Stadtrundgang: Marburg im Nationalsozialismus
Stadtrundgang: Marburg im Nationalsozialismus

Marburg im Nationalsozialismus - ein Stadtrundgang

Die vorliegende Ausstellung liefert Materialien zur NS-Geschichte in Marburg. Dabei geht es nicht nur darum, lokal- und regionalgeschichtliche Zugänge zur Geschichte des Nationalsozialismus aufzuzeigen. Vielmehr können zahlreiche Themen der nationalsozialistischen Innenpolitik an ausgewählten Orten beispielhaft verdeutlicht und mit Quellenmaterial so vertieft werden, dass auch allgemeinere Fragen von überregionaler Bedeutung ausgehend von den lokalen Schauplätzen erforscht werden können.

Die in der Ausstellung vorgestellten Orte liegen im Innenstadtbereich und können im Rahmen eines Spaziergangs erlaufen werden. Jeder der vorgestellten Orte ist mit einem thematischen Schwerpunkt verknüpft, der anhand der ausgestellen Materialien eigenständig erforscht und in allgemeinere Zusammenhänge eingebunden werden kann.

Die Ausstellungsräume sind so angeordnet, dass sie im Rahmen eines Rundwegs nacheinander aufgesucht werden können. Die einzelnen Themen können damit in einem chronologischen Zusammenhang erlaufen werden.

Die erste Station "Rudolfsplatz" zeigt den Aufstieg der Marburger NSDAP in den letzten Jahren der Weimarer Republik bis zum Frühjahr 1933.

An der zweiten Station "Rathaus" können die wesentlichen Etappen zur Durchsetzung der NS-Dikatur erkundet werden: die "Machtergreifung" im Rathaus fand hier statt, die "Gleichschaltung" der Presse, die Verfolgung und Ausschaltung der politischen Gegner wurden von hier aus organisiert und durchgeführt.

An der dritten Station "Wettergasse 25" können antisemitische Ausschreitungen, wie sie nach der Boykottaktion vom April 1933 zunehmend stattfanden, an einem einschlägigen Beispiel untersucht werden. Die Ausschreitungen sind spontan und finden ungeregelt statt, treffen aber auf Duldung oder Wohlwollen der Öffentlichkeit und der staatlichen Stellen. 

Die vierte Station "Synagoge Universitätsstraße" dokumentiert die Ausgrenzung der jüdischen Gemeinde bis zum Synagogenbrand am 9. November 1938.

Gleich nebenan in der "Untergasse 17" befand sich die vorletzte Station der jüdischen Schule. Nach den Pogromen vom November 1938 wurden jüdische Schülerinnen und Schüler endgültig vom Besuch allgemeinbildender Schulen ausgeschlossen. Diesen Prozess der Ausgrenzung bis zur Schließung der jüdischen Schule nach Abschluss der Deportationen kann man hier nachvollziehen.

Die sechste Station ist das Ladengeschäft und Haus in der "Barfüßerstraße 26". Am Beispiel des dort bis 1938 ansässigen Manufakturwarengeschäfts der Eheleute Stern kann der gesamte Prozess der staatlich organisierten "Arisierung", d.h. der Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben und der Ausplünderung ihrer Vermögenswerte schrittweise nachvollzogen werden.

Das Landratsamt als nächste Station ("Barfüßer Straße 11") ist der Ort, von dem aus die Deportationen in die Konzentrationslager organisiert und durchgeführt wurden.

In der "Schulstraße" kann zwischen dem "Heinrich-Abel-Haus", dem Gebäude der NSDAP-Kreisleitung in der ehemaligen Otto-Böckel-Straße 12 und der damaligen "Horst-Wessel-Schule" der Zugriff der NSDAP auf Schule, Bildung und den Schulalltag erkundet werden.

Am "Kämpfrasen", dem Exerzierplatz der Jägerkaserne an der Frankfurter Straße, fanden schließlich die großen propagandistisch wichtigen Aufmärsche statt: zum "Tag der nationalen Arbeit" am 1. Mai 1933, bevor am Folgetag die Gewerkschaften zerschlagen und ihr Vermögen beschlagnahmt wurde, die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, hier wurden auch bis 1937 die Kasernen beidseitig der Frankfurter Straße ausgebaut - zur Kriegsvorbereitung. 

 

 

Einstieg: Rudolphsplatz
Einstieg: Rudolphsplatz

Aus der Zeit des Dritten Reiches sind unzählige Fotos überliefert und können als historische Quelle genutzt werden. Die im folgenden Ausstellungsraum gesammelten Bilder geben einen zeitrafferartigen Einblick in die Entwicklung der NSDAP in Marburg, von einer kleinen Ortsgruppe im Jahr 1927 bis zu der die Stadt und das Stadtbild beherrschenden Partei im Sommer 1933. Alle Aufnahmen stammen vom gleichen Ort: Der Rudolfsplatz am Fuß der Alten Universität veranschaulicht die Etappen von der "Kampfzeit" bis zur "Machtergreifung".

Eine umfangreiche Sammlung historischer Fotos für weitere, ortsbezogene Recherchen findet sich in der Datenbank "Historische Bilddokumente" des Landesgeschichtlichen Informationssystems Hessen (LAGIS) .

Mitglieder der Marburger Ortsgruppe der NSDAP bei einer Totenehrung am Gefallenendenkmal in Marburg
Mitglieder der Marburger Ortsgruppe der NSDAP bei einer Totenehrung am Gefallenendenkmal in Marburg

Im Jahr 1927 hatte die Universität Marburg ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs am Ende der Weidenhäuser Brücke Richtung Rudolfsplatz errichten lassen. Die Marburger Ortsgruppe der NSDAP nutzte diesen Ort fortan für Demonstrationen. Das Foto der nationalsozialistischen "Totenehrung" wurde am 9. November 1927 aufgenommen, dem Tag des Hitlerputsches von 1923.

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Aufmarsch der SA beim "Nationalsozialistischen Hessentag" in Marburg, 1928
Aufmarsch der SA beim "Nationalsozialistischen Hessentag" in Marburg, 1928
Am 28. und 29. April 1928 organisierte der neue Gauleiter Weinrich einen "Nationalsozialistischen Hessentag" in Marburg, zu dem SA-Mitglieder und andere aus dem Gau und darüber hinaus durch die Stadt marschierten. Das Bild zeigt einen Teil der Marschkolonne mit Standarten und Transparenten auf der Weidenhäuser Brücke in Marburg.
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Aufmarsch der Marburger SA während des Uniformverbots, Juli 1930
Aufmarsch der Marburger SA während des Uniformverbots, Juli 1930
Im Frühjahr 1930 wurden in Preußen und anderen Ländern Uniformverbote verhängt. Angehörigen politischer Gruppierungen war es damit verboten, einheitliche Kleidung zum Zeichen ihrer Parteizugehörigkeit zu tragen. Mit dieser Maßnahme versuchten die Länderregierungen, der zunehmenden politischen Radikalisierung insbesondere durch das Auftreten der SA Einhalt zu gebieten. Im Sommer 1932 wurden alle bis dahin bestehenden Uniformverbote durch die Reichsregierung aufgehoben.
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Die NSDAP-Geschäftsstelle in Marburg am Pilgrimstein, 1930 - 1934
Die NSDAP-Geschäftsstelle in Marburg am Pilgrimstein, 1930 - 1934

In der Festschrift der NSDAP von 1935 wird die Funktion der Geschäftsstelle folgendermaßen beschrieben:

"Bald stellte sich die Notwendigkeit heraus, eine eigene Geschäftsstelle zu eröffnen. Diese entstand am 15. März [1930] am Pilgrimstein, Ecke Biegenstraße, in Verbindung mit der Buchhhandlung 'Der Sturm'. In diesem kleinen Verkaufsraum wurde bis zum Herbst 1931 hinter einem Vorhang die Arbeiten der Bezirksleitung, der Ortsgruppe und der SA erledigt. Dort saß die Leitung der Wahlkämpfe und Propagandaaktionen. Erst im Herbst 1931 konnten drei kleine Zimmer dazugenommen werden, wo dann die Dienstgeschäfte der Kreisleitung bis zu Beginn 1935 geführt wurden. Gleichzeitig entstand nebenan das SA-Heim, das während er Kampfzeit oft Zeuge der Vorbereitung großer Propagandafeldzüge war." (1923 - 1925 - 1935 NSDAP Marburg. Festschrift zum 10(12)jährigen Bestehen der NSDAP in Marburg, Marburg 1935, S. 31f.)

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Unterschiedliche politische Fahnen an einem Haus in Marburg, vor 1933
Unterschiedliche politische Fahnen an einem Haus in Marburg, vor 1933

 

Bei den dargestellten Haus handelt es sich um das Haus Weidenhäuser Str. 14 in Marburg.

Oben ist die Hakenkreuzfahne aus einem Fenster gehängt, in der Mitte die Fahne der Eisernen Front und unten die Fahne der KPD.


Die Eiserne Front war ein Zusammenschluss des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), des Allgemeinen freien Angestelltenbundes (Afa-Bund), der SPD und des Arbeiter Turn- und Sportbundes (ATSB). Am 2. Mai 1933 wurde die Eiserne Front im Zuge der Unterdrückung der Arbeiterbewegung und der Zerschlagung der Gewerkschaften aufgelöst.

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Aufmarsch der SA am Rudolfsplatz, um 1933
Aufmarsch der SA am Rudolfsplatz, um 1933
Diese Aufnahme zeigt eine Parade der Nationalsozialisten am Fuße der Alten Universität in Marburg. Die SA-Männer mit Standarte werden von Fahrradfahrern begleitet, Zuschauer drängen sich von beiden Seiten an den Straßen. Rechts im Bild ist die Turmuhr der Herrenmühle zu sehen.
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"Ich habe ein Christenmädchen geschändet!"
"Ich habe ein Christenmädchen geschändet!"

Am 26. August 1933 zwingt die Marburger SA-Standarte "Jäger 11" den Medizinstunden Jakob Spier, ein Schild mit der Aufschrift "Ich habe ein Christenmädchen geschändet!" durch die Stadt zu tragen. Um die Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen, geht der SA-Spielmannszug vorneweg.

Jakob Spier stammte aus einer Familie in Schrecksbach (Kreis Ziegenhain). Nach dem Besuch des Oberrealgymnasiums in Alsfeld hatte er 1927 ein Medizinstudium in Heidelberg aufgenommen und war vom Wintersemester 1930/31 bis zum Frühjahr 1933 an der Universität Marburg eingeschrieben und wohnte zuletzt in der Biegenstraße 19.

Er hatte sich mit einer jungen Frau aus Marburg verabredet, sowohl sie als auch ihre Eltern waren mit der Verabredung einverstanden.

Die SA schleppte Jakob Spier im Zug bis zum Marktplatz, wo der SA-Standartenreferent Paul-Gerhart Todenhöfer in einer Ansprache "deutsche Mädchen und Frauen" davor warnte, sich mit Juden einzulassen.

Jakob Spier wurde am Ende dieser Aktion "in Schutzhaft genommen". 


Quellen und Literatur:

OZ vom 28.8.1933

John R. Willertz, Marburg unter dem Nationalsozialismus (1933 - 1945), in: Erhart Dettmering, Rudolf Grenz (Hrg).: Marburger Geschichte. Rückblick auf die Stadtgeschichte in Einzelbeiträgen, Marburg 1980, S. 600.

Klaus-Peter Friedrich: Ein dunkles Kapitel Marburger Geschichte, in: Oberhessische Presse, 25.08.2014. 

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Stadtpläne von Marburg 1931und 1939
Stadtpläne von Marburg 1931und 1939
Stadtpläne von Marburg 1931und 1939

Ein Vergleich der Stadtpläne von 1931 und 1939 zeigt die Veränderungen, die die neuen Machthaber ab 1933 im Marburger Stadtbild verankert haben.

Arbeitsauftrag: 

Welche Veränderungen fallen Ihnen auf? Welche Straßen, Plätze und Gebäude wurden umbenannt? Recherchieren Sie die Bedeutung der neuen und ggf. auch der alten Namen. 

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Rathaus: Verfolgung politischer Gegner und Gleichschaltung
Rathaus: Verfolgung politischer Gegner und Gleichschaltung

Am Beispiel Marbugs lässt sich die NS-Gleichschaltung nachvollziehen; z.B. demonstrieren die Wahlergebnisse der Reichstagswahl vom 5. März 1933, dass die Marburger Bevölkerung die nationalsozialistische Entwicklung überwiegend begrüßte [Dok. 1].

Zur ersten Machtprobe in der Stadt kam es nur wenige Tage später, als der Marburger Bürgermeister im Flaggenstreit mit der SA unterlag und seinen Rücktritt erklären musste [Dok. 2, 7]. Das Ergebnis der sich anschließenden Stadtverordnetenwahl zeigt das Vertrauen, dass die Marburger auch im Stadtparlament in die NSDAP setzten [Dok. 3].

Die Folgen, die diese Entscheidung für Abgeordnete anderer Parteien und die Stadt Marburg hatte, zeigen die Dokumente 8, 9 und 10.

Auch die Marburger Presse wurde gleichgeschaltet; hier am Beispiel des Hessischen Tageblatts des Verlegers Hermann Bauer - nach Besetzung durch die SA und Zensurauflagen musste die Zeitung ihr Erscheinen schließlich einstellen [Dok. 4, 5, 6, 11].

Mit dem Dokument 12 beginnt der Komplex "Schutzhaft": Der Reichstagsbrand vom 28.02.1933 zog Maßnahmen nach sich, die auch in Marburg spürbar waren, wo zeitgleich Durchsuchungen und Verhaftungen, besonders von KPD- und SPD-Funktionären, begannen [Dok. 12, 13, 14, 15, 17, 18, 19, 20, 21 , 22, 24]. Es wurden so viele Verhaftungen vorgenommen, dass der Marburger Gefängnisdirektor schließlich eine Überbelegung beklagte und um andere Unterbringungsmöglichkeiten bat [Dok. 23]. Im Juni wurde deshalb in der Landesarbeitsanstalt Breitenau ein Konzentrationslager eingerichtet [Dok. 28]. Im April 1933 ebbte die erste Verhaftungswelle, die angeblich der "nationalen Sicherheit" diente, ab und Entlassungen folgten [Dok. 26, 27]. Um auf die Entlassenen jedoch weiter Druck ausüben zu können, mussten diese eine Erklärung unterschreiben, sich nicht weiter staatsfeindlich zu betätigen [Dok. 16, 25]. Zur Kontrolle und Überwachung legte man aber "Personalakten" an [Dok. 32], und gab Tipps, wie am unaufälligsten Briefe zu öffnen waren. Dokument 33, 29 und 31 belegen, dass viele Verhaftungen nur aufgrund von Denunziationen aus dem persönlichen Umfeld zustande kamen; auch eine praktische Möglichkeit, missliebige Konkurrenten auszuschalten. Dokument 34 und 35  zeigen Fotografien der Rathausschirn, wo politische Häftlinge oft zuerst inhaftiert wurden, und des Kilians, der eine Außenstelle der Gestapo beherbergte.

Wahlergebnis der Reichstagswahl vom 05. März 1933 in Stadt- und Landkreis Marburg.
Wahlergebnis der Reichstagswahl vom 05. März 1933 in Stadt- und Landkreis Marburg.

Am 30. Januar 1933 war Adolf Hitler zum Reichskanzler einer Regierung aus NSDAP und DNVP ernannt worden. Dass die Marburger mit der Regierungsbeteiligung der NSDAP einverstanden waren, zeigen die Ergebnisse der Reichstagswahl vom 05.03.1933: Die NSDAP schnitt mit 9444 Stimmen (=57,6%) in der Stadt Marburg nämlich deutlich besser ab als im Reichsdurchschnitt (43,9%). Ihr Ergebnis vom November 1932 konnte sie sogar noch um 8,3% (=8105 Stimmen) steigern. Die DNVP hingegen verzeichnete einen Verlust von 11,1 %, was fast einem Viertel aller Wähler entsprach. Auch KPD (4,8%) und DVP (3,6%) mussten Verluste hinnehmen. SPD (13,5%) und Zentrum (5,8%) konnten sich behaupten.

