
„Weil das Holz eine köstliche Ware...“ - Wald und Forst zwischen Mittelalter und Moderne
Hg. von Andreas Hedwig
„Weil das Holz eine köstliche Ware ...“, so lautete der Titel der Ausstellung zur Geschichte des Forstwesens und der Waldnutzung in Nordhessen, die im Staatsarchiv Marburg vom 11. Mai bis zum 9. September 2005 zu sehen war. Bereits bei der Vorbereitung der Ausstellung zeichnete sich rasch ab, dass das Interesse am Thema groß sein würde. Hintergrund hierfür war weniger die vermutete „latente“ Liebe zum „deutschen Wald“ als vielmehr die einschneidenden strukturellen Veränderungen der Forstverwaltung des Landes Hessen.
Bis zum Jahr 2000 gab es in Hessen ein Netz von staatlichen Forstämtern, die für alle forstlichen Belange vor Ort zuständig waren. Dieses landesweit ausgespannte Netz wurde in verschiedenen Reformschritten aus Rationalisierungsgründen von 1945 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ausgedünnt von 180 auf 85 Ämter. Einen echten Paradigmenwechsel markierte aber erst die Gründung des Landesbetriebs Hessen-Forst durch das Land Hessen zum 1. Januar 2001. Der von nun an strikt betriebswirtschaftlich geführte Landesbetrieb beschleunigte den Schrumpfungsprozess der Forstverwaltung noch einmal deutlich in zuvor kaum erahnbarer Weise: Die Forst-Strukturreform brachte zum 1. Januar 2005 eine weitere Halbierung der Anzahl von Forstämtern auf nun 41 Ämter und einen weiteren Stellenabbau von 34% der Beschäftigten.
Dies sind Veränderungen, die im waldreichsten Flächenland der Bundesrepublik und zumal im überaus waldreichen, wirtschaftlich im Vergleich zur Region Rhein-Main eher strukturschwachen Nordhessen die Menschen beschäftigten und bis heute beschäftigen. Es erstaunte daher nicht, dass der Ausstellung im Staatsarchiv Marburg eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wurde. Ja diese konnte gar noch gesteigert werden durch den Besuch des für die hessischen Wälder zuständigen Ministers für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Wilhelm Dietzel, der am 11. Mai nach Marburg kam, um die Ausstellung zu eröffnen.
Das hessische Staatsarchiv Marburg und der Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde Marburg e.V. nutzten diese Aufmerksamkeit, um das Thema Wald- und Forstgeschichte in einem wissenschaftlichen Kolloquium zu vertiefen und luden am 6. Juli 2005 ein in das Staatsarchiv Marburg zu einer Tagung mit dem Titel „Wald und Forst zwischen Mittelalter und Moderne“, die ebenfalls guten öffentlichen Anklang fand.
Das Thema Wald- bzw. Forstgeschichte aus Sicht der Archive aufzugreifen, liegt vergleichsweise nahe. Die Archive bekommen Reformen in der Verwaltung immer deutlich zu spüren, denn sie werden in der Folge häufig konfrontiert mit einer mächtigen Flutwelle von schriftlichen Unterlagen. Diese werden in den Dienststellen so nicht mehr benötigt und nun - da nicht selten ganze Dienststellen aufgelöst oder umgelegt werden - zur Archivierung angeboten. Die Forstämter nehmen insofern eine besondere Rolle ein, als es sich hier in aller Regel um Verwaltungsstellen mit langer Tradition und einem stabilen, dabei weit gefächerten Zuständigkeitskanon handelt. Die Unterlagen der Forstämter bieten daher für viele historische Fragestellungen wertvolle Quellen, von der Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis hin zur allgemeinen Territorial- oder Landesgeschichte.
Forstgeschichte lässt sich ferner im Archivgut aller Verwaltungsstufen erforschen, zu allen archivisch dokumentierten Zeiten: von der obersten Herrschafts- oder Verwaltungsebene bis zum Förster oder Forstamt vor Ort. Nicht nur der Besitz an Wäldern, sondern die Regelung des Forstwesens und der Waldnutzung insgesamt oblag stets den Grund- bzw. Landesherren und schließlich dem Staat. Forst- und Waldgeschichte spiegelt sich somit besonders gut in den Archivbeständen der staatlichen Archive, die in weit überwiegendem Maße Unterlagen aus herrschaftlicher, später staatlicher Verwaltung verwahren und der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Der vorliegende Band präsentiert als Einleitung in das Thema die hierfür gut geeigneten Grußworte von Herrn Staatsminister Dietzel, die er anlässlich der Ausstellungseröffnung vortrug. Es folgen die Beiträge zu dem forst- und waldgeschichtlichen Kolloquium, die sich im wesentlichen in eine chronologische Folge bis in die Gegenwart einpassen. Der damals abschließende Abendvortrag von Joachim Radkau, Bielefeld, lotet schlaglichtartig und in starken Farben den weiten Horizont der Waldnutzung und der damit verbundenen Konfliktfelder im Laufe der Geschichte und unter Bezugnahme auf einige einschlägige Archivalien aus dem Marburger Staatsarchiv aus.
Den Band beschließt die Dokumentation der Ausstellung, die seiner Zeit Karl Murk besorgt hat. Sie zeigt nicht nur einige repräsentative Stücke, sondern gibt vor allem einen guten Einblick in die Bandbreite der Archivalien, die das Staatsarchiv Marburg zum Thema für die Forschung bereithält. So betrachtet, das versteht sich von selbst, steht das Marburger Archiv nur als Beispiel für andere Staats- oder Landesarchive in der Bundesrepublik.
Zu danken ist an dieser Stelle den Förderern und Mitwirkenden, ohne deren Hilfe weder die Ausstellung noch dieser Tagungsband zustande gekommen wäre. Dazu zählen selbstverständlich zuvorderst Herr Staatsminister Wilhelm Dietzel und Herr Prof. Dr. Gerhard Menk als Vorsitzender des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde Marburg e. V., mit dem zusammen die Drucklegung realisiert werden konnte. Stellvertretend für die zahlreichen Helferinnen und Helfer aus dem Mitarbeiterkreis des Staatsarchivs danke ich last but not least meinem Kollegen Karl Murk für die stets zuverlässige und auch hier wieder tragende Unterstützung.

Murk, Karl: Einführung in den Katalog zur Ausstellung im Staatsarchiv Marburg in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S.139-145.
Forstgeschichte ist ein reizvolles und dankbares Ausstellungsthema. Die vielfältigen Formen der Waldnutzung haben im Laufe der Jahrhunderte ihren Niederschlag in höchst unterschiedlichen Quellengattungen gefunden. Urkunden, Akten, Amtsbücher und Karten zum Forstwesen füllen in größeren Archiven in der Regel mehrere Regalkilometer und zeugen von der essentiellen Bedeutung des Waldes für staatliche Gemeinwesen, Kommunen und Korporationen, Adelsfamilien und die breite Bevölkerung. Im Staatsarchiv Marburg umspannen sie einen Zeitraum von über tausend Jahren. Das Thema eröffnet dem Archivar die Chance, die ganze bunte und reichhaltige Palette an historischen Dokumenten zu präsentieren, die seiner Obhut anvertraut sind. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, aus der überwältigenden Fülle interessanter und aussagekräftiger Quellen eine Auswahl zu treffen.
„Weil das Holz eine köstliche Ware“ – der Titel der Ausstellung mag befremdlich erscheinen. Den Einen stört möglicherweise die vermeintlich rein kommerzielle Sichtweise, die die ökologischen und sozialen Funktionen des Waldes scheinbar völlig ausblendet. Bei dem Anderen dürfte das Adjektiv „köstlich“ ganz andere Assoziationen als die hier Gemeinten im Sinne von „kostbar“, „von hohem oder höchstem Werte“ wecken. Der heutigen Ohren so fremd klingende Titel ist ein verkürztes Zitat aus einem im Jahre 1656 veröffentlichten, zweibändigen Werk mit dem Titel „Vom deutschen Fürstenstaat“, dessen Verfasser, der aus einem reichsritterlichen Geschlecht stammende Gelehrte und Verwaltungspraktiker Veit Ludwig v. Seckendorff, auch dem Forstwesen einen längeren Abschnitt gewidmet hat. Der Forst-Bann und die Waldnutzung, so heißt es dort, pfleget in vielen Landen eine von denen ansehnlichsten Einkunfften der Fürstlichen Cammer zu seyn, und hat der Landes-Herr und dessen Cammer-Räthe zu Erhaltung und Behauptung derselben nicht wenig Mühe, Aufsicht und Arbeit anzuwenden, in dem sie weitläuftig ist und in vielen Stücken bestehet1. Eine geregelte und gut organisierte Forstverwaltung kam aber nicht nur den herrschaftlichen Kassen zugute, sondern beförderte auch den Nahrungsstand der Untertanen und diente damit der wahre(n) Wohlfarth des ganzen Landes. Jede hessische Forstordnung verweist auf diesen grundlegenden Sachverhalt.
Die im Abbildungsteil präsentierten Exponate der Ausstellung lenken den Blick zurück in eine vergangene Lebenswelt, deren Problemlagen dem heutigen Betrachter vielfach fremd geworden sind. Sie illustrieren die enorme Bedeutung des Forstwesens und der Waldnutzung von der vorletzten Jahrtausendwende bis ins 20. Jahrhundert. Aktuelle Probleme des Forstwesens werden zumindest angedeutet. Die Ausstellung ist nicht chronologisch, sondern nach thematischen Schwerpunkten gegliedert. „Waldeigentum und Forsthoheit“, „Waldbewirtschaftung und Forstschutz“, „Forstbeamte und –bedienstete“, „Waldnutzung durch die Bevölkerung“, „Gewerbliche Waldnutzung“ und schließlich Wald als „Erholungsraum – Wirtschaftsfaktor – Schutzobjekt“ – so lauten die Themenbereiche, die im folgenden anhand ausgewählter Dokumente illustriert und erläutert werden sollen.
Beginnen wir mit dem grundlegenden Komplex „Waldeigentum und Forsthoheit“. Über die Ursprünge des sog. Forstregals streiten sich die Gelehrten. Wir beziehen in diesem stark verminten Gelände keine Stellung, sondern beschränken uns darauf, eine der ältesten, im Staatsarchiv Marburg auffindbaren Schriftquellen zum Thema zu präsentieren – eine prächtige Kaiserurkunde mit aufgedrücktem Siegel aus dem Jahre 980, in der Kaiser Otto II. dem Abt von Fulda den Wildbann, also das Jagdrecht, und die Waldnutzung, d.h. das Recht zur Holzfällung, zur Schweinemast, zur Imkerei und Viehweide, in einem Forst bei Hünfeld verleiht (Abb. 1). Ebenso wie heute war der Waldbesitz auch in der Vergangenheit kein herrschaftliches Monopol: In einem Waldbuch aus der Zeit des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel aus dem Jahre 1607 werden die verschiedenen Waldbesitzer im Niederfürstentum Hessen, der Landgraf, die Städte und Gemeinden und die hessischen Ritter in verschiedenen Farben aufgelistet (Abb. 3a-c). Waldbesitz und -nutzungsrechte boten zu allen Zeiten Anlass zu Hader und Streit. Drei Prozesse, die sich z. T. über mehrere Jahrzehnte erstreckt haben, mögen dies verdeutlichen. 1323 beurkundeten die Bauern von Dodenhausen die Beilegung eines zwischen ihnen und ihrem Grundherrn, dem Abt und Konvent des Klosters Haina, schwebenden Rechtsstreit um die Waldnutzung (Abb. 2). Eben darum prozessierten im 16. Jahrhundert auch die Freiherren v. Dörnberg und v. Schlitz gen. v. Görtz vor der Regierung in Kassel (Abb. 5a-b) und im 18. Jahrhundert die Gebrüder Milchling von und zu Schönstadt und die Fürsten von Waldeck vor der höchsten Instanz, dem Reichskammergericht in Wetzlar (Abb. 4). Zum Teil illustrieren die Streitparteien ihre Ansprüche mit anschaulichen Skizzen und Kartenbeilagen.
„Waldbewirtschaftung“ und „Forstschutz“ bilden den zweiten Themenschwerpunkt. Forstbeamte haben über ihre Tätigkeiten zu allen Zeiten, z.T. bis in die jüngste Vergangenheit, gewissenhaft Buch geführt: über die Bewirtschaftung ihrer Forstreviere ebenso wie über ihre Einnahmen und Ausgaben oder über die von ihnen verhängten Strafen für begangene Forstfrevel. Davon zeugen Einnahme- und Ausgaberegister (Abb. 6), die mit Kartenbeilagen versehenen Forstbeschreibungen und Ertragsberechnungen mit detaillierten Informationen zur Beschaffenheit der Holzbestände und der Waldböden, zu Servituten und Bewirtschaftungsmaßnahmen (Abb. 54, 55) und die Waldbußregister, die mitunter auch Angaben zur sozialen Lage der Delinquenten enthalten (Abb. 11). Die im späten 18. Jahrhundert einsetzende zunehmende Professionalisierung und Verwissenschaftlichung der Forstbewirtschaftung, deren Grundsätze und Methoden Jahrhunderte lang nach der Devise „learning by doing“ von Generation zu Generation weitergereicht worden waren, spiegelt sich in den grundlegenden Lehr- und Handbüchern bedeutender hessischer Forstleute. Georg Ludwig Hartigs 1800 in dritter Auflage in Marburg erschienene „Anweisung zur Holzzucht“ und die 1825 in Kassel und Marburg erschienene „Forstbetriebseinrichtung nach staatswirthschaftlichen Grundsätzen“ aus der Feder seines jüngeren Bruders Ernst Friedrich dienten Generationen von Forstleuten als Handlungsanleitungen (Abb. 8). Die Ausübung der Forstobrigkeit, der reglementierende und regulierende Zugriff der Landesfürsten auf das Forstwesen gegenüber Ständen und Untertanen, manifestierte sich in den sog. Forst- und Holzordnungen, einer frühen Form der Landesplanung, von denen einige Beispiele aus der Landgrafschaft Hessen-Kassel präsentiert werden (Abb. 7). Mit Hilfe dieser im Laufe der Zeit immer umfangreicher werdenden Regelwerke suchten die Landesherren die verschiedenen Waldnutzungsinteressen unter einen Hut zu bekommen. Die Ordnungen enthalten u. a. Bestimmungen zur Erhebung der Forstgelder, zur Bewirtschaftung und Hege der Wälder, zur Waldnutzung durch die Bevölkerung, zu Holzabgaben an Untertanen und Bedienstete, zu Holzpreisen und Forstvergehen. Die Bekämpfung der sog. Holzfrevel war Gegenstand zahlloser Verordnungen. Stellvertretend für viele steht hier ein Reskript des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel aus dem Jahre 1695, in dem Waldrodungen zur Erweiterung der angrenzenden Äcker, Wiesen und Huteflächen untersagt werden (Abb. 10).
Der hoheitlichen Nutzung des Waldes stand stets die „Waldnutzung durch die Bevölkerung“ gegenüber. Für die Menschen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war der Wald in vielfacher Hinsicht unentbehrlich. Bauern trieben ihr Vieh zur Weide in die Wälder. Dauerte die intensive Beweidung lange Zeit an, lichtete sich der Baumbestand derart, daß von einem Wald eigentlich keine Rede mehr sein konnte. Hutebeschränkungen, wie diejenige Landgraf Wilhelms III. aus dem Jahre 1495 (Abb. 24), waren daher oftmals die Folge. Geschont wurden allerdings schon frühzeitig Bäume von besonderem Wert, wie z. B. die für die Schweinemast erforderlichen Eichen. Alljährlich durchwühlten unzählige Schweinerüssel die Waldböden auf der Suche nach den zu Boden gefallenen oder mit langen Stangen von den Bäumen geschlagenen Eicheln. Nach einem Verzeichnis wurden im Herbst des Jahres 1595 allein im Reinhardswald 3.342 und ein halbes(!) Schwein gemästet (Abb. 26). Aus Zweigen und Laub gewann man Laubheu, das man trocknete und als Winterfutter einbrachte. Mit Hilfe von Rechen sammelte man vom Waldboden Laub, Kräuter, Äste und Moos als Streu für die Viehställe. Diese Nutzungsart war vielerorts noch schädlicher als die Waldweide und bewog besorgte Forstleute, wie den Oberforstrat v. Schulte, 1849 zur Publikation einer allgemein verständlichen Broschüre mit dem Titel Der Streuwald oder kurze Erörterung der großen Nachtheile des übermäßigen Streusammelns für die Waldungen nebst praktischer Anleitung, wie der Landmann Streu gewinnen könne, ohne hierbei die Waldungen zu verderben (Abb. 31). Um die Wälder zu schonen, wurde die bäuerliche Waldnutzung von der Obrigkeit wiederholt eingeschränkt oder ganz verboten. Wie und woher die Bewohner der Städte und Dörfer in solchen Fällen ihr Brenn- und Bauholz beziehen sollten, blieb offen. Holzmangel und Holzteuerung trafen am härtesten in der Regel die Ärmsten der Armen, wie z.B. den notleidenden Veteranen und Nagelschmied Balthasar Bartholomäus, der den Kurfürsten im Jahre 1821 um die Zuteilung einer Waldparzelle und einiger Baumstämme zur Errichtung eines Wohnhauses bat. Sein abschlägig beschiedenes Begehren begründet er in einer Supplik wie folgt: Da ich ein blutarmer Mann bin und keine Wohnung, viel weniger eine Werkstatt habe, worin ich arbeiten und Brod vor meine Familie verdienen könnte [...], so habe ich mich zeither mit meiner Familie in Dürftigkeit und ohne Wohnung in anderer Leute Stallungen aufhalten müssen. Ich bin ein solch elendes Leben herzlich müde (Abb. 28a-b). Der Kampf um die knappe Ressource Holz war auch eine wesentliche Ursache vieler Konflikte. In welchem Maße hohe Holzpreise die Gemüter bewegten, davon zeugt eine von allen Bürgern der Stadt Hersfeld unterzeichnete Eingabe an das kurhessische Finanzministerium aus dem Revolutionsjahr 1849 (Abb. 29).
In der Ausstellung haben wir uns auch um aktuelle Bezüge bemüht. Heute steht der Wald im Spannungsfeld vielfältiger gesellschaftlicher und politischer Interessen. Als Wirtschaftsfaktor ist er nach wie vor von großer Bedeutung. Vielen Menschen, zumal den stress- und lärmgeplagten Stadtbewohnern, dient der Wald als Ort der Erholung und Rekreation; betagtere Zeitgenossen befreunden sich offenbar in zunehmendem Maße mit dem Gedanken, dort ihre letzte Ruhestätte zu finden; für Kinder ist er ein Ort des Lernens. Broschüren und Faltblätter zur Freizeitgestaltung, zu sportlichen Aktivitäten im Wald, zu Friedwäldern und ein Wald-Erlebnishandbuch für Kinder illustrieren diese Aspekte moderner Waldnutzung (Abb. 47, 48). In den frühen 1980er Jahren beherrschte das Phänomen Waldsterben die Schlagzeilen (Abb. 44, 45). Weite Teile der Bevölkerung Deutschlands zeigten sich tief schockiert und Politiker sahen sich zum Handeln genötigt. Auch wenn die damals an die Wand gemalten Schreckensszenarien offenbar überzogen waren, so hat der Schock doch heilsame Folgen gezeitigt. Es wurden große Anstrengungen unternommen, die Luft zu reinigen und bestimmte Industrie-Emissionen stark zu reduzieren. Ökologie wurde zu einem populären Anliegen.
