"Bei diesem Schreiben fallen mir die Tränen aus den Augen" - Feldpostbriefe von Friedrich Ludwig aus Niederkleen 1866-1871
"Bei diesem Schreiben fallen mir die Tränen aus den Augen" - Feldpostbriefe von Friedrich Ludwig aus Niederkleen 1866-1871
Briefe von Privatpersonen an ihre Familienangehörigen oder Freunde gehören zu den anschaulichsten und persönlichsten schriftlichen Zeugnissen selbsterlebter Geschichte. Oft wurden sie nach der Erfüllung ihrer Aufgabe, dem Empfänger über bestimmte Gedanken und Erlebnisse des Absenders zu berichten, vernichtet und können so als Quelle über das damalige Leben keine Auskunft mehr geben. Ein großes Glück ist, wenn sich alte Briefe erhalten haben und in ganz subjektiver Sicht über das damals aktuelle Zeitgeschehen berichten.

So sind auch diese Briefe einmalige Zeugnisse aus einem Krieg, der in Bezug auf die Kriege der letzten 100 Jahre nur einen kleinen Abschnitt in den Geschichtsbüchern der Schulen einnimmt. Was er aber für die Menschen damals bedeutete, wirkt beim Lesen dieser Zeilen ganz nah und aktuell.


Friedrich Ludwig (1847-1901), einziges Kind von Johannes Heinrich (1819-1895) und Katharina Anna Ludwig (1831-1902) aus Niederkleen wird im Juli 1870 zu den Waffen geholt. Er ist 22 Jahre alt und hat am 11.1.1868 seine Frau Katharina Elisabetha, geb. Klös (geboren 1849 in Dornholzhausen, gestorben 1918) geheiratet. Seine Briefe an die Eltern, die Großmutter Katharina Elisabetha Ludwig (1798-1871) und seine Frau sind erhalten geblieben. Sie zeugen von der Sehnsucht und Liebe zu seiner Heimat, dem kleinen Dorf am Kleebach.

Einleitung und Transkription von Birgit Metzing, Dipl.-Archivarin (FH), Gemeindearchiv Langgöns, Eigentümer: Ottilie und Waldemar Gatzert in Langgöns-Niederkleen
Preußisch-österreichischer Krieg 1866
Preußisch-österreichischer Krieg 1866
Brief vom 06. Mai 1866 aus Wetzlar zur Mobilmachung
Brief vom 06. Mai 1866 aus Wetzlar zur Mobilmachung
Wetzlar, den 6ten Mai 1866

Liebe Eltern!

Zum ersten Mal ergreife ich die Feder, um nach Hause zu Euch zu schreiben, und das wird in diesem Jahre noch mehr wie einmal geschehen, denn wir werden jetzt ausrücken, und Gott weiß, wo wir jetzt hinkommen. Gestern Abend um 10 Uhr ist noch eine Depesche gekommen, nach welcher das 8. Armee-Korps mobil ist, und am 11ten rücken wir aus, wenn bis dahin noch nichts weiter bestimmt ist.
Ich bitte Euch daher, liebe Eltern, sobald als nur möglich zu mir zu kommen, meine Sachen zu holen, und ein Hand- und ein paar Fußlappen mitzubringen. Auch muß ich jetzt Geld haben, und das nicht so wenig, denn ich hab jetzt noch viel zu kaufen.
In zwei Tagen müssen alle Reserven hier sein.
Es kann leicht möglich sein, daß ich Niederkleen nicht mehr sehen werde, denn an ein nach Hause (zu) gehen, ist nicht mehr zu denken. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, und an Ruhe ist nicht mehr zu denken.

Grüßt mit alle Verwandte und Freunde zu Hause. In der Hoffnung Euch und meine liebe Großmutter bald wiederzusehen, verbleibe ich Euer Sohn Fritz.

Verkleinern
Brief vom 23. Mai 1866 aus Westhoven
Brief vom 23. Mai 1866 aus Westhoven
Brief vom 23. Mai 1866 aus Westhoven
Brief vom 23. Mai 1866 aus Westhoven
Die Truppen der preußischen Armee haben am Sonntag, den 13. Mai 1866 den Marschbefehl bekommen und sich aus dem Hauptquartier von Wetzlar verabschieden müssen. Auch Friedrich Ludwig aus Niederkleen verläßt ungewollt die Heimat.


Transskription
Westhoven, den 23ten Mai 1866

Liebe Eltern!