 

Quelle abgedruckt in: Dettmering, Erhart: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 85.

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Artikel der OZ betr. Flaggenstreit zwischen SA und dem Oberbürgermeister vom 10. März 1933.
Artikel der OZ betr. Flaggenstreit zwischen SA und dem Oberbürgermeister vom 10. März 1933.
Artikel der OZ betr. Flaggenstreit zwischen SA und dem Oberbürgermeister vom 10. März 1933.

Der Ausgang der Wahlen zum Reichstag (05.03.1933) fand seinen sichtbaren Ausdruck auch im Beschluss des Marburger Magistrats vom 08.03.1933, die schwarz-rot-goldene Flagge auf öffentlichen Gebäuden durch Hakenkreuz und/oder Schwarz-Weiß-Rot zu ersetzen. Die Ortskrankenkasse wehrte sich jedoch gegen die Beflaggung, da sie kein öffentliches Gebäude sei - anders als z.B. das Landratsamt - und erhielt dabei Unterstützung von Oberbürgermeister Müller. Der Regierungspräsident in Kassel entschied jedoch, dass die AOK die Beflaggung hinzunehmen habe, was die SA als Anlass zu öffentlichen Anfeindungen gegen den OB nahm. Der Magistrat erklärte schließlich, dass sich Müller im rechtlichen Sinne korrekt verhalten habe.

 

Quelle abgedruckt in: Dettmering, Erhart: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburber Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 102.

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Artikel des HT betr. Stadtverordnetenwahl vom 14.März 1933
Artikel des HT betr. Stadtverordnetenwahl vom 14.März 1933

Die Wahlergebnisse zeigen einen deutlichen Gewinn der NSDAP: Sie errang 7218 Stimmen; trotz eines Verlustes von 2226 Stimmen im Vergleich zur Reichstagswahl vom 05.03. erhielt sie damit 20 von 30 Sitzen im Stadtparlament. Weitere Sitzen bekamen SPD (4), KPD (1), Zentrum (1), DNVP (3) und Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft (1).  Damit hatte die NSDAP im neugewählten Marburger Stadtparlament keine nennenswerten Gegner mehr. Das Ergebnis spiegelt ein klares "Ja" der Marburger zum neuen Staat und eine deutliche Absage an die Parteien der Weimarer Republik wider.

 

Quelle abgedruckt in: Dettmering, Erhart: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 in der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S.119.

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Artikel des HT betr. Besetzung Redaktion des Hessischen Tageblatts durch SA vom 14. März 1933
Artikel des HT betr. Besetzung Redaktion des Hessischen Tageblatts durch SA vom 14. März 1933
Bei der Kommunalwahl vom 12.03.1933 konnten die Nationalsozialisten 20 von 30 Sitzen in der Stadtverordnetensammlung erringen. Die Marburger NSDAP nahm diesen Wahlerfolg zum Anlass, gegen angebliche Kritiker vorzugehen - auch ohne rechtliche Grundlage. So besetzte ein SA-Trupp Redaktion und Druckerei des Hessischen Tageblatts in der Deutschhausstraße - der Grund: Angebliche wiederholte Verleumdung von Reichskanzler, NSDAP und der Marburger Hilfspolizei.

Quelle abgedruckt in: Dettmering, Erhart: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im  Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 118.

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Artikel des HT betr. Erscheinungsverbot des Hessischen Tageblatts vom 15. März 1933
Artikel des HT betr. Erscheinungsverbot des Hessischen Tageblatts vom 15. März 1933

Dem Hessischen Tageblatt wurde vorgeworfen, den Reichskanzler und die NSDAP kritisiert zu haben. Das Erscheinungsverbot hatte der Oberpräsident von Kassel, Ernst von Hülsen, verhängt. Er konnte sich dabei auf die von Reichspräsident Hindenburg erlassene "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" vom 04. Februar 1933 berufen. Die Verodnung diente den Nationalsozialisten dazu, Kritiker durch Pressezensur, Beschränkungen des Briefgeheimnisses und der freien Meinungsäußerung, durch Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Eigentum mundtot zu machen.

Quelle abgedruckt in: Dettmering, Erhart: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 120.

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Artikel des HT betr. Erklärung des Hessischen Tageblatts zum dreitätigen Erscheinungsverbot vom 18. März 1933
Artikel des HT betr. Erklärung des Hessischen Tageblatts zum dreitätigen Erscheinungsverbot vom 18. März 1933

Thema das Artikels: der Umgang einer Zeitung mit der eingeschränkten Pressefreiheit. Das Hessische Tageblatt kündigt deshalb an, seine bisher stets frei geäußerte Meinung zurückhaltender zu formulieren und "Stellungnahme[n]" nur noch "abwartend" zu verfassen. Gleichzeitig formuliert der Autor aber auch eine letzte Kritik; so hofft er, dass sich die bisherigen "Bedenken" der Zeitung, die aktuellen politischen Umstände betreffend, nicht bewahrheiten werden.

Quelle abgedruckt in: Dettmering, Erhart: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 121.

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Artikel der OZ betr. Rücktritt des Oberbürgermeisters Müller vom 28. März 1933
Artikel der OZ betr. Rücktritt des Oberbürgermeisters Müller vom 28. März 1933

Die Ergebnisse der Stadtverordnetenwahlen zeigten weitere Auswirkungen in Marburg: So wurde der den Nationalsozialisten unliebsame Oberbürgermeister Müller, DVP, seines Amtes enthoben. Die Vorgehensweise der Nationalsozialisten war einfach: Die 20 Stadtverordneten der NSDAP weigerten sich, mit Oberbürgermeister Müller aufgrund von "schwerwiegenden Differenzen" zusammenzuarbeiten. Sie erklärten, dass sie auch im Sinne der Marburger Bevölkerung handelten, da diese sie ja schließlich gewählt habe. Nachdem der Kreisleiter der NSDAP mit einigen SA-Männern Müller im Rathaus zum sofortigen Rücktritt aufgefordert hatte, sah sich Müller dazu gezwungen, bis auf Weiteres Urlaub zu nehmen. Seine Nachfolge trat am 27.04.1934 das NSDAP-Mitglied Ernst Scheller an.

Quelle abgedruckt in: Dettmering, Erhart: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 137.

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Artikel des HT betr. Erklärung der sozialdemokratischen Stadtverordneten vom 03. April 1933
Artikel des HT betr. Erklärung der sozialdemokratischen Stadtverordneten vom 03. April 1933

Die NSDAP begann nun, die noch vorhandenen Gegner ihrer Politik im Stadtparlament auszuschalten. Reichsminister Göring hatte dazu eine Anordnung erlassen, nach der SPD-Mitglieder des Stadtparlaments durch rechtsoriente Personen ausgetauscht werden können. Daher sagten die vier am 12.03. gewählten Stadtverordneten der Marburger SPD ihre Teilnahme an der Sitzung am 03.04. ab. Außerdem befürchteten, verhaftet zu werden, sollten sie Beschlüssen der NSDAP im Wege stehen. Der gewählte Verteter der KPD war zu dieser Zeit übrigens schon in "Schutzhaft" genommen worden.

Quelle abgedruckt in: Dettmering, Erhart: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 157.

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Artikel des HT betr. Eröffnungssitzung des neuen Stadtparlaments vom 04. April 1933
Artikel des HT betr. Eröffnungssitzung des neuen Stadtparlaments vom 04. April 1933

Hermann Bauer, der Herausgeber des Hessischen Tageblatts, berichtet über die erste Sitzung des neuen Stadtparlaments. Seine Informationen hat er allerdings nicht aus erster Hand erhalten, da man ihm den Zutritt zur Veranstaltung verwehrt hat. In dieser Tat sieht er den Versuch, das "Hessische Tageblatt [zu] ruinieren" Ebenso markiert sie einen weiteren Einschnitt der Pressefreiheit, indem kritische Tageszeitungen von ihrer Berichterstattung abgehalten werden, so dass nur gleichgeschaltete Nachrichten erscheinen können.

 

Quelle abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. S. 158.

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Artikel der OZ betr. erste Stadtverordneten-Versammlung vom 04. April 1933
Artikel der OZ betr. erste Stadtverordneten-Versammlung vom 04. April 1933
Artikel der OZ betr. erste Stadtverordneten-Versammlung vom 04. April 1933
Artikel der OZ betr. erste Stadtverordneten-Versammlung vom 04. April 1933
Artikel der OZ betr. erste Stadtverordneten-Versammlung vom 04. April 1933

Die Oberhessische Presse bejubelt die "gewaltige Erneuerung" der nationalsozialistischen Bewegung, die sich auch in der Sitzung des Stadtparlaments gezeigt habe: "Schlag auf Schlag, mit mustergültiger Diszipliniertheit wurde in kürzester Frist die Tagesordnung erledigt". Kein Wunder, schließlich waren keine Abgeordente gegnerischer Parteien anwesend. Schnelle Beschlüsse konnten hinsichtlich der Verleihung von Ehrenbürgerschaften sowie von Umbenennungen gefällt werden, die dem neuen Geist ein Gesicht gaben: Hindenburg und Hitler wurden zu Ehrenbürgern der Stadt Marburg ernannt, umbenannt wurden folgende Straßen und Schulen: Friedrichsplatz = Adolf-Hitler-Platz, Uferstraße = Bernhard-Rust-Straße, Oberrealschule (MLS) = Adolf-Hitler-Schule, Südschule (OUS) = Horst-Wessel-Schule, Nordschule (FES) = Schlageter-Schule. In seiner Rede lobt der neue OB Voß diesen "Gleichklang", für den die Marburger mit ihrer Zustimmung zur "deutschen Erneuerung" verantwortlich seien. Im Anschluss an seine Rede verpflichtet er die Abgeordneten der NSDAP mittels Handschlag.

Quelle abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 153 - 156.

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Artikel des HT betr. Erscheinungsende des Hessischen Tageblatts vom 29. April 1933
Artikel des HT betr. Erscheinungsende des Hessischen Tageblatts vom 29. April 1933

Die Befürchtung Hermann Bauers, dass sein Blatt "runiniert" werden sollte, wurde Ende des Monats Gewissheit: "So füge ich mich dem geistigen und wirtschaftlichen Druck  und stelle das Erscheinen [...] ein." Ein letztes Mal äußert Bauer seine Sorgen über die aktuellen politischen und geistigen Entwicklungen :"[...] uns tragen Feste und Feiern nicht über diese innere Not hinweg.", bevor auch die letzte kritische Pressestimme in Marburg verstummt.

Quelle abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001.

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Reichsgesetzblatt betr. Verordnung des Reichspräsindenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933
Reichsgesetzblatt betr. Verordnung des Reichspräsindenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933
In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar brannte der Reichstag in Berlin. Im brennenden Gebäude wurde der niederländische Kommunist Marinus van der Lubbe verhaftet; obwohl die Täterschaft bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte, nutzten die Nationalsozialisten den Brand, um gegen Kommunisten und mit ihnen verbündete Sozialdemokraten vorgehen zu können. Schon am Morgen des 28.02. trat die Verodnung des Reichspräsidenten in Kraft: Ihr euphemistischer Titel gab vor, zum Schutz der deutschen Bevölkerung zu handeln. Tatsächlich aber setzte die Verordnung alle Grundrechte außer Kraft: Den Nationalsozialisten war es nun möglich, ihre politischen Gegener ohne richterlichen Beschluss zu verhaften oder Hausdurchsuchungen vorzunehmen.
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Durchsuchungsliste, Ende Februar bis Anfang März 1933
Durchsuchungsliste, Ende Februar bis Anfang März 1933
Die im Zuge des Reichstagsbrandes erlassene Verordnung, die faktisch die Grundrechte außer Kraft setzte, wurde auch im Marburger Landkreis sofort angewandt: Die Liste dokumentiert ab dem 28. Februar vorgenommene Hausdurchsuchungen und beschlagnahmtes Material, das bei Angehörigen der KPD und SPD gefunden wurde; darunter Zeitschriften, Zeitungen und Flugblätter. Nur ganz vereinzelt wurden Schusswaffen und Munition sichergestellt.
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Flugblatt zur Reichstagswahl vom 05. März 1933
Flugblatt zur Reichstagswahl vom 05. März 1933
Das Wahlplakat war eines der beschlagnahmten Flugblätter, die bei Kommunisten und Sozialdemokraten gefunden und in der Durchsuchungsliste dokumentiert wurden. Im Vorfeld der für den 5. März angesetzten Reichstagswahl ruft es die Gegner der aktuellen Politik dazu auf, sich aktiv gegen den Faschismus einzusetzen.
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Artikel des HT betr. Maßnahmen in Folge des Reichstagsbrands vom 01. März 1933
Artikel des HT betr. Maßnahmen in Folge des Reichstagsbrands vom 01. März 1933

Vom 27. auf den 28. Februar brannte der Reichstag in Berlin. Obwohl die Schuldigen nicht eindeutig ermittelt werden konnten, nutzte die NS-Regierung den Brand, um gezielt gegen ihre politischen Gegner, vor allem die KPD, vorzugehen. Noch am 28. Februar veröffentlichte sie die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat".

Das Hessische Tageblatt druckt die Verordnung ab und weist ihre Leser besonders auf die vorgenommene Einschränkung der Pressefreheit auf. In ihrem Kommentar kritisiert sie diesen Schritt: Denn grade vor einer Wahl müsse ein Appell an die "verantwortungsbewussten Bürger" gerichtet werden können, auch jene Parteien zu wählen, die für einen "Ausgleich" der aktuellen Spannungen zwischen links und rechts sorgen könnten.  Gleichzeitig informiert das Blatt über die Bedeutung der Verordnung, die sich vor allem gegen kommunistische "Umtriebe", die die Regierung als "Gefahr" betrachte,richtet.

Quelle abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Zeitschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 70.

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Verpflichtungserklärung entlassener Schutzhäftlinge, 1933
Verpflichtungserklärung entlassener Schutzhäftlinge, 1933
Aus der Schutzhaft entlassene Häftlinge müssen erklären, dass sie sich in Zukunft nicht mehr "staats- und regierungsfeindlich" betätigen werden. Auch wird ihnen untersagt, sich kritisch gegenüber dem Staat und den Machthabern zu äußern. Bei Zuwiderhandlung droht ihnen erneute Verhaftung. Durch Druck und Drohung gelingt es so den Nationalsozialisten, ihre noch vorhandenen politischen Gegner nach und nach auszuschalten.
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Artikel der OZ betr. Hausdurchsuchungen von KPD- und SPD-Funktionären vom 01. März 1933
Artikel der OZ betr. Hausdurchsuchungen von KPD- und SPD-Funktionären vom 01. März 1933

Der Artikel berichtet über erste Hausdurchsuchungen bei kommunistischen Funktionären: In der Geschäftsstelle der SPD wurde Wahlwerbung beschlagnahmt, das als "Propagandamaterial" verunglimpft wird.

 

Quelle abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001.S.71.

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Artikel der OZ betr. Polizeiaktionen gegen KPD und SPD sowie Bildung der Hilfspolizei vom 01. März 1933
Artikel der OZ betr. Polizeiaktionen gegen KPD und SPD sowie Bildung der Hilfspolizei vom 01. März 1933

Die Oberhessische Zeitung berichtet von Hausdurchsuchungen in der Geschäftstelle der KPD am Barfüßer Tor und der SPD in der Biegenstraße. Die Maßnahmen dienen angeblich der "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit". Die OZ erwähnt in ihrem Artikel auch das Aufstellen einer "Hilfspolizei"; ihr liegt ein Erlass vom 22.Februar von Innenminister Göring zugrunde. Sie soll die Polizeibeamten bei ihrer Arbeit im Vorfeld der Reichtstagswahlen (05. März) unterstützen, um vermeintlliche Umsturzversuche der "Linken" zu verhindern. Sie setzt sich aus den "nationalen Wehrverbänden" zusammen, also aus SA, SS und Stahlhelm. Die Beamten tragen eine Uniform und eine weiße Armbinde mit dem Schriftzug "Hilfspolizei".