Das Thema der Ausstellung, so läßt sich resümieren, ist das Verhältnis des Menschen zum Wald. Einige Bildtafeln führen dem Betrachter die vielfältige Nutzung oder Ausbeutung des Waldes durch den Menschen einprägsam vor Augen. Ein Mann und zwei in Lumpen gekleidete Frauen tragen auf ihren Schultern und Köpfen Leseholz aus dem Wald, vermutlich um ihre ebenso ärmlichen Behausungen zu heizen. Waldarbeiter fällen emsig Bäume und transportieren sie auf Fuhrwerken und Schlitten in eine mittelalterliche Stadt. Auch dort, wo der Mensch nicht selbst in Erscheinung tritt, hat er deutliche Spuren hinterlassen: Mit seinen Mastschweinen im lichten Hutewald bei Salmünster und mit den Schadstoffen, die seinen Fabriken und Automobilen entweichen, in einer stark stilisierten Walddarstellung jüngeren Datums. Daß das Verhältnis Mensch-Wald gleichwohl nur ein Kapitel in der Geschichte des Waldes ist, oder, um es noch krasser zu formulieren, dass menschliches Wirken nicht mehr als eine Fußnote in der Geschichte des Waldes darstellt, wird durch ein eher unscheinbares Exponat, ein mehrere Millionen Jahre altes versteinertes Stück Holz, zumindest angedeutet.
Vieles hätte noch gezeigt werden können – manches blieb gänzlich unerwähnt. Auf reizvolle Exponate zur Waldarbeit, zum Baumimport aus Nordamerika oder zur Flößerei auf der Fulda musste aus Platzgründen verzichtet werden. Völlig ausgeklammert wurde die Jagd – ein weitgespanntes Thema, das eine eigene Ausstellung verdient hat.
Auch relativ kleine Ausstellungen wie die unsrige sind ohne die Unterstützung durch kompetente Ratgeber und viele helfende Hände nicht zu realisieren. Zum Gelingen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Institutionen beigetragen. Ein besonders herzlicher Dank gebührt zunächst einmal Frau Sabine Scholl, der Leiterin des dem Forstamt Hanau-Wolfgang zugeordneten Hessischen Forstmuseums Alte Fasanerie in Klein-Auheim. Frau Scholl hat uns bereitwillig und unbürokratisch Messinstrumente, Uniformteile und andere wertvolle Exponate aus ihrer reichhaltigen und kulturgeschichtlich bedeutsamen Sammlung zur Verfügung gestellt (Abb. 9, 12-14, 34, 49-53). Zu danken ist ferner Herrn Prof. Dr. J. Friedrich Battenberg, dem Leiter des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt, für die Ausleihe eines aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammenden, in dieser Art zumindest in Hessen einmaligen Wald- und Forstatlanten des Landgrafen Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt (Abb. 56a-c). Da das Hinterland um Biedenkopf und Battenberg, die nordhessischen Exklaven Itter, Vöhl, Eimelrod und Höringhausen Jahrhunderte lang zu Hessen-Darmstadt gehörten, fällt die Leihgabe thematisch nicht aus dem Rahmen. Dank gebührt ferner Herrn Dr. Hans-Peter Lachmann, einem ausgewiesenen Kenner der hessischen Forstgeschichte, und Herrn Dr. Fritz Wolff, dem ehemaligen Leiter des Staatsarchivs Marburg, die mich auf einige aussagekräftige Exponate aufmerksam gemacht haben. Zu danken ist natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Werkstätten des Staatsarchivs. Die Photographin, Frau Barbara Krippner, und Dipl. Archivarin Nicole Schütz haben zügige Vorfeldarbeit geleistet und die Vorlagen für die an den Stellwänden und in den Vitrinen gezeigten Reproduktionen hergestellt. Der anschließende Ausstellungsaufbau und die möglichst ansprechende Präsentation der Exponate in den Vitrinen lag in den bewährten Händen des Restauratorenteams, wobei insbesondere Frau Johanna Schelbert, Frau Angelika Breitner und Herrn Walter Trier zu danken ist. Und last not least sollen auch die Bemühungen der Inspektorenanwärterinnen Frau Maria Kobold, Frau Kirsten Peuser und Frau Marei Söhngen nicht unerwähnt bleiben, denen die Suche nach Exponaten mit tagespolitischem Bezug übertragen war, was in einem Archiv mit umfangreichen Altbeständen nicht gerade leicht zu bewerkstelligen ist.
Unsere Präsentation stieß sowohl in der breiteren Bevölkerung wie auch bei Forstleuten und Historikern auf ein erfreulich reges Interesse. Die Forstleute wurden bei dieser Gelegenheit nicht zuletzt auch auf die spezifischen Anliegen der Staatsarchive im Bereich von Übernahme und Bewertung aufmerksam gemacht. Die Historikerzunft sollte durch die Ausstellung und die anschließende Tagung dazu animiert werden, die Erforschung dieser nicht nur sozial- und wirtschaftsgeschichtlich, sondern auch kultur-, rechts- und verfassungsgeschichtlich belangreichen Thematik voranzutreiben und zu fördern.
1 Veit Ludwig v. Seckendorff, Teutscher Fürsten Stat, Frankfurt 1665, Bd. 1, S. 463 (ND Glashütten/Taunus 1976).
Kaiser Otto II. verleiht Abt Verinhar von Fulda den Wildbann und das Nutzungsrecht im Forst Branvirst (bei Hünfeld).
StA Marburg, Urkunden R I a Stift Fulda 980 Juli 25
Die Bauern von Dodenhausen bekunden, dass der zwischen ihrem Herrn, dem Abt und Konvent zu Haina und ihnen anhängige Streit über den sogenannten Fronwald, in dem sie ohne Recht Holz geschlagen und Rodungen angelegt haben, beigelegt worden ist. Die Bauern erklären, kein Recht am Fronwald zu haben und ohne Genehmigung des Klosters, darin weder Holz schlagen noch roden zu wollen.
StA Marburg Depositum Haina 1323 Oktober 22
Waldbuch des Niederfürstentums Hessen von Jakob Heppe mit einem Verzeichnis der zu den einzelnen Forsten gehörenden Gehölze und ihrer Besitzer, 1607;
In den mit schwarzer Tinte geschriebenen Gehölzen besitzt der Landgraf das alleinige Forst-, Jagd-, Mast- und Nutzungsrecht; die mit roter Tinte verzeichneten Gehölze stehen den Untertanen zu.
StA MR Best. S 73.
Akten zu dem am Reichskammergericht anhängigen Rechtsstreit zwischen den Gebrüdern Milchling von und zu Schönstadt in Helmighausen und dem Fürsten zu Waldeck um die Holznutzung im Forst der Gemarkung Eilhausen, 1727-1744;
StA MR Best. 140 Waldeckische Reichskammergerichtsakten Nr. 102-103; Best. 121 Waldeckische Regierung Nr. 8657
Beilagen zu dem bei der landgräflichen Regierung in Kassel anhängigen Rechtsstreit zwischen den Freiherren v. Dörnberg und v. Schlitz gen. v. Görtz um Wald- und Huterechte in der Gemarkung Breitenbach am Herzberg, 1575-1608;
StA MR Best. 17e Landgräflich Hessische Regierung Kassel, Ortsreposituren, Breitenbach am Herzberg Nr. 32

Auszüge aus: Volk, Otto, Waldnutzung in Hessen im späten Mittelalter, in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S. 21-33.
Unübersehbar ist, dass seit dem 11. Jahrhundert durch die fortgesetzten Rodungen und die Ausbreitung der Siedlungen und ihrer Wirtschaftsflächen überall in Deutschland große Waldflächen vernichtet oder zerstückelt wurden1. Die Rodungen endeten meist im ausgehenden 13. oder in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, nicht nur, weil die schweren Bevölkerungsverluste durch die Pest den Nutzungsdruck verringerten, sondern auch, weil man im Altsiedelland nahezu alle guten Böden unter den Pflug genommen und bereits Grenzertragslagen erreicht hatte. Mehr als die Hälfte der ursprünglichen Waldfläche dürfte in diesen Jahrhunderten durch den Rodungs- und Ausbauprozess verloren gegangen sein. Die natürlichen, weitgehend ungestörten Wälder beschränkten sich danach vielerorts auf Restflächen an den Berghängen und in den Höhen oder auf andere ungünstige Standorte2. Die Wald-Feld-Verteilung, die Mitte des 14. Jahrhunderts erreicht war, hatte vermutlich während des späten Mittelalters im wesentlichen Bestand. Wir müssen uns klarmachen, dass das Bild großer scheinbar unzerschnittener Waldbereiche, etwa des Burgwalds nördlich von Marburg3 oder des Reinhardswaldes nördlich von Kassel4, eben nicht der Wirklichkeit des späten Mittelalters entspricht, sondern weitgehend ein Ergebnis moderner, nachhaltiger Forstwirtschaft ist.
[…]
Die Nutzung des Waldes als zentrale wirtschaftliche Ressource ist im späten Mittelalter ganz offensichtlich dadurch gekennzeichnet, dass man nicht mehr auf bisher ungenutzte Waldungen zurückgreifen, dass man nicht mehr „aus dem Vollen schöpfen“ konnte, sondern allenthalben an Interessen Dritter stieß und unentwegt mit der Regelung von Rechten und Grenzen und mit der Beilegung von Konflikten befasst war. Es sind vor allem diese Regelungen, die einen Niederschlag in den spätmittelalterlichen Quellen, und das heißt in den Weistümern gefunden haben, während die alltägliche Nutzung ansonsten zu den eher schriftlosen Bereichen des Wirtschaftslebens gehört5. Das Bild, das wir uns von den Formen der Waldnutzung im späten Mittelalter machen können, bleibt so in gewisser Weise einseitig, ist aber sicherlich bunter und vielfältiger als für die Jahrhunderte zuvor.
[…]
Der größte Teil der Wälder wurde im Spätmittelalter ohne Zweifel als Mark- oder Allmendwald genutzt6, in dem die Märker, d.h. die Bauern und die Grundherren, über genossenschaftliche Waldrechte verfügten. Der Markwald konnte dabei den Einwohnern eines einzigen Dorfes zugänglich sein oder in gemeiner Mark von mehreren Orten genutzt werden, so dass regelmäßige Absprachen und Vereinbarungen zwischen den Markgenossen notwendig wurden.
Die Waldnutzung stand allen Bewohnern der Mark zu, die über Liegenschaften, d. h. über Grund und Boden, Eigentum oder Leiheland am Ort verfügten. Das Weistum der Mark zwischen Flörsheim und Bischofsheim von 1519 erklärte von den Einwohnern der fünf zugehörigen Dörfer einem jeglichen, der aigen rauch helt, für einen märker, den armen als den reichen, einem als viel als dem andern, aber auch der Landgraf und das Mainzer Domkapitel galten als Mitmärker, wenn sie dort Rauch hielten, also einen eigenen Haushalt führen ließen7. Die Nutzung war stets Naturalnutzung. Sie durfte nur für den eigenen Bedarf in Anspruch genommen und vom Einzelnen nicht an Fremde vergeben werden. Nur die Gemeinschaft der Märker konnte Ausmärker gegen Entgelt zulassen. Dieselben Rechte wie die Bauern hatten auch die grundherrlichen Höfe am Ort, die ohne einen Anteil am Allmendwald in der Regel wirtschaftlich nicht lebensfähig gewesen wären.
[…]
Gegenüber dem frühen Mittelalter fehlen im Altsiedelland vor allem die großen königlichen Forsten mit ihrem siedlungsfernen, weitgehend ungestörten Charakter. Die Könige haben im Hochmittelalter immer wieder ausgedehnte Waldungen, etwa den Rheingauer Wald in der berühmten Veroneser Schenkung von 9838, an Dynasten und Landesherren übertragen oder sogar selbst zur Rodung und Besiedlung freigegeben. An die Stelle des Königs als Eigentümer des Waldes traten stattdessen größere und kleinere Herren9. Die starke Inanspruchnahme der Waldflächen durch Rodung und intensive Nutzung im Spätmittelalter veranlasste viele von ihnen dazu, einen Teil des Bestandes abzusondern, um dort Neubruch und Gemeinnutzung zu verhindern.
- W. Schich, Der hochmittelalterliche Landesausbau im nördlichen Hessen und im Raum östlich der mittleren Elbe im Vergleich – mit besonderer Berücksichtigung der Klöster und Städte, in: I. Baumgärtner / W. Schich (Hrsg.), Nordhessen im Mittelalter. Probleme von Identität und überregionaler Integration (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 64), Marburg 2001, S. 29-51.
- H. Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Kreise Hofgeismar (Göttinger Geographische Abhandlungen, 8), Göttingen 1951, S. 17 ff. und Kartenbeilagen.
- H. Boucsein, Der Burgwald. Forstgeschichte eines deutschen Waldgebietes (Veröffentlichungen des Institutes für Forstgeschichte und Forstrecht, 1), Marburg 1955; H.-P. Lachmann, Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter (Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde, 31), Marburg 1967.
- A. Bonnemann, Der Reinhardswald, Hann. Münden 1984; zuletzt: H.-J. Rapp (Hrsg.), Reinhardswald. Eine Kulturgeschichte, Kassel 2002.
- Eine kurzen Überblick zur Überlieferung von Weistümern in Hessen bei D. Werkmüller, Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer, Berlin 1972, S. 94 f.
- Zur Allmende siehe jetzt U. Meiners / W. Rösener (Hrsg.), Allmenden und Marken vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Beiträge des Kolloquiums vom 18. bis 20. September 2002 im Museumsdorf Cloppenburg, Cloppenburg 2004, darin besonders die Beiträge: M. Speier / A. Hoppe, Waldnutzungen und Waldzustand mittelalterlicher und neuzeitlicher Allmenden und Marken in Mitteleuropa, S. 47-63, und S. Schmitt, Haingericht, Markgenossenschaft und Dorfallmende. Allmendnutzung und Allmendnutzungskonflikte im Mittelrheingebiet, S. 127-140.
- Weistum über den Wald zwischen Flörsheim, Rüsselsheim, Raunheim, Seilfurth und Bischofsheim von 1519, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 557.
- Mainzer Urkundenbuch. Bd. 1, bearb. von M. Stimming, Darmstadt 1932, S. 138 f., Nr. 226.
- Beispielhaft für den Burgwald: Lachmann, Verfassungsgeschichte des Burgwaldes (wie Anm. 4), S. 44 ff.
Forstregister Landgraf Ludwigs IV. von Hessen-Marburg über alle Einnahmen und Ausgaben des Oberforstmeisters am Vogelsberg, 1600-1601;
StA MR Best. S 601
Forst- und Holzordnungen der Landgrafschaft Hessen-Kassel von 1532 und 1593;
StA MR Verordnungssammlung II A 4kVeröffentlichungen zur Holzzucht und Forstbetriebseinrichtung, 1755 - 1843
Veröffentlichungen des oranien-nassauischen Landforstmeisters Georg Ludwig Hartig (1764-1837), des kurhessischen Oberjägermeisters Friedrich Ludwig v. Witzleben (1755-1830) und des kurhessischen Landforstmeister Ernst Friedrich Hartig (1773-1843) zur Holzzucht und Forstbetriebseinrichtung
Landgraf Karl von Hessen-Kassel verbietet den Untertanen die Erweiterung ihrer in den Forsten gelegenen bzw. an Wälder grenzenden Äcker, Wiesen und Huteflächen durch das höchstschädliche Ausrotten der Gehölze, Kassel, 26. April 1695;
StA MR Verordnungssammlung II A 4k
Waldbußregister des zum Oberforst Sooden gehörenden Forstreviers Frankenhain, 1732 -1733;
StA MR Best. 186 Forstamt Witzenhausen Nr. A 145

Auszüge aus: Murk, Karl, Rekrutierung und Ausbildung der Forstbeamten in der Landgrafschaft Hessen-Kassel und im Kurfürstentum Hessen, in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S. 105-123.
[…]
Die nordhessischen Wälder befanden sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in einem desolaten Zustand. Als Gründe lassen sich die notorische Übernutzung durch eine seit der Mitte des 18. Jahrhunderts stetig anwachsende Bevölkerung und zahlreiche Gewerbe, die z. T. hohen Wildbestände sowie die durch den Siebenjährigen Krieg veranlaßten außerordentlichen Holzabgaben an die notleidende Bevölkerung anführen3. Die Mängelliste war lang und zwang zu deutlichen Effizienz- und Leistungssteigerungen, auch und vor allem im Personalbereich. Es wurde immer offenkundiger, daß die bis dahin eindeutig im Vordergrund stehende jagdliche Ausbildung der höheren ebenso wie der Subalternbeamten und die Fixierung auf den Forstschutz nicht mehr ausreichten, um die weit verbreiteten Mißstände zu beseitigen und neue Herausforderungen wie die Waldvermessung und die bevorstehende Grundlastenablösung zu bewältigen. Nur mit forstfachlich geschulten und kompetenten Forstbeamten war eine nachhaltige und gewinnbringende Waldbewirtschaftung zu bewerkstelligen. Daran aber mangelte es auf allen Ebenen.
Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls der Oberförster Johann Christian Reichmeyer aus Wehlheiden, der von der Kriegs- und Domänenkammer 1768 mit einer einschlägigen Untersuchung betraut worden war. In mehreren Gutachten wies er Ende der 1760er und in den frühen 1770er Jahren darauf hin, daß ein Forst-Bedienter ein gantz anderer Mann seyn muß, wie man sich bis hiehin davon vorgestellt hat4, und daß […] solche Leute, die nur grüne Röcke tragen und weiter nichts gelernet haben, als zur Noth einen Hasen und etwa ein Stück Wildpreth schießen zu können, […] gnädigster Landesherrschaft viele 1.000 Reichstaler Schaden zufügen können5. Mit Geschwätze und Jagd-Discoursen, wovon viele Forst-Bediente eingenommen seyn6, seien die Probleme nicht zu bewältigen. Nur wenige würden sich die Mühe machen, ihr Metier und besonders die Forst-Oeconomie7 gründlich zu erlernen.
[…]
Da juristisch und kameralistisch geschultes Personal in der Forstverwaltung weithin fehlte, sah man sich genötigt, zumindest die Leitungspositionen mit Spitzenkräften aus dem Ausland zu besetzen.