Ich ergreife die Feder um Euch zu schreiben, wo wir eigentlich aus Wetzlar hingekommen sind und wo wir uns jetzt herumtreiben. Am Sonntagmorgen um 7 Uhr sind wir am Wetzlarer Bahnhof eingestiegen und sind gefahren mit der Bahn bis nach Cöln, wo wir ausgestiegen sind und nach dem Dorf Westhoven, welches eine Stunde von Cöln entfernt liegt, einquartiert worden sind. die andern Companien liegen all weiter entfernt von uns, und man kann jetzt nicht mehr so zusammen kommen wie in Wetzlar. Mein Quartier liegt ganz dicht am Rhein, und man kann die vielen Dampfschiffe sehen, die täglich den Rhein auf und herunter fahren.
Es ist eine sehr schöne Gegend dort, schöne Frucht und schöne Weinberge, und doch gibt’s weiter nichts zu essen als Bohnen und Kommißbrot, was mit einem großen Messer wie ein Strohmesser in Stücke geschnitten wird. Ich und der Scheuer und Lenz liegen zusammen im Quartier, und das ist noch eins von den besten in dem Nest, was mit Recht so genannt kann werden, denn kein ordentlich Haus sieht man da nicht, und bei all ihrem vielen Beten und Plappern kommen sie zu doch nichts.
Ich war auch schon einmal zu Cöln und im Cölner Dom, und Ihr könnt Euch denken, wie ich erstaunt bin über solchen ein Kunstwerk. Wir werden wahrscheinlich bald wieder wegmarschieren und an die sächsische Grenze kommen, was mir sehr lieb wär‘, denn in der Gegend bin ich’s jetzt schon müd‘.
Ich hab‘ schon gehört, daß wir alsbald wieder demobil werden, und dann sehen wir uns, so Gott will, wieder.
Wenn Ihr mir nächstens schreibt, so schreibt Ihr auf den Brief die Adresse: An den Jäger Ludwig bei 4ten Companie Rheinisches Jäger - Bataillon Nr. 8 der 15. Division zugeteilt, Feldpostbrief.

In der Hoffnung, Daß dieser Brief Euch bei guter Gesundheit antreffen wird, verbleibe ich, Euer Fritz.
Verkleinern
Brief vom 11. Juni 1866 aus Burack
Brief vom 11. Juni 1866 aus Burack
Brief vom 11. Juni 1866 aus Burack
Brief vom 11. Juni 1866 aus Burack
Die Kompanien der preußischen Armee, die aus Wetzlar Mitte Mai 1866 ausgerückt und nach Köln gebracht worden sind, werden an der sächsische Grenze stationiert. Auch der Soldat Friedrich Ludwig aus Niederkleen gehört dazu. Er beschreibt in den Briefen an seine Eltern sein Leben bei der preußischen Armee.

[Transskription]

Burack, den 11. Juni 1866

Liebe Eltern!

Ich habe noch keine Antwort auf meinen zweiten Brief, den ich Euch geschrieben habe, erhalten, und doch dringt es mich, Euch wieder zu schreiben, weil vielleicht mein letzter Brief gar nicht angekommen ist und Ihr in Schmerzen auf Nachricht von mir wartet. Es war nämlich in Zöchen, wo ich meinen letzten Brief an Euch geschrieben habe, und den jetzigen habe ich in Burack geschrieben.
Von Zöchen sind wir des Mittwochs Morgen ausgerückt und 8 Stunden marschiert bis nach Mehlen, den andern Morgen wieder 7 Stunden bis nach Staupitz, von da wieder weiter nach Lockwitz, wo wir Ruhrtag hatten, den andern Morgen sind wir bei Mühlberg über die Elbe gegangen, und von da nach Burack ins Standquartier marschiert.
Ihr werdet Euch wohl längst denken können, daß mancher bei der Hitze umgefallen ist. Ich habe mir noch keine Blase in die Füße gegangen und habe noch alles mitgemacht. Wir sind jetzt nur noch eine Viertel Stunde von der sächsischen Grenze entfernt, und wir müssen alle Tag darauf gefaßt sein, über die Grenze zu marschieren.
An ein gutes Quartier ist nicht mehr zu denken, denn es kommen jetzt immer eine Menge Soldaten in ein Quartier, weil alles voll ist von Husaren-Infanterie-Pionieren und Artillerie. Es ist immer noch kein Krieg erklärt, und es sind immer noch Friedensaussichten da, in den nächsten Tagen wird sich’s entscheiden, und wir wollen hoffen, daß es zum letzteren ausfällt.
Ich habe in meinem letzten Briefe um etwas Geld geschrieben, und wenn er nicht angekommen sein sollte, so könnt Ihr mir’s nächstens schicken. Es sind schon 5 Wochen, daß wir mobil sind, und wie weit sind wir jetzt schon von der lieben Heimat entfernt, die wir hoffentlich bald wiedersehen werden.

Grüßet mir alle Verwandte und Freunde und namentlich die zu Dornholzhausen, denn es sind noch immer die besten Freunde von Euch gewesen.
In der Hoffnung, daß dieser Brief Euch bei guter Gesundheit und guten Mutes antreffen wird, verbleibe ich, Euer Sohn Fritz

Adresse ist: An den Jäger Ludwig bei der 4ten Companie Rheinisches Jägerbatallion Nr. 8 in der Avangarde des 8ten Armeecorps 16. Division.
Verkleinern
Brief vom 16. Juni 1866 aus Riesa
Brief vom 16. Juni 1866 aus Riesa
Brief vom 16. Juni 1866 aus Riesa
Brief vom 16. Juni 1866 aus Riesa
Am 11.Juni 1866 forderte Österreich im Bundestag zu Frankfurt a.M. "zum Schutze der inneren Sicherheit Deutschlands und der bedrohten Rechte seiner Bundesglieder" die Mobilmachung der sieben nichtpreußischen Bundeskorps zum Bundeskrieg gegen Preußen. Für Preußen bedeutete dieser Antrag ein Bruch des Bundeshauptes, denn nach dem Bundesrecht gab es einen Bundeskrieg nur gegen einen äußeren Feind, aber niemals gegen ein Bundesmitglied. Der österreichische Antrag wurde am 14. Juni von der Mehrheit des Bundestages mit 9 gegen 6 Stimmen angenommen. Preußen richtete daraufhin am 16. Juni eine Note an die norddeutschen Staaten und konnte sie größtenteils zum Kampf gewinnen. Der Krieg bedeutete das Ende des 1815 gegründeten Deutschen Bundes.