Quelle abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marbuger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur. Marburg 2001. S. 71.

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Artikel der OZ betr. Festnahme von Kommunisten vom 02. März 1933
Artikel der OZ betr. Festnahme von Kommunisten vom 02. März 1933

Wenige Tage vor der Reichstagswahl finden nun auch erste Verhaftungen von politsch Andersdenkenden statt: Die OZ berichtet von der Festnahme zweier KPD-Mitglieder.

Der Artikel macht die beginnende Willkürherrschaft deutlich, denn Verhaftungen konnten nun ohne konkreten Anlass vorgenommen werden; die  beiden Kommunisten hatten sich lediglich in "verdächtiger Weise" im Schlosspark "herumgetrieben".

Gleichzeitig dokumentiert der Artikel die Bemühungen der Marburger SPD, den von der NS-Regierung vorgenommen Unterstellungen, sie handele "illegal", entgegenzutreten.

Quelle abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur. S. 76.

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Schreiben des Polizeipräsidenten Kassel betr. Anordnung zur Festnahme von Kommunisten vom 15. März 1933
Schreiben des Polizeipräsidenten Kassel betr. Anordnung zur Festnahme von Kommunisten vom 15. März 1933
Auch nach der Reichstagswahl vom 05.März geht der NS-Staat weiter gegen politische Gegner vor: Auf Anordnung des Berliner Innenministeriums vom 28. Februar im Zuge des Reichstagsbrands sollen kommunistische Funktionäre, deren Namen auf Wahllisten verzeichnet sind, verhaftet werden. Für Marburg kommt der Landwirt S. aus Groß-Seelheim in Frage; dieser soll in Haft genommmen und ins Polizeigefängnis nach Kassel gebracht werden.
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Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel betr. Anordnung Schutzhaft für kommunistische Funktionäre vom 26. März 1933
Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel betr. Anordnung Schutzhaft für kommunistische Funktionäre vom 26. März 1933
Am 26. März ergeht  vom Regierungspräsidenten Kassel erneut der Hinweis nach Marburg, alle kommunistischen Abgeordneten in "Schutzhaft" zu nehmen.
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Schreiben des Landrats Marburg betr. Benachrichtigung über Verhaftung kommunistischer Funktionäre vom 28. März 1933
Schreiben des Landrats Marburg betr. Benachrichtigung über Verhaftung kommunistischer Funktionäre vom 28. März 1933
Nur zwei Tage später, nachdem das Regierungspräsidium Kassel anordnete, kommunistische Funktionäre zu verhaften, meldet Marburg am 28. März nach Kassel, dass 32 Personen im Landkreis in "Schutzhaft" genommen wurden.
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Schreiben des Gefängnisvorstehers Marburg betr. Überbelegung im Marburger Gefängnis durch Schutzhäftlinge vom 28. März 1933
Schreiben des Gefängnisvorstehers Marburg betr. Überbelegung im Marburger Gefängnis durch Schutzhäftlinge vom 28. März 1933
Schreiben des Gefängnisvorstehers Marburg betr. Überbelegung im Marburger Gefängnis durch Schutzhäftlinge vom 28. März 1933

Nach der Verhaftung der 32 politischen Gegner ist das Gefängnis in der Wilhelmstraße überbelegt. Der Gefängnisvorsteher führt in einem Schreiben an den Landrat Marburg genau auf, welche Häftlinge zur Zeit bei ihm untergebracht sind. Seine Bitte, für zukünftige Häftlinge andere Unterbringungen zu finden, macht deutlich, dass er davon ausgeht, dass es zu weiteren Verhaftungen kommen wird. Insgesamt beherbergt das Gefängnis also 91 Gefangene, von denen mehr als die Hälfte politsche Gefangene sind.

Transkription:

"Wie aus der Anlage ersichtlich ist, hat das hiesiege Gerichtsgefängnis eine Normalbelegung von 73 Köpfen. Die augenblickliche Belegungsziffer beträgt dagegen 91 Köpfe, so daß die Anstalt um 18 überbelegt ist. Ich bitte daher, bei der Verhaftung weiterer Schutzhaftgefangener in Erwägung ziehen zu wollen, ob diese Leute nicht einer anderen Anstalt zugeführt werden könnten. [Unterschrift.]

[Anlage] Belegungsverhältnisse des Gerichtsgefängnisses in Marburg /L.:

Normalbelegung: 65 Männer, 8 Frauen = 73. Es können untergebracht werden: In Zellen für Tag und Nacht 15; In Zellen nur für die Nacht (Schlafzellen) 26; In Gemeinschaftsräumen 32 = 73.

Es sind zur Zeit untergebracht: Unters. Gefangene 10; Strafgefangene 34; Zivilhaftgefangene - , Transporthaftgefangene 1; Schutzhaftgefangene: a) für Pol. Verw. Marburg 14; b) für Landratsamt Marburg/L 32 = 46."


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Artikel des HT betr. politische Verhaftungen vom 28. März 1933
Artikel des HT betr. politische Verhaftungen vom 28. März 1933

Das Hessische Tageblatt berichtet unter der Überschrift "Politische Verhaftungen" über die Festnahme von Kommunisten im Landkreis Marburg. Es verwendet dabei schon den Begriff des Konzentrationslagers: "Die Verhafteten werden voraussichtlich einem Konzentrationslagers zugeführt."

Quelle abedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 136.

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Erklärung eines aus der Haft entlassenen Schutzhäftlings vom 31. März 1933
Erklärung eines aus der Haft entlassenen Schutzhäftlings vom 31. März 1933
Ein aus der Haft entlassener Kommunist muss bestätigen, dass er sich von jetzt an nicht mehr politisch betätigen wird. Bei Verstoß gegen dieses Vorhaben droht ihm erneut die Verhaftung.
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Schreiben der NSDAP-Zelle Dreihausen betr. Freilassung eines Schutzhaftgefangenen aus Dreihausen vom 01. April 1933
Schreiben der NSDAP-Zelle Dreihausen betr. Freilassung eines Schutzhaftgefangenen aus Dreihausen vom 01. April 1933
Die NSDAP-Zelle Dreihausen berichtet nach Marburg, wo sich der aus Dreihausen stammende Steinrichter Heinrich F. wegen politischer Tätigkeit in Schutzhaft befindet, dass sie hinsichtlich seiner Freilassung keine Bedenken habe. Sie weist allerdings darauf hin, dass dem Häftling klar gemacht werden müsse, dass er bei erneuter politischer Tätigkeit gegen den Staat mit seiner Widerverhaftung zu rechnen habe.
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Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel betr. Anordnung zur Freilassung Schutzhaftgefangener vom 10. April 1933
Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel betr. Anordnung zur Freilassung Schutzhaftgefangener vom 10. April 1933
In seinem Schreiben legt der Regierungspräsident Kassel die Ursachen für die erste Verhaftungswelle sowie die Gründe für nun mögliche Entlassungen dar. So erklärt er, dass die Verhaftungen notwendig waren, um die "öffentliche Sicherheit" gewährleisten zu können, denn im Zuge der "nationalen Erhebung" sei zu befürchten gewesen, dass die Kommunisten ihren "Unwillen" gewaltsam zum Ausdruck bringen. Nun aber könnten die vorsorglich Verhafteten wieder auf freien Fuß gesetzt werden, sofern keine weiteren Bedenken gegen sie bestünden.
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Einrichtung eines Konzentrationslagers in Breitenau, 27. Juni 1933
Einrichtung eines Konzentrationslagers in Breitenau, 27. Juni 1933
Um weitere Unterbringungsmöglichkeiten für politische Gefangene zu haben, wird in der Landesarbeitsanstalt Breitenau ein Konzentrationslager eingerichtet. Die Dauer der Festnahme soll mindestens vier Wochen betragen.
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Anzeige wegen angeblicher staatsfeindlicher Äußerungen, 10. Juli 1933
Anzeige wegen angeblicher staatsfeindlicher Äußerungen, 10. Juli 1933
Anzeige wegen angeblicher staatsfeindlicher Äußerungen, 10. Juli 1933
Die Anzeige kommt wegen einer Denunziation zustande: Der Maurermeister S. habe sich in einer Gaststätte in Lohra kritisch gegenüber der Finanzierungspolitik des neuen Staates geäußert. Er bemängelte, dass den Arbeitern vom Lohn eine Mark einbehalten werde, was dann als "freiwillige" Spende bezeichnet würde. Der Hüttenarbeiter und SA-Mann Heinrich S. war wie die anderen Männer der Runde über die Aussage so "aufgebracht", dass er sofort einen Landjägereibeamten informierte. Am Ende der Anzeige wird der Landrat Marburg aufgefordert, den Beschuldigten zu vernehmen.
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Schreiben des Polizeipräsidenten betr. Maßnahmen zur Vollstreckung der Schutzhaft sowie der Behandlung von Schutzhäftlingen vom 11. August 1933.
Schreiben des Polizeipräsidenten betr. Maßnahmen zur Vollstreckung der Schutzhaft sowie der Behandlung von Schutzhäftlingen vom 11. August 1933.

Der Polizeipräsident Pfeffer macht Vorschläge zur Durchführung und Dauer der Schutzhaft: so möchte er die Mindestdauer der Haftzeit von vier Wochen auf etwa zwei bis drei Monate ausdehnen. Außerdem informiert er über die Einrichtung eines "Gross-Konzentrationslagers", in das entlassene Häftlinge, die sich wieder "staatsfeindlich" betätigten, eingeliefert werden sollten. Aus "volkserzieherischen Gründen" sieht er schlicßelich für solche Schutzhäftlinge die Verlegung in ein "Arbeitsdienstlager" vor, die ihre "Besserungsfähigkeit" unter Beweis gestellt hätten.

 

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Unbegründete Denunziation durch NSDAP-Angehörige, 06. September 1933
Unbegründete Denunziation durch NSDAP-Angehörige, 06. September 1933
Der Polizeipräsident von Kassel beklagt die sich häufenden Fälle von haltlosen Verleumdungen durch Angehörige der NSDAP, besonders der SA und SS. Von seiner Behörde erwarte man die sofortige Einweisung in das KZ Breitenau, ohne dass den Beklagten ihre angeblich staatsfeindlichen Äußerungen oder Taten bewiesen werden konnten. Pfeffer führt als Ursache dieser Denunziationen persönliche Gründe an und legt deshalb fest, dass die Ankläger weiterer Verleumdungen in Zukunft statt der Angeklagten selbst verhaftet werden könnten.
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Politische Personalakten für verdächtige Personen, 28. Oktober 1933.
Politische Personalakten für verdächtige Personen, 28. Oktober 1933.
Die Ortspolizei Marburg wird aufgefordert, Akten über Personen anzulegen, die sich politisch möglicherweise unzuverlässig zeigten. Auf diese Weise sei die politische Polizei jederzeit über diese Personen und ihr Verhalten informiert. Akten sollen so z.B. über ehemalige KPD- und SPD-Angehörige angelegt werden.
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Schreiben der Staatspolizeistelle Kassel betr. Überwachung durch Verletzung des Briefgeheimnisses vom 22. August 1935
Schreiben der Staatspolizeistelle Kassel betr. Überwachung durch Verletzung des Briefgeheimnisses vom 22. August 1935
Um verdächtige Personen unaufällig überwachen zu können, macht die Staatspolizeit Vorschläge, wie Briefe z.B. unter Wasserdampf geöffnet werden können.
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Foto Arrestzellen in der Rathausschirn, 2014
Foto Arrestzellen in der Rathausschirn, 2014
Foto Arrestzellen in der Rathausschirn, 2014
Foto Arrestzellen in der Rathausschirn, 2014
Foto Arrestzellen in der Rathausschirn, 2014
Foto Arrestzellen in der Rathausschirn, 2014
Die Gefängniszellen in der Schirn waren oft der erste Ort, an dem Verhaftete in Marburg ab 1933 untergebracht wurden.
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Foto Kilian, Außenstelle Gestapo, 2014
Foto Kilian, Außenstelle Gestapo, 2014
Im Kilian war zeitweise eine Außenstelle der Gestapo untergebracht.
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Wettergasse 25: Antisemitische Ausschreitungen vor 1938
Wettergasse 25: Antisemitische Ausschreitungen vor 1938

Die Anordnung "Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" beendete die jüdische Beteiligung am Marburger Wirtschaftsleben endgültig. Doch bis 1938 waren bereits viele Betriebe "arisiert" oder "liquidiert" worden, denn schon kurz nach dem Machtantritt riefen die Nationalsozialisten zu Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte und ihre Inhaber auf; der am 29.03.1933 in der Marburger Oberhessischen Zeitung erschienene Artikel liefert die vermeintliche Rechtfertigung dafür [Dok. 1 ]. 

Einen Tag später reagiert die jüdische Gemeinde Marburgs auf die in der Stadt vorgenommenen Maßnahmen [Dok. 2]. Ihre Erklärung, vermutlich mit dem Ziel geschrieben, weitere Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung abzuwenden, bleibt ohne Wirkung: Noch am gleichen Tag ergeht ein Boykottaufruf der NSDAP für den 1. April [Dok. 3], dessen Durchführung in Marburg kurz darauf in der OZ beschrieben wird [Dok. 4].

Zwei Jahre später, am 09.04.1935, zeigt sich, dass Teile der Marburger Bevölkerung nicht nur dazu bereit sind, jüdische Geschäfte zu meiden, sondern sich sogar an Ausschreitungen gegen diese Geschäfte und ihre Inhaber beteiligen. Josef Spinat, der polnischer Staatsbürger war und in der Wettergasse 25 einen Schuhladen unterhielt, entschied sich vor der Schließung seines Ladens aufgrund rückläufiger Umsätze zu einem Ausverkauf. Im Zuge dessen verbreitete sich das Gerücht, Spinat habe weitere Schuhe hinzugekauft, um den Räumungsverkauf hinauszuzögern, was sich später als vollkommen haltlos herausstellte. 

Die Dokumente 5 und 6 schildern den Ablauf der Ausschreitungen sowie den Zustand des Hauses nach dem Überfall.

Einige Studenten konnten von der Polizei in der Wettergasse identifiziert werden; in ihren Zeugenaussagen [Dokumente 7, 8 und 9] weisen sie jedoch jegliche Verantwortung von sich.   

Im Dokument 10 kommt Josef Spinat selbst zu Wort: Er schildert in seinem Strafantrag gegen Unbekannt, wie er den Übergriff erlebt hat.

Die Zeugenaussage eines weiteren Studenten beleuchtet noch einmal die Vorgänge in der Wettergasse während des Überfalls und danach. [Dok. 11]. Einen Einblick in das Geschehen im Ladeninneren während des Überfalls gewähren die Zeugenaussagen dreier Mitarbeiterinnen des Schuhhauses [Dok. 12 ].

Die Dokumente 13 , 14 , 15 und 16 zeigen den z.T. unmotivierten Umgang der Behörden mit dem Vorfall, der 1936 eingestellt wird.   

Das Amtsgericht Marburg sprach Spinat als Entschädigung lediglich einen Betrag von 834 RM zu - den Spinat offensichtlich nie erhalten hat -, obwohl er selbst den Schaden mit einem Wert von 11954,70 RM angab. Josef Spinat entschloss sich im Jahr 1936 zur Übersiedlung nach Palästina (Vgl. zu letzterem: Händler-Lachmann, Barbara / Werther, Thomas: Vergessene Geschäfte, verlorene Geschäfte. Jüdisches Wirtschaftsleben in Marburg und seine Vernichtung im Nationalsozialismus. Marburg 1992.)