[…]
Ein allmählicher Wandel bahnte sich erst nach der Berufung Friedrich Ludwig v. Witzlebens zum Oberjägermeister an. Auf seine Initiative8, die von dem Marburger Staatswissenschaftler Johann Heinrich Jung (genannt Jung-Stilling) nachdrücklich unterstützt wurde9, wurde im Jahre 1797 eine Forstlehranstalt in Waldau vor den Toren der Residenzstadt Kassel gegründet. Die Reichweite der Reform blieb allerdings begrenzt. Witzleben und seine Nachfolger richteten ihr Augenmerk vor allem auf die angehenden Förster und Oberförster, die ihre theoretische Ausbildung komplett bzw. überwiegend in Waldau erhalten sollten; Anwärter auf höhere Forstverwaltungsstellen sollten hier auf eine spätere akademische Laufbahn vorbereitet werden10.
In Waldau wurden die Forstschüler, bei denen es sich zunächst durchweg um Angehörige des Jägerkorps handelte, in einem zweijährigen Kurs in Recht- und Schönschreiben, der Abfassung schriftlicher Aufsätze, Trigonometrie, Bruch-, Dezimal-, Quadrat-, Kubik- und Buchstabenrechnung, Geometrie und Arithmetik, niederer Forstwissenschaft, Forstverfassungslehre sowie Bau- und Holzkunde unterrichtet11. Aus Platzmangel besuchten von 1798 bis 1806 jährlich nie mehr als acht Alumnen das Waldauer Institut12. Anfangs fiel es auch nicht leicht, geeignete Lehrkräfte zu finden13. Um einen geregelten Unterrichtsbetrieb gewährleisten zu können, griff man auf zwangsverpflichtete Forstbeamte aus der näheren Umgebung und auf fachfremde Seiteneinsteiger zurück. So hatte z.B. der Dozent für Forstwissenschaft und Stilkunde, der Apotheker Carl Wilhelm Fiedler aus Immenhausen, übrigens ein heller philosophischer Kopf14 und Verfasser eines Forsthandbuchs, seinen Lebensunterhalt bis dahin vornehmlich als Branntweinbrenner verdient. Der mit einem Lehrauftrag in praktischer Forstkunde betraute Oberförster Harnickel aus Oberkaufungen zeigte sich zunächst alles andere als beglückt über seine Zusatzaufgabe15.
[…]
Die im Vergleich zu anderen deutschen Forstlehranstalten spärliche finanzielle Ausstattung des Instituts war auch in anderer Hinsicht ein stetes Ärgernis. Sowohl in Waldau wie auch in Fulda wurde immer wieder über großen Platzmangel, über kärgliches Mobiliar, Schmutz und Kälte sowie über fehlende Instrumente und Bücher geklagt16. Noch 1822 mußten in Fulda stets zwei oder drei Zöglinge in einem wackligen Kasernenbett zusammen schlafen – ein untragbarer Zustand, zumal für zartbesaitete Gemüter17. Beim Umzug von Fulda nach Melsungen bestand die Bibliothek aus einem einzigen Buch mit logarithmischen Tafeln und drei Meßinstrumenten, von denen nur eines brauchbar war18! Obwohl sich in Melsungen die räumliche Situation entspannte, die Buchbestände und Sammlungen allmählich anwuchsen und sogar ein botanischer Garten angelegt wurde19, investierte das Kurfürstentum im Vergleich zu den Nachbarstaaten Preußen, Sachsen, Bayern und Hessen-Darmstadt vergleichsweise wenig Geld in die Forstausbildung.
[…]
Daß die Melsunger Forstlehranstalt nach der Annexion des Kurstaates im Jahre 1866 den Anforderungen der neuen Herren nicht mehr entsprach, kann nach dem bisher Gesagten kaum überraschen.
[…]
Ende Mai 1868 schloss die Schule endgültig ihre Pforten.
[…]
Im Jahr zuvor, gleichsam in allerletzter Minute, hatte Schuldirektor Grebe mit Unterstützung der Finanzabteilung der preußischen Administration in Kurhessen und des neuen Oberpräsidenten v. Möller einen letzten vergeblichen Versuch unternommen, die Forstlehranstalt durch eine Standortverlegung nach Marburg zu retten20. Seine Initiative knüpfte an eine mit Unterbrechungen seit den 1830er Jahren geführte, letztlich ergebnislos gebliebene Diskussion an. Über die Frage, inwieweit es sinnvoll wäre, die Forstlehranstalt am Standort der Landesuniversität anzusiedeln oder vielleicht sogar mit der Universität zu verbinden, wie dies im benachbarten Großherzogtum Hessen 1825 vorexerziert worden war21, gingen die Meinungen in der kurhessischen Forstverwaltung, zwischen den zuständigen Ministerien der Finanzen und des Innern sowie im Landtag auseinander.
[…]
Am Ende aber blieb alles beim Alten. Die herangezogenen Gutachter konnten sich nicht einigen; im zuständigen Finanzministerium und im Oberforstkollegium überwogen die Bedenkenträger. Das für die Landesuniversität zuständige Innenressort war mit der Angelegenheit offenbar nicht befaßt; dem Gesamtstaatsministerium und dem Kurfürsten scheint ein entsprechendes Anliegen nie unterbreitet worden zu sein. Ob es Gehör gefunden hätte, darf angesichts der notorischen Entscheidungsschwäche des Regenten mit Fug und Recht bezweifelt werden. Die diesbezüglichen Anträge der Landtagsabgeordneten dürften die Verlegung eher behindert haben. Während die arg geschmähten Lehrer der Forstlehranstalt, die einem Umzug nach Marburg grundsätzlich durchaus positiv gegenüberstanden, und deren Vorgesetzte durch die in den Ausschüssen geäußerte Kritik am Ausbildungsniveau nachhaltig vergrätzt wurden22, reagierte der Kurfürst ohnehin allergisch auf alle Initiativen der Ständeversammlung. Wegen der jeweils kurze Zeit später erfolgenden Landtagsauflösungen kamen die Anträge nicht einmal zur Beratung im Plenum23.
[…]
So viel zur Ausbildungsstätte. Auch im Hinblick auf die Festschreibung der Ausbildungsgänge blieb die Bilanz letztlich unbefriedigend. Nach 1813 verbesserte sich zwar der Ausbildungsstand der Forst- und Jagdjunker, also des potentiellen Nachwuchses für die Spitzenpositionen, insofern, als der Aufenthalt an der kurfürstlichen Forstlehranstalt und der anschließende Universitätsbesuch allmählich zur Regel wurden. Von einer Normierung war man gleichwohl noch weit entfernt. Noch 1848 vertrat das Oberforstkolleg die Ansicht, daß besondere Anordnungen für die Ausbildung der höheren Forstbeamten nicht erforderlich seien, da die im Besitz der erforderlichen geistigen und finanziellen Mittel und über eine entsprechende Schulbildung verfügenden Kandidaten an sich schon auf die Nothwendigkeit des Besuches der Landes- oder einer anderen Universität, nachdem sie die Försterschule besucht und dort die Prüfung genügend bestanden haben, hingeführt werden24. Dabei blieb es bis zum Ende des Kurstaats.
Anmerkungen:
- Vgl. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 51980, S. 128 ff., 551 ff.
- Vgl. B. Wunder, Geschichte der Bürokratie in Deutschland, Frankfurt 1986, S. 27-43; Ders., Privilegierung und Disziplinierung. Die Entstehung des Berufsbeamtentums in Bayern und Württemberg (1780-1825), München 1978; Ders., Die Reform der Beamtenschaft in den Rheinbundstaaten, in: E. Weis (Hrsg.), Reformen im rheinbündischen Deutschland, München 1984, S. 181-193.
- Vgl. u.a. den Bericht des Oberforstmeisters G. v. Lehenner (Marburg, 25. März 1786), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat, Nr. 13925.
- „Entwurf der Verrichtungen und Wissenschaften, so von einem Forst-Verwalter und Oberförster erfordert werden […]“ des Oberförsters J. Chr. Reichmeyer (Wehlheiden, 4. Dez. 1771), StA MR Best. 40a Hess. Kammer Rubr. 12 Nr. 86.
- „Postscriptum“ des Oberförsters J. Chr. Reichmeyer (Wehlheiden, 18. April 1773), StA MR Best. 40a Hess. Kammer Rubr. 12 Nr. 86.
- „Entwurf“ (wie Anm. 4).
- Promemoria des Oberförsters J. Chr. Reichmeyer (Kopie/Wehlheiden, 3. Sept. 1768), StA MR Best. 40a Hess. Kammer Rubr. 12 Nr. 86.
- Vgl. Bericht v. Witzlebens (wie Anm. 23); vgl. ferner Bonnemann, Forstlehranstalten (wie Anm. 10), S. 5.
- Vgl. Gutachtlicher Bericht Jung-Stillings (Marburg, 4. Februar 1797), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923.
- Vgl. Bericht v. Witzlebens (wie Anm. 23).
- Ebd.
- Vgl. Bericht v. Witzlebens an Landgraf Wilhelm IX. (Kassel, 18. Nov. 1798), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923. Zu dem am 17. Juni 1797 beginnenden ersten Lehrgang waren vier Unteroffiziere und 12 Gemeine des Jägerkorps abkommandiert worden. Vgl. Resolution des Geheimen Rats (Kassel, 11. April 1797), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923.
- Vgl. u. a. den Bericht v. Witzlebens an Landgraf Wilhelm IX. (Praes. Kassel, 18. Mai 1797), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923.
- Bericht v. Witzlebens an Landgraf Wilhelm IX. (Kassel, 8. April 1797), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923.
- Vgl. Bericht v. Witzlebens (wie Anm. 35).
- Vgl. Bericht v. Witzlebens an Landgraf Wilhelm IX. (Praes. Kassel, 15. Jan. 1798), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923; Berichte des Direktors der Forstlehranstalt Hundeshagen an die Oberforstdirektion (Fulda, 6. März 1822 und 4. Februar 1823), StA MR Best. 54e Forstlehranstalt Melsungen Nr. 2.
- Vgl. Bericht des Direktors der Forstlehranstalt Hundeshagen an die Oberforstdirektion (Fulda, 6. März 1822), StA MR Best. 54e Forstlehranstalt Melsungen Nr. 2.
- Vgl. Bericht der Direktion der Forstlehranstalt (wie Anm. 40).
- Ebd.; vgl. ferner Bericht Grebes (wie Anm. 51) sowie Bonnemann, Forstlehranstalten (wie Anm. 10), S. 39 f.
- Vgl. Bericht Grebes (Melsungen, 16. Jan. 1867), StA MR Best. 54e Forstlehranstalt Melsungen Nr. 69; v. Möller an Finanzministerium (Kassel, 15. Februar 1867), StA MR Best. 41 Kurhess. Finanzministerium Nr. 7986.
- Vgl. Bekanntmachung über die Errichtung einer Forst-Lehranstalt auf der Landes-Universität Gießen (Darmstadt, 24. März 1825), in: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 18 vom 11. April 1825.
- Vgl. die Stellungnahmen der Lehrer zu den gegen die Anstalt erhobenen Vorwürfen und die in der Beilage zur Kasselschen Allgemeinen Zeitung Nr. 172b vom 23. Juni 1837 veröffentlichte ausführliche gemeinsame Entgegnung des Lehrerkollegiums (Melsungen, 12. April 1837), StA MR Best. 54e Forstlehranstalt Melsungen Nr. 5.
- Vgl. Anlage A: Stellungnahme des Ausschusses für Kultus und Unterricht zum Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den Antrag des Abgeordneten Dr. Löbell (Kassel, 20. Februar 1865), StA MR Best. 41 Kurhess. Finanzministerium Nr. 8144.
- Bericht des Oberforstkollegs (wie Anm. 66).
Vergoldete Wappenknöpfe von der Staatsuniform eines höheren preußischen Forstbeamten, preußisches Hutabzeichen sowie Kokarde der kurhessischen Hausstiftung;
Leihgaben des Hessischen Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim/Forstamt Hanau-Wolfgang
Samtkragen für einen preußischen Landforstmeister, 1929;
Leihgabe des Hessischen Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim/Forstamt Hanau-Wolfgang
Säbel nebst Portepee zur Paradeuniform eines preußischen Oberjägers, 1910;
Leihgabe des Hessischen Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim/Forstamt Hanau-Wolfgang
Landgraf Philipp der Großmütige bestellt Johann Zolzer zum Förster in Wangershausen (bei Frankenberg), 5. Februar 1565;
StA MR Best. 17 I Alte Kasseler Räte Nr. 368
Selbstkarikatur des Malers Carl Waldeck als Fürstlich Waldeckischer Forstrat;
StA MR Slg 7/b Nr. 1415.
Vernehmung des Försters Heinrich Weidmann aus Josbach in der fürstlichen Kanzlei zu Marburg über die ihm zur Last gelegten Holzdiebstähle und Dienstvergehen, 16.-18. Juni 1680;
StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 14649
Bestallungsrevers für den Oberforst- und Oberjägermeister Carl v. Boineburg (Auszug), Kassel, 1.April 1713 ;
StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 18735
Conduiten-Listen der kurhessischen Forstmeister, Forstinspektoren und Revierförster, 1854-1861;
StA MR Best. 41 Kurhessisches Finanzministerium Nr. 7979
Dienstinstruktion für die kurhessischen Revierförster, Kassel 26.Mai 1834;
StA MR Drucksachen
Amtseid der hessen-kasselschen Holzhauer, um 1740;
StA MR Drucksachen X A Nr. 2648
Instruktion für Holzhauer;
StA MR Drucksachen Acc. 1932/24 Nr. 281
Preußischer Förster (spätes 19. Jh.);
StA MR Best. 41 Kurhessisches Finanzministerium Nr. 8055

Auszüge aus: Hardt, Matthias, Wald und Siedlung im frühen Mittelalter, in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S. 7-21.
Das Land, so schrieb der Historiker Publius Cornelius Tacitus in der zweiten Hälfte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts im fünften Kapitel seiner „Germania“, sei eine terra aut silvis horrida aut paludibus foeda, sowohl von entsetzlichen Wäldern als auch von grässlichen Sümpfen1.
[…]
Die nicht wirklich aussagekräftige historiographische Nachricht aus der „Germania“ gibt jedoch ohne Zweifel eine Vorstellung wieder von dem andersartigen Eindruck, den das Land außerhalb der Reichsgrenzen gegenüber den geregelten Kulturlandschaften der römischen Provinzen an Rhein und Donau und erst recht des mediterranen Raumes erweckte2. Der Wald scheint die Landschaft beherrscht zu haben, und so verwundert es auch nicht, dass der französische Mediävist Georges Duby für die ostrheinischen Gebiete des frühen Mittelalters ein Bild von den Siedlungen wie Inseln im Meer der Wälder zeichnete3. Das Wechselverhältnis dieser Siedlungen zum umgebenden Wald in dieser Frühzeit4 soll im folgenden zu beschreiben versucht werden5, wenn auch die Überlieferungslage nicht eben gänzlich sichere und vor allem nicht besonders reichliche Informationen zu dieser Fragestellung zur Verfügung stellt. Es soll zunächst um die Siedlungen gehen und um die Art und Weise, wie deren Bewohner den Wald nutzten.
[…]
Oft auch waren die Siedlungen noch nicht ortskonstant, sondern innerhalb eines bestimmten Radius konnten die Siedlungsplätze, wie archäologische Grabungen gezeigt haben, immer wieder gewechselt werden6. Dies mochte aus Gründen der Bodennutzung geschehen, weil aufgrund noch nicht eingehaltenen Fruchtwechsels die Böden schnell nährstoffarm wurden. Vielleicht waren es auch die kaum länger als dreißig Jahre in der Erde überdauernden Holzpfosten der Häuser, die es naheliegend erscheinen ließen, nach deren Haltbarkeitsende dem Lieferanten des Baumaterials hinterher zu ziehen, dem Wald, der auch durch weitere Nutzungen von den Bewohnern der Siedlungen in unmittelbarer Nachbarschaft reduziert wurde. Es war nicht nur das Schlagen von Bau- und Brennholz, das sich in den Verordnungen der Volksrechte erwähnt findet, sondern vor allem die Waldweide, die den Wald in Siedlungsnähe offener werden ließ. Nicht die Eichelmast der Schweine ließ die Bäume so sehr leiden, viel mehr der Verbiß durch Pferde, Rinder, Schafe und Ziegen und die Entnahme von Laub als Futter und Streu7 machten eine natürliche Verjüngung der siedlungsnahen Wälder immer seltener möglich8. So öffneten sich die Waldränder immer mehr, und der Schritt zu ersten Rodungen zur Gewinnung neuer Acker- und Siedlungsflächen wurde somit erleichtert. Entlang der Gewässer wurde die Kulturlandschaft erweitert, wie zum Beispiel im Burgwald, wo sich, wie Hans-Peter Lachmann zeigen konnte, zunächst eine Anzahl von Orten in den Wald hineinschob. Diese wurden nach den Bächen benannt, deren Lauf sie in das Mittelgebirge folgten (z. B. Tissenbach, Michelbach, Wambach), oder führten die Bezeichnung der Gefilde, die im Zuge dieses ersten Landesausbaues angelegt wurden (z. B. Goßfelden). Es folgten bald die vielen Siedlungen mit dem Suffix -hausen oder -heim, und erst einer späteren Zeit gehörten dann die Orte an, denen man aufgrund ihrer Endung auf -rod oder -rode noch heute unschwer anmerkt, dass sie durch Rodung dem Wald abgerungen worden waren9.
[…]
Die frühesten Nachrichten über die Erweiterung der Kulturlandschaft auf Kosten des Waldes liegen mit den Berichten über die Gründung der großen monastischen Gemeinschaften vor. Im Jahr 742 begab sich ein Schüler des Bonifatius, Sturmi, auf Anweisung seines Lehrers von der Einsiedelei Hersfeld10 aus in die Buchonia, ein Waldgebiet am Oberlauf der Fulda.
[…]
Der hagiographisch überformte Bericht Eigils von den Aktivitäten Sturmis im Vorfeld der Gründung des Klosters Fulda läßt noch deutlich erkennen, daß der im Auftrag des Bonifatius wirkende Einsiedler mit kundigem Auge die naturräumlichen Voraussetzungen für eine mögliche Klostergründung prüfte und dabei Informationen sammelte, die sich bei der angestrebten Schenkung des zukünftigen Klosterareals durch den Hausmeier und deren rechtlicher Absicherung durch die Ausstellung einer Urkunde verwerten ließen.
[…]
Die Art und Weise dieser Umwandlung und Erweiterung der Kulturlandschaft im 8. und 9. Jahrhundert wird auch durch zwei Urkunden Karls des Großen deutlich, die durch glückliche Umstände in den Klöstern Corvey und Fulda erhalten geblieben sind.