Der Brief Fritz Ludwigs zeugt von der Verwirrung der ersten Kriegstage. Er enthält neben Beschreibung der Lage und Bitte um Zusendung von Kleidung ebenso eine Art letzten Willen bzw. Testament im Falle seines Todes.

Transkription
Riesa, den 16. Juni 1866

Liebe Eltern!

Dieser Brief, den ich an Euch schreibe, ist der erste aus Feindesland, nämlich aus dem Königreich Sachsen. Wir sind nämlich am 15. Juni abends 10 Uhr über die Elbe gegangen und die ganze Nacht marschiert bis nach Riesa an der Elbe. In Riesa ist eine Eisenbahn - Station der Zweigbahn, die von Berlin nach Dresden geht, wo aber jetzt schon aller Verkehr abgebrochen ist, denn als wir hin kamen, hatten die Sachsen schon die Schienen abgebrochen und die Brücke über die Elbe in Brand gesteckt.
Riesa ist ein schönes Städtchen, und die Leute sind ganz gastfreundlich da, trotz dem das sie Feinde im Quartier haben.
Das ganze 8te Armeecorps liegt dort beisammen mit noch vielen andern Truppen und Ihr könnt Euch denken, wie ich mich verwundert habe über die Masse Menschen. Ich habe auch schon den Friedrich Vogt, Höhn, Marx und Veth getroffen, welche immer bei uns liegen.
Ich kann Euch nichts Neues sagen über die Geschichte, denn wir werden selbst immer getäuscht, denn wenn sie sagen zu uns, ihr kommt dahin, so kommen wir auf einen ganz anderen, und so führen sie uns vor den Feind, ohne daß wir davon wissen. Die Sachsen ziehen sich mit den Österreichern zusammen, und es wird in den nächsten Tagen wahrscheinlich zum Gefecht kommen. Es gehen immer Briefe mit der Post zu uns und Ihr könnt mir noch ein Hemd schicken, denn eins fängt schon an zu zerreißen. Ihr könnt Euch denken, was für Strapazen wie schon gemacht, und noch zu machen haben, doch der gute und getreue Gott, der mich bis dahin erhalten, der wird auch ferner mein Schutz und Beistand sein in aller Not und Gefahr, und sollt es sein Wille sein, Euch nicht hier nur zu sehen, doch dereinst dort droben, wo kein Krieg mehr sein wird noch Leid noch Gefahren, ein fröhliches Wiedersehen zu verleihen. Wenn ich nicht mehr nach Hause kommen sollte, dann macht’s Euch gut und verlebt die paar Jahre, die Ihr noch zu leben habt in Frieden und Eintracht, und tröstet Euch über mich, denn Ihr seid nicht die Einzigen, denen es so geht, nehmt Euch eins von den Kindern meines Vetters ins Haus, und seht es für mich an.
Bei diesem Schreiben fallen mir die Tränen aus den Augen, und bei Euch wird das noch mehr der Fall sein, doch nur immer frohen Mutes, wir sehen uns ja wieder in jener Welt.
Ihr habt Alles genug, und könnt Euch Euer armes Leben noch versüßen, wenn Ihr Euch [nicht] allzusehr abgrämt und abhärmt. Ich will jetzt schließen im wahren Gottvertrauen auf den, der für uns gestorben und auferstanden ist.

Wenn ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir,
Wenn ich denn Todt soll leiden,
So tritt du dann herfür.
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herz mir sein
So reiß‘ mich aus den Ängsten
Kraft deiner Angst und Pein.


Grüßt mir alle Verwandten und Freunde und behaltet im Andenken Euren Fritz

Adresse ist: An den Jäger Ludwig bei der 4ten Companie Rheinisches Jägerbatallion Nr. 8 in der Avangarde des 8ten Armeecorps 16. Division.

Verkleinern
Brief vom 1. Juli 1866 aus Smikar
Brief vom 1. Juli 1866 aus Smikar
Brief vom 1. Juli 1866 aus Smikar
Von der sächsischen Grenze werden die preußischen Truppen weiter nach Südosten gegen Österreich geführt. Fritz Ludwig aus Niederkleen schreibt 2 Tage vor der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz an seine Eltern einen Brief:

Smikar, den 1ten Juli 1866

Liebe Eltern!