 

Zeitungsartikel über die deutschen "Gegenmaßnahmen" als Reaktion auf die angeblich im Ausland kursierende deutschfeindliche Propaganda, 29.03.1933
Zeitungsartikel über die deutschen "Gegenmaßnahmen" als Reaktion auf die angeblich im Ausland kursierende deutschfeindliche Propaganda, 29.03.1933

Der Artikel schildert die angeblich "spontan" ergriffenen Maßnahmen gegen die "deutschfeindliche Propaganda" im Ausland, die einen Boykott deutscher Waren nach sich gezogen habe: So versahen SS-Leute jüdische Geschäfte sowie Kanzleien jüdischer Rechtsanwälte anhand von Plakaten mit dem Hinweis an die Marburger, diese Geschäfte als "Deutsche" nicht mehr zu betreten.

 

Abdruck in: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Hg. v. Erhart Dettmering. In: Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001.

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Erklärung der jüdischen Gemeinde Marburgs zu den "Greuelnachrichten" im Ausland, 30.03.1933
Erklärung der jüdischen Gemeinde Marburgs zu den "Greuelnachrichten" im Ausland, 30.03.1933

Die jüdische Gemeinde Marburg distanziert sich in ihrer Erklärung von den "Greuelnachrichten im Ausland", die von einer Misshandlung deutscher Juden berichten: Sie weist darauf hin, dass ihre Mitglieder in Marburg als Teil der Gesellschaft völlig unbehelligt lebten und betont ihr Einverständnis mit dem neuen Staat und dem "Erstarken Deutschlands".

Abdruck in: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Hg. v. Erhart Dettmering. In: Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001.

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Boykottaufruf der NSDAP: Aktion gegen Geschäfte jüdischer Inhaber, 30.03.1933
Boykottaufruf der NSDAP: Aktion gegen Geschäfte jüdischer Inhaber, 30.03.1933
Der Regierungspräsident Kassel gibt u.a. dem Oberbürgermeister Marburgs als Ortspolizeibehörde den Grund und die Durchführungsbestimmungen des Boykottaufrufs der NSDAP bekannt: Aufgrund angeblicher "Greuelpropaganda" im Ausland werden sich am 1. April "Aktionskomitees" bilden, die Kunden am Betreten jüdischer Geschäfte hindern sollen.
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Zeitungsartikel "Der Abwehrkampf: Boykottkundgebung auf dem Marktplatz", 02.04.1933
Zeitungsartikel "Der Abwehrkampf: Boykottkundgebung auf dem Marktplatz", 02.04.1933

In dem Artikel wird über die Boykottkundgebung, die auf dem Marburger Marktplatz stattfand, berichtet: Diese sei, wie die Maßnahmen gegen jüdische Geschäfte, eine Reaktion auf die "jüdische Hetze" im Ausland, die man gerade erst erfolgreich aus Deutschland verdrängt habe. Gleichzeitig ergeht die Drohung, dass Kunden, die weiter jüdische Geschäfte besuchten, mit "Terror" zu rechnen hätten.

 

Abdruck in: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Hg. v. Erhart Dettmering. In: Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001.

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Anzeige der Polizeihauptwachtmeister Stolzenburg, Köter und Süverkröbbe zu den Ausschreitungen gegen das Schuhgeschäft des Josef Spinat in der Wettergasse, 09.04.1935
Anzeige der Polizeihauptwachtmeister Stolzenburg, Köter und Süverkröbbe zu den Ausschreitungen gegen das Schuhgeschäft des Josef Spinat in der Wettergasse, 09.04.1935
Anzeige der Polizeihauptwachtmeister Stolzenburg, Köter und Süverkröbbe zu den Ausschreitungen gegen das Schuhgeschäft des Josef Spinat in der Wettergasse, 09.04.1935
Anzeige der Polizeihauptwachtmeister Stolzenburg, Köter und Süverkröbbe zu den Ausschreitungen gegen das Schuhgeschäft des Josef Spinat in der Wettergasse, 09.04.1935

Die Polizeihauptwachtmeister berichten über den Ablauf der Ausschreitungen gegen den jüdischen Inhaber des Schuhgeschäfts in der Wettergasse 25.

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Strafantrag des Kaufmanns Justus Schaaf wegen Sachbeschädigung am Haus Wettergasse 25, 09.04.1935
Strafantrag des Kaufmanns Justus Schaaf wegen Sachbeschädigung am Haus Wettergasse 25, 09.04.1935
Strafantrag des Kaufmanns Justus Schaaf wegen Sachbeschädigung am Haus Wettergasse 25, 09.04.1935
Der Besitzer des Hauses Wettergasse 25, der Marburger Kaufmann Justus Schaaf, stellt einen Strafantrag wegen Sachbeschädigung. In seinem Haus befindet sich das Schuhgeschäft von Josef Spinat. Schaaf schildert, in welchem Zustand er die Räume des Geschäfts nach dem Ende der Ausschreitungen vorgefunden hat.
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Zeugenaussage des Studenten Hans Ludwig zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussage des Studenten Hans Ludwig zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussage des Studenten Hans Ludwig zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935

Der Student Hans Ludwig äußert sich zu den Vorwürfen, an den Ausschreitungen sowie an den Sprechchören gegen Josef Spinat beteiligt gewesen zu sein. Ludwig gehört dem SA-Sturm 32 als Obertruppführer an.

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Zeugenaussage des Studenten Konrad Schulz zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussage des Studenten Konrad Schulz zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussage des Studenten Konrad Schulz zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Der Student Konrad Schulz äußert sich zu den Vorwürfen, an den Ausschreitungen sowie an den Sprechchören gegen Josef Spinat beteiligt gewesen zu sein. Schulz gehört dem SA-Sturm 41 als Sturmführer an.
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Zeugenaussage des Studenten Johannes Klingelhöfer zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussage des Studenten Johannes Klingelhöfer zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussage des Studenten Johannes Klingelhöfer zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Der Student Johannes Klingelhöfer äußert sich zu den Vorwürfen, an den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus beteiligt gewesen zu sein: Dabei weist er jegliche Verantwortung von sich und beschreibt seine Rolle lediglich als die eines Beobachters. Klingelhöfer gehört dem Nachrichtensturm der SA-Brigade 48 an.
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Josef Spinat stellt einen Strafantrag gegen die unbekannten Täter, 09.04.1935
Josef Spinat stellt einen Strafantrag gegen die unbekannten Täter, 09.04.1935
Josef Spinat stellt einen Strafantrag gegen die unbekannten Täter, 09.04.1935
Josef Spinat schildert in seinem Strafantrag gegen die ihm unbekannten Täter den Hergang der Übergriffe auf ihn und seine Angestellten sowie die Demolierung seines Ladens.
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Zeugenaussage des Studenten Werner Schubert zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussage des Studenten Werner Schubert zu den Ausschreitungen gegen das Schuhhaus Spinat, 09.04.1935
Der Student Werner Schubert beschreibt, wie er das Geschehen vor dem Schuhhaus gegen 14.30 Uhr erlebt hat: Geld, das aus dem Ladeninneren auf die Straße geworfen worden sei, habe er dabei eingesammelt und der Polizei übergeben.
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Zeugenaussagen der Aushilfen Elisabeth Henkel, Anna Zeckey und des Lehrmädchens Elisabeth Pfeiffer des Schuhhauses Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussagen der Aushilfen Elisabeth Henkel, Anna Zeckey und des Lehrmädchens Elisabeth Pfeiffer des Schuhhauses Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussagen der Aushilfen Elisabeth Henkel, Anna Zeckey und des Lehrmädchens Elisabeth Pfeiffer des Schuhhauses Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussagen der Aushilfen Elisabeth Henkel, Anna Zeckey und des Lehrmädchens Elisabeth Pfeiffer des Schuhhauses Spinat, 09.04.1935
Zeugenaussagen der Aushilfen Elisabeth Henkel, Anna Zeckey und des Lehrmädchens Elisabeth Pfeiffer des Schuhhauses Spinat, 09.04.1935
Die drei Frauen schildern in ihren Aussagen, wie sie die Übergriffe im Inneren des Ladens erlebt haben.
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Schreiben des Ministeriums des Innern an den Regierungspräsidenten Kassel zum Überfall auf das Schuhhaus Spinat, 07.11.1935
Schreiben des Ministeriums des Innern an den Regierungspräsidenten Kassel zum Überfall auf das Schuhhaus Spinat, 07.11.1935
Das Ministerium des Innern fordert hinsichtlich des Überfalls auf das Schuhhaus Spinat im April 1935 einen weitergehenden Bericht an: Es zeigt sich verwundert über das Vorgehen des Marburger Amtsgerichts, das den Überfall zwar einerseits als "Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Bedrohung" bezeichne, andererseits aber kein Interesse zeige, die wahren Täter ausfindig zu machen.
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Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel an den Oberstaatsanwalt in Marburg zumÜberfall auf das Schuhhaus Spinat, 10.11.1935
Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel an den Oberstaatsanwalt in Marburg zumÜberfall auf das Schuhhaus Spinat, 10.11.1935
Der Regierungspräsident wendet sich aufgrund des Schreibens aus Berlin an den Oberstaatsanwalt in Marburg: Er möchte auf den aktuellen Stand im Verfahren gegen die möglichen Täter des Überfalls auf Josef Spinat gebracht werden.
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Schreiben des Ministeriums des Innern an den Regierungspräsidenten in Kassel zum Überfall auf das Schuhhaus Spinat, 03.02.1936
Schreiben des Ministeriums des Innern an den Regierungspräsidenten in Kassel zum Überfall auf das Schuhhaus Spinat, 03.02.1936

Das Ministerium wendet sich erneut an den Regierungspräsidenten: Mittlerweile habe sich die polnische Botschaft "wiederholt" nach dem Stand der Ermittlungen erkundigt- Josef Spinat ist polnischer Staatsbürger -, weswegen der Minister eine Beschleunigung des Verfahrens in Kassel und Marburg erreichen möchte.

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Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel an das Ministerium des Innern, Berlin, zum Überfall auf das Schuhhaus Spinat, 08.02.1936
Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel an das Ministerium des Innern, Berlin, zum Überfall auf das Schuhhaus Spinat, 08.02.1936
Der Regierungspräsident berichtet von seinen Bemühungen um eine erneute Aufnahme des Verfahrens: Er habe durch die Staatspolizeistelle einen Beamten nach Marburg schicken lassen, der jedoch zu keinen neuen Erkenntnissen hinsichtlich der Verantwortlichen des Überfalls auf das Schuhhaus Spinat gelangt sei. Die Staatspolizeistelle sei darüber hinaus auch davon überzeugt, dass auch durch weitere Untersuchungen die Täter nicht ermittelt werden könnten.
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Synagoge Universitätsstraße
Synagoge Universitätsstraße

Am frühen Morgen des 10. Novembers 1938 wurde die Feuerwehr zur brennenden Synagoge in der Universitätsstraße gerufen. Hier angekommen, war sie weniger darum bemüht, den Brand zu löschen, sondern versuchte lediglich, die umliegenden Häuser vor einem Übergreifen der Flammen zu schützen. Da das Dach bereits einstürzte, entschied sie sich dazu, weitere Fakten zu schaffen und sprengte die Kuppel des Gebäudes [Dok. 3 , 6 ]. Der  Synagogendiener erstattete Anzeige wegen Brandstiftung [Dok. 4 ], die Täter konnte oder wollte die Staatsanwaltschaft jedoch nicht ermitteln [Dok. 5 , 6, 7 ]. Erst nach dem Ende des Krieges bemühte sich die Staatsanwaltschaft um eine neue Aufnahme des bereits zu den Akten gelegten Verfahrens [Dok. 7 ]. Als staatliche Reaktion auf die November-Pogrome erfolgte die sog. "Judenaktion" vom 10. November, bei der deutschlandweit mehr als 30.000 männliche Juden in Konzentrationslager verschleppt und dort z.T. monatelang inhaftiert wurden [Dok. 8 ,9 ,11 ]. Der Marburger Gerson Isenberg wurde nur wenige Tage nach seiner Verhaftung im KZ Buchenwald ermordet [Dok. 10 ].

Wie die Strafanzeige eines Marburger Kaufmanns [Dok. 2 ] beweist, gab es aber bereits vor dem 9. November einen Anschlag auf die Synagoge. Als Begründung für die Pogrome musste der Mord Herschel Grynszpans an dem Legationssekretär Ernst vom Rath am 7. November in Paris herhalten.

Ansichten des 1897 fertiggestellten Gebäudes der Synagoge in der Universitätsstraße
Ansichten des 1897 fertiggestellten Gebäudes der Synagoge in der Universitätsstraße
Ansichten des 1897 fertiggestellten Gebäudes der Synagoge in der Universitätsstraße
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Strafanzeige des Marburger Kaufmanns Samuel Bacharach betreffend eine vorsätzliche Sachbeschädigung an der Marburger Synagoge, Marburg, 08. November 1938
Strafanzeige des Marburger Kaufmanns Samuel Bacharach betreffend eine vorsätzliche Sachbeschädigung an der Marburger Synagoge, Marburg, 08. November 1938
Strafanzeige des Marburger Kaufmanns Samuel Bacharach betreffend eine vorsätzliche Sachbeschädigung an der Marburger Synagoge, Marburg, 08. November 1938
Strafanzeige des Marburger Kaufmanns Samuel Bacharach betreffend eine vorsätzliche Sachbeschädigung an der Marburger Synagoge, Marburg, 08. November 1938

Der Marburger Kaufmann Samuel Bacharach macht eine Strafanzeige gegen einen Unbekannten. Er stellte fest, dass in der Synagoge sämtliche Fenster beschädigt waren und Steine lagen. Überdies vernahm er einen intensiven Benzingeruch.

Der Marburger Kriminal-Oberassistent schreibt in seinem Bericht vom 09.11, dass am 08. November 1938 durch Unbekannte Scheiben der Synagoge in der Universitätsstraße zertrümmert wurden und eine Explosion stattfand. Die Suche nach den Tätern sei erfolglos verlaufen. Die Geschädigten stellen keinen Strafantrag.

Am 10.11 schreibt selbiger, dass die Synagoge am 10. November restlos ausgebrannt sei. Die Suche nach den Tätern wäre negativ geblieben. Er stellt die These auf, dass die Brandlegung eine spontane Protestaktion gegen das Attentat auf den deutschen Diplomaten in Paris, vom Rath, gewesen sei.

