschriebenes Manuscript zweier Artikel des Bauernconversationslexikons besaßen, welche die Artikel „Adel und Fürst“ enthielten. Diese Manuscript wurde daher von Frankfurt zunächst nach Bonames, von da durch die Tochter des vormaligen Schultheißen und Bundwehr Major Neuhof, Wilhelmine, an den Pfarrer Flick in Peterweil, und durch diesen übergießen an den Dr. Eichelberg in Marburg befördert, um soches durch den Rektor Rühle drucken zu lassen. Eichelberg fand jedoch das Manuscript zum Drucke nicht ganz geeignet, und verfaßte deshalb ein anderes, welches in derselben revolutionären Sprache die Artikel „ Freiheit“ und „ Fürst“ abhandelt, und von Rühle in mehreren Hundert Exemplaren gedruckt wurde. Noch ehe dieselbe verbreitet werden konnte, wurde aber die Sache entdeckt und sofort sowohl in Marburg als in Gießen beziehungsweise Darmstadt gegen die Schuldigen gerichtlich eingeschritten, wodurch nun revolutionäre Umtriebe in Hessen voreinst ein Ziel gesetzt worden ist. Indessen fährt die revolutionäre Presse fort, auch vom Auslande aus, ihre giftigen Samen in Deutschland auszustreuen. Zu diesem Behufe werden namentlich in Paris unter dem Titel: „der Geächtete“, redigiert von dem flüchtigen Heidelberger Burschenschafter Jackob Vendey aus Köln, dermal noch dessen Ausweisung unter der Firma eines gewissen E. Rauch, und in Zürich unterden Titel: „ das Mordlicht“ revolutionäre Zeitschriften herausgegeben, welche nicht für die Länder, in denen sie erschienen berechnet, sondern lediglich für Deutschland geschrieben sind. Auch besitzen die Schweizer-Revolutionäre in der politischen Zeitung „ die junge Schweiz“ ein Organ, welches selbst seinen Titel nach, der allgemeinen Verbindung des jungen Europa angehört. Ja selbst von NordAmerika aus setzten die entwichenen Demagogen ihre strafbaren Umtriebe fort. So hat sich im Frühjahr 1835 zu Newyork unter dem Namen „ Germania“ eine Gesellschaft von Deutschen gebildet, welche revolutionäre Schriften herausgibt, und nach Deutschland versendet, in denen ganz offen Revolution und Fürstenmord gepredigt wird. In Vorstehendem bestehe nun die wesentlichen Resultate der wegen der thotgeglaubten revolutionäre Umtriebe in verschiedenen deutschen Bundes Staaten eingeleiteten Untersuchungen, so weit solche bis jetzt zur Kenntniß der Bundes Centralbehörde gekommen sind. Die Zahl und der Stand der seit dem Jahr 1831 anfängig geworden und bei der Centralbehörde vorgekommenen politischen Untersuchungen sind aus der Beilage zu entnehmen.

§. 16.
Uiberblickt man das traurige Gemälde der seit 25 Jahren in Deutschland stattgehabten revolutionären Bewegungen, so wird kein Gutgesinnter eines schmerzlichen Gefühles sich erwehren können, daß ein dem deutschen National- Charakter so fremdes Uibel in diesem Lande sich so weit zu verbreiten und eine Reihe von Empfindungen hervorzurufen vermochte, welche die ernstesten Besorgnisse erregen mußten. Besonders sind es die, auf die französische Julirevolution gefolgten vier Jahre, welche in dieser Beziehung ganz vorzugsweise sich auszeichnen. Systematische Vergiftung der öffentlichen Meinung durch die Presse, planmäßige Aufreitzung des Volkes gegen seine Regenten und deren Organe durch Versam[m]lungen, Emissäre und geheime Vereine, Schwächung des Ansehens und der Wirksamkeit der Regierungen durch übelgesinnte Ständemitglieder und Beamten, Verwicklung der unerfahrene, durch schlechte Lectüre und übelverstandenen Patriotismus aufgeregten Jugend in hochverrätherische Unternehmungen, erfolgreiche Bearbeitung von Soldaten und Handwerkern für revolutionäre Zwecke, staatsverrätherische Verbindungen mit auswärtigen Revolutionären, Verschwörungen und blutige Aufstände, - dies sind, unserer aktenmäßigen Darstellung zufolge, die erwiesenen Thatsachen, welche die Geschäfte jenes Zeitraums schänden und keinen Zweifel übrig lassen, daß auch in Deutschland eine Parthei existire, die in Verbindung mit Gleichgesinnten im Auslande ohne Unterlaß auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Regierungen und Verfassungen hinarbeitet. Indessen herrschen über den Grad der Gefahr, womit jenes Uibel die bestehende Ordnung der Dinge bedroht, auch unter solchen, welche die angeführten Thatsachen nicht abzuläugnen suchen, sehr verschiedene Ansichten. Von der einen Seite wird behauptet, daß die einzig durch bekannte Ereignisse in den Nachbarstaaten erzeugten Aufregung der Gemüther in Deutschland mit der Rückkehr und Befestigung der Ruhe in jenen Staaten sich von selbst verlieren werde, daß die Massen noch nicht ergriffen seien, die Parthei der Meuterer daher gering an Zahl und aus Menschen ohne Einfluß <und persönlichen Ansehen> bestehend, gegen die ungeheure Mehrzahl der Gutgesinnten und gegen die, den vereinten Bundesregierungen zu Gebot stehenden großen Mittel nichts vermögen, daß eben darum seither alle ihre tollkühnen Plans und Unternehmungen gleich im Beginnen gescheitert seien, daß auch die Wirksamkeit der böswilligen Presse nicht so hoch anzuschlagen sei, indem aus dem Kampfe der Meinungen die Mehrheit siegreich hervorgehen werde, und einem Volke, das sich glücklich fühle, durch Zeitungsartikel und Flugschriften keine gegentheilige Uiberzeugung beigebracht werden könne, daß demnach eine wirkliche Gefahr für die bestehende Ordnung in Deutschland nicht vorhanden sei, und daß jedenfalls die öffentliche Ruhe durch Beweise von Vertrauen und versöhnender Milde sicherer werde befestigt werden, als durch Maßregeln der Strenge, welche nur Unzufriedenheit Erbitterung erzeugen würden. - Diese Ansicht findet umso mehr Eingang, je mehr sie den herrschenden Wünschen und Neigungen schmeichelt, und je bequemer es ist, durch oberflächliche Urtheile dieser Art sich der unangenehmen Mühe, das Uibel bis zur Wurzel zu verfolgen, zu überheben und beruhigt über die Sicherheit von Morgen, den Blick vor der ferneren Zukunft zu verschließen. Andererseits hört man nicht selten die trostlose Meinung äußern, daß der demokratische Geist, welcher das monarchische Prinzip bekämpft, unter den Völkern schon zu weit um sich gegriffen habe, als daß solchen noch mit Erfolg widerstanden werden könne, daß es eben so gefährlich als vergeblich seyn würde, in das unaufhaltsam vorwärts rollende Rad der Zeit zu greifen, und daß daher nichts übrig bleibe, als durch zeitgemäße Concessionen den Sturm zu beschwören und gewaltsamen Ausbrüchen zuvorzukom[m]en. Weder diese noch jene Ansicht stim[m]t, unseres Erachtens, mit der Mehrheit überein. Unläugbar hat der demokratische Geist in den lezten Decanien in Deutschland große Fortschritte gemacht. Er hat sich der Literatur, der Doctrine und der Jugend bemächtigt, unter dem Volke eine Masse von republikanischen Ideen verbreitet, und ist selbst in die Gesetzgebung und in die öffentliche Verwaltung gedrungen. Mit jedem Tage gewinnt er neuen Boden, und die Geschichte lehrt, daß, wo der Wahn, daß der bestehende Zustand geändert werden müsse, in den Gemüthern sich einmal festgesetzt hat, es nur eines äußeren Anlasses und begünstigender Umstände, welche im Laufe der Zeit nicht auszubleiben pflegen, bedarf, um Versuche der Ausführung herbeizuführen. Hiernächst kom[m]t in Betracht, daß die gerichtlichen Untersuchungen, deren allerdings große und wichtige Ergebnisse in dem vorstehenden Aufsatze vorgetragen sind, bis jetzt nicht den ganzen Umfang des, gegen den Bestand des deutschen Bundes gerichteten Complottes zu ermitteln vermochten, daß vielmehr allen Umständen nach ähnliche Umtriebe und Complotte, wie solche in Frankfurt, Hessen und Württemberg erwiesen worden, auch in mehreren anderen deutschen Bundesstaaten stattgefunden haben, und daß gerade die gefährlichste Classe der Revolutionäre, diejenige, welche sich bei dem Anscheine eines Erfolges an die Spitze der Aufrührer gestellt haben würde, theils durch die Flucht, theils auf andere Weise dem Arme der Gerechtigkeit größtentheils sich zu entziehen gewußt hat. Nim[m]t man aber auch an, daß den Anstiftern jenes Complottes vorerst keine größeren Mittel zu Gebot gestanden, als die, welche die geständigen Theilnehmer desselben bis jetzt angegeben haben, und vergleicht man hiermit die Geschichte der Revolutionen anderer Staaten; so wird sich nicht widersprechen lassen, daß oft mit geringere Mitteln erfolgreiche Empörungen begonnen und vollführt worden sind. Ein Volksaufstand ist wie eine Lawine, aus unbedeutendem Anfange kann er schnell riesengroß erwachsen, und wo heute noch die Einschreitung einer Polizeibehörde zu seiner Dämpfung hinreicht, wird morgen vielleicht ein Heer dazu erforderlich seyn. Häufig ist es nur ein Zufall, der über das Gelingen oder Mißlingen einer revolutionären Bewegung entscheidet. So war bei dem Aufruhr in Frankfurt am 3ten April 1833 der zufällige Umstand, daß die Meuterer, welche das Zeughaus gestürmt hatten, und der darin verwahrten sechs Kanonen sich zu bemächtigen suchten, zuerst aus Irrthum mit der gewaltsamen Oeffnung der Kam[m]er, in der sich die Feuerspritzen