Es ist gerade Sonntag, wo ich an Euch schreibe, um dieselbe Zeit, wo Ihr wahrscheinlich in der Kirche sitzt und das Wort Gottes Hört, wo ich so manchmal um dieselbe Zeit gesessen habe und mit Euch gesungen und gebetet habe. Ach, könnt’ ich doch wieder in der stillen Kirche sitzen, wo ich manchmal so ungerne hinein ging und Ihr mich antreiben mußtet, statt in der weiten Welt herumzulaufen.
Doch die Zeiten kommen hoffentlich auch wieder besser als sie jetzt sind, denn jetzt sind sie sehr schlecht, weil Alles ausgefressen ist vom Feinde, und wir manchmal in drei Tagen kein Brot zu Essen bekommen, und dann noch [einen] tüchtigen Marschtage dabei haben.
Wir sind jetzt im Slawischen, wo man keinen Menschen verstehen kann, und für sein Geld noch nichts zu kaufen kriegt, wenn man es gern doppelt bezahlt.
Wir haben jetzt schon drei Gefechte gehabt, von welchen das letzte eher einer Schlacht als einem Gefecht glich, denn die Österreicher hatten sehr viele Tote und Verwundete und Gefangene. Von unserem Bataillon ist nur einer gestorben, von der 4ten Kompanie [gab es] 4 Verwundete, bei welchem auch der Ludwig, dem Bierbrauer sein Sohn von Großrechtenbach ist, welcher einen Schuß durch die Oberlippe hat, so daß ihm wahrscheinlich die Sprache geraubt ist.
Es ist ein wahrer Spaß, wie die Österreicher vor uns herlaufen, denn sie können sich gar nicht halten gegen uns Jäger, welches auch schon Gefangene von ihnen gesagt haben, „wenn die mit den schwarzen Hüten mit dem weißen Ding drauf kämen...“.
Ich habe bis jetzt noch keinen Schuß getan, weil ich immer beim Südgang bin, welches die meiste Zeit hinten ist.
Das Volk ist sehr boshaft gegen uns, so zum Beispiel hatten sie eine Branntweinfabrik angesteckt, in welcher viele von den 33 lagen, welche teils ver-brannt sind.
Weiter weiß ich Euch nichts zu schreiben, nur muß ich bemerken, daß ich den ersten Geldbrief noch nicht erhalten habe, er wird aber doch bald nachkommen.

Grüßt mir alle Verwandte, Freunde und Bekannte, und in der Hoffnung, daß dieser Brief Euch bei guter Gesundheit antreffen wird,

verbleibe ich Euer Sohn Fritz
Verkleinern
Brief vom 9. Juli 1866 aus Deutschbrod
Brief vom 9. Juli 1866 aus Deutschbrod
Brief vom 9. Juli 1866 aus Deutschbrod
Brief vom 9. Juli 1866 aus Deutschbrod
Am 3. Juli 1866 fand bei Königgrätz in Böhmen die Entscheidungsschlacht in dem Krieg zwischen Preußen und Österreich statt. Die getrennt heran geführten drei preußischen Armeen siegten gemeinsam über Österreich und über die mit ihm verbundenen Mittelstaaten wie Sachsen, Hessen- Darmstadt und Nassau.

Fritz Ludwig überlebte diese Schlacht und schrieb schon 2 Tage später seinen Eltern zur Beruhigung, daß er am Leben sei. Dieser Brief kam bei den Eltern aber nie an.
Obwohl Preußen schon gesiegt hat, wird weiter gekämpft.

[Transskription]

Deutschbrod, den 9ten Juli 1866

Liebe Eltern!

Euren Brief vom 27ten Juni habe ich erhalten, worin Ihr mir kund that, daß Ihr meinen Brief vom 5ten Juli noch nicht erhalten habt, worin ich geschrieben habe, daß ich die Geldbriefe erhalten habe, einen mit 10 Kreuzer und einen mit 3 Kreuzer und ich denke, wenn dieser Brief ankommt, so werdet Ihr aus allen Zweifel und Kummer erlöset sein. Ihr habt mir geschrieben, daß Ihr Euch soviel Kummer und Sorgen macht, und daß Ihr die Allerärmsten wärd, worin Ihr Euch sehr täuscht, denn Ihr seid noch lange nicht die Allerärmsten. Denkt Euch einmal den Scheuno, dessen 3 Brüder noch fort sind, und seine Mutter arm und Witwe ist, und den Lino Braun von Großrechtenbach, welcher auch keine Kinder mehr hat, dessen Sohn eine Kugel durch den Mund hat, und wie ich gehört habe, schon tot sein soll, und so gibt es noch viele Beispiele und Beweise genug jetzt in der Zeit. Deshalb bitte ich Euch, daß Ihr Euch nicht soviel Gedanken und Sorgen macht, und Euer Leben noch mehr vereitelt. Ihr werdet jetzt doch wahrscheinlich im Heumachen sein und viele Arbeit haben, darum bitte ich Euch, daß Ihr Euch Arbeiter genug nehmt und Euch nicht so sehr abschafert. Ich hatte nämlich um ein Hemd geschrieben, und ich mache Euch kund, daß ich soeben ein Hemd gekauft habe, und daß die Leut‘ mit aller Gewalt nichts haben wollten und ich Ihnen 10 Groschen aufgedrungen habe, Ihr braucht mir also jetzt keins zu schicken.
Sonst weiß ich nichts zu schreiben, als daß wir jetzt schon 4 mal im Feuer waren, aber das letzte Mal war doch das schrecklichste, denn da sind die Granaten vor uns und hinter uns geplatzt. Doch der liebe Gott hat mich erhalten, und ich hoffe, er wird mich auch noch fernerhin erhalten. Weiter weiß ich nichts zu schreiben, doch muß ich bemerken, daß ich bald meinen Geburtstag habe und das 19te Lebensjahr erreiche und ich denke, der Gott, der mich soviel Jahre erleben lassen, der wird mir auch noch das 30te Jahr und noch mehrere erleben lassen.