[…]
Im Zusammenhang mit der festgestellten königlichen Förderung dieses Rodungsunternehmens im Kaufunger Wald soll kurz angedeutet werden, wie das fränkische Königtum zwischen dem 6. und dem 10. Jahrhundert mit den Wäldern umging, über die es in Fortsetzung der Gewohnheit der römischen Reichsadministration verfügte.
Schon von einem der ersten merowingischen Könige, dem in Köln residierenden Rheinfranken Sigibert dem Älteren ist durch den Chronisten Gregor von Tours überliefert, dass er die östlich des Rheins gelegene silva Buconia zur Jagd aufsuchte und dort umgebracht wurde11. Ein jüngerer gleichnamiger König, Sigibert III., stellte zwischen 643 und 647/48 eine Urkunde aus, in der er dem Abt Remaclus Grundbesitz in foreste nostra nuncupante Arduinna, in den Ardennen also, zum Bau des Doppelklosters Stablo-Malmedy überließ12. Damit ist das Wort „Forst“ erstmals überliefert, welches das lateinische saltus als Bezeichnung für den besonders geschützten königlichen Domanialwald ablöste13. Die Herkunft des heute so geläufigen Wortes ist umstritten14. Nachdem zunächst die Grimmsche Ableitung von ahd. Forha (Föhre, Kiefer) und dann die ebenfalls germanische Ableitung von firstiz, einem waagerechten Gefügeglied zaunartiger Holzkonstruktionen, von First also, überwiegende Anerkennung der Forschung fand, scheint heute deutlicher zu sein, dass das Wort aus lateinisch foris, draußen, weiterentwickelt wurde15. Forestis meinte das außerhalb der Siedlungslandschaft gelegene Wald- und Ödland, das vom König besonderen Schutz erhielt und in dem nur ihm und seinen Amtsträgern das Recht der Jagd, des Fisch- und Vogelfanges, der Waldweide, des Holzeinschlags, der Imkerei, von Bergbau und Verhüttung sowie der Rodung zustand.
[…] Ein intensiver Landesausbauprozeß fand im hohen Mittelalter auch in den bis dahin slawisch besiedelten Gebieten Mittel- und Ostdeutschlands statt. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts lebten die Bewohner in kleinen gewässernahen Siedlungen, in denen in Subsistenzwirtschaft Viehzucht und Ackerbau betrieben wurde, weiterhin aber die Tiere des Waldes und der Gewässer Grundlage von Ernährung, Handwerk und Handel waren. Fischfang spielte eine große Rolle, und die Pelze der Biber und kleinen Räuber waren begehrte Produkte im Fernhandel, auf den Märkten des Mittelmeergebietes und der arabischen Welt.
[…]
Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts warben die nach der Eroberung auch der nördlichen Slawenländer nunmehr askanischen Landesherren ebenso wie die slawischen Fürsten der Mecklenburger, Pommern und Schlesier in großem Umfang westliche Immigranten an. Mit ihnen gemeinsam lösten die slawischen Bewohner nun die künstlich verdichteten Grenzwälder auf, rodeten jetzt auch die gewässerfernen, bis dahin dicht bewaldeten Gebiete, legten planförmige Dörfer mit vermessenen, den Notwendigkeiten der Dreifelderwirtschaft angepassten Gewannfluren an, um großflächig Getreide anzubauen, das auf den geldwirtschaftlich organisierten Märkten der entstehenden Städte verkauft werden und zum Teil sogar in den überseeischen Export gelangen sollte16.
- Tacitus, Germania, c. 5, lateinisch und deutsch von G. Perl, in: Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u. Z., hrsg. von J. Herrmann, Berlin 1990, S. 84 f.: Terra etsi aliquanto specie differt, in universum tamen aut silvis horrida aut paludibus foeda [...]. Vgl. dazu auch H. Küster, Geschichte des Waldes. Von der Vorzeit bis zur Gegenwart, München 1998, Ndr. 2003, S. 99 und R. Hiestand, Waldluft macht frei, in: J. Semmler (Hrsg.), Der Wald in Mittelalter und Renaissance (Studia humaniora, 17), Düsseldorf 1991, S. 45-68, hier S. 45 f.
- Vgl. auch D. Timpe, Die Landesnatur der Germania nach Tacitus, in: H. Jankuhn/D. Timpe (Hrsg.), Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil I (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, philologisch-historische Klasse, 3. Folge, Nr. 195), Göttingen 1992, S 258-277, bes. S. 262 und 270; H. Jäger, Die naturgeographischen Verhältnisse im Gebiet der Germania zur taciteischen Zeit, in: ebd. S. 124-152, bes. S. 145-147 zu Feuchtbodengebieten; U. Willerding, Klima und Vegetation der Germania nach vegetationsgeschichtlichen und paläo-ethnobotanischen Quellen, in: ebd., S. 332-373, bes. S. 342-349 zu den römischen Beobachtern bedrohlich erscheinenden Wäldern. Vgl. auch Küster, Geschichte des Waldes (wie Anm. 1), S. 101-108.
- G. Duby, Europa im Mittelalter, Stuttgart 1986, S. 9; Ders., Krieger und Bauern. Die Entwicklung der mittelalterlichen Wirtschaft und Gesellschaft bis um 1200, Frankfurt/M. 1984, S. 13-15; Ders., Die Zeit der Kathedralen. Kunst und Gesellschaft 980-1420, Frankfurt/M. 41985, S. 11 f. Vgl. auch Ch. Verlinden, Les forêts de l’Europe occidentale du Ve au XIe siècle, in: Agricoltura e mondo rurale in occidente nell’ alto medioevo (Settimane di studio del centro italiano di studi sull’ alto medioevo, XIII), Spoleto 1966, S. 343-398, hier S. 374.
- Zur frühgeschichtlichen Waldverbreitung vgl. auch Verlinden, Les forêts (wie Anm. 6), S. 350-374 und Kartenbeilage; A. Gerstenhauer, Die Stellung des Waldes in der Kulturlandschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: J. Semmler (Hrsg.), Der Wald in Mittelalter und Renaissance (wie Anm. 1), S. 16-27.
- Vgl. zusammenfassend auch H. K. Schulze, Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen. Merowinger und Karolinger (Siedler Deutsche Geschichte), Berlin 1994, S. 228-233.
- H. Steuer, Standortverschiebungen früher Siedlungen – von der vorrömischen Eisenzeit bis zum frühen Mittelalter, in: G. Althoff u.a. (Hrsg.), Person und Gemeinschaft im Mittelalter. Karl Schmid zum 65. Geburtstag, Sigmaringen 1988, S. 25-59; G. Kossack, Ortsnamen und Wohnplatzmobilität, in: V. Setschkareff/P. Rehder/H. Schmid (Hrsg.), Ars Philologica Slavica, Festschrift Heinrich Kunstmann (Sagners Slavistische Sammlung, 15), München 1988, S. 254-269; Küster, Geschichte des Waldes (wie Anm. 1), S. 110 f., 121.
- Gerstenhauer, Die Stellung des Waldes (wie Anm. 7), S. 16-27, hier S. 18-20.
- Küster, Geschichte des Waldes (wie Anm. 1), S. 114-117.
- H.-P. Lachmann, Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter (Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde, 31), Marburg 1967, S. 22-30.
- Zur Einrichtung der Einsiedelei Hersfeld und zum Namen des Platzes vgl. H. Beumann, Eigils Vita Sturmi und die Anfänge der Klöster Hersfeld und Fulda, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 2, 1952, S. 1-15, hier S. 6; P. Engelbert, Die Vita Sturmi des Eigil von Fulda. Literarkritisch-historische Untersuchung und Edition (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 29), Marburg 1968, S. 78 f.
- Gregor von Tours, Libri historiarum decem II, 40, ed. B. Krusch und W. Levison, MGH SS rer. Mer. I,1, Hannover 1951, S. 89.
- MGH Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica. Die Urkunden der Merowinger. Nach Vorarbeiten von C. Brühl hrsg. von Th. Kölzer unter Mitwirkung von M. Hartmann und A. Stieldorf, Teil 1, Hannover 2001, Nr. 81, S. 205-207, hier S. 206. Vgl. auch H. Kaspers, Comitatus nemoris. Die Waldgrafschaft zwischen Maas und Rhein. Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Forstgebiete des Aachen-Dürener Landes einschließlich der Bürge und Ville (Beiträge zur Geschichte des Dürener Landes, 7; Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Beiheft 2), Düren und Aachen 1957, S. 23, 93-95; H. Müller-Kehlen, Die Ardennen im Frühmittelalter. Untersuchungen zum Königsgut in einem karolingischen Kernland (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 35), Göttingen 1973, S. 39-44, 99; Th. Zotz, Beobachtungen zu Königtum und Forst im früheren Mittelalter, in: W. Rösener (Hrsg.), Jagd und höfische Kultur im Mittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 135), Göttingen 1997, S. 95-122, hier S. 95 f.
- Vgl. dazu H. Rubner, Vom römischen saltus zum fränkischen Forst, in: Historisches Jahrbuch 83, 1964, S. 271-277; zur Begrifflichkeit siehe auch K.-H. Borck, Zur Bedeutung der Wörter Holz, Wald, Forst und Witu im Althochdeutschen, in: B. v. Wiese/K.-H. Borck (Hrsg.), Festschrift für Jost Trier zu seinem 60. Geburtstag am 15. Dezember 1954, Meisenheim/Glan 1954, S. 456-476.
- Vgl. Verlinden, Les forêts (wie Anm. 6), S. 374-376; Zotz, Beobachtungen (wie Anm. 46), S. 95-101; C. Dasler, Forst und Wildbann im frühen deutschen Reich. Die königlichen Privilegien für die Reichskirche vom 9. bis zum 12. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 3 f.
- L. Söll, Die Bezeichnungen für den Wald in den romanischen Sprachen (Münchener Romanistische Arbeiten, Heft 25), München 1967; Kaspers, Comitatus nemoris (wie Anm. 46), S. 26 f.; 19-21.
- M. Hardt, Das „slawische Dorf” und seine kolonisationszeitliche Umformung nach schriftlichen und historisch-geographischen Quellen, in: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 17, 1999, S. 269-291, hier S. 286-289; Ders., Die Veränderung der Kulturlandschaft in der hochmittelalterlichen Germania Slavica – offene Fragen beim derzeitigen Forschungsstand, in: F. Biermann / G. Mangelsdorf (Hrsg.), Die bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters in Nordostdeutschland. Untersuchungen zum Landesausbau des 12. bis 14. Jahrhunderts im ländlichen Raum (Greifswalder Mitteilungen. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie, 7), Frankfurt/Main u. a. 2005, S. 17-28.
Landgraf Wilhelm (III.) der Junge befiehlt dem Darmstädter Landschreiber Hans v. Zwingenberg, den Schäfern der Orte im Gernsheimer Wald das Hüten bis etwa 14 Tage nach Maria Lichtmeß (2. Februar) zu verbieten, Marburg, 10. Januar 1495 ;
StA MR Rechnungen I 37a/8
Salbuch des Amtes Marburg mit Auflistung des auf Michaelis (29. September) von den Untertanen für die Waldnutzung zu entrichtenden sog. Forstkorns und der Forsthafer (angelegt unter dem Rentmeister Rule v. Schönbach), 22. Februar 1402 - 29. Oktober 1407 ;
StA MR S 472
Verzeichnisse der in den Ämtern des Niederfürstentums Hessen in die Wälder getriebenen Mastschweine, 1595;
StA MR 40a Rubr. 12 Nr. 111
Brennholzanweisungen an die Einwohner der waldeckischen Dörfer Helsen, Wethen und Ammenhausen sowie an die Bürger der Stadt Rhoden, 1622, 1663;
StA MR 125 Waldeckische Kammer Nr. 3463
Gesuch des ehemaligen Soldaten Balthasar Bartholomäus um unentgeltliche Übereignung einer Waldparzelle und einiger Baumstämme zur Errichtung eines Wohnhauses, Oberschönau, 22. Mai 1821 ;
StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat
Unterschriften von Einwohnern der Stadt Hersfeld unter ein Gesuch an das kurhessische Finanzministerium, in welchem um die Herabsetzung der Holzpreise gebeten wird, Hersfeld, 5.Januar 1849 ;
StA MR Best. 41 Kurhessisches Finanzministerium Nr. 8213
Publikation des Oberforstrats v. Schulte: Der Streuwald oder kurze Erörterung der großen Nachtheile des übermäßigen Streusammelns für die Waldungen etc., 1849;
StA MR Dienstbibliothek VIII B 526 c.

Volk, Otto: Waldnutzung in Hessen im späten Mittelalter, in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S.21-32.
Unübersehbar ist, dass seit dem 11. Jahrhundert durch die fortgesetzten Rodungen und die Ausbreitung der Siedlungen und ihrer Wirtschaftsflächen überall in Deutschland große Waldflächen vernichtet oder zerstückelt wurden2. Die Rodungen endeten meist im ausgehenden 13. oder in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, nicht nur, weil die schweren Bevölkerungsverluste durch die Pest den Nutzungsdruck verringerten, sondern auch, weil man im Altsiedelland nahezu alle guten Böden unter den Pflug genommen und bereits Grenzertragslagen erreicht hatte. Mehr als die Hälfte der ursprünglichen Waldfläche dürfte in diesen Jahrhunderten durch den Rodungs- und Ausbauprozess verloren gegangen sein. Die natürlichen, weitgehend ungestörten Wälder beschränkten sich danach vielerorts auf Restflächen an den Berghängen und in den Höhen oder auf andere ungünstige Standorte3. Die Wald-Feld-Verteilung, die Mitte des 14. Jahrhunderts erreicht war, hatte vermutlich während des späten Mittelalters im wesentlichen Bestand. Wir müssen uns klarmachen, dass das Bild großer scheinbar unzerschnittener Waldbereiche, etwa des Burgwalds nördlich von Marburg4 oder des Reinhardswaldes nördlich von Kassel5, eben nicht der Wirklichkeit des späten Mittelalters entspricht, sondern weitgehend ein Ergebnis moderner, nachhaltiger Forstwirtschaft ist. Die Ergebnisse jüngerer siedlungsgeographischer und archäologischer Forschungen zeigen, dass mitten in diesen heute weiträumigen geschlossenen Waldungen zahlreiche Wüstungen mit ihren landwirtschaftlichen Flächen zu finden sind und dass, etwa im Kaufunger Wald, Töpferöfen und Glasschmelzen, Gruben oder Hüttenwerke in größerer Zahl betrieben wurden6.
Während noch im Hochmittelalter ortsferne Waldlagen allenfalls sporadisch aufgesucht worden sein dürften, so dass sie lange ihren fast urwaldartigen Charakter bewahrten, wurden die gut erreichbaren Wälder mit dem Vorrücken der Siedlungen, dem starken Bevölkerungswachstum und dem dadurch ansteigenden Bedarf an Holz- und Waldprodukten immer intensiver genutzt. Durch diese jahrhundertelange Beanspruchung waren die Wälder im 14. und 15. Jahrhundert längst nicht mehr im natürlichen Zustand, sondern in ihrer Struktur, Artzusammensetzung und Altersklassensituation oft tiefgehend verändert7.
Die Nutzung des Waldes als zentrale wirtschaftliche Ressource ist im späten Mittelalter ganz offensichtlich dadurch gekennzeichnet, dass man nicht mehr auf bisher ungenutzte Waldungen zurückgreifen, dass man nicht mehr „aus dem Vollen schöpfen“ konnte, sondern allenthalben an Interessen Dritter stieß und unentwegt mit der Regelung von Rechten und Grenzen und mit der Beilegung von Konflikten befasst war. Es sind vor allem diese Regelungen, die einen Niederschlag in den spätmittelalterlichen Quellen, und das heißt in den Weistümern gefunden haben, während die alltägliche Nutzung ansonsten zu den eher schriftlosen Bereichen des Wirtschaftslebens gehört8. Das Bild, das wir uns von den Formen der Waldnutzung im späten Mittelalter machen können, bleibt so in gewisser Weise einseitig, ist aber sicherlich bunter und vielfältiger als für die Jahrhunderte zuvor. Die Behandlung der spätmittelalterlichen Waldgeschichte soll darum regional konzentriert werden und vor allem – wenn auch nicht ausschließlich – Beispiele aus dem heutigen Hessen heranziehen, auch wenn die Literatur- und Forschungslage dazu vergleichsweise unbefriedigend bleibt und eine Geschichte des Waldes und der Waldnutzung in Hessen noch geschrieben werden müsste.
Welche Wälder sind es im späten Mittelalter, die im Folgenden behandelt werden sollen? Gegenüber dem frühen Mittelalter fehlen im Altsiedelland vor allem die großen königlichen Forsten mit ihrem siedlungsfernen, weitgehend ungestörten Charakter. Die Könige haben im Hochmittelalter immer wieder ausgedehnte Waldungen, etwa den Rheingauer Wald in der berühmten Veroneser Schenkung von 9839, an Dynasten und Landesherren übertragen oder sogar selbst zur Rodung und Besiedlung freigegeben. An die Stelle des Königs als Eigentümer des Waldes traten stattdessen größere und kleinere Herren10. Die starke Inanspruchnahme der Waldflächen durch Rodung und intensive Nutzung im Spätmittelalter veranlasste viele von ihnen dazu, einen Teil des Bestandes abzusondern, um dort Neubruch und Gemeinnutzung zu verhindern. Herrschaftliche 'Forste' dieser Art, die häufig den Kernbereich größerer Waldungen bildeten, scheinen vor allem seit dem ausgehenden Hochmittelalter ausgesondert worden zu sein, als die Rodungen besonders rasch voranschritten und man viele Burgen mit sogenannten Kammerforsten ausstattete, die man zur Versorgung der herrschaftlichen Haushalte besonders hegte. Nach dem Weistum der Karbener Mark von 1499 heißt es zum Beispiel, allein der hinter dem Rode (Burggräfenrode) gelegene wald Einsiedel wird für eigen (des Herrn) erkant, der übrige bezirk (aber) für mark11. Mit der Änderung der Besitzrechte machte übrigens auch der Begriff Forst einen Bedeutungswandel durch, indem er sich weitgehend auf den „Wildbann“ verengte, der sich auch über fremdes Eigentum erstrecken konnte.