befanden, eine kostbare Zeit verloren, hiernächst aber bis zum Anrücken des Frankfurter Militärs mit dem Einschlagen der zum Geschütze führenden Thüre nicht fertig werden konnten, von entscheidendem Einfluße. Wäre es ihnen gelungen, die Kanonen zeitig auf die Straße zu bringen, und damit die Zugänge zu der Constablerwache zu besetzen; so würde sich der Kampf wohl jedenfalls bis zum folgenden Morgen verlängert und dann vielleicht einen anderen Ausgang genommen haben. Auf die Kunde hievon hätten geständiger maßen auch die Genossen der Frankfurter Rebellen in Ludwigsburg, Heidelberg und Gießen sich empört, und ohne Zweifel wäre noch in vielen anderen Orten, namentlich in Butzbach, Hanau, Höchst, Mannheim, Marburg, so wie in Rheinbayern und Rheinhessen eine Schilderhebung erfolgt. Bedenkt man ferner, daß die Verschworenen auch aufthäthige Unterstützung von Seiten der französischen Republikaner rechnen zu dürfen glaubten, und daß vier bis fünf hundert kriegserfahrne polnische Offiziere bereits unterwegs waren, um an die Spitze der durch lockende Versprechungen zu insurgirenden Landvolks sich zu stellen; so wird man zugeben müssen, daß die Gefahr, welche - nicht die Wachsamkeit der Behörden, nicht die den Regierungen zu Gebot stehenden Mittel, nicht die Mehrzahl der Gutgesinnten, sondern - ein augenblicklicher Irrthum der Aufrührer und die Festigkeit einer Thüre, von Deutschland abgewendet haben, nicht so gering gewesen ist, als man sie jetzt nach dem Erfolge zu beurtheilen geneigt ist. Diese Gefahr war um so größer, je mehr das Volk durch die von uns geschilderten Ereignisse und Umtriebe jahrelang auf den Umsturz des Bestehenden vorbereitet worden war. Es ist einer der schalen Gemeinplätze, womit die Vertheidiger der unbeschränkten Preßfreiheit ihre Gegner zu täuschen suchen, daß, wo dem Volke von der Regierung kein gerechter Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben wurde, selbst von dem Mißbrauche der Presse nicht zu fürchten sei. Die Erfahrung lehrt das Gegentheil. Mit dem steigenden Wohlstande wächst der Dünkel und der Uibermuth, der wohlgefällig auf die Schmeichelrede der Demagogen horcht, daß der Bürger sich selbst zu regieren reif und mündig sei, und nicht mindere Eingang findet bei der Masse der keines eigenen Urtheils fähigen die in das Gewand des Patriotismus gehüllte Verläumdung, welche jede Unbild der Zeit, jedes selbst verschuldete Unglück, jede in menschlichen Dingen unvermeidliche Unvollkom[m]enheit mit Talent und Gewandtheit den Regierungen zur Last zu legen, die wohlmeinendsten Absichten und Maßregeln der Fürsten zu verdächtigen, und dagegen von den Folgen einer radikalen Aenderung der Regierungsformen und von dem Siege des demokratischen Prinzips die glänzendsten, allen Leidenschaften schmeichelnden Bilder zu entwerfen weiß. Dieser von der Revolutionsparthei sorgsam ausgestreute giftige Saamen hat in einem großen Theile des deutschen Volkes Wurzel geschlagen, und die auffallende Empfänglichkeit für revolutionäre Umtriebe, welche in den letzten Jahren in einigen der gesegnetsten und wohlhabendsten deutschen Bundesstaaten sich kund gegeben hat, ist vorzüglich der vorausgegangenen Verbreitung solcher Ansichten und Grundsätze durch die Presse zuzuschreiben.*.). Die für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hieraus entspringende Gefahr wird dadurch nicht aufgehoben, daß die Mehrzahl der Unterthanen und darunter naentlich den intelligenteste und vermöglichste Theil der Nation, welcher erkennt, daß mit dem monarchichen Prinzip die Civilisation und das Eigenthum bedroht sind, von dem Treiben der Demagogen sich enternt gehalten hat.
*.) In dem benachbarten Frankreich haben ähnliche Wahrnehmungen und Überzeugungen die Preßgesetze vom Sept. 1835 hervorgerufen.
Die Passivität dieser Classen der bürgerlichen Gesellschaft gewährt, wie die Geschichte anderer Staaten zeigt, keine hiereichende Bürgschaft, daß nicht die Energie und der Terrorismus einer kleinen Minderzahl wenigstens auf einige Zeit der großen Mehrzahl Meister wurde. Allerdings stehen den Regierunen zu Unterdrückung revolutionärer Bewegungen sehr bedeutende Mittel zu Gebot, und es läßt sich nicht bezweifeln, daß die im äußersten Falle hierzu zu verwendenden Trupen im Allgemeinen von dem besten Geiste beseelt sind. Indessen leiten doch die in Württemberg, Hessen-Homburg und Frankfurt ermittelten Meutereien unter dem Militär /: §.7.8.13:/ sehr bedenkliche Beispiele des Gegentheils dar, welche um so größere Aufmerksamkeit verdienen, als nach vorliegenden Aussagen ähnliche Aufwiegelungsversuche auch unter den Truppen anderer Bundesstaaten beabsichtigt worden sind. Wo, wie in den angeführten Fällen, das Militär einmal in seiner beschworene Treue wankt, wo es Hinneigung zeigt, sich den Befehlen seiner Oberen in Masse zu widersetzen, wo Offiziere und Unteroffiziere zu einem verbrecherischen Vorhaben sich vereinigen, das darauf berechnet ist, durch Verführung oder Beispiel auch den gemeinen Mann von seiner Pflicht abwendig zu machen, und wo ein solches Verbrechen längere Zeit im finstere fortwuchert, da sind die Grundpfeiler der Subordination und der Mannzucht erschüttert, es ist eine Degeneration vorhanden, welche Auflösung droht. Andererseits ist in Folge der in den meisten Staaten bestehenden Recrutirungssysteme, vermöge derer der Jüngling, welchen die Reihe, Soldat zu werden, trifft, gewöhnlich nur kurze Zeit unter den Waffen bleibt, eine sehr große Zahl von Bürgern und Bauern in den Waffen geübt, und durch den längere Aufenthalt in Residenz- und andere Garnisonsstädten aus dem frühere einfachere Ideenkreise herausgetreten. Vergleicht man die seit dem Jahre 1830 in Deutschland stattgehabten revolutionären Umtriebe mit denen der frühere Periode, so zeigt sich, daß jene in neuerer Zeit eine practischere Richtung genom[m]en, und während sie sich früher hauptsächlich auf die Universitäten und eine verhältnißmässig kleine Anzahl überspannter Köpfe beschränkt, nun einen viel größeren Umfang erlangt und besonders auch die untere Volksklassen ergriffen haben. Wie empfänglich letztere für solche Umtriebe geworden; beweist nicht nur der äußerst zahlreiche Besuch der Volksversammlungen in Hambach; Gaibach /:§4:/ und der ungetheilte Beifall, welchen die daselbst gehaltenen aufrührerischen Reden bei der versam[m]elten Menge gefunden haben, so wie die große und schnelle Ausbreitung des Männerbundes in Frankfurt und der dortigen Umgegend /:§13:/, sondern auch der Umstand, daß selbst bei verschiedenen nicht politischen Anlässen sich neuerlich ein bedenklicher Geist der Auflehnung unter den gedachten Volksklassen kund gegeben hat. Ein aus der rastlosen Thätigkeit der Revolutionsparthei und der Ausbreitung des demokratischen Geistes für die öffentliche Ruhe und Ordnung in Deutschland entsprungene Gefahr war und ist demnach keineswegs so gering, als solche theils aus Unkenntniß der betreffenden Thatsachen und ihres Zusam[m]enhanges, theils aus andere Motiven nicht selten geschildert wird. Auch darf man sich durch den in dem Treiben jener Parthei neuerlich eingetretenen Stillstand nicht täuschen und zu der Meinung verführen lassen, daß das, was bis jetzt zu Bekämpfung und Heilung des Uibels geschehen, hinreichend sei, auch von Rückfällen zu bewehren. Allerdings sind in Folge der strengeren und consequentere Handhabung der Censur die öffentlichen Organe der revolutionären Faction grösstentheils verstum[m]t, oder doch wieder laut und offenherzig geworden, viele der überspanntesten und verwegensten Revolutionäre haben sich, um den Einschreitungen der Behörden zu entgehen, in das Ausland geflüchtet, und eine nicht unbeträchtliche Zahl ihrer Genossen befindet sich in den Händen der Gerichte, von denen sie den gesetzlichen Lohn ihrer Missethaten theils bereits empfangen, theils noch zu gewärtigen haben. Der bestim[m]t ausgesprochene erhabene Wille der Souveraine, dem revolutionären Unwesen in Deutschland ein Ende zu machen, hat die Thätigkeit und den Eifer der Behörden erhöht, und die strafbaren Hoffnungen der Uibelgesinnten herabgestim[m]t. Gleichwohl wird dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen, daß das Uibel mehr nur von der Oberfläche verschwunden, als wirklich gehoben ist, daß das dem Volk eingeflösste Gift antimonarchischer Gesinnungen nicht aufgehört hat, in der Stille fortzuwuchern, und daß die gegenwärtig in Deutschland herrschende Ruhe weniger der Furcht und Unmacht der bezeichneten Parthei, als dem Gange der Ereignisse in Frankreich zuzuschreiben ist. Wäre am 28ten Juli 1835 Fieschie’s königsmörderischer Plan in Paris gelungen, und hätte in Folge dessen die Parthei der französischen Republikaner, wo nicht sofort die Oberhand erlangt, doch wenigstens in Masse sich erhoben, und den blutigen Kampf um die Herrschaft auf das Neue entzündet; so befänden wir uns nun höchst wahrscheinlich auch in Deutschland wieder an dem Vorabende revolutionärer Unternehmungen und Ausbrüche.