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Foto der brennenden Synagoge aus der Nacht vom 9. zum 10. November 1938
Foto der brennenden Synagoge aus der Nacht vom 9. zum 10. November 1938
Der Chemigraph Karl Wagner machte diese Aufnahme am Morgen des 10. November 1938, als er auf dem Weg zur Arbeit bei der Oberhessischen Zeitung war.
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Strafanzeige gegen einen unbekannten Brandstifter anlässlich des Synagogenbrandes, Marburg, 10. November 1938
Strafanzeige gegen einen unbekannten Brandstifter anlässlich des Synagogenbrandes, Marburg, 10. November 1938
Strafanzeige gegen einen unbekannten Brandstifter anlässlich des Synagogenbrandes, Marburg, 10. November 1938
Strafanzeige gegen einen unbekannten Brandstifter anlässlich des Synagogenbrandes, Marburg, 10. November 1938
Der Marburger Synagogendiener Nikolaus Kleinhenn erstattet Anzeige und berichtet der Marburger Polizeibehörde, dass sich in der Synagoge in der Universitätsstraße ein Brand ereignet hat. Die Feuerwehr habe hauptsächlich bei den Nachbarhäusern gelöscht, da die Synagoge nicht mehr zu retten gewesen sei. Über den Brandstifter sei nichts Näheres bekannt.
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Kreisfeuerwehrführer Bamberger, Marburg, mit dem Bericht über den am 10. November 1938 in der Marburger Synagoge ausgebrochenen Brand. Marburg, 11. November 1938
Kreisfeuerwehrführer Bamberger, Marburg, mit dem Bericht über den am 10. November 1938 in der Marburger Synagoge ausgebrochenen Brand. Marburg, 11. November 1938
Kreisfeuerwehrführer Bamberger, Marburg, mit dem Bericht über den am 10. November 1938 in der Marburger Synagoge ausgebrochenen Brand. Marburg, 11. November 1938
Kreisfeuerwehrführer Bamberger, Marburg, mit dem Bericht über den am 10. November 1938 in der Marburger Synagoge ausgebrochenen Brand. Marburg, 11. November 1938
Bericht über die Schäden etc. infolge des Brandes der Marburger Synagoge.
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Marburger Oberstaatsanwalt Lautz mit dem Vermerk vom 11. Januar 1940:  "Einstellung, Täter nicht ermittelt". Auf der Rückseite die Notiz des neuen Oberstaatsanwaltes Hadding betreffend die erneute Aufnahme der Ermittlungen vom 14. Dezember 1945.
Marburger Oberstaatsanwalt Lautz mit dem Vermerk vom 11. Januar 1940:  "Einstellung, Täter nicht ermittelt". Auf der Rückseite die Notiz des neuen Oberstaatsanwaltes Hadding betreffend die erneute Aufnahme der Ermittlungen vom 14. Dezember 1945.
Marburger Oberstaatsanwalt Lautz mit dem Vermerk vom 11. Januar 1940: "Einstellung, Täter nicht ermittelt". Auf der Rückseite die Notiz des neuen Oberstaatsanwaltes Hadding betreffend die erneute Aufnahme der Ermittlungen vom 14. Dezember 1945.
Oberstaatsanwalt Lautz, Marburg, mit dem Vermerk vom 11. Januar 1940, "Einstellung, Täter nicht ermittelt". Auf der Rückseite die Anweisung des neuen Oberstaatsanwaltes Hadding um erneute Aufnahme der Ermittlungen vom 14. Dezember 1945.
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"Judenaktion vom 10.11.1938" - Verzeichnis der inhaftierten "Aktionsjuden" in der Stadt Marburg a.d. Lahn,  10. 11.1938
"Judenaktion vom 10.11.1938" - Verzeichnis der inhaftierten "Aktionsjuden" in der Stadt Marburg a.d. Lahn,  10. 11.1938
"Judenaktion vom 10.11.1938" - Verzeichnis der inhaftierten "Aktionsjuden" in der Stadt Marburg a.d. Lahn, 10. 11.1938

"Judenaktion vom 10.11.1938"  - Verzeichnis der inhaftierten "Aktionsjuden" in der Stadt Marburg,  10. 11.1938, Nr. 1-31.  

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"Judenaktion vom 10.11.1938" - zahlenmäßige Aufstellung der im KL Buchenwald inhaftierten "Aktionsjuden" 10. 11.1938- 3. 1.1939 mit Verzeichnis der Zu- und Abgänge
"Judenaktion vom 10.11.1938" - zahlenmäßige Aufstellung der im KL Buchenwald inhaftierten "Aktionsjuden" 10. 11.1938- 3. 1.1939 mit Verzeichnis der Zu- und Abgänge
"Judenaktion vom 10.11.1938" - zahlenmäßige Aufstellung der im KL Buchenwald inhaftierten "Aktionsjuden" 10. 11.1938- 3. 1.1939 mit Verzeichnis der Zu- und Abgänge

Zahlenmäßige Aufstellung der im das KL Buchenwald inhaftierten "Aktionsjuden" 10. November 1938 - 3. Januar 1939 mit Verzeichnis der Zu- und Abgänge. Die Gesamtzahl der in Buchenwald im Rahmen "Judenaktion vom 10.11.1938" inhafteirten Juden betrrug 9845 Personen, am 03. 01.1939 waren noch 1534 Personen in Haft.

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"Judenaktion vom 10.11.1938" - Todesfall Gerson Isenberg aus Marburg am 14.11.1938 im KL Buchenwald, Mitteilung des Standesamts Marburg an das Sonderstandesamt Arolsen, 10. November 1948
"Judenaktion vom 10.11.1938" - Todesfall Gerson Isenberg aus Marburg am 14.11.1938 im KL Buchenwald, Mitteilung des Standesamts Marburg an das Sonderstandesamt Arolsen, 10. November 1948
"Judenaktion vom 10.11.1938" - Todesfall Gerson Isenberg aus Marburg am 14.11.1938 im KL Buchenwald, Mitteilung des Standesamts Marburg an das Sonderstandesamt Arolsen, 10. November 1948
"Judenaktion vom 10.11.1938" - Todesfall Gerson Isenberg aus Marburg am 14.11.1938 im KL Buchenwald, Mitteilung des Standesamts Marburg an das Sonderstandesamt Arolsen, 10. November 1948.
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Schreiben der GeStaPo Kassel an Landräte, Oberbürgermeister und Polizei. Kriterienkatalog für eine Entlassung von Juden aus der "Schutzhaft", 17. November 1938
Schreiben der GeStaPo Kassel an Landräte, Oberbürgermeister und Polizei. Kriterienkatalog für eine Entlassung von Juden aus der "Schutzhaft", 17. November 1938
Schreiben der GeStaPo Kassel an Landräte, Oberbürgermeister und Polizei: Kriterienkatalog für eine Entlassung von Juden aus der Schutzhaft.
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Marburger Oberstaatsanwalt Lautz an den Reichsminister der Justiz in Berlin betreffend den Brand der Marburger Synagoge. Marburg, 10. November 1938
Marburger Oberstaatsanwalt Lautz an den Reichsminister der Justiz in Berlin betreffend den Brand der Marburger Synagoge. Marburg, 10. November 1938
Marburger Oberstaatsanwalt Lautz an den Reichsminister der Justiz in Berlin betreffend den Brand der Marburger Synagoge. Marburg, 10. November 1938

Transkription: 

 

Sofort!

Bericht an G. RJM  in Berlin W8, …

Durch S.H.G Stle in Kassel (2 Stücke)

Betr. Brand der Synagoge in Marburg a.L.

Fernmündliche Ausführung vom 10.11.1938

Am 10.11.38 gegen 6 Uhr morgens erhielt die Ortspolizeibehörde in Marburg durch den Synagogendiener der Jüdischen Kultusgemeinde Marburg a.L. die Mitteilung, daß in dem Gebäude Universitätsstraße 11, der Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde, ein Brand ausgebrochen sei.

Die daraufhin alarmierte Feuerwehr trat sofort in Tätigkeit, musste sich jedoch im Wesentlichen auf den Schutz der Nachbarhäuser beschränken, da die Synagoge selbst  nicht mehr zu retten war. Der Dachstuhl und das Innere der Synagoge ist abgebrannt, die Grundmauern u. die steinerne Kuppel stehen noch. Es besteht Einsturzgefahr, sodaß mit der Niederlegung der Kuppel aus bau- und sicherheitspolizeilichen Gründen gerechnet werden muß. Der Unterzeichnete überzeugte sich im Laufe des Vormittags an Ort und Stelle von der Tätigkeit der Feuerwehr u. der Polizeiorgane. Die Brandstätte, die in belebter Straße liegt, war u. ist abgesperrt.

Über die Brandursache ist nichts zu ermitteln gewesen. Nach dem Bericht der Ortspolizeibehörde sind die Ermittlungen nach etwaigen Brandstiftern ergebnislos verlaufen.

Das Gebäude ist bei der Hessischen Brandversicherungsanstalt Kassel mit 78.000 RM versichert, die Mobilien sind bei der Allianz- und Stuttgarter Versicherungsgesellschaft mit RM 10.000,- versichert.

Unterschriften

L. 10.11.38

 

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Untergasse 17: Jüdische Schule und Ghettohaus
Untergasse 17: Jüdische Schule und Ghettohaus

"Die Synagoge, in der die jüdische Schule war, ist abgebrannt."[Dok. 1 ] Ein neuer Schulraum musste gefunden werden [Dok. 3 ], denn ab dem 15. November 1938 war es jüdischen Schülerinnen und Schülern nicht mehr erlaubt, in "deutsche" Schulen zu gehen [Dok. 2 ]. Als Begründung musste das Attentat Herschel Grynszpans auf einen deutschen Diplomaten herhalten, das auch als Anlass zur Reichspogromnacht diente - der Nacht, in der auch die Synagoge Marburgs einfach "abgebrannt" war. Lehrer Pfifferling bemühte sich darum, im Auftrag des Schulamts abgelegene Räumlichkeiten zu finden [Dok. 4 ]. Auf die Schnelle konnte jedoch  nur ein Raum in einem Haus in der Untergasse 15 [heute 17] ausfindig gemacht werden, das einem jüdischen Metzger gehörte, der aber schon 1936 verstorben war [Dok. 5 ,6 ].Um eine weitere Ausgrenzung voranzutreiben, wurde schließlich die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" geschaffen, die fortan konkrete Anordnungen erhielt, wie sie u.a. das jüdische Schulwesen zu organisieren hatte;. Unterstützung vom deutschen Staat sollte es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr geben [Dok. 7 , 8 ]. In diesem Zuge wurde Lehrer Pfifferling kurzer Hand zwangspensioniert; ein knappes halbes Jahr später durfte er aber wieder unterrichten [Dok. 9 , 10 ].

Im Herbst 1940 musste die im Frühling in die "abgelegenere" Schwanallee umgezogene jüdische Privatschule schließen [Dok. 11 , 12 ], wie weitere jüdische Schulen im Bezirk Kassel [Dok. 13 ].

Das Haus in der Schwanalle 15 galt außerdem als "Ghetto- bzw. Judenhaus"; das "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1933 erleichterte es den Nazis, jüdische Mitbürger aus ihren angestammten Wohnungen oder Häusern zu verteiben und dort unterzubringen, wo bereits andere Juden lebten [Dok.14 ]. Damit diese auch immer als Juden sichtbar waren, mussten sie den sog. "Judenstern" tragen. Dokument 15 führt die Stigmatisierung fort, denn neben Personen waren nun auch Wohnungen, in denen jüdische Mitbürger lebten, zu kennzeichnen.

Runderlass zum Auschluss von jüdischen SchülerInnen aus "deutschen Schulen" vom 15. November 1938
Runderlass zum Auschluss von jüdischen SchülerInnen aus "deutschen Schulen" vom 15. November 1938
Runderlass zum Auschluss von jüdischen SchülerInnen aus "deutschen Schulen" vom 15. November 1938
Der Erlass bestimmt, dass jüdische SchülerInnen ab sofort keine "deutschen Schulen" mehr besuchen dürfen, sondern nur noch jüdische. Der Grund: die "ruchlose Mordtat von Paris" [gemeint ist das Attentat Herschel Grynszpans auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath am 07.11.1938].
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Schreiben des Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Regierungspräsidenten Kassel betr. Schulausschluss von jüdischen SchülerInnen vom 17. Dezember 1938
Schreiben des Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Regierungspräsidenten Kassel betr. Schulausschluss von jüdischen SchülerInnen vom 17. Dezember 1938

Der Minister kündigt in seinem Schreiben an den RP in Kassel die Trennung von jüdischen und nichtjüdischen Schülern in öffentlichen Schulen an. Darum müssten neue Räumlichkeiten für den jüdischen Privatunterricht gefunden werden. Jüdische Privatlehrer erhielten aber nur ein Gehalt, wenn sie dies vorher aus der Stadtkasse bezogen hätten. Auch sollen alle "in Schutzhaft genommenen Lehrer" aus der Haft entlassen werden, damit die jüdischen SchülerInnen nicht zu lange ohne Unterricht verbleiben.

 

 

 

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Schreiben des Schulamts betr. Unterbringung jüdischer Schule in Marburg vom 17. Januar - 17. Februar 1939
Schreiben des Schulamts betr. Unterbringung jüdischer Schule in Marburg vom 17. Januar - 17. Februar 1939
Schreiben des Schulamts betr. Unterbringung jüdischer Schule in Marburg vom 17. Januar - 17. Februar 1939
Das Stadtschulamt beauftragt den Lehrer Salomon Pfifferling, einen neuen Raum für die jüdischen Volksschule zu suchen. Ihr Wunsch: ein Raum im jüdischen Schülerheim in der Schwanallee 15. Pfifferling erklärt jedoch, dass hier noch "arische" Familien lebten. Auch ein Gebäude in der Heusinger Straße käme noch in Frage - das Schulamt geht davon, dass die hier noch ansässigen "arischen" Familien bald "das Bedürfnis haben, auszuziehen", so dass hier eventuell auch ein Schulraum frei würde.

 

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Schreiben der Stadtkasse Marburg an den Kreisschulrat betr. Verbleib der jüdischen Schule Marburg vom 11. November 1938
Schreiben der Stadtkasse Marburg an den Kreisschulrat betr. Verbleib der jüdischen Schule Marburg vom 11. November 1938

Das Schreiben der Stadtkasse an den Kreisschulrat schildert in euphemistischen Worten die Vorgänge rund um die Pogromnacht vom 9. November 1938 und die Folgen für die jüdische Schule, die sich in den Räumen der Synagoge befand. Von Brandstiftung ist keine Rede, vielmehr sei die Schule lediglich "abgebrannt". Lehrer Pfifferling sei zu seiner eigenen Sicherheit in Schutzhaft genommen worden. Verschwiegen wird auch, dass mit der sog. "Judenaktion" vom 10. November ca. 30.000 männliche Juden in Konzentrationslager verschleppt wurden, u.a. nach Buchenwald.

Salomo[n] Pfifferling (geb. 1882) war seit 1919 Lehrer an der kleinen Marburger jüdischen Schule, die seit 1934 in der Synagoge untergebracht war. Ende 1941 wurde Pfifferling mit seiner Frau in das Ghetto Riga deportiert; er starb im Konzentrationslager Auschwitz.

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Schreiben des Lehrers Pfifferling an den Kreisschulrat betr. Einrichtung einer provisorischen Schule in der Untergasse vom 17. Februar 1939
Schreiben des Lehrers Pfifferling an den Kreisschulrat betr. Einrichtung einer provisorischen Schule in der Untergasse vom 17. Februar 1939

Da bisher noch keine Räumlichkeiten in der Schwanallee 15 freigemacht werden konnten, schlägt Lehrer Pfifferling zur Einrichtung einer provisorischen Schule folgende Möglichkeit vor:

"Hiermit gebe ich davon Kenntnis, daß der isralitischen Volksschule in dem Wohnhaus von Fr. Katz ein Zimmer (Größe 6:4,30) für Schulzwecke zur Verfügung steht, das wir einstweilen bis zur Freistellung eines größeren Zimmers [in der] Schwanallee 15 benutzen möchten und bitte ich um Genehmigung mit dem Unterricht zu beginnen.

Salomon Pfifferling "

 

 

 

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Schreiben der Stadtkasse Marburg an den RP Kassel betr. Einrichtung einer provisorischen Schule in der Untergasse 15 vom 24. Februar 1939
Schreiben der Stadtkasse Marburg an den RP Kassel betr. Einrichtung einer provisorischen Schule in der Untergasse 15 vom 24. Februar 1939
Die Marburger Stadtkasse gestattet zwar die Nutzung des von Pfifferling vorgeschlagenen Raumes in der Untergasse 15 [heute 17], weist aber darauf hin, dass sie die israelitische Gemeinde aufgefordert habe, in der "abgelegenen Schwanallee" schnellstmöglich neue Räumlichkeiten zu finden. So soll die fortschreitende räumliche Trennung von Nichtjuden und Juden sowie deren Ausgrenzung aus der Innenstadt in weniger belebte Stadtteile vorangetrieben werden, um Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden unwahrscheinlicher zu machen.
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Artikel des Nachrichtendienstes des Deutschen Gemeindetages zum jüdischen Schulwesen sowie Notiz betr. Streichung sämtlicher Zuschüsse der Stadt, 1939
Artikel des Nachrichtendienstes des Deutschen Gemeindetages zum jüdischen Schulwesen sowie Notiz betr. Streichung sämtlicher Zuschüsse der Stadt, 1939

Die  10. Verordnung zum Reichsbürgergesetz zwang alle jüdischen Verbände und jüdischen Gemeinden dazu, sich in der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" zusammenzuschließen. Ihre Aufgaben: Organisation und Finanzierung der jüdischen Wohlfahrtspflege, des jüdischen Schulwesens, Vorbereitung der jüdischen Auswanderung und der Berufsausbildung.Hintergedanke der Verordnung: die "weitere Absonderung vom deutschen Volk" und Kontrolle der jüdischen Bevölkerung.