Neben den landesherrlichen Waldungen und dem Allmendwald, lässt sich da und dort schon früh auch grundherrlicher wie bürgerlicher und bäuerlicher Individualbesitz an Wald nachweisen. Alter und Herkunft dieses Einzelwaldbesitzes sind nur in seltenen Fällen zu klären. Man darf jedoch vermuten, dass ein großer Teil der Wälder, die nicht zur Allmende gehörten, aus älterem grundherrlichem Eigen stammte oder auf jüngere, landesherrliche Übertragungen zurückging. Bürgerlicher und bäuerlicher Einzelbesitz an Wald war zu dieser Zeit in den meisten Landschaften aber nicht häufig. Auch die Städte haben wohl immer, wenn sie nicht ohnehin über einen alten Markwald verfügten, besonderen Wert darauf gelegt, einen eigenen Stadtwald nutzen zu können. Die Stadt Frankfurt zum Beispiel kaufte 1372 von Kaiser Karl IV. den Reichsforst Dreieich, den großen Wald südlich des Mains, für 8.800 fl. und musste ihn zudem für 4.800 fl. aus dem Pfandbesitz des reichen Bürgers Siegfried zum Paradies auslösen, gab also mehr als 13.000 fl. für die Vergrößerung des städtischen Waldbesitzes aus12. Die Waldnutzung durch die Städte und ihre Bürger, die ich hier ausklammern möchte, müsste noch genauer untersucht werden.
Der größte Teil der Wälder wurde im Spätmittelalter ohne Zweifel als Mark- oder Allmendwald genutzt13, in dem die Märker, d.h. die Bauern und die Grundherren, über genossenschaftliche Waldrechte verfügten. Der Markwald konnte dabei den Einwohnern eines einzigen Dorfes zugänglich sein oder in gemeiner Mark von mehreren Orten genutzt werden, so dass regelmäßige Absprachen und Vereinbarungen zwischen den Markgenossen notwendig wurden.
Die Waldnutzung stand allen Bewohnern der Mark zu, die über Liegenschaften, d. h. über Grund und Boden, Eigentum oder Leiheland am Ort verfügten. Das Weistum der Mark zwischen Flörsheim und Bischofsheim von 1519 erklärte von den Einwohnern der fünf zugehörigen Dörfer einem jeglichen, der aigen rauch helt, für einen märker, den armen als den reichen, einem als viel als dem andern, aber auch der Landgraf und das Mainzer Domkapitel galten als Mitmärker, wenn sie dort Rauch hielten, also einen eigenen Haushalt führen ließen14. Die Nutzung war stets Naturalnutzung. Sie durfte nur für den eigenen Bedarf in Anspruch genommen und vom Einzelnen nicht an Fremde vergeben werden. Nur die Gemeinschaft der Märker konnte Ausmärker gegen Entgelt zulassen. Dieselben Rechte wie die Bauern hatten auch die grundherrlichen Höfe am Ort, die ohne einen Anteil am Allmendwald in der Regel wirtschaftlich nicht lebensfähig gewesen wären.
Streitigkeiten um Waldgrenzen und Waldnutzungsrechte zwischen den Gemeinden auf der einen und einzelnen Grundherren auf der anderen Seite, aber auch Interessenkonflikte zwischen den allmendberechtigten Märkern waren dabei geradezu vorprogrammiert15, da auch die Nutzungsmöglichkeiten für die rasch anwachsenden Gemeinden bald an die der Nachbarorte stießen. Die eigene Marknutzung am Wald versuchte man durch die Bestellung von Förstern zu wahren, die bei größeren Marken einem Forstmeister unterstanden. Nach dem Weistum des Märkergerichts zu Oberroden aus dem 16. Jahrhundert mussten die Herrschaften und die Dörfer die Förster bestellen, so uff schaden und unrat der margken achtung geben und further an den erscheinenden vier mergkergerichten bei iren aydtspflichten (alle Verstöße) rugen und fürbringen muessen16. Die Förster hatten hier wie in den meisten anderen Fällen also die Aufgabe der Aufsicht und Kontrolle, der Hege, waren aber nicht mit forstwirtschaftlichen Aufgaben im neuzeitlichen Sinne betraut. Es ging vielmehr darum, jede Nutzung durch Dritte, d.h. durch Auswärtige zu unterbinden und zu verfolgen, und darum, die Art und den Umfang der Nutzung durch die bäuerlichen und herrschaftlichen Märker zu kontrollieren und Verstöße vor dem Märkergericht zu rügen. Fremde, die man im Wald mit geladenem Holzfuhrwerk antraf, hatten zumeist Pferde und Wagen verloren, Märker, die Holz über die zulässige Menge nach Hause führten, wurden mit Geldstrafen belegt17.
Wie wurde nun der Wald, gleichgültig, ob es sich um herrschaftlichen Wald, um Privatwald oder um Allmendwald handelte, genutzt? Sehr deutlich heben sich drei Bereiche voneinander ab: die Holznutzung, die Nutzung des Waldes als Weide- und Futterfläche und die eher untergeordnete Nutzung als Jagdrevier sowie als Sammelort von Nüssen, Beeren oder Honig.
Vorrangiges Ziel der holzwirtschaftlichen Nutzung18 war der Starkholzeinschlag zu Bauzwecken. Da die überwiegende Zahl der Wohn- und Wirtschaftsgebäude als Fachwerkbauten errichtet wurde und das Holz für Arbeits- und Transportgeräte, für Fässer und Bütten und für viele andere Zwecke im Alltag eine herausragende Rolle spielte, wurde Starkholz ständig in größeren Mengen und besseren Qualitäten benötigt. Bevorzugtes Bauholz war die Eiche, die an vielen Stellen günstige Wuchsbedingungen vorfand, als sehr langsam wachsende Baumart jedoch zwei Jahrhunderte und mehr benötigt, um als voll ausgewachsener Baum hiebreif zu werden. Vermutlich wurden die Eichen- und Buchen-Hochwälder zunächst in der Form eines ungeregelten Plenterbetriebes genutzt, bei dem die wertvolleren Hölzer einzelstammweise gehauen und entnommen wurden. Die jungen Bäume wuchsen ohne besondere forstliche Maßnahmen durch natürliche Verjüngung aus Samen nach.
Der steigende Holzbedarf führte bei abnehmender Waldfläche unweigerlich dazu, dass brauchbares Bauholz knapp wurde. Während beispielsweise der erzbischöflich-mainzische Kellner in Oberlahnstein 1437 noch ohne weiteres einen Wagen voll Kelterholz in den Wäldern des Amtes schlagen lassen konnte, musste er 1469, als besonders starkes Holz für vier Kelterschwellen gebraucht wurde, den Zimmermann und seine Helfer zum Holzschlag weit nach auswärts schicken, denn es gab, wie er feststellte, so groißir hulczer in unsen welde nyt19.
Das Recht der Markberechtigten, Bauholz für den eigenen Bedarf aus dem Wald zu beziehen, blieb dennoch unberührt. Wer bauen wollte, hatte das dem Förster anzuzeigen, damit ihm ein entsprechender Hieb angewiesen wurde. Das gehauene Holz musste in einer bestimmten Zeit, meist innerhalb eines Jahres, abgefahren und genutzt werden, jeder Verkauf an Dritte ohne Zustimmung der Förster war untersagt. Wan ein inmerker bawholtz oder eichenholtz zu haben nottürftig ist und darumb in den wald fahren will, so heißt es im Bischofsheimer Weistum, soll er erstlich die fünf märker und ihr jegliche insonderheit umb das holtz bitten und vom förster laub (d.h. die Erlaubnis) nehmen, auch sein stamrecht, nemblich die vier pfennig, geben. Wo er aber den förster nit anheim fende, soll er ihme das stamrecht über die thür legen. Sodann der forster ihme im walde finde, soll er ihm sagen, die vier pfennig liegen über seiner thür20.
Neben dem Starkholzbedarf für Bauzwecke, für Wagen und für vielfältige andere Verwendungen in den Höfen und Kellereien, spielte auch der gewerbliche Bedarf der heimischen Gruben und Bergwerke regional gelegentlich eine größere Rolle. Der Holzverbrauch für Stempel und Stützen, zur Auskleidung von Schachtwänden, für Brennbedarf und für betriebliche Zwecke anderer Art konnte jedoch nicht aus Gemeinwäldern befriedigt werden, so dass das benötigte Baumaterial zugekauft werden musste, wenn nicht die Landesherren, die aus fiskalischen Gründen am Bergbau interessiert waren, durch die Vergabe von Holzrechten ihren Beitrag zur Ausbeutung der heimischen Bodenschätze leisteten.
Vom Umfang her die wichtigste Holznutzung war sicherlich die als Brennholz. Da im Mittelalter das Holz nahezu das einzige natürliche Brennmaterial war, das zum Heizen, Backen und Kochen und für gewerbliche Zwecke zur Verfügung stand, war eine ausreichende Versorgung eine ständige Aufgabe aller Haushalte. An sich konnte Brennholz ja in allen Waldformen gewonnen werden, weil dafür sowohl liegendes und stehendes Totholz als auch Holz von Windwürfen und Frischholz in unterschiedlicher Stärke verwendet werden konnte. Über die Mengen an Brennholz, die geschlagen oder gelesen und aus dem Wald herausgeschafft wurden, macht man sich nur schwer eine Vorstellung: Nach dem Weistum der Rödermark von 1331 durfte jeder Märker unter der Aufsicht der Förster pro Woche zwei Wagen Urholz als Brennholz hauen, einen Wagen am Montag und einen am Freitag und auch die Obermärker, die Herren von Eppstein und die Grafen von Hanau durften ihre Burgen jederzeit mit Brennholz aus dem Wald versehen. In den meisten Markwäldern standen Urholz und Abschläge, Hainbuchen und Hasel den Märkern zu. Auch mehe, so heißt es in Kleinauheim im 15. Jahrhundert, ob ein windtfellig holtz fiell in der obgeschriben mark, wer der erst daruber queme ein eingesessener marker, der mogt dass hawen und widden, queme aber ein vogtherre oder ein amptman von seinetwegen daruber, der mocht es nemen und geben seynem schmide, dass ehr seyn huffslag gehalten kunde21. Und im Karbener Weistum wird festgelegt: Lässt ein her in den sogenanten herrenwäldern holz hauen, so soll er den stamm dritthalb schuhe über der erde lassen und den stamm vierzehn schuhe lang nehmen; das übrige ist urholz und gehört den märkern. [...] Lässt ein herr hauen, so sollen die märker dabei still stehn, bis er sein theil geladen, dann aber zugreifen, (und) äste und abschläge nehmen22.
Gerade für die Brennholzgewinnung, aber auch für Pfähle, Stützen und Stangen war der Niederwald, waren die sogenannten Hecken, die wichtigste Waldform. An den Hängen und in den schattigen Seitentälern der Mittelgebirge, die im natürlichen Zustand einen Eichen-Hainbuchen-Mischwald getragen hatten, waren die Wuchsbedingungen dafür besonders günstig, etwa im Taunus, im Westerwald, im Dillgebiet oder im Siegerland23. Der Niederwald wurde genutzt, indem man die jungen Stämmchen abschlug, den Wurzelstock aber in der Erde beließ, damit er durch Seitentriebe wieder ausschlagen und den Bestand erneuern konnte. Die Hecken kamen gerade dadurch, dass sie auf vielfältige Art und Weise genutzt werden konnten, dem Interesse der bäuerlichen Betriebe besonders entgegen. Wichtigste Nutzungsziele waren der Einschlag von Stangen- und Brennholz und die Gewinnung von Eichenlohe. Um die Lohe, d. h. den für die Lederverarbeitung benötigten Gerbstoff zu gewinnen, wurde die Rinde der in vollem Saft stehenden Eichenstangen geschält, am Baum getrocknet, in einer Lohmühle zerstoßen und in Wasser gelöst. Die übrigbleibenden kahlen Stangen konnten danach abgeschlagen und als Stick- oder Brennholz oder zur Holzkohlegewinnung genutzt werden, so dass sich diese Nutzungsziele im günstigen Fall ergänzten. Da die Lohwaldnutzung von Eichenniederwäldern nur in einem bestimmten Baumalter sinnvoll und ertragreich ist, ergaben sich notwendigerweise bestimmte, feste Umtriebszeiten von 17 bis 20 Jahren. Dementsprechend teilte man die Hecken in eine bestimmte Zahl von Schlägen ein, die im Turnus genutzt wurden.
In einigen Fällen wurden die Hecken auch Köhlern überlassen, zur Gewinnung von Holzkohle, die im Berg- und Hüttengewerbe und in manchen Handwerken benötigt wurde24. Obwohl die Köhlerei ebenso im Mittel- und Hochwald betrieben werden konnte, bot sich die Niederwaldnutzung für den ‚Kohlenhau’ deshalb besonders an, weil sich Stangenholz besser als Stamm- oder Baumholz verkohlen lässt. Schon wegen der starken Nutzung des Niederwaldes für den Stickholzeinschlag und die Brennholzgewinnung spielte die Köhlerei jedoch meist nur eine Nebenrolle. In manchen Weistümern, etwa dem von Babenhausen von 135525, wurde die Nutzung der Markwälder durch Köhler ausdrücklich untersagt. Neben den Köhlern gehörten auch Aschebrenner zu den Nutzern der Wälder für gewerbliche Zwecke. Mit dem heimischen Textilgewerbe, das die Pottasche zur Herstellung von Seife benötigte, besaßen sie einen festen Abnehmerkreis.
Die erhebliche Schädigung und Beeinträchtigung des Waldes durch eine anhaltende, oft sogar ungezügelte Holznutzung ohne wirkliche Beachtung des Prinzips der Nachhaltigkeit wurde durch die Weidenutzung eher noch vergrößert. Bei Eckern- und Eicheltracht Schweine in den Wald eintreiben zu können, verbesserte die Futtergrundlage für die Zeit der Mast im Herbst zwischen Ende September und November ganz entscheidend, auch wenn sich die Möglichkeiten an sich durch die großen Waldverluste im Zuge der Rodungen erheblich verringert hatten. Die Schweine ihrerseits trugen bei starkem Eintrieb durch die Vernichtung der keimfähigen Samen und des Jungwuchses, das Beweiden des Bodens und das Zerbeißen der Wurzeln zwar spürbar zur Belastung des Waldes bei. Andererseits führte aber der Schutz, den man den 'fruchbaren', d.h. den fruchttragenden Buchen und Eichen, angedeihen ließ, zur Erhaltung eines Mindestbestandes an älteren Samenbäumen. Fruchttragende Bäume durch Schälen oder Ringeln zu schädigen galt als ein besonders schweres Delikt in der Mark, das mit drakonischen Strafen geahndet wurde. Das Weistum von Altenhaslau von 1461 zum Beispiel sieht vor: [...] wer einen stehenden baum scheelet, den soll man aufgraben (d. h. aufschneiden) ahn seinem nabel, und ihn mit einem hufnagel mit dem darme an die flecke anheften, da er hat ahngehoben zu scheelen, und ihn solang bis er dasjenige bedeckt, das er gescheelet hat, umb den baum treiben, und sollte er keine darm mehr haben, ohne gefehrde26. Andere Weistümer sind ebenso drastisch und man möchte sich die Realität einer solchen Strafe nicht wirklich vorstellen. Ähnlich unerbittlich verfuhr man übrigens mit Brandstiftern. In Altenhaslau wiesen die Märker auch: [...] wer die mark freventlich ahnsteckt und verbrennt, denselben soll man in eine rauhe küh oder ochsen haut thun, und ihn drey schritt vor das feuer, da es ahm aller heftigsten brennet, legen, bis das feuer über ihn brennet, und das soll man zum zweyten und drittenmahl thun ahn den ort da es ahm heftigsten brennet, und wenn dieses geschehen, und bleibt (er) lebendig oder nicht, so hat er gebüsset27.
Die Mastnutzung wurde von Bauern und Bürgern wie von den Grundherren und ihren Höfen in Anspruch genommen. Die Frage, wie viele Schweine wann in den Wald geschickt wurden, war vom Umfang der Eichel- und Eckernernte abhängig und wurde oft sehr differenziert geregelt. Nach dem Selbolder Markweistum von 1366 durfte ein Märker alle Schweine, die er selbst gezogen hatte, eintreiben. Bauern mit einem Pflug durften acht Schweine schicken, gegebenenfalls sogar entliehene, ein Ritter, der selbst in der Mark saß, durfte ebenfalls alle selbstgezogenen Schweine eintreiben, ansonsten waren ihm 12 erlaubt, einem Adligen wurden acht zugelassen, einem Schöffen des Schöffenamts wegen vier zusätzliche, dem Knecht des Zentgrafen ebensoviel usw.28. Im Flörsheimer Weistum heißt es dagegen: Item so der wald viel eichel hatt und es ertragen mag, soll einem jeglichem inwohner der vier dorffer, der eigen rauch hält, dem armen als dem reichen, einem als viel schwein als dem andern in wald zu treiben vergönnet seyn; wo es aber der wald nicht ertragen möcht, als dann sollen die eichel ufgesteckt und verkauft und denen in den fünf dörffern, die das mehrst darum geben, gelassen werden und solches geld alles den gemeindeinwohnern der fünf dorff und mitmärker zu guth kommen [...]29.
In manchen Fällen hatten die Landesherren aber auch nur noch symbolische Rechte an den Eckern. Welche zeit der herr des walts durch den walt reyten wurde, so heißt es in Karben 1499, und dass em seyn rüterknabe nachritte mit seynem schilt uffgethan; was dan von eckern oben herabe fiele und dem knaben in seynen schilt fiele und ligen bliebe, das seyhe zuförnt des herren, und sunst nichts mehre, sunder das ander alles der mark zuständig30.
Mit dem Sammeln von Laubstreu und Laubfutter und vor allem durch die Waldweide wurden die Niederwälder wie andere Waldformen auch für die Viehwirtschaft nutzbar gemacht. Die Bedeutung dieser ergänzenden Futterquelle ist gerade bei dem überall feststellbaren Mangel an geeigneten Weideflächen und ausreichendem Einstreu für die Ställe kaum zu überschätzen. Den märkern steht die weide in den wäldern zu, unten und oben, heißt es im Weistum der Karbener Mark von 149931. In der Regel wurde nur Großvieh, wurden vor allem die Rinder in die Wälder eingetrieben, während man Schafe und Ziegen wegen des starken Verbisses tunlichst ausschloss. Das Dieburger Weistum von 1429 legte fest, daz keine scheffer ferrer mit sinen schaffen (in den Wald) faren sal, dann er mit sinem stabe von dem fordersten schaffe an, das darine gangen were, herwidder usz gewerffen mag32.
Zu den Waldnutzungen, die insgesamt gesehen zwar von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung waren, im Einzelfall aber den Speisezettel bäuerlicher wie herrschaftlicher Haushalte spürbar erweiterten und bereicherten, gehörten neben der Jagd das Sammeln von Waldfrüchten und die Bienenwirtschaft. Die Jagd, vor allem die Jagd auf Hochwild, war Herrenrecht33. Item die herren von Ziegenhain han das recht, so heißt es im Weistum von Oberaula von 1419, zu jagende, in dem gerichte und in den welden bis an den hagen zu Weygefurte, dorane sall sie nymandt hindern oder bedrangen in keine weis, und horet irer herlichkeit zu34. Für die Ernährungssituation vieler herrschaftlicher Burgen und Residenzen, so zeigen die spätmittelalterlichen Rechnungen aber, hatte die Jagd faktisch keine Bedeutung, wohl aber als adliger Zeitvertreib und als Demonstration landesherrlicher Macht auch und gerade über den Wald der Märker. Denen stand in vielen Fällen zumindest die Niederjagd zu, worüber man sorgsam wachte. Wer in der Elbermark (zwischen Wolfhagen und Fritzlar) ohne Wissen und Willen der Märker Fangstricke oder Schlingen legte, dem sollte man, so wiesen sie, den rechten dumen abloisen und ihn dann laufen lassen35.