Grüßt mir alle Verwandten und Freunde zu Niederkleen.
In der Hoffnung, meine Bitte erfüllt zu sehen, verbleibe ich Euer treuer Sohn Fritz.

Adresse ist: An den Jäger Ludwig bei der 4ten Companie Rheinisches Jägerbatallion Nr. 8 in der Avangarde des 8ten Armeecorps 16. Division.
Verkleinern
Brief vom 12. Juli 1866 o.O.
Brief vom 12. Juli 1866 o.O.
Brief vom 12. Juli 1866 o.O.
Brief vom 12. Juli 1866 o.O.
Brief vom 12. Juli 1866 o.O.
Der Krieg zwischen Österreich und Preußen ist zwar zu Gunsten von Preußen entschieden, aber der Rückzug und Transport der preußischen Truppen geht nur langsam voran. Fritz Ludwig aus Niederkleen kann es kaum erwarten, aus dem Kreig wieder nach Hause zu kommen. So schreibt er seinen Eltern:

Schlaag, den 12ten August 1866

Liebe Eltern!

Euren Brief vom ersten August mit den zwei Talern habe ich richtig erhalten, und ich setze mich sogleich dran, Euch wieder zu schreiben, weil Ihr mir immer Vorwürfe macht, Ihr wäret immer die letzten, die einen Brief kriegten, und weil er heißt: Nun haben sie alle geschrieben bis auf den noch nicht. Zwar habe ich Euch immer noch so schnell wie möglich geschrieben, als es äußerst möglich war, denn Ihr könnt Euch denken, wenn man des Morgens von 5 Uhr bis zum Mittag 3 und manchmal bis 5 Uhr in der größten Hitze marschieren muß, und kommt [zum] Biwak, und muß sich dann Kartoffeln suchen, die halbreif sind und kochen, ohne ein Stückchen Brodt dabei zu haben, dann vergeht einem das viele Briefeschreiben.
Gott sei Dank, die Tage sind überstanden, und fangen jetzt an, alle Tage schöner zu werden, denn wir kommen jetzt jeden Morgen um 12 Uhr, manchmal auch früher in die Quartiere und brauchen wenigstens unter freiem Himmel nicht mehr zu schlafen.
Als wir am 27ten Juli die Friedens-Botschaft erhielten, vor Wien, da sind wir sogleich zurück marschiert in ein Dörfchen, in welchem seit langer Zeit die ersten Quartiere waren, und am 30ten hatten wir eine große Königsparade bei einem furchtbaren Regen und Dreck, bei welcher der König mündlich seinen größten Dank ausgesprochen und unsern Major die Hand gab. Am andern Morgen sind wir zurück marschiert, zwar waren die Quartiere sehr schlecht, und sind auch jetzt noch nicht zum Besten, aber es ist doch besser wie Biwaklos.
Ihr könnt Euch gar nicht denken, was das für ein lumpiges Land ist, kein Silbergeld kennt man da nicht, nichts als Gulden von Papier und zehn Kreuzer, welche etwas kleiner sind als die Gulden, und es thut einem im Herzen weh, wenn man seinen blanken Taler für so ein Lumpenzeug geben muß. Keine Lichter kennt man da nicht, sondern so große Spähne von Fichtenholz, welche auf ein Eisen gesteckt werden oder in der Hand gehalten werden.
Wir sind jetzt wieder an der Böhmischen Grenze, und sollen nach Pilsen kommen, welches noch 7 Marschtage sind, und von da sollen wir auf die Bahn kommen, und dann werden wir bald wieder zu Wetzlar sein.....
Der Fritz Vogt läßt Euch vielmals grüßen, und Ihr sollt einen Gruß an seine Mutter bestellen.
Schreibt mir so bald als möglich wieder. Grüßt mir alle Freunde,....

Verbleibe ich Euer treuer Sohn Fritz

Adresse ist: An den Jäger Ludwig bei der 4ten Companie Rheinisches Jägerbatallion Nr. 8 des 8ten Armeecorps 16. Division.
Verkleinern
Brief vom 28. Juli 1866 aus Trauenfels
Brief vom 28. Juli 1866 aus Trauenfels
Brief vom 28. Juli 1866 aus Trauenfels
Brief vom 28. Juli 1866 aus Trauenfels
Am 26. Juli 1866 wird endlich Frieden zwischen Preußen und Österreich geschlossen. Welche große Freude darüber bei Fritz Ludwig und seinen Kameraden herrschte, schildert er in einem Brief an seine Eltern.

[Transskription]

Trauenfels, den 28ten Juli 1866

Liebe Eltern!