Andeutungen über den Grad der Gefahr, über die Ursachen, und über die Mittel zu einer gründlichen Hebung des revolutionären Uebels. (§ 16) I
Überblickt man das traurige Gemälde der seit 25 Jahren in Deutschland stattgehabten revolutionären Bewegungen, so wird kein Gutgesinnter eines schmerzlichen Gefühles sich erwehren können, daß ein dem deutschen National- Charakter so fremdes Uibel in diesem Lande sich so weit zu verbreiten und eine Reihe von Empfindungen hervorzurufen vermochte, welche die ernstesten Besorgnisse erregen mußten. Besonders sind es die, auf die französische Julirevolution gefolgten vier Jahre, welche in dieser Beziehung ganz vorzugsweise sich auszeichnen. Systematische Vergiftung der öffentlichen Meinung durch die Presse, planmäßige Aufreitzung des Volkes gegen seine Regenten und deren Organe durch Versam[m]lungen, Emissäre und geheime Vereine, Schwächung des Ansehens und der Wirksamkeit der Regierungen durch übelgesinnte Ständemitglieder

§. 17.
Es wird demnach, um zu einer gründlichen und definitiven Beurtheilung zu gelangen, nöthig seyn, das Uibel bis in seine Quellen zu verfolgen, und zu diesem Behüte vor allem die Ursachen zu erforschen, aus welchen dasselbe hervorgegangen ist. Diese Untersuchung darf, wenn sie erschöpfend seyen soll, nicht einseitig auf den Ursprung der zu Tage gekommenen politischen Verbrechen sich beschränken, sondern sie muß, da jene in der Regel gewissermaßen nur die letzten Consequenzen einer, aus der inneren und äußeren Geschichte der sittlichen und geistigen Bildung, den bürgerlichen und häuslichen Verhältnissen eines Volkes sich entwickelnden fehlerhaften Richtung und Meinung betreffenden Individuen sind, auch hierauf die geeignete Rücksicht nehmen. Wir glauben uns jedoch diesfalls hier auf nachstehende Andeutungen beschränken zu dürfen: Die Ursachen, welche in früheren Jahrhunderten mitunter Empörungen herbeigeführt haben, übermäßige Höhe und ungerechte vertheilung der Abgaben, Misshandlungen und Bedrücken der Unterthanen, Cabinetsjustiz und ähnliche matrielle Beschwerden, finden in Deutschland nirgends statt. Deutschland hat von den Wunden und Opfern, die zwanzig verhängnißvolle Kriegsjahre ihm zugezogen, in einer bereits oben so lange, gesegneten Friedenszeit, vollständig sich erholt, und verdankt der Weisheit, Gerechtigkeit und Humanität seiner erhabenen Beherrscher einen Zustand, welcher die Vergleichung mit keinem anderen Lande der Welt zu scheuen hat. Wir können uns diesfalls jeder Ausführungen um so mehr enthalten, als die Wahrheit des eben gesagten selbst von den Feinden der bestehenden Regierungen zugestanden wird. Uibrigens konnte es nicht fehlen, daß die Erschütterungen jener ereignißreichen Periode, welche im raschen Wechsel, Staaten entstehen und verschwinden sah, und so viele ehrwürdige Lande des seit Jahrhunderten bestandenen löste, bei dem Volke den Glauben an die Unantastbarkeit der bestehenden Staatsherren schmähen müsste, und dass, auch nachdem Deutschland durch die Bundesacte vom Jahre 1815 seine jetzige feste und bleibende politische Gestaltung erhalten hatte, der neue Zustand der Dinge nicht augenblicklich alle Gemüther zu beruhigen, alle Wünsche und Interessen zufrieden zu stellen vermochte. Indessen wäre solches dennoch bälder der Fall gewesen, wenn nicht gleichzeitig mit der Entstehung des deutschen Bundes die Presse jene unselige, alle Begriffe und Gefühle verwirrende Thätigkeit zu entwickeln begonnen hätte, welche zuerst an das kom[m]ende Zeitalter die übertriebensten Hoffnungen und Wünsche knüpften, hiernächst an das, was zur Realisierung der Volkswünsche geschah, einen fremden unpassenden Maßstab legte, und zulezt in jenen fortwährenden heftigen Kampf gegen das Bestehende ausartete, dessen wir oben /. §. 3 :/ bereits erwähnt haben. Die nachtheilige Wirkung der Presse wurde vermehrt durch die Halbwisserei, den Dünkel und die Anmaßung, welche die Schattenseiten der in neurer Zeit fast über alle Classen der bürgerlichen Gesellschaft verbreiteten politischen Aufklärung bilden. Hinzu gesellten sich die in Deutschland leider einheimisch blinde Bewunderung des Fremden und Geringschätzung des Eigenen, so wie die geistige Knechtschaft, in welcher die Parthei, deren Lösungswort: “die Freiheit“ ist, sich gegenüber von Frankreich befindet. Das Vaterland der Moden gilt ihr zugleich auch als die Schule politischer Weisheit und Bildung, und mit Bedauern muß man gestehen, dass unsere deutschen „Liberalen“ in der Frivolität bei Beurtheilung und Behandlung politischer Gegenstände, in der Sucht maßloser und systematischer Opposition gegen die Regierungen und in dem Hange zu Conspirationen und Emeuten ihrer französischen Vorbilder Ziemlich nahe gekom[m]en sind. Weitere Erklärungsgründe der Empfänglichkeit, insbesondere der unteren Volksklassen, für revolutionäre Umtriebe, bilden: der so häufige Mangel an Fertigkeit der (unleserlich) religiösen Überzeugungen, die mit den politischen Gesinnungen so innig zusam[m]enhängen, die fühlbare Abnahme einer guten und strengen Kinderzucht, der an die Stelle der früheren Einfachheit der Sitte und Lebensweise fast allenthalben getretenen Luxus und die herrschende Genusssucht, die, wo sie keine Befriedigung findet, so leicht in Mißbehagen, Neid und Drang nach Veränderung übergeht, überhaupt der zunehmende Egoismus, der keine Schranken achtet, so wie endlich der durch den außerordentlich erleichterten und vermehrten gegenseitigen Einfluß der Zeitereignisse in den übrigen Staaten von Europa. Außer diesen allgemeinen Ursachen gibt es aber auch noch einige spezielle, welche hier nicht unerwähnt bleiben dürfen. Wir rechnen hinzu vor allem: r, die großen Gebrechen des deutschen Schul- und Universitäts- Wesens, welche längst die Aufmerksamkeit der hohen Bundesversam[m]lung auf sich gezogen, und von denen die k. k. oesterreichischen Präsidial-Verträge vom 20. Sept. 1819 und 16.Aug. 1824 ein Bild entworfen haben*) welches mit unseren eigenen Wahrnehmungen und gesam[m]elten Erfahrungen so sehr übereinstim[m]t, daß wir ausdrücklich hierauf Bezug zu nehmen uns erlauben. Das sofort unter dem 20ten Sept. 1819 erlassene, unter dem 16. Aug. 1824 und 5ten Juli 1837 wiederholt eingeschärften provisorische Bundesgesetz in Betreff der Universitäten hatte nur den Zweck, dem nächsten und unmittelbar drohenden Uibel zu begegnen, und es wurde hierbei eine weitere und erschöpfende Erörterung der für die Wissenschaft und das öffentliche Leben, für das Familienwohl und die
*.) Vergl. u, Meyer Staatsleben für Geschichte und öffentliches Recht des deutschen Bundes Thl. II. S. 129-131. 251-254.