Offenbar wenig oder gar nicht reglementiert war dagegen das Sammeln von Beeren und Nüssen, Pilzen und Früchten, das zumeist nur zufällig in den Quellen genannt wird. Es besteht jedoch kaum ein Zweifel daran, dass im Sommer und Herbst von Frauen und Kindern die wildwachsenden Früchte in den Wäldern gesammelt und verarbeitet wurden. In ähnlicher Weise hat man auch versucht, von den wildlebenden Waldbienen Honig und Wachs zu gewinnen, Produkte die als Süßstoff bzw. als Kerzenbrennstoff sehr gefragt waren. Vermutlich stand die Nutzung der Bienennester, die vor allem in ausgedehnten, abwechslungsreichen Hochwäldern zu finden waren, demjenigen zu, der sie entdeckt hatte.
Und welche Folgen hatten diese vielfältigen Beanspruchungen für den Wald? Solange genügend Wald vorhanden war und seine Regenerationsfähigkeit nicht geschwächt wurde, konnten, trotz zunächst weitgehend regelloser, allein am momentanen Bedarf orientierter Nutzung, die entstandenen Lücken ohne weiteres wieder geschlossen und die Nachhaltigkeit des Waldes gesichert werden. Aber schon im 14. und 15. Jahrhundert zeigten die verschiedenartigen Formen der intensiven Waldnutzung gravierende Folgen für den Altersklassenaufbau der Wälder und ihre Zusammensetzung nach Baumarten. Die intensive Nutzung des Waldes, die nicht durch eine gezielte Forstwirtschaft begrenzt wurde, schwächte seine Regenerationsfähigkeit so weit, dass zeitgenössische Abbildungen vielfach einen reduzierten und ausgeräumten, vielfach sogar einen devastierten Wald zeigen.
Während sich die Folgen der Waldnutzung und Waldschädigung in den schriftlichen Quellen kaum in ihrer vollen Wirkung fassen lassen, konnte durch Pollenanalyse etwa für den Soonwald und die Eifel gezeigt werden, dass von den Rodungen vor allem Buchenwälder betroffen waren, während die Eiche durch die Begünstigung als 'masttragender' Baum und als wichtiges Niederholz ihren ursprünglichen Anteil an der Waldfläche um ein Mehrfaches erweitern konnte. In den durch Beweidung und Übernutzung gelichteten und niedergehaltenen Wäldern nahmen zugleich die sich leicht aussamenden, lichtliebenden Gehölze wie Hasel und Birke deutlich zu, während, wie die Pollenanalyse zeigt, die ursprünglichen Erlenbestände in Wiesentälern und Ursprungsmulden weitgehend vernichtet wurden, um dem Grünland Platz zu machen36.
Bedarf und Verbrauch von Starkholz waren insgesamt beträchtlich. Wo aber mehr Starkholz entnommen wurde, als zur gleichen Zeit nachwachsen konnte, sank der Hochwald zum Mittelwald herab, der sich zwar noch teilweise aus Samen verjüngte, in dem die meisten Einzelbäume jedoch lange vor der Hiebsreife geschlagen wurden. Durch die starke Holznutzung und die Lohgewinnung veränderte sich sicherlich die altersmäßige Zusammensetzung der Bestände zugunsten der Mittel- und Niederwälder. Übermäßige Waldweide und Schweinemast beeinträchtigten durch die Nutzung der Eicheln und Eckern und durch den Verbiss der Jungtriebe die natürliche Verjüngung. Das Abweiden der bodenbedeckenden Krautschicht und besonders die Laub- und Streunutzung wirkten sich auf den Nahrungskreislauf des Waldes negativ aus und trugen ihrerseits zur Bodendevastation bei. Diese Folgen einer langfristig verheerenden Übernutzung hat man ohne Zweifel auch schon im späten Mittelalter gesehen und versucht, darauf durch angemessene Maßnahmen zu reagieren. Und reagieren hieß in diesem Fall vor allem, Fremde aus dem Wald auszuschließen und die eigene Nutzung zeitlich oder dem Umfang nach zu begrenzen. Eine Einschränkung der bäuerlichen Allmendrechte aber war nicht nur aus gewohnheitsrechtlichen Gründen schwierig, weil der Wald ein notwendiger und unverzichtbarer Bestandteil der bäuerlichen Wirtschaft war und ein Verzicht auf Mast- und Weidenutzung oder die Versorgung mit Brennholz unweigerlich zum Zusammenbruch der Betriebe geführt hätte.
Die im 14. Jahrhundert aufkommenden Regelungen und Reglementierungen in der Nutzung des Gemeinwaldes lassen jedoch zumindest das Bemühen erkennen, dem Raubbau am Wald Einhalt zu gebieten37. Zunächst stand dabei die Abwehr ungeregelter Rodungen im Vordergrund des Waldschutzes. Nachdem die wirtschaftlichen Stagnations- und Krisenerscheinungen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts dem Wald mancherorts zu einer gewissen Regeneration verholfen hatten, sollten die Waldschutzbemühungen seit dem 15. Jahrhundert vor allem die Übernutzung des Waldes eindämmen. Konflikte um die Waldnutzungsrechte waren in dieser Situation nahezu unausweichlich. Streitigkeiten zwischen den Markberechtigten benachbarter Orte spitzten sich besonders dann zu, wenn nach Zeiten geringeren Nutzungsdrucks der eigene Bedarf wiederum die ganze Mark erforderte, so dass man versuchte, zu den ursprünglichen Allmendverhältnissen zurückzukehren. Vielfach musste in Weistümern oder auch in langdauernden Prozessen und Verfahren eine Klärung herbeigeführt werden, was sich für das späte 15. und das frühe 16. Jahrhundert auch für Hessen an einer ganzen Reihe von Beispielen belegen lässt.
Schutz und Sorge für die herrschaftlichen Waldungen wurden angesichts der spätmittelalterlichen Walddevastationen vor allem zu einer wichtigen Aufgabe landesherrlicher Amtleute. Das Augenmerk der Landesherren galt dabei jedoch nicht allein den herrschaftlichen Waldungen. Die Herren versuchten vielmehr, auch auf die von den Gemeinden genutzten Wälder Einfluss zu nehmen und durch Rechtssetzung ihre Position zu stärken, während sich die Märker gegen die Schmälerung ihrer Rechte durch die immer stärker auch in diesen Bereich administrativ hineinwirkenden Herren zur Wehr setzten. Aber im Verlauf des 15. Jahrhunderts hatten sich die Kräfteverhältnisse oft schon so sehr zugunsten der Territorialherren verschoben, dass die Mark von ihrem Einfluss nicht mehr freigehalten werden konnte. Vor allem dort, wo Wald- und Allmendfragen in Konflikte mit anderen, konkurrierenden Territorialherren hineingezogen wurden, hatten die markberechtigten Bauern und Bürger kaum eine Chance, ihre Position zu wahren. Der Prozess der Territorialisierung, durch den viele Lebensbereiche dem landesherrlichen Zugriff unterstellt wurden, die bisher nicht zur herrschaftlichen Sphäre gehört hatten, sondern genossenschaftlich geregelt worden waren, und das Absinken der Waldnutzer vom selbstbewussten Märker zum abhängigen Untertan werden in diesem Vorgang besonders deutlich38.
Der Wald, so lässt sich zusammenfassen, war auch und gerade im späten Mittelalter die zentrale wirtschaftliche Ressource und entscheidende Energiequelle für bäuerliche, herrschaftliche und bürgerliche Haushalte und Voraussetzung für das vielfach in den Waldzonen angesiedelte Gewerbe. Aber, im Gegensatz zum frühen Mittelalter wie zu den Zeiten moderner Forstwirtschaft war der Wald durch Rodungen und Eingriffe verschiedener Art sowie durch eine ständige, oft kaum geregelte Nutzung erheblich belastet und vielfach geschädigt. Erste Waldschutz- und Hegemaßnahmen begannen erst im Übergang zur frühen Neuzeit zu greifen. Das späte Mittelalter aber ist angefüllt von Nutzungsregelungen und Streitigkeiten vielfältigster Art um den Wald, die bis in die Bauernunruhen des späten 15. Jahrhunderts und den Bauernkrieg von 1525 reichen. Schon Jahrzehnte früher deutet sich mit dem Eingreifen der Landesherren in die Belange des Waldschutzes eine Entwicklung an, die auch hier auf den Weg zum frühmodernen Fürstenstaat und zur neuzeitlichen Forstwirtschaft weist.
Anmerkungen:
*) Der Beitrag entspricht weitgehend der vorgetragenen Fassung. Die Anmerkungen beschränken sich auf die Nachweise und beispielhafte weiterführende Literatur.
1. Zur Waldnutzung auch in Hessen siehe jetzt W. Schenk, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung in vorindustrieller Zeit im mittleren Deutschland (Erdkundliches Wissen, 117), Stuttgart 1996.
2. W. Schich, Der hochmittelalterliche Landesausbau im nördlichen Hessen und im Raum östlich der mittleren Elbe im Vergleich – mit besonderer Berücksichtigung der Klöster und Städte, in: I. Baumgärtner / W. Schich (Hrsg.), Nordhessen im Mittelalter. Probleme von Identität und überregionaler Integration (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 64), Marburg 2001, S. 29-51.3. H. Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Kreise Hofgeismar (Göttinger Geographische Abhandlungen, 8), Göttingen 1951, S. 17 ff. und Kartenbeilagen.
4. H. Boucsein, Der Burgwald. Forstgeschichte eines deutschen Waldgebietes (Veröffentlichungen des Institutes für Forstgeschichte und Forstrecht, 1), Marburg 1955; H.-P. Lachmann, Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter (Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde, 31), Marburg 1967.
5. A. Bonnemann, Der Reinhardswald, Hann. Münden 1984; zuletzt: H.-J. Rapp (Hrsg.), Reinhardswald. Eine Kulturgeschichte, Kassel 2002.
6. K. Sippel, Mittelalterliche und frühneuzeitliche Glashütten im Kaufunger Wald und im Reinhardswald. Ergebnisse archäologischer Geländeforschungen in Nordhessen, in: Baumgärtner / Schich (Hrsg.), Nordhessen im Mittelalter (wie Anm. 2), S. 231-302.7. Siehe O. Volk, Wirtschaft und Gesellschaft am Mittelrhein vom 12. bis zum 16. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Historischen Kommission für Nassau, 63), Wiesbaden 1998, S. 313 ff., hier S. 314.
8. Eine kurzen Überblick zur Überlieferung von Weistümern in Hessen bei D. Werkmüller, Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer, Berlin 1972, S. 94 f.
9. Mainzer Urkundenbuch. Bd. 1, bearb. von M. Stimming, Darmstadt 1932, S. 138 f., Nr. 226.
10. Beispielhaft für den Burgwald: Lachmann, Verfassungsgeschichte des Burgwaldes (wie Anm. 4), S. 44 ff.
11. J. Grimm, Weisthümer, 7 Bände, Göttingen 1840-1878, Darmstadt 21957, hier Bd. 3, S. 462.
12. J.-F. Böhmer (Hrsg.), Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt 794-1400, Frankfurt 1836, S. 732-734. Bei diesem Kauf handelt es sich offensichtlich nur um den Teil des Waldes Dreieich. Zum Reichsforst Dreieich siehe: G. Hoch, Reichsforst und Wildbann Dreieich. Politischer Wandel im Mittelalter, in: H. Danker (Redak.), Erfelden: Geschichte und Geschichten, Trebur 1980, S. 334-339.
13. Zur Allmende siehe jetzt U. Meiners / W. Rösener (Hrsg.), Allmenden und Marken vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Beiträge des Kolloquiums vom 18. bis 20. September 2002 im Museumsdorf Cloppenburg, Cloppenburg 2004, darin besonders die Beiträge: M. Speier / A. Hoppe, Waldnutzungen und Waldzustand mittelalterlicher und neuzeitlicher Allmenden und Marken in Mitteleuropa, S. 47-63, und S. Schmitt, Haingericht, Markgenossenschaft und Dorfallmende. Allmendnutzung und Allmendnutzungskonflikte im Mittelrheingebiet, S. 127-140.
14. Weistum über den Wald zwischen Flörsheim, Rüsselsheim, Raunheim, Seilfurth und Bischofsheim von 1519, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 557.
15. Siehe dazu u. a. S. Epperlein, Waldnutzung, Waldstreitigkeiten und Waldschutz in Deutschland im hohen Mittelalter, 2. Hälfte 11. Jahrhundert bis ausgehendes 14. Jahrhundert (VSWG Beihefte, 109), Stuttgart 1993, bes. S. 50 ff. für den mittelrheinisch-hessischen Raum.
16. Märkergericht zu Oberroden, 16. Jh., in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 545.
17. Ebd., S. 546.
18. Zu den Forstnutzungsrechten siehe beispielhaft: V. Knöppel, Forstnutzungsrechte im ehemaligen Landkreis Wolfhagen, Diss. jur. Marburg 1988.
19. O. Volk (Bearb.), Die Rechnungen der mainzischen Verwaltung in Oberlahnstein im Spätmittelalter (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau, 47), Wiesbaden 1990, S. 746 (Rechnung des Salkellners zu Oberlahnstein von 1469/70).
20. Weistum über den Wald zwischen Flörsheim, Rüsselsheim, Raunheim, Seilfurth und Bischofsheim von 1519, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 558.
21. Weistum der Kleinauheimer Mark, 15. Jh., in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 553.
22. Weistum der Karbener Mark von 1499, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 3, S. 462.
23. Zum Niederwald im Siegerland und im Dillgebiet: M. Kohl, Die Dynamik der Kulturlandschaft im oberen Lahn-Dillkreis. Wandlungen von Haubergswirtschaft und Ackerbau zu neuen Formen der Landnutzung in der modernen Regionalentwicklung (Giessener Geographische Schriften, 45), Gießen 1978; G. Nockemann, Haubergs- und Waldwirtschaft im Siegerland, dargestellt an Beispielen der Müsener Haubergs- u. Waldgenossenschaften, in: W. Müller-Müsen (Hrsg.), Ich gab dir mein Eisen wohl tausend Jahr ... Beiträge zur Geschichte speziell zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte, Hilchenbach-Müsen 1978, S.143-159.
24. Zur Köhlerei siehe zuletzt: B. Heuser-Hildebrandt, Untersuchungen zur Kulturlandschaftsentwicklung anhand von Holzkohlenspektren historischer Meilerplätze, in: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, N.F. 60, 2002, S. 307-332.25. Weistum der Babenhäuser Mark von 1355, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 548.
26. Weistum der Altenhaslauer Mark von 1354, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 3, S. 416.
27. Ebd.
28. Selbolder Markweistum von 1366, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 3, S. 421.29. Weistum über den Wald zwischen Flörsheim, Rüsselsheim, Raunheim, Seilfurth und Bischofsheim von 1519, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 558 f.
30. Weistum der Karbener Mark von 1499, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 3, S. 462 f.
31. Ebd.
32. Weistum über die Dieburger Mark von 1429, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 536.33. Zur Jagd in Hessen noch immer einschlägig: G. Landau, Beiträge zur Geschichte der Jagd und der Falknerei in Deutschland. Die Geschichte der Jagd und der Falknerei in beiden Hessen, Kassel 1849, ND 1992.
34. Weistum zu Oberaula 1419, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 3, S. 333.
35. Weistum der Elbermark 1140, in: Grimm, Weisthümer (wie Anm. 11), Bd. 3, S. 321.
36. Zur Pollenanalyse im Burgwald siehe Boucsein, Burgwald (wie Anm. 4), S. 6-8; zuletzt G. Schmenkel, Pollenanalytische Untersuchungen im Taunus, in: Berichte der Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen 6, 2000/2001, S. 225-232.37. Siehe schon die Bestimmungen des Langsdorfer Vertrages vom 10. September 1263, in dem Landgräfin Sophie von Brabant und ihr Sohn Heinrich I. mit dem Mainzer Erzbischof vereinbarten, dass das Jagdrecht in dem beiden zu gleichen Teilen gehörenden Burgwald beiden Seiten zustehen sollte, dass keiner den Wald devastieren sollte und die Waldhüter gemeinsam eingesetzt werden sollten. Siehe dazu Boucsein, Burgwald (wie Anm. 4), S. 31 f.
38. Vgl. Volk, Wirtschaft und Gesellschaft (wie Anm. 7), S. 334 ff.
Glashütten im Büdinger Wald: Ausschnitt aus einer Kartenbeilage zum Reichskammergerichtsprozess zwischen den Grafen v. Ysenburg-Büdingen und dem Bürgermeister und Rat der Stadt Gelnhausen um die Jagdgerechtigkeit, um 1700;
StA MR Best. P II Nr. 15632
Entwurf einer Verordnung des Landgrafen Moritz zur Verringerung der Glashütten in der Landgrafschaft Hessen-Kassel wegen des großen Holzverbrauchs, um 1600;
StA MR Best. 55a Berg-, Hütten-, Salzwerks- und Münzsachen Nr. 1373
Kohlholz, Waldglasbruchstücke aus dem Spessart und Harzauffanggefäß aus Blech mit Aufhängevorrichtung (ca. 1920). Die Absperrung von der ausländischen Zufuhr im 1. Weltkrieg und der dringende Bedarf der deutschen Heeresverwaltung an Terpentinöl und Harz führte seit 1916 zur großflächigen Wiederaufnahme der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts fast ausgestorbenen Harzgewinnung in den Nadelwäldern.
Leihgaben des Hessischen Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim/Forstamt Hanau-Wolfgang
Konzessionsschein zur Pottaschesiederei für Johann Arend Sonneborn aus Bringhausen im Amt Hessenstein, 1743 Dezember 30;
Pottasche war wegen ihres hohen Kaligehalts bis zur Entdeckung des Kalisalzbergb aus und bis zur industriellen Gewinnung von Soda ein wichtiger Grundstoff, der vornehmlich zur Glaserzeugung, aber auch zum Gerben, Färben, Bleichen und für die Seifenherstellung erforderlich war. Sie wurde vornehmlich durch das Verbrennen von Buchenholz gewonnen
StA MR 40a Hessische Kammer Rubr. 3 Nr. 134.