Wenn dieser Brief bei Euch ankommt, teuere Eltern, dann habt Ihr vielleicht schon die frohe Nachricht erhalten, die Euch sehr erfreuen tut. Am 26ten Juli hieß es schon, daß der Friede mit Preußen und Österreich abgeschlossen sein sollte, aber man konnte dem Ding nicht glauben, denn am anderen Morgen um 6 Uhr marschierten wir aus unserem Quartier, nachdem der 5tägige Waffenstillstand abgelaufen war, wieder an das alte Biwak, das wir 3 Tage vorher verlassen hatten, vier Stunden vor Wien, und einem Jedem schlug das Herz voll banger Erwartung, denn die Büchsen wurden von neuem geladen und Alles war zur Schlacht bereit.
Da auf einmal um 2 Uhr den Nachmittag am 27ten Juli kam der Adjutant von Prinzen Friedrich Karl und dem kommandierenden General, daß der Frieden zwischen Preußen und Österreich abgeschlossen sei, in welchem Preußen das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau, einen großen Strich von Sachsen mit der Stadt Leipzig, die alleinige Besatzung von Mainz erhalten hat, und das Großherzogtum Hessen-Darmstadt wird wahrscheinlich auch noch an Preußen fallen, und Österreich muß alle Kriegskosten bezahlen.
Ihr könnt Euch leicht denken, was das vor eine Freude war, und das Hurra - Schreien wollte kein Ende nehmen. Wir marschierten sogleich ins Quartier, und es wurde uns vorgelesen, daß uns der König selbst nicht sehen könne, weil er sogleich nach Berlin müsse, um die Kammer zu eröffnen, aber seinen größten Dank ausgesprochen hat gegen uns, und alle Achtung vor der Jägerwaffe bekommen hätte.
Wir sind jetzt im Quartier und werden uns ein wenig ausruhen, alsdann wird die Rückkehr in das Vaterland angetreten werden. Es wird aber doch noch lange dauern, bis wir uns wiedersehen, doch Ihr seid jetzt der Angst und Sorge entbunden, die Ihr über mich ausgestanden habt, und ich kann mir die Freude denken, wenn ich Euch beide und meine alte Großmutter wiedersehen werde.
Ich habe jetzt noch Geld genug, aber Ihr könnt mir doch noch ein wenig schicken, auf die Reise, wo wir [es] noch zu brauchen haben.

Grüßt mir alle Verwandten und Freunde zu Hause, und in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen verbleibe ich Euer gehorsamster Sohn Fritz

Adresse ist: An den Jäger Ludwig bei der 4ten Companie Rheinisches Jägerbatallion Nr. 8 des 8ten Armeecorps 16. Division.
Verkleinern
Brief vom 03. September 1866 Letschitz
Brief vom 03. September 1866 Letschitz
Brief vom 03. September 1866 Letschitz
Einen letzten Brief vor seiner Rückkehr nach Niederkleen schreibt Fritz Ludwig aus dem Krieg zwischen Preußen und Österreich an seine Eltern:

Letschitz, den 3ten September 1866

Liebe Eltern!

Es sind jetzt schon bald vier Wochen, daß ich keinen Brief mehr von Euch erhalten habe, und ich kann nicht begreifen, wie das eigentlich ist, entweder ist meiner nicht angekommen oder Eurer nicht oder Ihr seid bös über mich, weswegen weiß ich nicht.
Trotzdem will ich Euch noch einmal schreiben, und ich denke, das wird wohl das letzt Mal sein, denn wir sollen in 10 Tagen auf die Bahn kommen, und dann werden wir in 14 Tagen zu Haus sein, der Weg soll durch’s Bayrische gehen über Frankfurt nach Wetzlar, und ich will einmal die Freude erleben, wenn wir in Wetzlar einziehen werden, und ich denke, Ihr werdet auch nicht unter den Freudigen fehlen.
Aber auch viele Eltern fühlen jetzt erst recht den Schmerz, wenn die Andern zurückkehren, [ihr] Sohn [aber] begraben liegt in den Wäldern Böhmens entweder von einer feindlichen Kugel getroffen oder von der Cholera weggerafft, welche mehr weggerafft hat, als die feindlichen Kugeln, da bei unserer Kompanie zum Beispiel nur zwei Mann vom Feind gefallen, aber sechs von der Cholera [getötet wurden].
Ihr könnt mir meine Kleider und Sachen schon zurechtlegen, und wenn Ihr schon einen Brief fortgeschickt habt mit ein wenig Geld, so braucht Ihr keinen mehr zu schreiben. Grüßt mir alle Verwandten und Freunde.

Und in der Hoffnung, daß wir uns bald wiedersehen verbleibe ich

Euer treuer Sohn Fritz.

Verkleinern
Krieg 1870-71 Kopie mit bildern und Ausstellungsraum-Zuordnung
Verkleinern
Deutsch-französischer Krieg 1870-1871
Deutsch-französischer Krieg 1870-1871
Brief aus Zevers vom den 23ten Dezember 1870

Transkription

Zevers, den 23ten Dezember 1870

Liebe Eltern und Frau!

Ohne einen Brief von Euch erhalten zu haben, seit dem letzten Geldbrief drängt es mich doch wieder einige Zeilen zu schreiben, weil ich weiß wie sehr Ihr auf Nachricht von mir wartet, und weil wier morgen auf Vorposten kommen, ich also in vier Tagen nicht schreiben kann, auch hat sich ein Ereigniß bei uns zugetragen, welches ich Euch gerne mitheilen möchte.