Festigkeit der Staaten gleich wichtigen Frage: wie den Gebrechen des gesam[m]ten Schulunterrichts- und Erziehungswesens in Deutschland gründlich abgeholfen sey ausdrücklich vorbehalten. Indessen würde auch schon die Bestim[m]ungen jenes (unleserlich) Gesetzes, durch welches eine strenge Aufsicht über die akademischen Lehrer und Schüler, die Entfernung pflichtvergessener Lehrer von ihren Stellen, so wie die Unterdrückung der allgemeinen Burschenschaft und ähnlicher geheimen Studenten- Verbindungen beschlossen wurde, die wohltätigsten Folgen geäußert haben, wenn solche allenthalben mit dem Eifer und der Sorgfalt vollzogen worden wären, welche zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich waren. Hinzu mochte es aber wohl an manchen Universitäten sehr gefehlt haben, wenigstens ließe sich außerdem kaum erklären, wie die Burschenschaft, gleichsam unter den Augen der Behörden, auf das Neue sich constituiren und der politische Schwindel ihrer Mitglieder einen hohen Grad erreichen konnte, wie aus unserer aktenmäßigen Darstellung /: §. 6. 9. 10. 13 :/ ersichtlich ist. Die Läßtigkeit oder (Comirenz?) so wie die Wahrnehmung, daß die von den Universitätsbehörden geführten Untersuchungen wegen burschenschaftlicher Verbindung in der Regel nicht mit Energie und Gründlichkeit behandelt worden, welche zur Erforschung der Wahrheit nöthig sind, haben uns schon in unserem gehorsamsten Berichte vom 20ten März 1834 zu der unvorgreiflichen Bemerkung veranlasst, daß die Competenz jener Behörden auf einfache, in das Gebiet der Schulzucht fallende Disciplinargegenstände zu beschränken, die Untersuchung und Bestrafung aller sonstigen Vergehen der Studierenden aber den ordentlichen Polizei- und Gerichtsstellen zu Übertragen seyn möchte nach dem Art. 13 der unter dem 13ten Nov. 1834 beschlossenen gemeinsamen Maßregeln in Betreff der Universitäten soll jedoch die Erkennung aller eigentlichen akademischen Strafen, wozu auch die nach Art. 8 auf die Theilnahme an burschenschaftlichen Verbindungen gesetzte geschärfte Relegation gehört, den akademischen Gremien verbleiben; auch ist die Entscheidung darüber: ob eine gegen Studenten vorliegende Anschuldigung als criminell zu betrachten und demnach an die Gerichte zu übergeben, oder als disciplinarisch abzurügen sei, ihrem Ermessen, beziehungsweise ihrer Willkühr überlassen. Wir müssen daher der Zukunft überlassen, in wiefern solche die Besorgniß des verderblichen Verbindungswesen der Studierenden nicht mit gehörigem Nachdruck begegnet werden dürfte, rechtfertigen werde oder nicht. Jedenfalls aber geben wir gerne zu, dass auch die von uns zu beantragte Beschränkung der akademischen Strafgewalt noch keine hinreichende Bürgschaft gegen eine abermalige Erneuerung der beklagens werthen Verirrungen der studentischen Jugend darbieten würde. Der Grund des Uibels liegt viel tiefer und kann wohl nur in der, einer längst vergagenen Zeit angehörenden eigenthümlichen Organisation der deutschen Universitäten, in der Stellung der Lehrer sowohl den Regierungen als auch ihren Schülern gegenüber, und in der sogenannten akademischen Freiheit der ersten gefunden werden. Wir sind weit entfernt, die großen Verdienste zu bestreiten, welche die deutschen Universitäten um die Wissenschaft, um die Cultur und um den Staatsdienst sich erworben haben; allein es ist klar, daß eine Anstalt, deren Einrichtung sich vor Jahrhunderten als vortrefflich erprobt, darum nicht auch heute, nachdem die Verhältnisse und der Geist der Personen sich so sehr geändert haben, als tadellos erscheinen. Auch darf man sich durch das Geschrei, welches bei dem Wort: „Reform der Universitäten“ von gewissen Seiten sich zu erheben pflegt, um so weniger abhalten lassen, den unleugbar bestehenden Gebrechen dieser Anstalten auf den Grund zu sehen, als gerade die „liberale“ Parthei den darmaligen Zustand der Universitäten in Schutz nim[m]t, beweißt, welchen Beistand sie sich von denselben für ihre, dem monarchischen Prinzip feindlichen Absichten und Zwecke verspricht, und als ferner eine gründliche Hebung der vorhandenen Missbräuche ja unbedacht des Wesens jener ehrwürdigen Lehrinstitute stattfinden könnte. Notorisch ist, daß viele Universitätslehrer sich durch Lehre und Schrift in eine feindliche Opposition mit den bestehenden Regierungen gesetzt haben, andere aber genug zu thun glaubten, wenn sie in dem Kampf der Meinungen eine vornehme Neutralität beobachteten, während nur wenige politisch dahin zu wirken suchten, den Gemüthen ihrer jungen Zuhörer Liebe und Ehrfurcht für das Bestehende einzuflößen. Diese unerfreuliche Erscheinung erklärt sich zum Theile daraus, dass der Besuch der Collegien und damit auch das Einkom[m]en der Professoren von dem Beifalle abhängt, welchen die Vorträge jener, nicht bei Regierungen, sondern bei den Studierenden finden. Die sogenannte akademische Freiheit, d. h. die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, deren die studierenden in Absicht auf die Wahl und den Besuch der Collegien, das Privatstudium, den Umgang und die sonstige Lebensweise genießen, datiert sich von einer Zeit, wo die Studierenden noch nicht, wie jetzt, schon in einem Alter von 17 bis 18 Jahren die Universität bezogen, und hat auch längst die begründete Klage veranlasst, dass infolge dieser Freiheit viele Studierende sich einem müßigen, leichtsinnigen Leben ergeben, und noch weit mehrere während ihrer Studienzeit wenigstens nicht so viel lernen, als in ihrem, wie in dem Interesse des Staats zu wünschen wäre. Heutigen Tags bietet aber jene Freiheit noch den wieteren Nachtheil dar, daß wie traurige Erfahrungen nun wiederholt gezeigt haben, schlaue Demagogen der unbewachten, unerfahrenen Jugend sich bemächtigen, und solche für ihre revolutionären Bestrebungen zu mißbrauchen, und den Regierungen die Gemüther derjenigen zu entfremden, denen sie in der Folge ihre wichtigsten Interessen anzuvertrauen genöthigt sind. Der Werth, welchen man der gedachten Freiheit in Absicht auf die Bildung und Selbständigkeit des Charakters beizulegen pflegt, wird wohl häufig überschätzt und dabei übersehen, daß, wie unzählige Beispiele der In- und Auslandes beweisen, auch aus anders organisierten Lehranstalten gelehrte und patriotisch gesinnte, unabhängige Männer hervorgehen können. Wenn endlich auf die Frage: Was für die Erhaltung und Treue und der bestehenden Verfassungen, so wie für die Ruhe Deutschlands sich hoffen lasse, wann die mißgeleitete neue Generation, mit Geringschätzung und Widerwillen gegen die bestehende gesetzliche Ordnung erfüllt, in den verschiedenen Zweigen der Staatsverwaltung nach und nach die Mehrzahl bilden wird erwidert werden möchte, daß mit dem Eintritt in das bürgerliche Leben die etwa auf der Universität eingesogenen, excentrischen, unparctischen Ideen sich von selbst zu verlieren und einer vernünftigen Anschauung und Würdigung der Dinge Platz zu machen pflegen; so ist dieses, unseren amtlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen zu Folge, nur zum Theil der Fall, und es fehlt nicht an Beispielen, dass ehemalige Mitglieder der Burschenschaft, welche sich als solche ihr ganzes Leben lang durch Wort und That für die /: republikanische :/ Freiheit und die Staatseinheit Deutschlands zu wirken verbindlich machten /: §. 6. :/ dieser Verpflichtung auch nach ihrem Eintritt in das bürgerliche Leben nachzukom[m]en streben. Dies führt uns 2.) zu der Bemerkung, daß überhaupt in den üblen Gesinnungen vieler öffentlichen Diener eine der Hauptursachen zu finden seyn dürfte, welche der Ausbreitung des revolutionären Geistes in Deutschland Vorschub geleistet haben. Wir erlauben uns diesfalls auf dasjenige Bezug zu nehmen, was wir hierüber schon obe /: §. 