Die jüdische Schule erhält zudem ab nun keinerlei finanzielle Unterstzützung der Stadt Marburg mehr und muss sich aus eigenen Mitteln finanzieren.

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Ausführungen und Anwendungen zu Art. II der 10. VO zum Reichsbürgergesetz vom 4.7.1939 betr. schulische Angelegenheiten
Ausführungen und Anwendungen zu Art. II der 10. VO zum Reichsbürgergesetz vom 4.7.1939 betr. schulische Angelegenheiten
Ausführungen und Anwendungen zu Art. II der 10. VO zum Reichsbürgergesetz vom 4.7.1939 betr. schulische Angelegenheiten

Die Verordnung definiert die Aufgaben der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" bezügl. des jüdischen Schulwesens: U. a. soll die Reichsvereinigung in erster Linie Volksschulen einrichten; erst dann, wenn sie noch über Mittel verfüge, könne sie weiterführende Schulen unterhalten. Die Lehrpläne müssten sich an dem Ziel orientieren, die jüdischen Bürger Deutschlands zum Auswandern zu bewegen; daher sollten vor allem solche Fremdsprachen gelernt werden, die einer Auswandernung "dienlich" seien.

§ 9 regelt die Pensionierung jüdischer Lehrer, bei der es sich um aber eigentlich um eine Zwangspensionierung handelt.

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Schreiben des Kasseler Regierungspräsidenten betr. Zwangspensionierung Salomon Pfifferlings vom 11. Juli 1939
Schreiben des Kasseler Regierungspräsidenten betr. Zwangspensionierung Salomon Pfifferlings vom 11. Juli 1939
Am 11. Juli wird Salomon Pfifferling von seiner Pensionierung unterrichtet, die bereits zum 30. Juni in Kraft getreten ist - geregelt in der 10. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 4. Juli 1939.
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Schreiben der Geheimen Staatspolizei Kassel an den Marburger Landrat betr. Unterrichtsgenehmigung für Salomon Pfifferling vom  26. Januar 1940
Schreiben der Geheimen Staatspolizei Kassel an den Marburger Landrat betr. Unterrichtsgenehmigung für Salomon Pfifferling vom 26. Januar 1940

Ein halbes Jahr  nach seiner Zwangspensionierung erhält Lehrer Pfifferling wieder die Genehmigung, zu unterrichten. 

 

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Schreiben der Israelitischen Gemeinde an den Marburger Oberbürgermeister betr. Verlegung der jüdischen Schule vom 22. Mai 1940
Schreiben der Israelitischen Gemeinde an den Marburger Oberbürgermeister betr. Verlegung der jüdischen Schule vom 22. Mai 1940

Die Israelitische Gemeinde berichtet über die erfolgte Verlegung der jüdischen Volksschule von der Untergasse 15 in die Schwanallee 15.

 

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Schreiben der Israelitischen Gemeinde Marburg betr. Auflösung der jüdischen Schule in der Schwanallee vom 5. Oktober 1940
Schreiben der Israelitischen Gemeinde Marburg betr. Auflösung der jüdischen Schule in der Schwanallee vom 5. Oktober 1940
Die Israelitische Gemeinde bestätigt der Stadt Marburg die Auflösung der jüdischen Privatschule in der Schwanallee 15, die im Frühling des Jahres 1940 erst von der Untergasse in die Räume der Schwanallee gezogen war. Die hier verbleibenden Kinder mussten von nun an Schulen in Frankfurt besuchen. Jüdische Privatschulen in anderen hessischen Städten waren ebenfalls dazu gezwungen, ihren Betrieb einzustellen [u.a. Fulda, Langenselbold oder Korbach]. So erreichte man, dass jüdische Familien in größere Städte zogen, wo sie gezielt angesiedelt werden konnten. 
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Schreiben der Reichsvereinigung der Juden an den Kasseler RP betr. Auflösung jüdischer Schulen im Bezirk Kassel vom 21. November 1940
Schreiben der Reichsvereinigung der Juden an den Kasseler RP betr. Auflösung jüdischer Schulen im Bezirk Kassel vom 21. November 1940

Neben der Schule in Marburg wurden  auch jüdische Privatschulen in anderen hessischen Städten dazu gezwungen, den Lehrbetrieb einzustellen [u.a. Fulda, Langenselbold oder Korbach]. 

 

 

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"Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939
"Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939
"Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939

Das Reichsgesetz bedeutete eine Vertreibung aus der gewohnten Umgebung, beendete das Recht auf Mieterschutz und freie Wohnungswahl und kennzeichnet die Anfänge der Ghettoisierung. So entfiel für Juden z.B. die Möglichkeit, den Mieterschutz in Anspruch zu nehmen, wenn ihr nichtjüdischer Vermieter ihnen vorzeitig kündigte. Gleichzeitig erlaubte es den Gemeindebehörden, in Wohnungen oder Häuser, in denen  Juden leben, zusätzliche Mieter einzuweisen. Durch die Zwangseinweisung in neuen, beengten Wohnraum konnte auch die Trennung von sog. "Mischehen" beschleunigt werden. Auf diese Weise wurden die sog. "Judenhäuser" geschaffen.

Das Gesetz trieb die Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger stärker voran, indem es eine räumliche Trennung von Juden und Nichtjuden vornahm. So sorgte es für eine Ansammlung jüdischer Mitbürger in bestimmten Stadtteilen und ermöglichte eine dauerhafte Überwachung. Die sog. "Judenhäuser" sollten später als eine Sammelstellte für die Deportationen dienen.

 

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Schreiben des Landrats Marburg betr. "Kennzeichnungspflicht von Judenwohnungen" vom 25. April 1942
Schreiben des Landrats Marburg betr. "Kennzeichnungspflicht von Judenwohnungen" vom 25. April 1942

Juden müssen laut der Anordnung ihre Wohnungen mit einem Stern kennzeichen. Damit er an der Haustür auffällt, ist Papier in weißer Farbe zu benutzen. Mit der Einführung des Papiersterns gibt es keinen sicheren Rückzugsort für jüdische Mitbürger mehr.

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Barfüßerstraße 26: Staatlich gelenkte Arisierung ab 1938
Barfüßerstraße 26: Staatlich gelenkte Arisierung ab 1938
Im Haus Barfüßerstraße 26 befand sich von 1913 bis 1938 das "Spezialgeschäft in Hessischen Landestrachten" von Julius Stern. Neben Trachtenkleidung führte das Geschäft Manufakturwaren, Stoffe sowie "Herren- und Knabenbekleidung". Julius Stern war 1885 in Niederklein geboren, seine Ehefrau Else (geb. Oppenheimer, Jg. 1891) stammte aus Aub in Franken.
Die Geschäftsgründung war erfolgreich: Im Jahr 1918 konnten die Sterns das Haus kaufen, sie vergrößerten das Sortiment und eröffneten 1931ein zweites Geschäft für Betten und Schlafzimmereinrichtungen in der Barfüßerstraße 10.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich das aber schnell: Bereits 1935 mussten die Sterns das zweite Geschäft in der Barfüßerstraße 10 wieder aufgeben. Zweifellos befördert durch die Boykottaktionen der Nazis ab 1933 sanken die Einnahmen in den folgenden Jahren immer weiter, so dass die Sterns bereits ab August 1938 mit dem Ausverkauf ihrer Waren begannen, weil sie das Geschäft zum Ende des Jahres 1938 schließen wollten.
Dieses Vorhaben konnten sie jedoch nicht mehr selbstständig ausführen, der NS-Staat kam ihnen zuvor. 
 
Nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 erfolgte der systematische staatliche Zugriff auf das zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Vermögen der deutschen Juden. Am Beispiel der Familie Stern, die zu den wenigen wohlhabenderen jüdischen Familien in Marburg gehörte, zeigen die folgenden Dokumente die systematische Ausplündung dieses Teils der deutschen Bevölkerung, nachdem man diese Gruppe zuerst definiert und dann Schritt für Schritt unter Sonderrecht gestellt hatte.
 
Julius und Else Stern hatten zwei Kinder: Hans und Margot. Nachdem beide Kinder schon bis 1938 zur Ausbildung in die USA geschickt wurden und dort bei Verwandten untergekommen waren, gelang Julius und Else Stern im Oktober 1939 schließlich ebenfalls die Ausreise in die USA. Da der Familie durch die systematische Enteignung des Vermögens keine Mittel mehr verblieben waren, konnte die Mutter von Else Stern, die Witwe Ernestine Oppenheimer, die seit Februar 1938 bei der Familie in Marburg gewohnt hatte, offenbar nicht mehr in die USA nachgeholt werden. Ernestine Oppenheimer wurde nach Minsk deportiert und ist dort vermutlich dem Mordprogramm zum Opfer gefallen.
 
 
 
 
 

Literatur: 
  • Händler-Lachmann, Barbara und Werther, Thomas: Vergessene Geschäfte, verlorene Geschichte. Jüdisches Wirtschaftsleben in Marburg und seine Vernichtung im Nationalsozialismus, Marburg 1992
  • Hessisches Institut für Lehrerfortbildung (Hrsg.): Marburg im Nationalsozialismus. Materialien für eine zeitgeschichtliche Stadterkundung, zusammengestellt von Michael Heiny, Amélie Methner und Susanne Fülberth, Fuldatal und Marburg 1997
 
 
Verordnung über die Anmeldung jüdischen Vermögens, 26. April 1938.
Verordnung über die Anmeldung jüdischen Vermögens, 26. April 1938.
Verordnung über die Anmeldung jüdischen Vermögens, 26. April 1938.
Nach der Verordnung vom 26. April 1938 mussten Juden ihr Vermögen, wenn es 5000 Reichsmark übersteigt, bei den Finanzämtern anmelden.
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Judenaktion vom 10.11.1938 - Häftlingspersonalkarte von Julius Stern, Marburg, 12. November 1938
Judenaktion vom 10.11.1938 - Häftlingspersonalkarte von Julius Stern, Marburg, 12. November 1938

Noch in der Nacht vom 9. auf den 10. November wurden im ganzen Reichsgebiet etwa 30.000 männliche Juden verhaftet und in die eigens ausgebauten Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verbracht. In Marburg waren 31 Einwohner von den Verhaftungen betroffen, darunter auch Julius Stern. Einer der Marburger Gefangenen, Gerson Isenberg, der bis 1931 eine Metzgerei im Steinweg geführt hatte, hat die Haftbedingungen in Buchenwald nicht überlebt. Julius Stern wurde nach 4 Wochen, am 8. Dezember 1940, aus dem KZ Buchenwald entlassen.

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Anordnung des Oberbürgermeisters Marburg an die Inhaber jüdischer Gewerbebetriebe in Marburg zur Auflösung ihrer Geschäfte vom 10.12.1938
Anordnung des Oberbürgermeisters Marburg an die Inhaber jüdischer Gewerbebetriebe in Marburg zur Auflösung ihrer Geschäfte vom 10.12.1938

Die "Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens" wurde auch in Marburg sofort umgesetzt: Nach seiner Rückkehr aus dem KZ Buchenwald erhielt Julius Stern ein Schreiben des Oberbürgermeisters Marburg, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er sein Geschäft innerhalb von 4 Wochen aufzulösen und zu verkaufen hätte.

In der Anordnung wurde auch gleich festgelegt, dass ein Ausverkauf der Waren an Endkunden nicht erlaubt sei, sondern dass die Waren, die Ladeneinrichtung und das Geschäft selbst  nur an die "arischen" Konkurrenten verkauft werden dürfen.

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Schreiben der Industrie- und Handelskammer Kassel zur Bestellung eines Abwicklers für jüdische Geschäfte in Marburg vom 16. Dezember 1938
Schreiben der Industrie- und Handelskammer Kassel zur Bestellung eines Abwicklers für jüdische Geschäfte in Marburg vom 16. Dezember 1938

Die Auflösung des Geschäfts und der Verkauf durften von den Eigentümern nicht selbstständig durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass alles im Sinne der Machthaber ablief. Nachdem die Stadt eine Liste der noch bestehenden jüdischen Betriebe erstellt hatte, benannte die Industrie- und Handelskammer Kassel einen Abwickler zur Durchführung und Kontrolle der Geschäftsauflösungen. Der Verkauf der Stoff- und Trachtenhandlung von Julius und Else Stern wurde dem Steuerberater Konstantin Kümpel aus Marburg übertragen.

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Auszug aus dem Kaufvertrag zwischen Julius Stern und Alfred G. für das Wohn- und Geschäftshaus Barfüßer Straße 26
Auszug aus dem Kaufvertrag zwischen Julius Stern und Alfred G. für das Wohn- und Geschäftshaus Barfüßer Straße 26
Auszug aus dem Kaufvertrag zwischen Julius Stern und Alfred G. für das Wohn- und Geschäftshaus Barfüßer Straße 26

Nur zwei Wochen nach seiner Entlassung aus dem KZ Buchenwald unterschrieb Julius Stern einen Vertrag zum Verkauf seines Hauses in der Barfüßerstraße 26. Der Käufer war Inhaber eines Marburger Installationsbetriebs, der unter anderem ein Ladengeschäft für Küchen- und Elektroartikel nur wenige Häuser entfernt, an der Hofstatt, führte.

Als Kaufpreis wurde die Summe von 30.600,- RM festgelegt. Die Übergabe des Hauses sollte am 1. April 1939 erfolgen, eine vorherige Zahlung des Kaufpreises wurde im Vertrag ausgeschlossen. Die Eheleute Stern hatten das Recht, ihre Wohnung noch bis Ende September zu nutzen. Sollten sie die Wohnung bis dahin nicht geräumt haben, wurden Mietzahlungen an die neuen Eigentümer fällig.

Eine Abschrift des Kaufvertrags wurde unmittelbar dem Finanzamt übermittelt, damit das Geld aus dem Verkauf für die sog. "Judenvermögensabgabe" gepfändet werden konnte.

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Vermögensaufstellung von Julius Stern für den Oberfinanzpräsidenten in Kassel vom 6. Januar 1939
Vermögensaufstellung von Julius Stern für den Oberfinanzpräsidenten in Kassel vom 6. Januar 1939

Anfang Januar 1939 musste Julius Stern eine Aufstellung seines Vermögens bei der in Kassel ansässigen Devisenstelle einreichen. Devisenstellen waren als Abteilungen der Finanzämter während der Weltwirtschaftskrise eingerichtet worden, um den Außenhandel zu kontrollieren. Nach 1933 trat diese Aufgabe in den Hintergrund und sie waren hauptsächlich mit der finanziellen Ausplünderung der Juden befasst.

Julius Stern gab das Vermögen der Eheleute Julius und Else Stern mit ca. 47.000,-  RM an.Diese Angabe umfasst den Wert von Haus und Grundstück, den Laden mit Inventar und Warenlager sowie das übrige Vermögen auf Konten und in Wertpapieren. Im Jahr 1935 hatte das Vermögen nach dem Vermögenssteuerbescheid noch 51.000,- RM betragen. Bereits im Jahr 1937 konnte Julius Stern kein versteuerbares Einkommen mehr erzielen, das Geschäftsjahr 1938 musste er bereits mit einem Verlust in Höhe von ca. 3.100,- RM abschließen, das entsprach ziemlich genau dem Gewinn des Jahres 1936 (HHStAW 519/3 Nr. 37399, Fragebogen für die Versendung von Umzugsgut vom 21.09.1939).