Listen über den Brenn-, Bau-, Werk- und Flickholzbedarf im Eisenhütten- und Hammerwerk zu Fischbach bei Rosenthal, 1815, 1817;
StA MR Best. 57 Eisenwerk Fischbach Nr. 26
Reskript Landgraf Wilhelms VIII. an die Rentkammer über die freie Verabfolgung der Grubengehölze an die im Lande befindlichen Bergwerke, Kassel, 10. März 1739 ;
StA MR 40a Hessische Kammer Rubr. 12 Generalia
Übersicht über die das Eisenhammerwerk Lippoldsberg beliefernden Köhlereien, 1831;
StA MR Best. 57 Eisenhammerwerk Lippoldsberg Nr. 26
Grebe, Vorsteher und Gemeinde zu Bergheim bitten Graf Christian Ludwig zu Waldeck-Pyrmont um Verschonung ihres Waldes vor Köhlern, Bergheim, 10. Februar 1680
StA MR Best. 115.4 Bergheim Nr. 49

Auszug aus: Grundmann, Volker: Aktuelle Reformen im hessischen Forstwesen,in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S.131-135.
Erinnert werden soll in diesem Zusammenhang auch an die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, als für den Bedarf der Bevölkerung das Holz rationiert werden musste sowie Reparationsleistungen in Holz an die Siegermächte zu liefern waren. Das Ergebnis war der „gefegte Wald“ und ein in Hessen deutlicher, in Niedersachsen drastischer Rückgang der stehenden Holzvorräte.
Holz war der Hauptenergieträger und damit vielfach die Basis für die Lebens-, Arbeits- und Produktionsprozesse. Holzgeldeinnahmen machten in vielen Ländern nennenswerte Anteile am Staatshaushalt aus, in Einzelfällen mehr als 50%. In vielen Schriften früherer Jahrhunderte ist immer wieder von Holznot die Rede; die Forstordnungen waren Regelungsversuche; das Prinzip der Nachhaltigkeit entstand aus dieser Situation.
[…]
Heute sollen die Aufgaben des Staates auch im Forstbereich grundsätzlich auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert werden. Dies hat zwei Gründe, zum einen die schlechte forstliche Ertragssituation (Urproduktion in der Preis- Kosten- Schere) bei langfristig prekärer Haushaltslage der öffentlichen Hände, zum anderen den Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit beziehungsweise geringer Effizienz staatlicher Betriebe.
Wie reagiert der Staat darauf?
Er verfolgt drei Ziele:
1. Die Ertragssituation ist drastisch zu verbessern (stetiger Preisverfall seit den 60er Jahren).
2. Die Gemeinwohlverpflichtung ist gleichrangiges Ziel (Schutz und Erholung, Waldpädagogik, Wissenstransfer, Naturschutz).
3. Das Wettbewerbs- und Kartellrecht ist zu berücksichtigen (indirekte Förderung des nichtstaatlichen Waldbesitzes, Klage vor dem Europäischen Gerichtshof).
Die profanen Schritte dazu heißen: Reorganisation einschließlich Veränderung der Rechtsform und kaufmännisches Rechnungswesen, Aufgabentrennung (Hoheit), Personalabbau und Funktionalisierung, Outsourcing, Aufgabenabbau und neue Geschäftsfelder, e-Governement usw..
Reorganisation und neue Rechtsform
Betrachtet man die forstlichen Aufgaben von der Forsthoheit über Waldbehandlung, Holzvermarktung, Waldschutzberatung, Forschung und Umweltbildung bis zur Bedeutung des Waldes für die Umweltvorsorge im Rahmen der zu erwartenden Klimaveränderung, die Trinkwassergewinnung, die Lufthygiene in dicht besiedelten Landesteilen, die Biodiversität und den Naturschutz, dann ist das grundsätzliche Festhalten an dem „Einheitsforstamt“ verständlich. Das Einheitsforstamt vereinigt alle forstlichen Aufgaben der unteren Verwaltungsebene in einer Dienststelle, die für den Wald aller Besitzarten auf gegebener Fläche zuständig ist. In mehreren Forststrukturreformen der Nachkriegszeit wurde bis 2001 die Zahl dieser Einheiten von ca. 180 auf 85 reduziert. Die Rechtsform blieb das staatliche Einheitsforstamt, in dem man die höchste Stufe forstlicher Synergien sah.
Zum 1.1.2001 gründete Hessen den Landesbetrieb Hessen-Forst gemäß § 26 der Landeshaushaltsordnung und änderte damit die Rechtsform.
Ein Landesbetrieb ist ein rechtlich unselbständiger abgesonderter Teil der Landesverwaltung, der erwerbswirtschaftlich ausgerichtet ist mit eigener Haushalts- und Wirtschaftsführung außerhalb des Landeshaushalts, ein sogenannter Nettobetrieb; wir hätten das auch gerne so. Damit verbunden ist die Einführung der doppelten kaufmännischen Buchführung mit der Erstellung einer Bilanz.
Gleichzeitig wurde die dreistufige Verwaltungsstruktur (Ministerium, Regierungspräsidium, Landkreis) auf den hoheitlichen Teil beschränkt, lediglich auf der unteren Ebene bleibt ein Teil der Hoheit beim Forstamt, also bei dem Betrieb.
[…]
Personalabbau und weitere Reorganisation
In der Forstwirtschaft kamen Rationalisierungseffekte durch Mechanisierung und Automatisierung später als in anderen Wirtschaftsbereichen, aber sie kamen: z. B. die Motorsäge, die Schälmaschine, der Harvester, die Datenverarbeitung. Bei letzterer hat übrigens die hessische Forstverwaltung Pionierarbeit geleistet, aber das nur am Rande. Sie machten in den vergangenen fünfzig Jahren einen massiven Personalabbau möglich. So schrumpfte die Zahl der Forstämter in dieser Zeit von ca. 180 auf 41 im Jahre 2005, entsprechend die Zahl der Revierförstereien, der Beamten, der Angestellten und der Waldarbeiter. Allein die Forst-Strukturreform zum 1.1.2005 führte zu einer Halbierung der Zahl der Forstämter, zur Reduktion der Reviere um ein Drittel und zur Halbierung der Waldarbeiterzahl. Insgesamt beträgt der Personalabbau zu diesem Stichtag mit Hilfe der Personalvermittlungsbörse 34%. Damit verbunden ist aber auch eine Veränderung des Aufgabencharakters. Der Amtsleiter wird zum Manager, das Forstamt im Kommunal- und Privatwald zum Dienstleister, ein Teil der Förster vom Generalisten zum Spezialisten. Neben dem Revierleiter, dem bisherigen „Allrounder“ im Revier, werden „Funktionsbeamte“ revierübergreifend eingesetzt, so zum Beispiel für Technik, Privatwald, Naturschutz, Öffentlichkeitsarbeit, Waldpädagogik oder die Naturparke. Der Waldarbeiter (Forstwirt, Forstwirtschaftsmeister) wird für die Tätigkeiten eingesetzt, die sich nicht so gut „outsourcen“ lassen oder die eine besondere fachliche Qualität erfordern, wie Pflegemaßnahmen in Jungbeständen oder Wertholzeinschlag.
Eine besondere Form des Personalabbaus ist die Ländergrenzen überschreitende fusionsartige Kooperation der angewandten forstlichen Forschung beispielsweise der Länder Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt oder die Kooperation mit Aufgabenteilung zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Durch die Kooperationen soll die wissenschaftliche Kompetenz in allen forstlichen Fachbereichen für diese Länder erhalten bleiben.
Outsourcing
Die Holzmärkte sind unsteter geworden, wozu auch ihre Globalisierung beiträgt. Der Rationalisierungsfortschritt im Forstbetrieb ist größer, als man wahrzunehmen scheint. So ist es aus betrieblichen Gründen nicht sinnvoll, Personal für 100% der voraussichtlich anfallenden Tätigkeiten vorzuhalten. Heute strebt Hessen-Forst deshalb eine 60%-Abdeckung der anfallenden Arbeiten mit eigenem Personal an. Der Rest wird an Unternehmen vergeben. Auch ein Teil der Waldinventur im Rahmen der Forsteinrichtung wird an forstliche Fachgutachter vergeben. Der größte Teil der Leistungsvergabe findet heute im IT-Bereich statt.
Kaufmännisches Rechnungswesen
Der Schritt aus der Kameralistik in die doppelte kaufmännische Buchführung sollte einer staatlichen Wirtschaftsverwaltung nicht schwer fallen. Auch wenn die hessische Forstverwaltung seit langem eine Kosten-Leistungsrechnung in nennenswerten Bereichen betrieben hat, wird eine Bilanz erst mit der Gründung des Landesbetriebes Hessen-Forst eingeführt und ich muss sagen, wir üben noch.
Die für einen Landesbetrieb vorgesehene Budgetierung erfolgt bisher vor allem im Personalkostenbereich nur bedingt, der Stellenplan ist Teil des Landeshaushalts. Rücklagen können nicht wirklich gebildet werden, da alle Einnahmen natürlich zur Verminderung der Schuldenlast beitragen müssen. Das Instrument für das kaufmännische Rechnungswesen, SAP R3, hat die „Konzernleitung Hessen“ in Wiesbaden für ihre und alle Zwecke der Konzernteile vorgesehen. Dabei scheint das „Schachbrett-Reiskorn-Problem“ zu den späteren Vereinfachungsthesen geführt zu haben und das Subsidiaritätsprinzip bereits auf höchster Ebene zu enden.
Aufgabenverzicht
In den vergangenen 35 Jahren bezog die hessische Forstverwaltung in mehreren Schritten die Erfassung und Berücksichtigung der Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes in ihre Bewirtschaftung ein. Sie kartierte Wald- und Gewässerränder, integrierte die Hessische Biotopkartierung in die Planung, erfasste und produzierte Totholz und berücksichtigte Bodendenkmale im Wald. 1989 wurde die etwas sensiblere Naturgemäße Waldwirtschaft für den Staatswald obligat und im Nichtstaatswald empfohlen. Eine für Europa einmalige Naturwaldreservateforschung konnte als langfristiges Programm zum Biodiversitätsmonitoring des Waldes entwickelt werden. Die Häufung von Witterungsextremen führte zu größerem Beratungs- und Arbeitsaufwand. Die Ansprüche der Gesellschaft auf Waldpädagogik und Wissenstransfer sind gestiegen.
Irgendwie haben wir das mit dem Aufgabenverzicht noch nicht richtig verstanden.
Ausblick
Die derzeitigen Reformen im Forstwesen der verschiedenen Bundesländer zeigen eine große Vielfalt und die Ergebnisse besitzen ein kurzes Leben. Die Stichjahre für Hessen sind 1996, 2001 und 2005. Die Veränderungen werden aber weiter gehen, damit die Wirtschaftsziele schnell und umfassend erreicht werden, ohne dabei die Gemeinwohlziele über Bord zu werfen.
„Im Grunde geht es um die Frage, ob Forstwirtschaft am Standort Deutschland im Spannungsfeld der Anforderungen auf lange Sicht aus sich heraus überhaupt lebensfähig ist. Angesichts der europaweit höchsten Holzvorräte, dem Rückenwind für diesen nachwachsenden Rohstoff und dem vorhandenen forstlichen Know-how sollten sich hier etwaige Zweifel zerstreuen lassen! Den Beweis werden die neu aufgestellten Betriebe entschlossen antreten und damit effektiv der Forstwirtschaft in Deutschland, allen Härten des Umbruchs zum Trotz, neuen Auftrieb geben"2.
- Hauptmerkbuch der Oberförsterei Roßberg, S. 297.
- Nüßlein, in: AFZ – Der Wald 13, 2005, S. 683.
Akte zum Holzverkauf im Forstamt Rauschenberg;
StA MR Best. 186 Rauschenberg Nr. 80
Holzangebot der Firma Weill & Co. Saarbrücken, 17. November 1917
StA MR Best. 186 Rauschenberg Nr. 80
Holzverkaufsanzeige der Oberförsterei Rauschenberg;
StA MR Best. 186 Rauschenberg Nr. 80
Publikation der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald zu den Ursachen des Baumsterbens;
StA MR Amtsdrucksachensammlung.
Aufruf des Naturschutzzentrums Hessen zum Waldspaziergang;
StA MR Best. 186 Vöhl
Flugblatt zum Waldsterben;
StA MR Best. 186 Vöhl
Waldzustandsbericht des Landes Hessen und Jahresbericht von Hessen-Forst, 2002/2003;
StA MR Amtsdrucksachensammlung
Werbebroschüre zur Waldbestattung;
StA MR Amtsdrucksachensammlung

Auszug aus: Weimann, Hans-Joachim, Bemerkungen zum Wirken der hessen-kasselschen Forstleute Ludwig Christian von Einsiedel, Ernst Friederich Harting und Raban Freiherr Spiegel von und zu Peckelsheim, in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S. 123-131.
Wegen Brennholznot der Burgwaldgemeinden war Ludwig Christian v. Einsiedel zwei Jahre zuvor mit einer Inventur der dortigen Buchenbestände beschäftigt. Am 1. Mai 1734 hat er mit einer Waldbereitung der landgräflichen Forsten im Oberfürstentum Marburg begonnen. Da er wegen zunehmender Klagen über Brennholzmangel 1750 beauftragt wird, die Inventur zu wiederholen, kommt es zu dem forstgeschichtlichen Glücksfall eines Zustandsvergleichs durch den gleichen Taxator. Für 1734 ergibt sich aus der Einsiedel‘schen Zusammenstellung ein Gesamtbrennholzvorrat von rund 592.000 Klafter. Sechzehn Jahre später sind es dann nur noch 442.000 Klafter, 25% weniger. Für die landesherrlichen Teile des Burgwaldes beträgt die Minderung sogar 28%. Ein so großer Verlust in so kurzer Zeit ist in einer grundlegenden Arbeit über dieses Waldgebiet zunächst als unvorstellbar empfunden worden. Ludwig Christian v. Einsiedel hat indessen die Verluste Forstort für Forstort im einzelnen nachgewiesen. Es ist zwar eine drastische Relation, aber auf niedrigstem Niveau. Wenn man die Zahlen auf heutiges Maß umrechnet, so sind dies für die landesherrlichen Forsten im Burgwald und das Jahr 1734 nur noch etwa vierzig Kubikmeter Brennholz je Hektar einschließlich Rinde und Reisig. Das sind nur 15% des heutigen Holzvorrats. Eine weitere Abnahme um 28% in 16 Jahren oder um 0,7 Kubikmeter je Jahr und Hektar ist bei einer derart geringen Menge dann doch glaubwürdig. So vermitteln die Waldbereitungsprotokolle des Ludwig Christian v. Einsiedel ein eindrucksvolles Bild über die Abholzung eines großen hessischen Waldgebietes mit einem schlimmen Tiefpunkt der Entwicklung in der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Eindrucksvoll sind seine Notamina, wo zur Aufnahm und Wiederherstellung derer Waldungen im Oberfürstenthumb Marburg und in specie des Burgwaldes ohnumbgänglich vonnöthen. Darin empfiehlt er u.a.:
- Daß die Wildbahn am Burgwalde, weil das Wildepreth in der mitten deßelben die Schläge und Geheege nicht aufkommen lässt, [...] umb ein merkliches und wo nicht gar umb die helfte doch wenigstens über 1/3 zu vergeringern.
- Daß die alten vor mehr als 40 oder 50 Jahren zu lichte ausgehauenen Schläge, allwo das graß überhand genommen, durch einstweiliges behüten oder abmehung des alten graßes gesäubert und diejenige, wo weder graß noch Holz gewachsen, umbgeackert oder gehacket und mit allerhand Holzsaamen nach Beschaffenheit grundt und Bodens besehet undt wieder zum anwachs gebracht.
- Daß das junge reiß und Stangenholz zu rechter Zeit ausgeleuttert, geschneitelt und zum wachsthumb befördert [...]
- Daß das schädliche Laubhohlen zum Streuen, in specie am Burgwald und an anderen orthen, gäntzlich abgeschaffet [...] im maßen durch das Laubhohlen denen Waldungen die Nahrung und Düngung entzogen und dem jungen Stangenholz der wachsthumb benommen [...].
Im Jahre 1747 sehen wir v. Einsiedel als forstlichen Organisator des Reinhardswaldes. Er ist der prominenteste Forstmann in einer vierköpfigen Bereitungskommission, zu der auch der Kammerpräsident v. Borck gehört. Die Beteiligung des Präsidenten erklärt sich wohl aus der besonderen jagdlichen Bedeutung dieses Waldgebiets. Der Reinhardswald wird um besserer Aufsicht und Ordnung willen in acht Forste geteilt. Der Ordnung bedurfte auch die allzu weitgehende Nutzung als Viehweide. Landgraf Philipp der Großmütige hatte zwar einst einem über Wildschäden klagenden Bauern sinngemäß gesagt: Wenn er den Kühen der Bauern erlaube, in seinen Wald zu gehen, so müßten die Tiere des Landesherrn doch auch auf dem bäuerlichen Feld fressen dürfen2. Zur Plage wird beides. Nun wird die Waldweide durch ein Hute-Reglement begrenzt. Ludwig Christian v. Einsiedel unterschreibt auch am 4. Dezember 1747 eine Dienstanweisung für die acht Reitenden Förster im Reinhardswald und verpflichtet sie unter anderem uf die junge Gehege und Schläge fleißig acht zu haben, damit solche nicht durchhütet oder sonsten verderbt, auch keiner dem andern in seine abgeteilte Hute komme, sondern dem neuen Hudens Reglement so wohl von ihnen als auch von andern stricte nachgelebt werde. Ein weiterer von den nur fünf Punkten dieser Vorschrift gilt der Bestandsbegründung: Sollen sie sich die Fortführung der Eichell Garten und Zuschläge wie auch die Verpflanzung der jungen Buchen und Haynebuchen wohl angelegen sein lassen. Schließlich sollen sie in Summa alles tun, was ein treufleißiger Förster zu tun schuldig [...].
Wie v. Einsiedel wird Ernst Friedrich Hartig Chef des Hessen-Kassel’schen Forstwesens – ein Jahrhundert später. Praktisch ausgebildet wurde er von seinem kompetenten Vater und seinem später sehr berühmten ältesten Bruder Georg Ludwig. Studiert hat er in Göttingen und Marburg. Hier war er Schüler von Jung-Stilling. In den ersten sechs Berufsjahren hat Hartig vor allem mit gutachterlichen und planerischen Aufgaben zu tun. Fast 20 Jahre lang ist er in Fulda tätig unter zunächst Nassau-Oranischer, dann Französischer, dann Großherzoglich Frankfurter, schließlich Kurhessischer Herrschaft. In einer Autobiographie schreibt Hartig, er habe vom Jahre 1797 an, zweien Kaisern, einem Könige, zweien Kurfürsten, einem Großherzog, einem Landgrafen, einem Fürsten und einem Grafen gedient. Im Jahre 1821 wurde ihm die Ober-Forst-Direktion von Kurhessen anvertraut. Seine in Fulda gegründete Forstlehranstalt war bereits 1810 verstaatlicht worden.