5.:/ vorgetragen haben. Wo tüchtige Beamte mit redlichen Pflichtmäßigem Eifer ihr Amt verwalten, da wird in der Regel, selbst bei mangelhaften Straf- und ProzeßNormen, dem beleidigten Gesetze Geltung und Achtung verschaft, und die Parthei der Revolutionäre entmuthigt werden. Wo aber den Einschreitungen der Behörden jener Ernst und Nachdruck fehlt, den nur die Begeisterung für die gute Sache verleiht, wo Faulheit und Feigheit dem Erfolg der amtlichen Thätigkeit schwächen, oder wo gar der Beamte selbst ergriffen von dem revolutionären Schwindel, mit denen, die er mit allen gesetzlichen Mitteln verfolgen soll, insgeheom sympathisiert, da werden auch die besten Gesetze und Verordnungen nicht hinreichen, die Frevler zu entlarven und unschädlich zu machen, und die gefährdete Ruhe und Ordnung dauernd sicher zustellen. In den meisten deutschen Bundesstaaten sind nicht nur die Gerichtssondern auch die übrigen Staatsbeamten durch wohlwollende Gesetze /: Dienstpragmatiken :/ vor willkührlicher Entlassung und Zurücksetzung geschützt und können nur wegen erwiesener schwerer Vergehen nach vorgängiger Untersuchung durch förmliches Erkenntniß aus dem öffentlichen Dienste entlassen werden. Der Beamte, welcher durch zweideutiges Benehmen und laue Pflicht erfüllung das gerechte Mißtrauen und Mißfallen seiner Vorgesetzten sich zuzieht, riscirt daher höchstens die Uibergehung bei Beförderungen, wobei es ihm überdings, wenn er klug und gewandt ist, nicht schwer fällt seinen Mangel an gutem Willen hinter gesetzlichen Formen zu verbergen, indem er z.B. den Verdacht nicht für hinreichend, die Zeugen nicht für glaubwürdig, dar Gesetz nicht für deutlich genug erklärt, und die offenbare Schuld durch angebliche Milderungsgründe bemäntelt. Es wagt hierüber um so weniger, als da, wo kein Staatsanwalt besteht, der den Behörden gegenüber, das Interesse des Staates wahrt, und die erforderliche Rüge und Abhülfe veranlasst, die stattgehabten Versäumnisse und Ungesetzlichkeiten Häufig gar nicht zu Kenntniß der Höheren Stellen gelangen. Jedenfalls Bildet die Aussicht auf eine Vernehmung an Rang und Gehalt keinen hinreichende Gegenreiz gegen die Mittel, welche die Revolutionsparthei verwendet, in dem sie den pflichtvergessenen Diener, der sie begünstigt und den gesetzmäßigen Befehlen seiner Oberen trotz, als einen „muthigen Patrioten“ bis an das Gestirne erhebt und dagegen den Mann, der treu und eifrig seiner beschworenen Dienstpflicht erfüllt, einen „servilen Fürstenknecht“ schmäht und der Verachtung und der Rache preis gibt. Während durch diese Taktik mancher eitle und schwache Beamte in seiner Pflicht wankend gemacht wird, andere eben noch von den schädlichen Eindrücken, die sie auf Universitäten empfingen, erfüllt sind, fehlt es mit unter auch solchen, deren Gesinnungen kein Tadel trifft, auf ihrem isolierten Standpunkte an der gehörigen Einsicht in den Zusam[m]enhang, die Gefährlichkeit und (unleserlich) des revolutionären Treibens, weshalb sie den einzelnen, ihnen zur Ermittelung überwiesenen Thatsachen nicht im[m]er die erforderliche Sorgfalt widmen. Daß unter diesen Umständen 3.) die Mangelhaftigkeit der Straf- und Prozeßgesetze in den meisten Bundesstaaten dazu beitragen müsste, die Entdeckung und Verhinderung politischer Verbrechen zu erschweren und hindurch das Treiben der Revolutionäre mittelbar zu befördern, ist für sich klar. Die neuere Zeit hat politische Verbrechen erzeugt, welche unsere Voreltern unbekannt gewesen sind, für welche daher die aus älteren Perioden stam[m]ende Gesetze keine passende Strafbestim[m]ungen enthalten. Wir erinnern diesfalls nur an die mannigfachen Arten der Pressvergehen. Auch hat in den verschiedenen Bundesstaaten die Strafgesetzgebung nicht gleichen Schritt gehalten. In mehreren gilt noch das gemeine Recht, d. h. die sich widersprechende, häufig durch übertriebene Zweifelsucht der Rechtsgelehrten und der schwankende, die Willkühr begünstigende Gerichtsgebrauch, vermischt mit einzelnen Particulargesetzen, andere deutsche Staaten besitzen Strafgesetzbücher, welche theils unter sich, theils von dem gemeinen Rechte bedeutend abweichen und deren Unzulänglichkeit durch das längst ausgesprochene Bedürfniß eine Revision derselben anerkannt ist; in einigen Provinzen jenseits des Rheins aber besteht noch die französische Gesetzgebung, und zwar größtentheils in dem unvollkom[m]enen Zustande, in welchem sie sich zur Zeit der Wiedererwerbung dieser Länder vor zwanzig Jahren befunden hat. Die natürliche Folge dieses Mangels an Uibereinstim[m]ung in den deutschen Strafgesetzen ist eine häufige, auffallende Verschiedenheit in den Strafurtheilen, so daß z.B. die bösliche Verbreitung revolutionärer Schriften, welche in dem einen Staate mit vieljähriger Zuchthausstrafe verpönt ist, in dem andere mit einigen Monaten Gefängniß, und in dem dritten nur mit einer geringen Geldbuße geahndet wird, was dem Glauben des Volkes an die Gerechtigkeit der erkannten Strafen nicht förderlich seyn kann. Ohnehin sind unter dem Volke über den Begriff und die Strafbarkeit politischer Verbrechen Irrthümer verbreitet, welche der Wirksamkeit der Strafrechtspflege Eintrag thun. Die glänzenden Erfolge, welche die Revolution in verschiedenen Staaten von Europa errungen, und die Wahrnehmung, daß unter den Theilnehmern an revolutionären Umtrieben sich auch Menschen befinden, welche sonst unbescholten sind, auch wohl eine höhere Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft einnehmen, haben die Meinung erzeugt, daß politische Verbrechen nicht entehrend seien, - eine Ansicht, die um so mehr Eingang fand, je mehr die Demagogen ihre selbstsüchtigen Plane sorgfältig verbergend, sich das Ansehen eifriger Vertheidiger der Volksrechte und des Volkswohles zu geben wissen. Die vorherrschende Milde und Humanität in der Bestrafung und Behandlung politischer Gefangenen hat die Furcht vor dem Schwerte der Gerechtigkeit verbannt, und der verunglückte Hochverräther glaubt vor dem Tode von Henkershand nicht mehr erzittern zu dürfen, sondern im schlim[m]sten Falle den Ruhm eines “Märtyrers der Freiheit“ mit einigen Jahren Einsperrung <nicht zu teuer zu erkaufen>, wobei ihm überdies die Hoffnung auf baldige Begnadigung tröstend zu Seite steht. Hierzu kom[m]t die so häufige Verwirrung und Verwechslung der Begriffe von Recht und Unrecht, vermöge deren nicht selten Handlungen, welche die Ruhe und Sicherheit der Staaten gefährden, als erlaubt, und die dagegen ergriffenen Maßregeln der Regierungen als ungerecht betrachtet werden. Wie oft ist z.B. die zügellose Frechheit revolutionärer Journalisten als gesetzliche Preßfreiheit, der Addressenunfug ehrgeiziger Demagogen als Petitionsrecht, und die hartnäckige Auflehnung gegen die bestehende Ordnung der Dinge als “loyale Opposition“ vertheidigt worden. Die aus dem Mangel vollständiger, übereinstim[m]ender und klarer Strafgesetze entspringenden Nachtheile wären jedoch wieder fühlbar, wenn nicht der Strafprozeß meist an denselben und wohl noch größeren Gebrechen litte. Der Hauptfehler liegt hier in der Schwerfälligkeit und der Langsamkeit, mit welcher die gerichtlichen Untersuchungen häufig gepflogen werden. Wenn die Strafe der Verbrechen nicht auf dem Fuße folgt; so wird die abschreckende Wirkung jener bei dem Volke gewöhnlich verloren gehen; der Eindruck, welchen die strafbare That erzeugt, ist durch die Zeit verwischt, und der Abscheu vor dem Missthäter verwandelt sich in Mitleid. Besonders ist dieser bei politischen Vergehen der Fall: leider zeichnen sich aber gerade die deshalb eingeleiteten Untersuchungen durch ihre lange Dauer aus, wovon wir, wenn es nöthig wäre, auffallende Beispiele anführen könnten. Indessen vermöchte man auch hinbei sich eher zu beruhigen, wenn