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Sicherungsanordnung der Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel für den Erlös aus dem Grundstücksverkauf von Julius Stern vom 09. Januar 1939
Sicherungsanordnung der Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel für den Erlös aus dem Grundstücksverkauf von Julius Stern vom 09. Januar 1939
Sicherungsanordnung der Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel für den Erlös aus dem Grundstücksverkauf von Julius Stern vom 09. Januar 1939
Bereits am 9. Januar 1939 ordnet die Devisenstelle Kassel an, dass der Kaufpreis für das Haus und das Grundstück von Julius und Else Stern vom Käufer auf ein Sperrkonto eingezahlt werden muss, auf das Julius und Else Stern keinen Zugriff haben.
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Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel auf Aufhebung der Kontosperrung für laufende geringfügige Eingänge vom 14. Januar 1939
Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel auf Aufhebung der Kontosperrung für laufende geringfügige Eingänge vom 14. Januar 1939
Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel auf Aufhebung der Kontosperrung für laufende geringfügige Eingänge vom 14. Januar 1939

Außer dem Kaufpreis für das Haus sollten auch alle anderen Einnahmen der Eheleute Stern direkt auf das Sperrkonto übertragen werden. Erst auf den ausdrücklichen Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis genehmigt die Devisenstelle Kassel den Eheleuten Stern die Verfügung über einen monatlichen Betrag von 100,- Reichsmark. Innerhalb von zwei Monaten waren die Sterns von selbstständigen Ladeninhabern und Hausbesitzern zu Almosenempfängern erniedrigt worden.

Der Betrag von 100 RM im Jahr 1939 entspricht umgerechnet einem Kaufkraftwert von ca. 450,- € im Jahr 2015. (Vgl. den historischen Kaufkraftrechner von Rolf-Fredrik Matthaei (privates Angebot) sowie die Hinweise bei wikipedia.)

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Schriftwechsel des Abwicklers Kümpel mit der Devisenstelle Kassel über die erfolgte Abwicklung des Geschäfts von Julius Stern vom 10. Februar 1939
Schriftwechsel des Abwicklers Kümpel mit der Devisenstelle Kassel über die erfolgte Abwicklung des Geschäfts von Julius Stern vom 10. Februar 1939
Schriftwechsel des Abwicklers Kümpel mit der Devisenstelle Kassel über die erfolgte Abwicklung des Geschäfts von Julius Stern vom 10. Februar 1939
Am 10. Februar zeigt der als Abwickler bestellte Konstantin Kümpel der Devisenstelle Kassel den Verkauf des Warenlagers und des Inventars von Julius Sterns Stoffhandlung an. Die Devisenstelle ordnet an, dass aus dem Verkaufserlös die zweite Rate der "Judenvermögensabgabe" gepfändet werden soll, der Überschuss muss dann ebenfalls auf das Sperrkonto eingezahlt werden.
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Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel zur Aufstockung des freigegebenen Betrages für den Lebensunterhalt der Familie Stern vom 6. März 1939
Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel zur Aufstockung des freigegebenen Betrages für den Lebensunterhalt der Familie Stern vom 6. März 1939
Anfang März beantragt der Rechtsanwalt Hermann Reis eine Aufstockung des monatlichen Betrages, der den Eheleuten Stern aus ihren eigenständig erzielten Einnahmen und ihrem rechtmäßig erworbenen Vermögen zur Verfügung steht, auf 300,- Reichsmark.
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Festsetzung einer vom Erlös des Grundstücksverkaufs zu entrichtenden Ausgleichsabgabe durch den Regierungspräsidenten Kassel vom 13. März 1939
Festsetzung einer vom Erlös des Grundstücksverkaufs zu entrichtenden Ausgleichsabgabe durch den Regierungspräsidenten Kassel vom 13. März 1939

In den Jahren seit 1933 waren im ganzen Reichsgebiet zahlreiche jüdische Unternehmen und Geschäfte in den Ruin gedrängt und zum Verkauf gezwungen worden, wobei die Käufer in der Regel sehr große Vorteile erzielen konnten. In dem Versuch, diesen Prozess der sogenannten "wilden Arisierung" stärker unter staatliche Kontrolle zu nehmen und die durch Rüstungsausgaben stark bedürftige Reichskasse an den "Arisierungs"-Gewinnen zu beteiligen, mussten die Käufer jüdischen Eigentums eine "Ausgleichsabgabe" an das Reich zahlen.

Im Ergebnis wurde diese Abgabe aber nicht den Käufern zusätzlich auferlegt, sondern wurde von dem den Verkäufern zustehenden Kaufpreis abgezogen, bevor die Restsumme dann auf ein Sperrkonto eingezahlt wurde, um für die sog. "Judenvermögensabgabe" oder die "Reichsfluchtsteuer" gepfändet zu werden.

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Bericht des Abwicklers Kümpel an den Oberbürgermeister der Stadt Marburg über den Verkauf des Geschäfts von Julius Stern vom 25. März 1939
Bericht des Abwicklers Kümpel an den Oberbürgermeister der Stadt Marburg über den Verkauf des Geschäfts von Julius Stern vom 25. März 1939
Bericht des Abwicklers Kümpel an den Oberbürgermeister der Stadt Marburg über den Verkauf des Geschäfts von Julius Stern vom 25. März 1939

Der Einkaufswert des vorhandenen Warenlagers von Julius Stern betrug nach dessen Angaben RM 12.000,-.

Der als Abwickler eingesetzte Treuhänder hatte den Verkaufswert des Warenlagers auf 70% des Einkaufswertes geschätzt. Als Sachverständiger wurde der Marburger Textilhändler Philipp Berdux eingesetzt, der den Verkaufswert auf knapp 35% des Einkaufswerts ansetzte, weil viele Waren "fast unverkäuflich" seien. Trotzdem hat Berdux selbst dann den größten Teil des Warenlagers übernommen, die übrigen Waren und das Inventar wurden von anderen Marburger Textilhändlern aufgekauft.

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Bescheinigung der Preußischen Staatsbank (Seehandlung) an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über die ersatzlose Zahlung von 7.019 RM aus dem Vermögen des Julius Stern vom 9. Mai 1939
Bescheinigung der Preußischen Staatsbank (Seehandlung) an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über die ersatzlose Zahlung von 7.019 RM aus dem Vermögen des Julius Stern vom 9. Mai 1939
Juden, die auswandern wollten, mussten eine "ersatzlose Abgabe" an das Reich entrichten ("Reichsfluchtsteuer"). Diese musste aber nicht in bar oder durch Geldüberweisung gezahlt werden, sondern konnte auch durch die Überlassung von Wertpapieren geleistet werden. Die Preußische Staatsbank bescheinigt Anfang Mai 1939, dass die Zahlungspflichten der Eheleute Stern durch die "Hingabe von Wertpapieren" erfüllt sind.
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Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel auf Erhöhung des monatlich freigegebenen Betrages auf 500 RM vom 27. Juni 1939
Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel auf Erhöhung des monatlich freigegebenen Betrages auf 500 RM vom 27. Juni 1939
Ende Juni 1939 beantragt der Rechtsanwalt Hermann Reis eine Erhöhung der monatlichen Bezüge für Julius Stern von bislang 100,- auf 500,- Reichsmark aus seinem eigenen, gesperrten Vermögen, weil die bisher gewährten Beträge für die laufenden Kosten der Eheleute Stern nicht ausreichten. Entgegen der im Kaufvertrag für das Haus getroffenen Vereinbarung, dass Mietzahlungen der Sterns an den neuen Eigentümer erst ab Oktober 1939 fällig werden, müssen die Eheleute Stern nun offenbar bereits ab Juli 1939 Miete für den Verbleib in ihrem ehemaligen Haus entrichten.
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Vermögensaufstellung von Julius Stern für die Devisenstelle Kassel vom 13. September 1939
Vermögensaufstellung von Julius Stern für die Devisenstelle Kassel vom 13. September 1939
Vermögensaufstellung von Julius Stern für die Devisenstelle Kassel vom 13. September 1939
Nach der Vermögensaufstellung vom Januar 1939 besaßen die Sterns zu diesem Zeitpunkt noch ein Vermögen im Wert von insgesamt ca. 47.000,- Reichsmark. Nach dem Zwangsverkauf von Haus, Ladengeschäft und Inventar sowie dem Abzug von "Reichsfluchtsteuer" und "Judenvermögensabgabe" verblieb den Eheleutern Stern nach der Vermögensaufstellung vom September 1939 noch ein Vermögen in Höhe von knapp 8.800,- Reichsmark. Von diesem Restvermögen mussten sie weiterhin ihre laufenden Ausgaben sowie ihre Ausreise finanzieren.
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Antrag von Julius Stern auf Mitnahme von Umzugsgut mit Erläuterungen zur Vermögensaufstellung vom 21. September 1939
Antrag von Julius Stern auf Mitnahme von Umzugsgut mit Erläuterungen zur Vermögensaufstellung vom 21. September 1939
Antrag von Julius Stern auf Mitnahme von Umzugsgut mit Erläuterungen zur Vermögensaufstellung vom 21. September 1939
Antrag von Julius Stern auf Mitnahme von Umzugsgut mit Erläuterungen zur Vermögensaufstellung vom 21. September 1939
Antrag von Julius Stern auf Mitnahme von Umzugsgut mit Erläuterungen zur Vermögensaufstellung vom 21. September 1939
Antrag von Julius Stern auf Mitnahme von Umzugsgut mit Erläuterungen zur Vermögensaufstellung vom 21. September 1939
Antrag von Julius Stern auf Mitnahme von Umzugsgut mit Erläuterungen zur Vermögensaufstellung vom 21. September 1939
Neben einer ausführlichen Erläuterung der Vermögensverhältnisse der Eheleute Stern zeigt der vorliegende Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut die bürokratischen Hürden, die einer Auswanderung nach der schon weitgehenden Plünderung des Vermögens immer noch in den Weg gestellt wurden.
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Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel auf Fortführung der Mietzahlungen aus dem gesperrten Vermögen von Julius Stern an den Käufer seines Hauses bis einschließlich März 1940 vom 28. September 1939
Antrag des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel auf Fortführung der Mietzahlungen aus dem gesperrten Vermögen von Julius Stern an den Käufer seines Hauses bis einschließlich März 1940 vom 28. September 1939
Im Auftrag von Julius Stern beantragt Rechtsanwalt Hermann Reis, dass die Mietzahlungen an die neuen Eigentümer des Sternschen Hauses aus dem gesperrten Vermögen der Sterns bis zum 31. März 1940 in einer Summe vorab gezahlt werden sollen, obwohl die Ausreise der Sterns in die USA unmittelbar bevorsteht.
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Mitteilung des Pfandleihhauses Kassel an die Devisenstelle Kassel über die Einlieferung von Gold-, Silber- und Schmuckgegenständen durch Julius Stern vom 29. September 1939
Mitteilung des Pfandleihhauses Kassel an die Devisenstelle Kassel über die Einlieferung von Gold-, Silber- und Schmuckgegenständen durch Julius Stern vom 29. September 1939
In der "Dritten Anordnung auf Grund der Verordnung über den Einsatz des Vermögens von Juden" war im Februar 1939 bestimmt worden, dass Juden "alle in ihrem Eigentum befindlichen Gegenstände aus Gold, Platin oder Silber sowie Edelsteine oder Perlen" an staatliche Stellen abliefern mussten. In dem vorliegenden Schreiben bestätigt das "Landesleihhaus Kassel" gegenüber der Devisenstelle, dass die Sterns auch dieser Verpflichtung nachgekommen waren.
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Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Prüfbericht des Obergerichtsvollziehers Becker aus Marburg an die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Kassel über den Wert des Umzugsgutes von Julius und Else Stern vom 29. September 1939
Vor der Ausreise musste das gesamte Reise- und Umzugsgepäck durch einen staatlich bestellten Gerichtsvollzieher geschätzt werden. Die Eheleute Stern mussten einen Betrag in Höhe des geschätzten Werts ihres Umzugsgutes bezahlen. Damit sollte der durch den Umzug für die Wirtschaft des Deutschen Reichs entstehende Verlust von Sachwerten ausgeglichen werden - ungeachtet dessen, dass es sich bei dem Umzugsgut um bereits bezahlte Gegenstände des Privatbesitzes handelte.
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Anordnung der Devisenstelle Kassel an Julius Stern zur Zahlung einer ersatzlosen Abgabe in Höhe des festgestellten Wertes des Umzugsgutes vom 3. Oktober 1939
Anordnung der Devisenstelle Kassel an Julius Stern zur Zahlung einer ersatzlosen Abgabe in Höhe des festgestellten Wertes des Umzugsgutes vom 3. Oktober 1939
Anordnung der Devisenstelle Kassel an Julius Stern zur Zahlung einer ersatzlosen Abgabe in Höhe des festgestellten Wertes des Umzugsgutes vom 3. Oktober 1939
Die Devisenstelle Kassel fordert eine "ersatzlose Abgabe" in Höhe des festgestellten Werts des Umzugsgutes der Eheleute Stern. Die Devisenstelle veranlasst die Überweisung des Betrages von dem gesperrten Konto der Sterns bei der Sparkasse Marburg.
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Mitteilung des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel über die zum Zeitpunkt der Ausreise von Julius und Else Stern verbliebenen Vermögenswerte vom 30. Oktober 1939
Mitteilung des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel über die zum Zeitpunkt der Ausreise von Julius und Else Stern verbliebenen Vermögenswerte vom 30. Oktober 1939
Mitteilung des Rechtsanwalts Hermann Reis an die Devisenstelle Kassel über die zum Zeitpunkt der Ausreise von Julius und Else Stern verbliebenen Vermögenswerte vom 30. Oktober 1939
Ende Oktober 1939 gelingt den Eheleuten Stern noch die Ausreise in die USA. Zu diesem Zeitpunkt ist ihr Vermögen so weit geplündert, dass Ihnen keine Mittel für die Gründung einer neuen Existenz im Exilland bleiben.
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Schreiben der Geheimen Staatspolizeistelle Kassel an die Devisenstelle Kassel wegen der Ausbürgerung von Julius und Else Stern von 1940 und 1943
Schreiben der Geheimen Staatspolizeistelle Kassel an die Devisenstelle Kassel wegen der Ausbürgerung von Julius und Else Stern von 1940 und 1943
Schreiben der Geheimen Staatspolizeistelle Kassel an die Devisenstelle Kassel wegen der Ausbürgerung von Julius und Else Stern von 1940 und 1943
Nach der Ausreise der Eheleute Stern kümmert sich die Geheime Staatspolizei noch um die Ausbürgerung. In der "Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz" vom November 1941 wurde schließlich festgelegt, dass "Juden, die ihren Wohnsitz im Ausland haben", ausgebürgert werden, während ihr verbliebenes Vermögen dem Reich verfällt. Als letzten Schritt der Ausplünderung wird nun von der Gestapo überprüft, ob noch irgendwelche Vermögenswerte der Eheleute Stern vorhanden sind, die beschlagnahmt werden könnten.
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Barfüßerstraße 11 (Landratsamt): Organisation und Vollzug der Deportationen
Barfüßerstraße 11 (Landratsamt): Organisation und Vollzug der Deportationen

Im Oktober 1941 begann bereits die systematische Deportation der Juden aus Deutschland, obwohl erst am 20. Januar 1942 auf der sog. "Wannsee-Konferenz" genaue Details zur "Endlösung der Judenfrage" geklärt wurden. Der "Erlass zu Entscheidungen der Judenfrage" von 1939 zeigt, dass die zeitlich vorher gertroffenen Maßnahmen vor allem erst einmal dazu dienten, jüdische Mitbürger aus der Gesellschaft auszugrenzen [Dok. 1]. Dieses Vorhaben sollte mit der "Kennzeichnungspflicht für Juden" von 1941 weiter realisiert werden [Dok. 2 ].