In der Buchonia muß Ernst Friedrich Hartig einen schlimmen Niedergang der Buchenbestände erleben. Sein Bruder Georg Ludwig hatte schon bei einer Studienreise im Jahre 1793 Unerfreuliches gesehen: So bald ich das angrenzende Fuldische berührte, fand ich Sandsteine und Sandboden - schlecht mit Birken bewachsen – wipfeltrockene3 Eichen mitunter und Heide in erstaunlicher Menge. Die birkenen Wurzelschläge, welche ich gesehen habe, sind außerordentlich licht – der Wuchs an den Eichen ist sehr elend; und Heide prädominiert. Horrende Strecken sind so bewachsen, und man löst dort beinahe mehr Geld aus der Heide, die zur Streu gehackt und zerlegt wird, als aus dem Holze.
Zwecks notdürftiger Befriedigung des dringlichen Brennholzbedarfs bei Erhaltung der Bestockung mit Buche hat Ernst Friedrich Hartig ein von seinem älteren Bruder empfohlenes aber kaum selbst angewendetes radikales Verfahren erprobt und ist damit gescheitert: Der „Hochwald-Konservationshieb“ war ein starker Einschlag in Buchenstangenhölzern mit der Hoffnung auf Bestandserneuerung aus restlichen 250 bis 900 Stangen je Hektar und aus Stockausschlag. Trocknis und unzureichende Ausschlagneigung waren die Folge. Die Erschöpfung der Bodenkraft durch übermäßige Streuentnahme mag wesentlich mitgewirkt haben. Man verspottete das Unternehmen als Hochwald-Konfusionshieb. Eine Bestandsneubegründung mit Nadelholz wurde unausweichlich.
In seinem 1825 erschienenen Lehrbuch über forstliche Planung beschreibt Hartig seine traurige Erfahrung so: Die Umwechslung der herrschenden Holzarten kann nur in Betreff derjenigen Bestände zweckmäßig seyn, wo der Boden durch übertriebene Streubenutzung in seiner Güte so sehr heruntergekommen, oder der Bestand so unvollkommen und verdorben ist, daß die vorhandene Holzart nicht mit Gewißheit und Vortheil reproduziert werden kann. Dieser Umstand trifft gewöhnlich die in jeder Hinsicht so nützlichen Buchenbestände auf dem älteren und jüngeren Sandstein und jüngeren Kalkgebirge am meisten4.
Originell und weitsichtig ist eine deutliche Abkehr Ernst Friedrich Hartigs von der Reinbestandswirtschaft. Er empfiehlt Mischungen aus Gründen der Qualität und der Stabilität. In jenem Lehrbuch heißt es hierzu unter anderem: Überhaupt lasse man sich von der Idee, nur reine Laub- und Nadelholzbestände zu erziehen, nicht beherrschen, denn sie schadet der Holzproduktion sehr, indem bei unvollkommenen Laubholzwaldungen, besonders in schlechten Standorts-Verhältnissen, eine Vermengung mit Nadelholz äußerst vorteilhaft ist. Sie wirkt durch ihre leichte und wohlfeile Kultur auf die schnelle Vervollkommnung der Bestände und vermehrt dadurch nicht nur unmittelbar das Produktionsvermögen der Wälder, sondern verbessert auch [...] die Produktionsfähigkeit des Bodens in kurzer Zeit und sichert überdies bei eintretendem Insektenschaden wenigstens einen Teil des Bestandes vor dem Verderben. Dabei ist wohl aus heutiger Sicht die Tendenz wichtiger, als die naturwissenschaftliche Stichhaltigkeit einzelner Begründungen.
Eine besonders eindrucksvolle Leistung dieses Buches ist der Entwurf eines sehr fortschrittlichen und effizienten Verfahrens zur Erfassung von Boden- und Klimaverhältnissen5. Die Grundgedanken moderner hessischer Standorterkundung sind ähnlich.
Weitgehend erhalten geblieben sind die Hartig’schen Fachwerkpläne für kurhessische Waldungen. Zwischen 1821 und 1834 hat er die Ersteinrichtung von mehr als 83.000 Hektar kurhessischer Staats- und Interessentenwaldungen selbst erarbeitet oder geleitet.
- H. J. Weimann, Wald- und Forstgeschichte des Burgwaldes, in: Pilotprojekt Burgwald. Mitteilungen der Hessischen Landesforstverwaltung 30, 1996, S. 39-59, hier S. 48 ff.
- C. Alt, Philipp der Großmütige und sein Volk, in: Philipp der Großmütige. Festschrift des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen, Marburg 1904, S. 333.
- Im Original: polsoore.
- E. F. Hartig, Die Forstbetriebs-Einrichtung nach staatswirthschaftlichen Grundsätzen, Cassel 1825, § 39, S. 31.
- Ebd., S. 142 ff.
Theodolith zur Vermessung von Waldflächen, Bestandsgrenzen, Wegen und Bachläufen (vor 1919) und Winkelspiegel zur Aufnahme rechter Winkel im Gelände, (1930);
Leihgaben des Hessischen Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim/Forstamt Hanau-Wolfgang
Kartiergerät zum Auftrag von Polarkoordinaten (Maßstab 1:2880), 2. Hälfte 19. Jh.;
Leihgabe des Hessischen Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim / Forstamt Hanau-Wolfgang
Transversalmaßstab für Forsttaxatoren (Maßeinheiten: Hannoversche Elle und Fuß), [vor 1900];
Mit Hilfe des Maßstabs kann mittels eines Zirkels jede beliebige Länge in der Karte (z.B. Jagdgebiete, Grenzlinien) durch Abgreifen abgelesen werden
Leihgabe des Hess: Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim / Forstamt Hanau-Wolfgang.
Baumhöhenmessgerät zur Ermittlung der Holzmasse stehender Bäume, [um 1910];
Leihgabe des Hess: Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim/Forstamt Hanau-Wolfgang
Kompassbussole (im Holzkasten) zur Fernerkundung, [um 1900];
Leihgabe des Hess. Forstmuseums Alte Fasanerie Klein-Auheim / Forstamt Hanau-Wolfgang
Forstbeschreibung des Huttischen Grundes im Amte Salmünster von Landforstmeister Ernst Friedrich Hartig zu Fulda, 1810;
StA MR Best. H 135a
Beschreibung und Ertragsberechnung des Forsts zu Nentershausen von Landforstmeister Ernst Friedrich Hartig, 1824;
StA MR Best. 186 Nentershausen B Nr. 906

Auszug aus: Wolff, Fritz, Der frühneuzeitliche Wald in der Kartographie, in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S. 33-59.
Forstkarten sind ein unverzichtbares Arbeitsinstrument der modernen Forstwirtschaft. Bestandskarten, Betriebskarten, Waldzustandskarten, Wirtschaftskarten und andere Spezialkarten1 über Besitzverhältnisse und Nutzungen, das Forstwegenetz, Forstschäden usw. gehören wie die Betriebs- und Einrichtungswerke und ihre Vorläufer, die Exercitien- und Forstlagerbücher, zu den Grundlagen eines geregelten und auf Nachhaltigkeit abgestellten Forstbetriebs. Diese Vielfalt der Forstkartographie ist das Ergebnis einer längeren Entwicklung. Die systematische Vermessung der Forstflächen mit dem Ziel der Schaffung eines Forstkatasters und die damit verbundene Ausdifferenzierung der Forstkarten setzt in Kurhessen (Kassel) nach 1821 in Verbindung mit der allgemeinen Landesvermessung ein, im Großherzogtum (Darmstadt) einige Jahre später, ab 1825 unter J. H. Zamminer2. Ein frühes Beispiel für die Gesamtaufnahme der Waldfläche eines deutschen Territoriums bietet Württemberg mit dem von Andreas Kieser 1680 bis 1688 erarbeiteten Forstkartenwerk (280 Blatt im einheitlichen großen Maßstab 1:8.250)3; Hessen besitzt ein bescheideneres Gegenstück in dem Forst- und Jagdatlas des Landgrafen Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, der unten unter Nr.12 näher beschrieben werden soll.
Lange bevor solche Gesamtaufnahmen in Angriff genommen wurden, schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, gab es Karten, auf denen der hessische Wald erscheint. Allerdings können sie kaum als Forstkarten im modernen Sinne angesprochen werden, obwohl sie manchmal so bezeichnet werden. Sie sind nicht zu Forstbetriebszwecken angefertigt worden, sondern aus ganz anderen Motiven. Hessen ist ein Land voller Wälder und gebirgig – so faßte Luther um 1540 den Eindruck zusammen, den er von seinen Reisen durch das Land mitgenommen hatte4, und so ist es fast unvermeidlich, daß auf jeder hessischen Karte ein Stück Wald größeren oder geringeren Umfangs erscheint, gleichgültig aus welchem Anlaß sie entstanden ist und welches Gebiet sie abbildet. Der Anlaß war im 16. Jahrhundert, als die deutschen Fürsten und ihre Beamten die Karte als nützliches und praktisches Informationsmittel entdeckten5, fast immer eine rechtliche Auseinandersetzung, bei der es um Grenz- und Besitzverhältnisse ging. Neben das Gerichtsprotokoll mit dem Zeugenverhör trat die Karte des streitigen Gebiets, gleichsam mit dem Anspruch „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Und in der Tat waren es oft bildhafte Darstellungen, die die Kartenmaler lieferten, Landschaftsbilder aus der Vogelschau oder aus einem noch flacheren Ansichtswinkel, gelegentlich bis fast zur Augenhöhe herab. Bei der Aufnahme von Waldungen bietet sich dann nicht nur die Ansicht von oben, sondern geradezu der Blick in den Wald hinein, bei dem sogar einzelne Bäume und Baumarten zu erkennen sind. Hinzu kommt, daß man bei größeren Aufgaben gern professionelle Malkünstler beschäftigt hat, oft solche aus der Frankfurter Malergilde6, und von diesen wurden Elemente der Landschaftsmalerei ins Kartenbild übernommen. Der heutige Betrachter solcher nach Format und Maltechnik mitunter schon gemäldeartig wirkenden Bilder wird fragen, ob man sie überhaupt noch als Karten bezeichnen kann – man kann es, wenn man die übliche Definition für „Landkarte“ – die verkleinerte, verebnete und vereinfachte Darstellung eines Teils der Erdoberfläche – darauf anwendet. Zur näheren Charakterisierung werden sie dann in der Fachterminologie als „Bildkarten“ oder als „Augenscheinkarten“ (nach ihrem Entstehungszweck bei der gerichtlichen Inaugenscheinnahme) bezeichnet.
Neben den Prozeß- und Streitkarten, der „forensischen Kartographie“, gibt es noch einen anderen Kartentyp, der für das Thema Wald wichtig ist. Ebenfalls schon im 16. Jahrhundert beginnt man in Hessen mit der Vermessung von Grundflächen zu reinen Verwaltungs- und Wirtschaftszwecken7, auch ohne aktuellen prozessualen Anlaß. Sie reicht von der Aufnahme von Einzelgrundstücken über die größerer Gebietsteile, von Amts- und Gerichtsbezirken, bis hin zu einer umfassenden Landesaufnahme, die schon Landgraf Philipp geplant hatte und die dann unter Landgraf Moritz durchgeführt, wenn auch nicht vollendet wurde. Auch diese „Landtafeln“, wie ein zeitgenössischer Ausdruck lautet, weisen insbesondere bei Karten größeren Maßstabs noch bildhafte Elemente auf, etwa bei den im Aufriß wiedergegebenen Ortsansichten oder bei der Darstellung von Bäumen und Buschwerk; wo aber ein größeres Gebiet aufgenommen wird und damit ein entsprechend kleinerer Maßstab angewendet werden muß, setzt sich eine immer stärkere Verflächung und schließlich die Grundrißzeichnung im Ansichtswinkel von 90° durch. Was vorher Bild war, wird nun zur Signatur verkürzt: Unterschiedlich gezeichnete Baumkronen verschwinden, sie werden für Laubhölzer durch einfache Kugeln oder Dreipässe, für Nadelhölzer durch das spitzwinkelige Dreieck ersetzt.Auf den Landtafeln ist der Umfang der bewaldeten Flächen durch die meist kräftige Grünfärbung leicht festzustellen, mitunter wird schon Laub- und Nadelwald unterschieden, und die Forstnamen sind mit großer Akribie, wenngleich häufig in einer verwilderten Orthographie wiedergegeben. Der Vergleich von Karten, die dasselbe Gebiet umfassen, aber zu unterschiedlichen Zeiten angefertigt wurden, vermag Aufschluß zu geben über Veränderungen in der Ausdehnung und im Bestand des Waldes. Legt man die TK 25, das moderne Meßtischblatt, daneben, so kann man Entwicklungen über mehrere Jahrhunderte verfolgen.
Wie der Wald auf frühneuzeitlichen Karten erscheint, soll im folgenden an einigen Beispielen, jeweils sechs Prozeßkarten und sechs Blätter der Landesaufnahme, gezeigt werden. Die hier präsentierte Auswahl veranschaulicht mögliche Fragestellungen und Aussagen zum Thema.
1. |
Eine zusammenfassende Darstellung der Entwicklung der forstlichen Kartographie gibt es bisher nicht. Das sonst nie versagende Lexikon zur Geschichte der Kartographie, bearb. von I. Kretschmer u. a., 2 Bde. Wien 1986, bringt nicht einmal das Stichwort Forstkarte. Auch die forstlichen Spezialbibliographien von R. Immel, Mainz 1958, und A. Henne, Hann. Münden 1999, weisen s. v. „Karte“ keine Titel zu diesem Thema nach. Die im 19. und 20. Jahrhundert gebräuchliche Terminologie findet sich am ehesten in den Anweisungen zur Ausführung der Betriebsregelungen bzw. zur Vorratsaufnahme, die periodisch als behördeninterne Drucke erschienen sind. |
2. | Vgl. H. Boucsein, Der Burgwald, Marburg 1955, S. 187 f., und L. Zögner, Hessen, in: Lexikon zur Geschichte der Kartographie (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 292. |
3. | Vgl. R. Oehme, Geschichte der Kartographie des deutschen Südwestens, Konstanz 1961, S. 43 ff., dazu Abb. 30. |
4. | M. Luther, Tischreden (Weimarer Ausgabe), Bd. 4, Nr. 4182. |
5. | Vgl. G. Leidel, Die Anfänge der archivischen Kartographie im deutschsprachigen Raum, in: Archivalische Zeitschrift 85, 2003, S. 85-146, mit weiterführenden Literaturangaben |
6. | Einige Hinweise auf Frankfurter Maler, die in Hessen und den benachbarten kleineren Territorien als Kartographen tätig waren, bei F. Wolff, Elias Hoffmann, ein Frankfurter Kartenmaler und Wappenzeichner des 16. Jahrhunderts, in: ZHG 94, 1989, S. 71-100, hier S. 73 und 8 |
7. | Vgl. L. Zimmermann, Der Ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., Bd. 1, Marburg 1933, S. 126 ff., und L. Zögner, Hessen (wie Anm. 2) |
Jagd- und Forstatlas Landgraf Ludwigs VIII. von Hessen-Darmstadt, 1720/1761;
StA DA Best. D Abt. 4 Nr. 396/2
Grenze zwischen Waldeck und Westfalen im Upland (um 1585); Anonym / (ca.1:50.000) / Papier / Kolorierte Federzeichnung.
StA MR Best. Karten P II Nr.10.146. Akten in Best. 4 f Waldeck Nr.1132. Lit.: K. Schäfer 1979
Grenze zwischen Hanau und Kurmainz bei Salmünster (1554); Jakob Laßmann / unmaßstäblich / Papier / Kolorierte Federzeichnung.
StA MR Best. Karten P II Nr. 15.581.Akten in Best. 250 M 6. Lit.: W. K. Zülch 1935
Grenze zwischen Hanau und Hutten bei Steinau (1585?) Anonym (Elias Hoffmann ?) / unmaßstäblich / Papier / Federzeichnung sw.
StA MR Best. Karten P II Nr.14.874. Lit.: F. Wolff 1989
Hessisch-thüringische Grenze bei Hönebach (1556) (Simon Bing) / (ca.1:10.000) / Papier / Kolorierte Federzeichnung.
StA MR Best. Karten P II Nr.10.373/1. Akten in Best. 3 Nr. 2704.
Gleiberger Wald und Verser Mark (um 1580); Anonym / (ca.1:12.000) / Papier / Kolorierte Federzeichnung.
StA MR Best. Karten P II Nr.11.491. Akten in Best. 4 f Nassau-Weilburg Nr.19 und 27. Lit.: F. Wolff/W. Engel 1988.
Streitiges Gehölz bei Volkmarsen (um 1585); Joist Moers / (ca.1:25.000) / Pergament / Kolorierte Federzeichnung.
StA MR Best. Karten BP II Nr.10.469. Akten in Best. 115.2 Köln Pak. 287-290. Lit.: K. Schäfer 1979.
Das Amt Jesberg (1585); Joist Moers / (ca.1:15.000) / Pergament / Kolorierte Federzeichnung.
StA MR Best. 17e Jesberg Nr.61. Akten ebd. Lit.: L. Zimmermann 1933, K. Schäfer 1979.
Das Amt Schmalkalden mit den zugehörigen Zenten und Vogteien (1589); Joist Moers / (ca. 1:38.000) / Pergament / Kolorierte Federzeichnung.
StA MR Best. Karten P II Nr.10.391. Akten in Best. 17e Schmalkalden Nr.10. Lit.: F. Wolff 1987.
Die Landgrafschaft Hessen (-Kassel) (1592); Arnold und Johannes Mercator / (ca. 1:54.000) / Papier auf Leinen / Kolorierte Federzeichnung.
Ausschnitt aus der Mercator-Karte mit der Gegend um Wommen und Herleshausen
StA MR Best. Karten P II Nr. 28. Akten in Best. 17d Mercator Nr. 1 und M 1 Nr. 713. Lit.: F. Wolff 1987.
Das Gericht Jesberg (1613); Wilhelm Dilich / (ca. 1:32.500) / Papier / Kolorierte Federzeichnung.
Landesbibliothek Kassel Wilhelmshöher Handschriften A 18 Bl. 11. Akten in StA MR Best. 17d Dilich. Lit.: E. E. Stengel 1927.
Blatt 20 (Schmalkalden) der hessischen Landesaufnahme (1705-1710); Johann Georg Schleenstein / 1:52.629 / Papier / Federzeichnung sw. Reproduktion aus:
Landesaufnahme der Landgrafschaft Hessen-Kassel 1705-1710 nach dem Original in der Staatsbibliothek PK nach dem Original faksimiliert und hrsg. vom Hessischen Landesvermessungsamt, Wiesbaden 1985. Lit.: E. E. Stengel 1933.
Blatt 20 (Groß-Rohrheim) aus dem Forst- und Jagdatlas des Landgrafen Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt (1761); J. J. Hill / (ca.1:7.000) / Papier / Kolorierte Federzeichnung.
StA DA Best. D Abt. 4 Nr. 396/2.