wenigstens die Resultate dieses Verfahrens dem großen Zeitaufwand entsprächen. Allein auch dieses ist häufig nicht der Fall. Nur zu oft bleiben die Schuldigsten unentdeckt, oder es erfolgt ein in der Hauptsache absolutorisches Erkenntniß, was dann zu dem Irrthum Anlass gibt, daß die Anschuldigung und die etwa damit verbundene Haft der Inkulpaten nicht begründet gewesen sei. Das an sich nothwendige, und höchst rühmliche Bestreben, der Unschuld möglichsten Schutz zu gewähren, hat auch dem Schuldigen die Möglichkeit erleichtert, der Entdeckung und Uiberführung zu entgehen. Der Angeschuldigte weiß, wie beschränkt die gesetzlichen Mittel der Inguirenten sind, seinen Trotz zu beugen, und wie nach den strengen Beweisregeln, an welche der Richter gebunden ist, ohne freiwilliges Geständniß nur zu oft keine Verurtheilung erfolgen kann. Sein Vertheidigungssystem besteht daher sehr häufig in frechem Abläugnen beschwerender Thatumstände, Verweigerung der Angabe der Mitschuldigen oder der Antwort überhaupt, unmotivierter Zurücknahme abgelegter Geständnisse, muthwilliger Verdächtigung der Zeugen, Verhöhnung und Beleidigung des Untersuchungsrichters, kurz in Chicanen und Ränken aller Art, welche durch Collusionen, die bei der schlechten Beschaffenheit der Untersuchungsgefängnisse und bei der Unzuverläßigkeit des Gefangenwärter - Personals schwer zu verhüten sind, begünstigt werden. Unter diesen Umständen ist heutiges Tags, zumal bei größeren Untersuchungen, das Amt eines Jequirenten so beschwerlich und drückend, daß in der That mehr als gewöhnliches Talent und Pflichtgefühl dazu gehört, der angeführten Schwierigkeiten ungeachtet, in dem eifrigen Bestreben, die Wahrheit zu erforschen, nicht zu ermatten und vollständige Resultate zu erzielen. Es kann demnach und in Berücksichtigung dessen, was wir oben /: unter 2 :/ über den Geist mancher Beamten vorzutragen uns verpflichtet fühlten, nicht befremden, wenn die wegen der stattgehabten revolutionären Umtriebe eingeleiteten Untersuchungen nicht im[m]er ganz befriedigende Ergebnisse geliefert haben. Dieser Uibelstand ist aber gewiß sehr wichtig; denn da in den meisten deutschen Bundesstaaten die Verfolgung politischer Verbrechen von dem Augenblicke, wo die Untersuchung gegen ein bestim[m]tes Individuum sich richtet, ausschließlich in den Händen der Gerichte ist, und der gefährdeten Staatsregierung keinerlei Einwirkung darauf zusteht, so läßt sich unter den angezeigten ungünstigen Verhältnissen kaum hoffen, daß die Parthei, welche die öffentliche Ruhe mit Sicherheit bedroht, durch den Erfolg der richterlichen Thätigkeit werde unschädlich gemacht werden. Wir erlauben uns diesfalls auf den Inhalt unseres Berichtes vom 16ten Okt. 1833 Bezug zu nehmen. Von noch größerer Bedeutung erscheinen in der angegebenen Beziehung 4) die Mängel der Polizei-Verwaltung, in dem dieser Zweig der Staatsverwaltung es vorzugsweise ist, welcher staatsgefährlichen Unternehmungen vorbeugen, wo solche gleichwohl stattfinden, die Urheber und Theilnehmer ermitteln und den Justizbehörden die Materialien für ihre Untersuchungen liefern soll. Wie unvollkom[m]en die Polizei mehrerer Bundesstaaten in dieser Hinsicht ihre wichtige Aufgabe gelöst, erhellt aus der vorstehenden Geschichte der in Deutschland stattgehabten revolutionären Umtriebe zur Genüge, und wir glauben uns deshalb jeder weitere Ausführung hierüber enthalten zu dürfen. Allerdings ist die Handhabung der Sicherheitspolizei heutiges Tags dadurch schwieriger geworden, daß die Polizeigewalt, welche in Zeiten politischer Aufregung die Hauptstütze der Regierungen bildet, eben darum aber von der “liberalen Parthei“ unter dem Vorwande, daß sie die persönliche Freiheit gefährde, beständig angefeindet wird, durch Verfassungsbestim[m]ungen und andere neuen Gesetze mancherlei Beschränkungen erfahren hat, auch theilweise in die Hände der Ortsmagistrate übergegangen ist; während andererseits die revolutionäre Faction in der Kunst, die Aufsicht der Behörden zu täuschen, und die angeordneten Vorsichtsmaßregeln zu umgehen, die größten Fortschritte gemacht hat. Indessen ist es doch hauptsächlich der Mangel an Einheit und Übereinstim[m]ung in der Thätigkeit der Polizeibehörden der verschiedenen Bundesstaaten, der ihrer Wirksamkeit Eintrag thut, und wir haben daher bereits in unserm Berichte vom 7ten Januar 1834 darauf aufmerksam zu machen uns erlaubt, daß ein gemeinschaftliches, sich gegenseitig unterstützendes Zusam[m]enwirken der betreffenden Polizeistellen aller deutschen Bundesstaaten vorzugsweise geeignet seyn würde, die Ruhe in Deutschland wieder herzustellen und zu erhalten, und daß dieser Zweck um so vollständiger zu erreichen stünde, wenn die Thätigkeit dieser Behörden durch eigene Vorschriften bestim[m]t und von einem, allgemeine Uibersicht gewährenden Centralpunkte aus, geleitet werden könnte. In wiefern auch die Verhandlungen einiger ständischen Kammern auf die Ausbreitung des revolutionären Geistes in Deutschland von Einfluß gewesen, ist schon oben ( §.5. ) angedeutet worden. In der That waren diejenigen Staaten Deutschlands, welche landständische Verfassungen besitzen, vorzugsweise der Schauplatz revolutionärer Umtriebe. Auch liegen aktenmäßige Anzeigen vor, daß mehrere Koryphäen deutscher Ständeversam[m]lungen jenen Umtrieben nicht fremd geblieben sind, und daß diejenigen, welche bei solchen gefährlichen Unternehmungen sich vorangestellt, für den Fall, daß ihre Verbrechen größeren Erfolg gehabt hätten, nicht ohne Grund auf die Mitwirkung bekannter ständischer Abgeordneten gerechnet haben. Die Parthei, welche früher die Verleihung ständischer Constitutionen als des sichersten Präservativ gegen alle Angriffe auf die Rechte und Attributionen der Souveraine anzugreifen bemüht gewesen war, hat auch der französischen Julirevolution in Deutschland die Maske abgeworfen, und bekennt jetzt offen, daß sie in den bestehenden Verfassungen nur ein “Uibergangssystem zur Volkssouverainität und Republik“ erkenne, indem die der Voksvertretung eingeräumte Theilnahmean der Gesetzgebung und Steuerverwilligung “einer naturgemäß fortschreitenden Emanzipation der Völker keine Grenzen setze.“*) Aus dieser Ansicht erklären sich jene beklagenswerthen landständischen Verirrungen, gegen welche die Bundesbeschlüsse vom 28ten Juni 1832 gerichtet sind, und deren wir hier nur darum erwähnen, weil das mißtrauische und feindselige Benehmen der Stände gegen die Regierungen, ihre stereotypen Klagen über angebliche Noth und Druck des Volkes, so wie ihre beständigen Beschwerden über angebliche Verfassungsverletzungen, - die von denen am lautesten erhoben wurden, welche die Fürsten von dem öffentlichen Rechtszustande, den sie gegeben, ausschließen zu wollen schienen, - bei einem großen Theile des Volks
*) P.A. Pfitzer über die Entwicklung des öffentlichen Rechts in Deutschland. S. 322 - 327.
besonders aber in der Schweiz Schutz und Unterstützung fanden, und von da aus die Fackel des Aufruhrs in die benachbarten Staaten zu schleudern suchten /: § 14 :/ so werden durch das Zusam[m]entreffen aller dieser, sich gegenseitig unterstützender Umstände und Thatsachen nicht nur die Erfolge, welche die Bestrebungen der Revolutionsparthei in Deutschland bis jetzt gehabt haben, hinreichend erklärt erscheinen, sondern es wäre vielmehr zu verwundern, daß die rastlose Thätigkeit jener Parthei, unter so begünstigenden Verhältnissen nicht bereits größeres Unheil gestiftet, wenn nicht der Mangel wahrer gegründter Beschwerden des Volkes und die Eigenthümlichkeit des deutschen National - Charakters, der fremde Ideen langsamer in sich aufnim[m]t, dann aber auch länger, als andere, bewahrt, auch hinfür genügende Erklärungsgründe darbieten würden.

§. 18.