Wier sitzen nämlich den 21ten des morgens früh beim Kaffe trinken am Tisch, welcher am Fenster steht, auf einmal kommt eine Granate, und schlägt ober dem Fenster ein, und in dem selben Moment fliegen uns die Glasscherben um den Kopf, ebenfalls die Kaffe Tassen sammt dem Kaffe, so daß keiner den andern mehr sah, und ein wahres Wunder, daß wier so glücklich davon gekommen sind, eine Glasscherbe ist mier wieder den Arm geflogen, welcher so gleich anschwoll, jetzt aber schon wieder gut ist.

Acht Mann sind von unserm Battalion verwundet, außer den Civilisten.

Es sind noch wenige Häuser da, die nicht demoliert sind. Wier Niederkleer sind durch Gottes Hülfe noch alle gesund und munter.

Weiter weiß ich Euch keine Neuigkeiten zu schreiben, und will jetzt schließen, und ich empfehle Euch und mich dem Schutz Gottes, der mich nun schon so oft und wunderbar errettet hat.

Gruß an meine Schwiegerältern und Schwägerin und alle Freunde und Nachbarn. Und in der Hoffnung, daß mein Brief Euch bei guter Gesundheit antrifft, wie er mich verlassen hat, und daß Euch der Herr ein glückliches Neujahrs Fest feiern läßt,

Verbleibe ich Euer Fritz

Verkleinern
Brief aus Zevers vom den 23ten Dezember 1870
Brief aus Zevers vom den 23ten Dezember 1870
Brief aus Zevers vom den 23ten Dezember 1870

Transkription

Zevers, den 23ten Dezember 1870

Liebe Eltern und Frau!

Ohne einen Brief von Euch erhalten zu haben, seit dem letzten Geldbrief drängt es mich doch wieder einige Zeilen zu schreiben, weil ich weiß wie sehr Ihr auf Nachricht von mir wartet, und weil wier morgen auf Vorposten kommen, ich also in vier Tagen nicht schreiben kann, auch hat sich ein Ereigniß bei uns zugetragen, welches ich Euch gerne mitheilen möchte.

Wier sitzen nämlich den 21ten des morgens früh beim Kaffe trinken am Tisch, welcher am Fenster steht, auf einmal kommt eine Granate, und schlägt ober dem Fenster ein, und in dem selben Moment fliegen uns die Glasscherben um den Kopf, ebenfalls die Kaffe Tassen sammt dem Kaffe, so daß keiner den andern mehr sah, und ein wahres Wunder, daß wier so glücklich davon gekommen sind, eine Glasscherbe ist mier wieder den Arm geflogen, welcher so gleich anschwoll, jetzt aber schon wieder gut ist.

Acht Mann sind von unserm Battalion verwundet, außer den Civilisten.

Es sind noch wenige Häuser da, die nicht demoliert sind. Wier Niederkleer sind durch Gottes Hülfe noch alle gesund und munter.

Weiter weiß ich Euch keine Neuigkeiten zu schreiben, und will jetzt schließen, und ich empfehle Euch und mich dem Schutz Gottes, der mich nun schon so oft und wunderbar errettet hat.

Gruß an meine Schwiegerältern und Schwägerin und alle Freunde und Nachbarn. Und in der Hoffnung, daß mein Brief Euch bei guter Gesundheit antrifft, wie er mich verlassen hat, und daß Euch der Herr ein glückliches Neujahrs Fest feiern läßt,

Verbleibe ich Euer Fritz

Verkleinern
Brief vom 5. August 1870 aus Frankreich,
Brief vom 5. August 1870 aus Frankreich,
[Transskription]

Frankreich, den 5ten August 1870

Liebe Eltern und Frau!

Ich habe jetzt schon drei Briefe geschrieben, und noch auf keinen Antwort erhalten, und ich kann gar nicht begreifen, wie das eigentlich ist, da doch der Messerschmidt ujnd der Rühl schon Briefe erhalten haben. Ihr werdet doch hoffentlich noch gesund sein.
Wir sind am 4ten August über die Grenze gerückt, des Nachts um zwei Uhr, im furchtbaren Regenwetter des morgens kamen wier an den Feind um 9 Uhr und hat gedauert bis den Mittag 4 Uhr, in welcher die Franzosen geschlagen worden sind.
Von unser Companie sind drei gefallen, ich bin aber noch gesund und unverletzt.
Den andern morgen sind wier wieder vor, aber die Franzosen hielten nicht mehr Stich. Ich will Euch auch noch kund thun, daß der Klös totd ist und einem von Wetzlar Namens Waldschmidt das Bein angeschossen ist.
Ihr sollt mir aber ja nichts weiter sagen, denn sie werdens noch zu früh gewahr werden. Macht Euch nur nicht zu viel Gedanken um mich, und betet recht fleißig vor mich, wie ich es schon gethan habe, und noch thun will, das übrige müssen wir Gott anheim stellen. Die Niederkleer sind noch gesund.

Grüßt mir alle Freunde und Verwandte und behaltet im Andenken euren Fritz

Hoffe auf baldige Antwort
Verkleinern
Brief vom 16ten September 1870 aus Reims
Brief vom 16ten September 1870 aus Reims
[Transskription]

Reims, den 16ten September 1870

Liebe Eltern und Frau!