Fragt man nun: welche Mittel behufs einer gründlichen Hebung des revolutionären Uibels anzuwenden seyn müssten? So springt zuvordest aus den schon oben (§ 17) angedeuteten Gründen von selbst hervor, dass hier nicht bloß von Verhinderung politischer Verbrechen durch Maßregeln der Polizei und Justiz die Rede seyn kann, sondern dass es sich vielmehr darum handelt, die durch das Uiberfluthen des demokratischen Geistes gefährdeten (unleserlich) des (unleserlich) Zustandes in Deutschland, - des monarchischen Prinzips, zu erhalten, zu befestigen und vor ferneren Angriffen möglichst sicher zu stellen. Die Lösung dieser hochwichtigen Aufgabe ist seit Jahren das Ziel der Greiswürdigen Fürsorge der hohen Deutschen Bundesversam[m]lung, und wir würden daher billig Anstand nehmen, über einen Gegenstand, worüber hochderselben ohne Zweifel längst die gediegensten Arbeiten der erleucht ersten Staatsmänner unseres gemeinsamen Vaterlandes vorliegen, auch unsere ganz unmaßgebliche Ansicht auszusprechen, wenn nicht der Art. 7. des h. Bundesbeschlusses vom 20 Juni 1833 ausdrücklich uns hierzu verpflichtet hätte. Uibrigens liegt es in unserer Stellung, dass wir hierbei, mit Vermeidung spezieller und detaillierter Vorschläge oder Gesetzentwürfe, auf allgemeine Andeutungen uns zu beschränken haben, welche es die in unserem Berichte vom 21ten April 1835 enthaltenen Anträge sich erschließen. Betrachten wir die Reihe der Erscheinungen, durch welche die Ausbreitung des revolutionären Geistes in Deutschland in steigender (unleserlich) sich kund gegeben hat, den Grad der Gefahr, womit dieses schon so tief gewurzelte Uibel die öffentliche Ruhe und Sicherheit bedrpoht /: §. 16 :/ sowie die manigfache, größstentheils noch gegenwärtig (unleserlich) Ursache welche dasselbe erzeugt oder befördert habe /: § 17 :/ so dringt sich uns vor allem die Uiberzeugung auf, dass es bei dem, was bis jetzt zur Bekämpfung dieses Uibels geschehen, nicht sein Bewenden haben dürfe, wenn nicht der Kerbsschaden, der an dem gesunden Sinne und der Treue der Völker nagt, im[m]er weiter um sich greifen, und nach und nach die Grundpfeiler der bestehenden Ordnung der Dinge dergestalt untergraben soll, daß es zulezt nur eines geringen äußeren Anstoßes bedürfte, um solche vollends gänzlich umzustürzen. Wir glauben ferner, daß der jetzige Zeitpunkt, wo Deutschland der Segnungen des Friedens genießt, auch in dem benachbarten Frankreich eine Periode größerer Ruhe eingetreten ist, und der bessere Theil beider Nationen zur klaren Erkenntniß der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit des revolutionären Treibens gelangt zu seyn scheint, besonders günstig wäre, die erforderlichen Maßregeln der Abhülfe ins Werk zu setzen, während später Zeiten und Umstände eintreten könnten, in denen solches mitungleich größeren Schwierigkeiten verknüpft seyn würde. Wie groß diese Schwierigkeiten schon gegenwärtig sind, ist uns nicht unbekannt. Indessen kann der Sieg der guten Sache nicht zweifelhaft seyn, wenn ihre Waffen mit Kraft, Muth und Ausdauer gehandhabt werden, und wenn der Parthei, gegen die sie gerichtet sind, überall mit derselben Thätigkeit, Entschiedenheit und Consequenz entgegen getreten wird, welche sie selbst fortwährend entfaltet. Es kann hierbei, indem wir eine dem Feind bis in seine lezten Verstecke verfolgende Reaktion gegen denselben für nothwendig erachten, nicht unsere Absicht seyn, Maßregeln zu provozieren, welche der weltbekannten Humanität und Gerechtigkeits liebe der erhabenen Mitglieder des deutschen Bundes eben so sehr, als den billigen Wünschen und Hoffnungen ihrer getreuen Unterthanen wiedersprechen würde. Das monarchische Prinzip, dessen Sicherstellung vor revolutionären Angriffen in dem Intresse der Völker nicht minder, als in dem ihrer Beherrscher liegt, schließt eine vernünftige gesetzliche Freiheit der Staatsbürger nicht nur nicht aus, sondern erscheint vielmehr deren beste und zuverlässigste Schutzwehr. Allein aber um den Völkern die Wohlthaten der auf jenes Prinzip gegründeten Verfassungen zu erhalten, und die Bande des gegenseitigen Vertrauens Bande zwischen Regierten und Regierenden fester zu knüpfe, scheint es uns unumgänglich nöthig, die Faction, welche sich zwischen beide einzudringen sucht, und der (unleserlich) Freiheit eben so gefährlich als dem Thronen ist, unschädlich zu machen. Vieles ist zu diesem Behüte schon Geschehen, eben so viel bleibt aber unseres Erachtens noch zu thun. Und bedenklich wäre es auf halben Wege stehen zu bleiben. Die Pathei, von der es sich hier handelt, ist unverbesserlich; Schonung und Milde erscheinen ihr als Schwäche und Geständniß des Unrechts, und nur Furcht und gänzliche Hoffnungslosigkeit vermögen sie zu zügeln. Kein Akt des Großmuth wird sie mit der Monarchie versöhnen, und keine Concession zufrieden stellen, denn ihr unverrücktes Ziel ist die Repulik und die Anarchie, welche ihre Coryphäen zu ihrem Vorteil auszubeuten hoften. Von den Grundsatze ausgehend, daß der Zweck die Mittel heilige, weiß sie mit großer Gewandtheit nach den Umständen Waffen und Angriffsplan zu wechseln, indem sie bald offen der Regierung entgegen tritt, bald in das dunkel des Geheimnisses sich zurückzieht, und mitunter selbst Anhänglichkeit an die Monarchie heuchelt. Um diese zu weiteren Opfern zu vermögen, im[m]er und unablässig aber sich bemüht neuen Boden zu gewinnen, die Zahlreichrer Mitglieder, welche durch Gleichheit der Gesinnung fest unter sich verbunden sind, zu vermehren, und so den endlichen Triumph ihrer verderblichen Grundsätze vorzubereiten. Mit einer solchen Parthei ist keine Verständigung und Kein Frieden möglich, sie muß vernichtet werden, oder - sie wird siegen! Um dieses Unheil von Deutschland abzuwenden, bedarf es nach unseren ganz unmaßgeblichen Dafürhalten umfassender, mit Nachdruck und Weisheit zu vollziehen Maßregeln. Ohnehin werden säm[m]tliche höchste und hohe deutsche Gouvernements über einen gemeinsamen Operationsplan sich vereinigen, denn ohne Einheit in dem (unleserlich) und in der Anwendung der Widerstandsmittel ließe ein ersprießliches Resultat der selben nicht verwerten. Wenn auch nur ein deutscher Staat die allen gleichmäßig drohende Gefahr verkennend, sich dazu ausschließen wollte, so müsste dieses bei dem lebhaften Verkehre, der unter den zum Bunde gehörenden Völkerschaften beständig stattfindet, auch für die Übrigen die nachteiligsten Folgen herbeiführen. Wir erlauben uns diesfalls auf die Andeutungen uns zu beziehen, welche in unserem, die Fortdauer des revolutionären Geistes in der freien Stadt Frankfurt betreffende Berichte vom 19ten Mai 1935 niedergelegt sind. Sehr beruhigend erscheind in Dieser Hinsicht die in dem k.k. Oesterreichischen Präsidial- Vertrage vom 30ten Okt. 1834 enthaltenden Erklärung „daß in den wichtigeren Regierungsangelegenheiten ein von säm[m]tlichen Bundesgliedern gleichförmig zu befolgender Gang verabredet worden, dessen treue Einhaltung sich alle feierlich zugesagt“, indem hiernach zu hoffen steht, dass jener Präsidialpunkt keinen Anstand finden werde. Zu Gemäßheit dieser Verabredung wird nicht nur auf die Verhinderung, beziehungsweise Entdeckung und Bestrafung staatsgefährlicher Handlungen und politischer Verbrechen fortan die größte Sorgfalt zu verwenden, sondern ganz verzüglich auch darauf Bedacht zu nehmen seyn, den tiefer liegenden Ursachen, welche der Fortdauer und Ausbreitung des revolutionären Uibels mittelbar oder unmittelbar Vorschub leisten, und daran wie bereits oben /: §. 17.:/ gedacht haben, so viel nur im[m]er möglich, entgegen zu wirken. Was namentlich die Hauptwaffe der Revolutionäre, den Missbrauch der Deutschenpresse betrifft; so versteht es sich nicht nur von selbst, dass unter den vorliegenden Umständen die Censur der politischen Zeit- und sonstigen Druckschriften unter 20 Bögen so wie eine strenge Aufsicht auf die in[n]ländischen Druckereyen, Buchhandlungen und auf die aus dem Auslande kommende Drucksachen fortzubestehen hätte, sondern es möchte auch den deutschen Druckschriften über 20 Bogen, sowie dem Zustande unserer Literatur überhaupt fortwährend besondere Aufmerksamkeit zu widmen seyn. In Beziehung auf jene findet der bekannte, übrigens unschwer zu beseitigende Uibelstand statt, daß wenn die Behörden durch den Inhalt einer Druckschrift sich veranlaßt finden, solche in Beschlag zu nehmen, gewöhnlich die meisten Exemplare derselben schon versendet sind, so daß die amtliche Einschreitung, wodurch die Verbreitung einer solchen Schrift im Publicum verhindert werden soll, gar oft die entgegengesetzte Wirkung hat, Noch bedenklicher ist der Um stand, daß in mehreren Bundesstaaten das Erkenntniß darüber, ob die verfügte Beschlagnahme einer Druckschrift zu beharren habe! Nicht den Verwaltungs- sondern den Gerichtsstellen zu kom[m]t, welche hierbei, statt nach staatspolizeilichen, lediglich nach strafrechtlichen Grundsätzen entscheiden. Die gefährlichsten Schriften sind keineswegs die, welche offen Aufruhr predigen. Uiberhaupt gehört, wie die tägliche Erfahrung zeigt, kein großer Grad von Schaftsinn und Gewandheit dazu, in einer Druckschrift den giftigsten Samen auszustreuen, ohne sich der Uibertretung eines bestim[m]ten Strafgesetzes schuldig zu machen. Die moderne Ansicht, welche die souveräne Staatsgewalt zur Parthei herabwürdigt, und die Justizbehörden zu Richter zwischen ihr und ihren Feinden bestellt, eben damit aber die Errichtung der Regierung in die Hände der Gerichte legt, scheint uns eben so falsch als verderblich zu seyn. Der Zustand der deutschen Literatur im Allgemeinen, ins besondere aber der politischen, ist unerfreulich und beunruhigend. Das Bücherschreiben ist heutiges Tags ein Erwerbszweig, welcher hunderte, ohne durch Geist und Kenntnisse dazu berufen zu seyn, hauptsächlich aus Gewinnsucht ergreifen, wobei denn die Waare nach den präsumtiven Geschmack der Käufer zugerichtet wird. Zu den meisten Fächern ist es die Bewegungsparthei, welche den Ton angibt. Wohl 9/10 aller neueren Werke über Politik, Staatsrecht und Geschichte, sind in ihrem Sinne gschrieben; auch fehlt es nicht an Schriftstellerischen Versuchen, den Bestrebungen nach einer politischen Umwälzung durch Untergrabung der Religiosität und Sittlichkeit der Völker zu Hülfe zu kom[m]en. Wir weisen diesfalls an die literarische Schule von H. Heine, Gutzkow und Genossen. Dieser literarisch demagogisch Sündfluth einen Damm zu setzen, ohne die Thätigkeit nützlicher und achtungswerther Schriftsteller zu hem[m]en, aber den natürlichen Fortschritten des menschlichen Geistes Fesseln umzulegen dürfte eine der Weisheit der allerhöchsten deutschen Gouvernements würdige Aufgabe seyn, wobei dann wohl auch in Erwägung zu ziehen wäre, ob es nicht passend seyn möchte den schädlichen Einfluß der schlechten Literatur, deren zahlreichen Irrlehren, zumal in den Augen der Jugend, nur zu leicht das Gewicht von Autoritäten erlangen, durch gediegenen in gutem Sinne geschriebenen Werke und kritische Zeitschriften möglichst zu neutralisieren. Nicht minder wichtig als die BeaufSichtigung und Benützung der Presse scheint uns die gründliche Hebung der manigfachen Gebrechen, an welchen das gesam[m]te Schul-Unterrichts-und Erziehungswesen in Deutschland leidet. Wir glauben uns nachdem, was wir diesfalls bereits oben /.§ 17./ vorgetragen haben, jeder weitere Ausführung hierüber um so mehr enthalten zu dürfen, als Nothwendigkeit einen ächt fristlichen, soliden auf dem Gesetz und der Obriglkeit gerichteten Erziehung und Bildung der heranwachsenden Generation, so wie einer angemessenen Uiberwachnung der Lehrer, jeden Unbefangenen von selbst einleuchtet, während die Geschichte der Burschenschaft (§6.) und ähnlicher Verirrungen der studentischen Jugend in der neuen Zeit nur zu deutlich gezeigt hat, wohin ein längerer Aufschub der in dieser Beziehung dringend erforderlich Abhülfe führen müsste. Da jedoch diese Hülfe, wie überhaupt jede Verbesserung des vormaligen Zustandes dadurch bedingt ist, daß die weisen und wohlmeinenden Verordnungen der Regierungen von ihren Organen mit Eifer und Treue vollzogen werden. So möchte eine strenge Aufschreibung aller unzuverlässigen, übelgesinnten öffentlichen Diener aus dem Staatsdienste, so die sorgfältigste Rücksichtnahme auf die politische Gesinnungen der neu Anzustellenden geboten erscheinen. Wenn ein klar ausgesprochenes, der Zeit und den Verhältnissen angemessenes System der Regierung jeden ihrer Dienerin den Stand setzt, dasselbe zu erkennen und innerhalb der ihm angewiesenen Sphäre hiernach zu handeln, wenn die unerschrockenen, treue Pflichterfüllung des verdienten Schutzes und Lehens sicher seyn darf, und auch dem, welcher nicht durch Pflichtgefühl, sondern durch Ehrgeiz und Egoismus sich leiten lässt, die Uiberzeugung wird, daß nicht durch Opposition machen, sondern einzig durch festes und aufrichtiges Anschließen an das Gouvernment Ehre und Beförderung zu erlangen sind, und wenn endlich den Schwankenden und Uibelgesinnten nur die Wahl bleibt, ihr Amt Pflicht- und Vorschriftsgemäß zu verwalten, oder Dienst und Gehalt aufzugeben, dann wird die betreffende Regierung in ihren Organen, gewiß auch die eifrige Unterstützung finden, deren sie, besonders in Zeiten politischer Aufregung zu Errichtung ihrer wohlthätigen Absichten bedarf und die betrübende Erscheinung, welcher wir oben /: §. 17. :/ gedacht haben, werden sich nicht mehr erneuern. Um uibrigens die Wirksamkeit der Behörden in Beziehung auf die Verhütung und Unterdrückung revolutionärer Umtriebe zu erhöhen, nur eine baldigen und durchgreifende Verbesserung der oben /: §. 17. :/ von uns geschilderten Mängel der Strafgesetze des gerichtlichen Verfahrens und der Polizeiverwaltung ein überaus dringender Wunsch. Es wäre hierbei unserer obrigen Ausführung zufolge, zunächst darauf ankom[m]en, die Strafbestim[m]ungen in Ansehung der politischen Verbrechen zu revidieren, zu vervollständigen und in möglichste Uibereinstim[m]ung zu bringen, die gerichtliche Prozedur gegen die Urherber und Theilnehmer von solchen Verbrechen möglichst zu vereinfachen und abzukürzen, die Befugnisse der mit größter Vorsicht zu besetzenden Gerichte sowohl hinsichtlich des Verfahrens gegen ungehorsame, dem Richteramt trotzende (unleserlich), als in Ansehung der Beweislage zu erweitern, andererseits der Staatsregierung den ihr gebührenden Einfluss auf die Verfolgung revolutionärer Umtriebe wieder zu vindicieren, so wie endlich auch in die Thätigkeit der Polizeibehörden der einzelnen Bundesstaaten die erforderliche Einheit und Uibereinstim[m]ung zu bringen. Im weiteren etwa der Umstand, daß die Bestrebungen der Revolutionsparthei nicht auf einen einzelnen deutschen Bundesstaat sich beschränken, sondern Gegen den Bestand des ganzen Landes gerichtet sind, somit die öffentliche Ruhe und gesetzliche Ordnung aller deutschen Bundesstaaten gefährden, nach Maßgabe des Art. 28 der Wiener Schlußacte eine Ergänzung der in den deutschen Particulargesetzen stattfindende Lücke durch die Bundesgesetzgebung begründe, müssen wir, als unserer Beurtheilung nicht unterliegend, so sehr wir dieses Bedürfniß erkennen, höherer Erwägung überlassen. Dagegen erlauben wir uns die Auf unseren amtlichen Erfahrungen Und Wahrnehmungen gestützt unvorgreifliche Bemerkung, dass jedenfalls auch nach Auflösung der durch Bundesbeschluß vom 20. Juni 1833 niedergesetzten Centralbehörde der Bestand irgendeines Centralpunktes in Deutschland erwünschlich bleibe, bei welchem alle einzelnen Fäden der ohne Zweifel noch lange fortdauernden politischen Untersuchungen zusam[m]enlaufen würden, um in dem Interesse der Gesam[m]theit des deutschen Staatenbundes davon Kenntniß zu nehmen, und die notwendige Einheit jener Untersuchungen zu vermitteln. Da zu Wahrung des monarchischen Prinzips und der Gerechtsinne des Deutschen Bundes gegen die in das Verfassungsmäßige Gewand ständischer Opposition gekleideten Anmaßungen des demokratischen Geistes /: § 5. u. 17. :/ bereits verschiedene Bundesbeschlüsse ergangen sind, welche die Beschränkung der landeständischen Wirksamkeit auf die ihr durch die Grundgesetzte des Bundes vorgezeichneten Grenzen bezwecken; so bleibt uns diesfalls nur der Wunsch auszusprechen übrig, dass die von der Handhabung jener Beschlüsse gehegten Erwartungen vollständig in Erfüllung gehen und hiernach weitere Maßnahmen in der vorgegebenen Beziehung entbehrlich gemacht werden möchten. Auch hinsichtlich der oben /: §. 17. :/ Unter den Ursachen der revolutionären Erscheinungen in Deutschland erwähnten Einwirkungen der französichen Propaganda und der politischen Flüchtlinge, in der Schweiz, muß welche wir schon früher in besonderen Berichte vom 1st Aug. und 14 Nov. 1834 aufmerksam zu machen, uns veranlaßt fanden, haben dem Vernehmen nach, von Seiten mehrerer deutschen Gouvernements, auf diplomatischem Wege, bereits Einschreitungen stattgefunden. Uiberhaupt gewährt die unter säm[m]tlichen höchsten und hohen Bundesregierungen so erfreulich bestehende Eintracht und Uibereinstim[m]ung die beruhigende Hoffnung, daß ihre vereinten Bemühungen für die Erhaltung und Befestigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung in Deutschland auch von einem entsprechenden Erfolg begleitet seyn werde.
Frankfurt am 2. April 1836
Die Bundes-Central-Behörde