Euren Brief vom 28. August habe ich erhalten, worin Ihr mir geschrieben habt, daß Ihr so lange keinen Brief erhalten habt, und Euch nicht trösten könnt, und es hat mir grade so gegangen, denn es ist jetzt schon der 9te Brief, den ich schreibe, und habe erst 3 erhalten, und die andern Niederkleer haben schon alle mehr erhalten, weßhalb ich gar nicht wußte, was vorgefallen war.
Wier liegen jetzt in der berühmten Stadt ‚Reims, der größten Stadt nach Paris, und haben nur noch 40 Stunden nach Paris, und die ersten Truppen sind bald da, aber ob wir hinkommen glaube ich schwerlich, und das wäre recht gut, es wird wahrscheinlich wieder so gehen wie 66 [Anm. d. Heraus. 1866] wenn sie davor kommen, dann wird’s fertig werden, aber wier werden doch umher geführt, und das marschieren wird mir furchtbar sauer.
Doch der liebe Gott, der mich bisher erhalten hat, der wird es auch ferner thun, und mich wieder gesund und munter in Eure Arme führen, dem wollen wier vertrauen.
Wier Niederkleer sind noch alle gesund, auch der Michel und der Vogt sind schon oft bei uns gewesen, und der Vogt läßt Euch grüßen.
Wenn Ihr wieder schreibt, so schreibt Ihr blos Gefreiter Ludwig und nicht Gefreiter Jäger Ludwig, und schreibt etwas mehr.

Hoffe auf baldige Antwort. Euer Fritz


Verkleinern
Brief vom 9ten September 1870
Brief vom 9ten September 1870
Brief vom 9ten September 1870
[Transskription]

Sontag, den 9ten September 1870

Liebe Eltern und Frau!

Euer Päckchen mit Taback habe ich richtig erhalten, und es hat mir große Freude gemacht. Wier liegen noch immer vor Paris, und waren drei Tage auf Vorposten, wo wie den Feind ganz nahe waren, auch hat er verschiedene mal auf uns geschossen, ist aber keiner getroffen wurden.
Wahrscheinlich wird es noch lange dauern, denn wie gesagt wird, soll es durch Hunger zur Uebergabe gezwungen werden, und da kann uns die Zeit noch sehr lange werden, und Euch auch. Ihr könnt Euch gar nicht denken, wie es hier aussieht, alle Leute sind weggelaufen, und alle Häuser und Ställe sind mit Soldaten belegt, man kriegt nichts zu kaufen als von Maktadentern [Marketendern], und die sind furchtbar theuer damit, vor ein Laibchen Brodt muß man 20 Silbergroschen bezahlen, und das kann man auf einmal aufessen. Ich glaube durchzukommen mit meinem Gelde, aber wenns so fortgeht so reichts nicht aus, und Ihr könnt mir deßhalb noch einige Thaler schicken, auch könnt Ihr mir noch Päckchen schicken, man kann Alles brauchen hier. Gott hat mich bisher gesund erhalten, dankt ihm mit mir.

Gruß an meine Schwiegerältern und Schwägerin, und alle Freunde und Nachbarn

Euer Fritz
Verkleinern
Brief vom 26. Julie 1870 aus Arzheim,
Brief vom 26. Julie 1870 aus Arzheim,
Brief vom 26. Julie 1870 aus Arzheim,
[Transskription]

Arzheim, den 26. Julie 1870

Liebe Eltern und Frau!

Mit vieler Noth hab ich mit soviel Zeit können nehmen, Euch, meine Lieben in der Heimat, zu schreiben. Wir sind nämlich den Sonntag von Marburg den Abend um 9 Uhr in die Bahn gestiegen und gefahren bis den andern Morgen nach Germersheim in Baiern, und Ihr könnt Euch denken wie mir’s war, als ich in die Bahn stieg und manche Thräne zerdrückt habe im Auge, auch habe ich immer ausgeschaut, ob vielleicht jemand von Euch käm, aber ich konnte niemand sehen. Dem Hörnsheimer Lang seine Frau und Schwiegervater waren da.
Den 26ten Juli sind wier von Germersheim ausgerückt des morgens um 7 Uhr und marschiert nach Arzheim, wo wier des Nachmittags um 7 Uhr ankamen.
Wir liegen jetzt nur noch 8 Stunden von der Französichen Grenze, und es wird wahrscheinlich inden nächsten Tagen los gehen.
Wie ich gehört habe, sollt Ihr bis Mittwoch einen Bettag haben, und Ihr werdet wohl das Eurige für mich thun, da ich nicht dazu kommen kann. Übrigens habe ich meine Seele schon Gott befohlen, und mein Morgen Gebet ist: „Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöset, Herr du getreuer Gott.“
Auch an Euch denke ich immerwährend und befehle Euch dem Schutz Gottes wie mich selbst.
Ich und der Lang und der Jakobi von Dornholzhausen, und der Schmit von Großrechtenbach sind zusammen. Die ander Niederkleener sind bei der 3ten Companie.
Grüßt mir alle Freunde und Verwandte und behaltet im Andenken

Euren Fritz. Grüßt alle Niederkleer

Die Adresse ist: an den Gefreiten Ludwig bei der 4ten Companie Hessisches Jäger=Battalion No. 11 der 22ten Division zugeteilt.

Verkleinern