Das Handeln der Behörde im August 1942 spiegelt die Klärung der o.g. Überlegungen wider: Sie gibt die Anweisungen der Gestapo von oben an die Bürgermeister des Kreises wieder, in denen alle Abläufe genau koordiniert sind, um eine "reibungslose Deportation" zu gewährleisten. Dabei werden zwei Aspekte besonders deutlich: Die menschenunwürdige Behandlung der Deportierten - der Versuch, die Betroffenen so lange wie möglich in Unkenntnis ihrer genauen Situation und der auf sie zukommenden Ereignisse zu halten, um das Entstehen von jedweder Unruhe vermeiden. Die sachliche Sprache, in der über das Schicksal von Menschen bestimmt wird, die - schon vollkommen entrechtet - nun den letzten Teil ihrer Existenz zurücklassen müssen, spiegelt verwaltungsmäßige Richtigkeit vor. Hierfür spricht auch die Verwendung des euphemistischen Begriffs "ausgewandert" für den Verbleib der Deportierten, der das wahre Vorgehen verschleiert und das Leid der Opfer zusätzlich verhöhnt [Dok. 3 , 4 , 5 ].
Der zweite Aspekt betrifft die schamlose Aneignung von Wertsachen und Gegenständen, die ganz selbstverständlich beschlagnahmt werden und in den Besitz des Finanzamts übergehen [Dok. 6 ].

Geheimer Erlass des Regierungspräsidenten Kassel betr. Entscheidungen des "Führers" hinsichtlich der "Judenfrage" vom 18. Januar 1939
Geheimer Erlass des Regierungspräsidenten Kassel betr. Entscheidungen des "Führers" hinsichtlich der "Judenfrage" vom 18. Januar 1939
Geheimer Erlass des Regierungspräsidenten Kassel betr. Entscheidungen des "Führers" hinsichtlich der "Judenfrage" vom 18. Januar 1939

Landräte, Bürgermeister und Polizei werden über aktuelle Regeln zur Behandlung von jüdischen Mitbürgern informiert - zu den Themen Wohnen, "Judenbann", Pensionen, Mischehen:

So wird u.a. geklärt, dass jüdische Familien in gemeinsamen Häusern zusammengepfercht werden können [Vgl. auch das "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939].

Zum sog. "Judenbann" hält das Schreiben fest, dass Juden zwar  noch Straßenbahnen benutzen dürfen, aber von Hotels, die bei NS-Angehörigen beliebt sind, ferngehalten werden müssen. Den Städten bliebe es aber selbst überlassen, ob sie jüdischen Mitbürgern z.B. die Nutzung von Schwimmbädern untersagen wolle.

Das Schreiben definiert außerdem, dass pensionierte jüdische Beamte zwar ein Anrecht auch ihre Pension hätten, diese aber durchaus gekürzt werden dürfe.

Zuletzt klärt das Schreiben darüber auf, wie "Mischehen" zu behandeln sind und unterscheidet dabei zwischen Ehepaaren mit und ohne Kinder. Auch spiele es eine Rolle, ob der Ehemann oder die Ehefrau jüdisch sei.

 

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Schreiben des Landrats Marburg betr. der "Kennzeichnungspflicht für Juden" vom 9. September 1941
Schreiben des Landrats Marburg betr. der "Kennzeichnungspflicht für Juden" vom 9. September 1941
Schreiben des Landrats Marburg betr. der "Kennzeichnungspflicht für Juden" vom 9. September 1941

Das Schreiben enthält Anordnungen zur Diffamierung und Stigmatisierung der jüdischen Mitbürger: Denn fortan haben Juden ab dem 6. Lebensjahr den Judenstern zu tragen, der "sichtbar auf der linken Brust des Kleidungsstückes" befestigt werden muss. Er kostet 10 Pfennig und muss pfeglich behandelt werden.

Weitere Einschränkungen kommen hinzu: So dürfen Juden sich nur mit einem schriftlichen Nachweis der örtlichen Polizei aus ihrer Wohngemeinde entfernen. Außerdem ist ihnen untersagt, Orden oder ähnliche "Ehrenabzeichen" zu tragen. Das Übertreten der Verbote wird je nachdem mit einer Geldstrafe oder einer 6-wöchigen Haft bestraft. 

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Verfügung des Landrats Marburg betr. Vorbereitung bevorstehender Deportation vom 28. August 1942
Verfügung des Landrats Marburg betr. Vorbereitung bevorstehender Deportation vom 28. August 1942
Verfügung des Landrats Marburg betr. Vorbereitung bevorstehender Deportation vom 28. August 1942

Das Schreiben an den Marburger Bürgermeister skizziert den Ablauf der für den 7. September 1942 geplanten "Evakuierung"; betroffen sind die noch im Marburger Kreis lebenden jüdischen Mitbürger.

Damit die Ausführenden den "Sammeltransport" schneller und leichter zusammenstellen können, wird bestimmt, dass sich die Betroffenen schon einen Tag früher, also am. 6. September, am Bahnhof einfinden und die Nacht dort verbringen müssen. Die Bestimmungen zur Gepächmitnahme sind eindeutig: Lediglich ein Koffer oder ein Rucksack darf mitgeführt werden. Bargeld und andere Wertsachen seien, so wird angeordnet, vollständig mitzubringen; um Aufregung unter den Wartenden zu vermeiden, solle ihnen dieses jedoch erst im Kasseler Sammellager abgenommen werden.

Damit sich Behörden und Finanzamt schon einen Überblick über den zu erwartenden Gewinn verschaffen können, müssen die betroffenen Familien bereits im Vorfeld Listen über das Inventar, das sie zurücklassen müssen, anfertigen.

Gleichzeitig ergeht die Anordnung, die deportierten Juden als "ausgwandert" in den Behörden zu führen. 

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Rundverfügung der Staatspolizeistelle Kassel betr. Abfahrtszeiten der bevorstehenden Deportation vom 28. August 1942
Rundverfügung der Staatspolizeistelle Kassel betr. Abfahrtszeiten der bevorstehenden Deportation vom 28. August 1942
Rundverfügung der Staatspolizeistelle Kassel betr. Abfahrtszeiten der bevorstehenden Deportation vom 28. August 1942
Rundverfügung der Staatspolizeistelle Kassel betr. Abfahrtszeiten der bevorstehenden Deportation vom 28. August 1942

Der Fahrplan gibt an, wann sich die zu Evakuierenden am Bahnhof einzufinden haben. Der Zug von Marburg nach Kassel fährt beispielsweise um 11Uhr ab. In Kassel befindet sich das Sammellager, von dem aus die Transporte nach Theresienstadt geschlossen weitergehen sollten.

 

 

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Antwortschreiben des Landrats Marburg an die Staatspolizeistelle Kassel betr. erfolgter Deportation vom 7. September 1942
Antwortschreiben des Landrats Marburg an die Staatspolizeistelle Kassel betr. erfolgter Deportation vom 7. September 1942

Der Landrat teilt nüchtern mit, dass die Deportation vom 7. September ohne weitere Vorkommnisse "reibungslos" verlaufen sei. Um den Vorgang abschließen zu können, seien nur noch die "Judenverzeichnisse" auf den aktuellen Stand zu bringen.

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Schreiben des Landrats Marburg betr. Erfassung von Gegenständen aus jüdischem Besitz vom 2. November 1942
Schreiben des Landrats Marburg betr. Erfassung von Gegenständen aus jüdischem Besitz vom 2. November 1942
Das Schreiben an die Gestapo in Kassel dokumentiert, dass das Verfahren der Deportation abgeschlossen ist - aus Sicht der NS-Behörde auch "erfolgreich". Als Beleg hierfür dienen die aufgeführten konfiszierten Gegenstände.
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Schulstraße: Schule und Jugend im NS
Schulstraße: Schule und Jugend im NS
'Horst-Wessel-Schule' [OUS], 'Adolf-Hitler-Schule' [MLS], 'Schlageter-Schule' [FES] - die Umbenennung der städtischen Schulen am 4. April 1933 machte ihre Vereinnahmung durch den neuen Staat deutlich. Die Lehrer und Lehrerinnen sollten deshalb auch keine Individuen mehr erziehen, sondern innerhalb der Schülerschaft das Gefühl für die Gemeinschaft, für das "Ganze" wecken [Dok. 1 und 2 ], damit auch die Schulgemeinde ein Teil der Volksgemeinschaft werden konnte. Daher wurden die SchülerInnen auch zu zahlreichen Feiern in die Aula zusammengerufen, um gemeinsam etwa dem Geburtstag Hitlers oder den Richard Wagners zu begehen sowie Übertragungen des Führers im Radio zu hören. Auf diese Weise sollte  es den SchülerInnen leichtfallen, sich mit dem NS-Staat zu identifizieren.
Um sicherzustellen, dass die Lehrer auch ganz im neuen weltanschaulichen Sinne unterrichteten, mussten sie nun dem Führer ihre "Treue" geloben [Dok. 3 ] und Lehrgänge zur "geistigen Umschulung" besuchen [Dok. 4 , 5 , 6 und 7]. Lehrer, die sich nicht als politisch zuverlässig erwiesen oder "rassischen" Kriterien nicht entsprachen, konnten mithilfe des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 leicht aus dem Schuldienst entfernt werden, wie Dokument 8 belegt.
Die Dokumente 9, 10 und 11 zeigen, auf welche Weise eine Auseinandersetzung der Schüler und Schülerinnen mit Themen der NS-Weltanschauung im Unterricht stattfand, besonders anschaulich die Abituraufgaben aus dem Jahr 1941 [Dok. 12 ].
Die Aufgabe der Schule ist nicht nur, SchülerInnen im Sinne der NS-Weltanschauung zu erziehen, sondern auch solche zu bestimmen, die die nächste Schülergeneration erziehen sollen. Daher dokumentiert die Schule nicht nur Leistungen, sondern auch Charaktereigenschaften ihrer Schülerschaft [Dok. 15 ] - Informationen, die der Staat gut gebrauchen kann und für sich nutzen möchte [Dok. 13 ]. Lehrer bzw. Lehrerinnen sollen deshalb nur noch solche Jungen und Mädchen werden, die von der Schule und der Partei "ausgelesen" wurden [Dok. 14 ]. Vorbedingung ist natürlich der Beitritt zum BDM bzw. zur HJ. In den Junitagen des Jahres 1933 fand ein erstes großes Treffen von HJ-Gruppen in Marburg statt [Dok. 16 ], der Artikel in der Oberhessischen Zeitung erläutert die neuen Aufgaben der Jugend außerhalb der Schule [Dok. 17 ].
 
Zeitungsartikel OZ betr. "Rückwirkung der nationalen Revolution auf die deutsche Schule" vom 03. Mai 1933
Zeitungsartikel OZ betr. "Rückwirkung der nationalen Revolution auf die deutsche Schule" vom 03. Mai 1933

Der Artikel stellt die Grundlagen der neuen Schulpolitik vor: "Ein Volk, eine Rasse, die Persönlichkeit, die Wehr und ein lebendiger Gott" - nur auf diese Weise sei eine "einheitliche Willensbildung" zu erreichen.

Die Lehrpläne müssten sich deshalb wieder auf das Nationale, das "Heldische" besinnen, auch den Führergedanken thematisieren und Lehrinhalte der Weimarer Republik entfernen.

 

Abdruck in: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Hg. v. Erhart Dettmering. In: Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 204.

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Zeitungsartikel der OZ betr. Tagung des NS-Lehrerbundes zur Aufgabe des Lehrers vom 31. Oktober 1933
Zeitungsartikel der OZ betr. Tagung des NS-Lehrerbundes zur Aufgabe des Lehrers vom 31. Oktober 1933
Zeitungsartikel der OZ betr. Tagung des NS-Lehrerbundes zur Aufgabe des Lehrers vom 31. Oktober 1933

 


Der NS-Lehrerbund ordnet seine Pädagogik ganz der nationalsozialistische Weltanschauung unter: Die dringlichste Aufgabe der Lehrer sei es, ihren Schülerinnen und Schülern die Bedeutung der "Erb- und Rassenpflege" nahe zu bringen. Nur so sei der "Bestand und die Zukunft des deutschen Volkes" gesichert. Den Schülern solle auch klar gemacht werden, dass Schwaches und Krankes deshalb nicht weiter gepflegt werden dürfe, da es um die "Erhaltung der Art" gehe. Das Ziel müsse sein, dass die Schüler verstehen und sich dafür einsetzen, dass es nicht um den Einzelnen, sondern um das Ganze, die Gemeinschaft gehe.

 

Abdruck in: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Hg. v. Erhart Dettmering. In: Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. Marburg 2001. S. 439f.

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Treuegelöbnis der Lehrer vom 1. Dezember 1943
Treuegelöbnis der Lehrer vom 1. Dezember 1943
Auch die Lehrerschaft wurde auf den Führer eingeschworen: das zeigt das Treugelöbnis aus dem Jahr 1943.
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Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die Schulen des Amtsbereichs btr. Teilnahme an Luftschutzlehrgängen vom 28.08.1933
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die Schulen des Amtsbereichs btr. Teilnahme an Luftschutzlehrgängen vom 28.08.1933
Da in der Schule v.a. auch der "Wehrgedanke" im Fokus stehen soll, bietet die Abteilung den Schulen nun entsprechende Fortbildungen an - hier einen Lehrgang zum Thema "Luftschutz".
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Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die Schulen im Amtsbereich betr. Umschulung der Lehrerschaft vom 23.10.1934
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die Schulen im Amtsbereich betr. Umschulung der Lehrerschaft vom 23.10.1934
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die Schulen im Amtsbereich betr. Umschulung der Lehrerschaft vom 23.10.1934
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die Schulen im Amtsbereich betr. Umschulung der Lehrerschaft vom 23.10.1934
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die Schulen im Amtsbereich betr. Umschulung der Lehrerschaft vom 23.10.1934
Zur Inbetriebnahme der Lehrerschaft für den NS-Staat wurde die Teilnahme an Lehrgängen u.a. in "Vererbungs- und Rassenlehre" angeordnet; u.a. wurde über "Bevölkerungspolitik", "Geburtenzahl", "Familienkunde" und "Verhütung erbkranken Nachwuchses" referiert.  Die Lehrgänge in Marburg fanden in der Adolf-Hitler-Schule, der heutigen MLS, statt.
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Einladung des Reichssportführers betr. Frauenlehrgang für Gymnastik,Tanz und Volkstanz vom 06.06.1935
Einladung des Reichssportführers betr. Frauenlehrgang für Gymnastik,Tanz und Volkstanz vom 06.06.1935
Einladung des Reichssportführers betr. Frauenlehrgang für Gymnastik,Tanz und Volkstanz vom 06.06.1935
Der Lehrgang will die Verbindung von sportlicher Betätigung, Erb- und Rassenlehre sowie Körpererziehung im Sinne der NS-Ideologie verbreiten.
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Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen betr. verstärkter Umschulung der Lehrerschaft vom 28.08.1935
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen betr. verstärkter Umschulung der Lehrerschaft vom 28.08.1935
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen betr. verstärkter Umschulung der Lehrerschaft vom 28.08.1935
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen betr. verstärkter Umschulung der Lehrerschaft vom 28.08.1935
Um die geistige Umschulung der Lehrerschaft stärker voranzutreiben, werden weitere Lehrgänge zu den Themen "Rassenpflege und Vererbungslehre" eingerichtet. Die knapp eine Woche dauernden Fortbildungen sollen auch dazu dienen, den "Geist der Volksgemeinschaft" unter der Lehrern verschiedener Institutionen (Gymnasium, Kaufmännische Schulen usw.) hervorzurufen. Die Teilnahme der Lehrgänge wird besonders von solchen Lehrern erwartet, die seit dem April 1933 an keiner Umschulung teilgenommen haben.
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"Bericht über die Lehrer" im Jahresbericht der Elisabethschule Marburg von 1933/34
"Bericht über die Lehrer" im Jahresbericht der Elisabethschule Marburg von 1933/34

§ 3 des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wird auch an der Elisabethschule angewendet: Am 1.1.1934 wird die Studienrätin Martha Strauß entlassen.

[§ 3: (1) Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand (§§ 8 ff.) zu versetzen; soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen.]

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Abbildung aus einer Lesefibel, nach 1933
Abbildung aus einer Lesefibel, nach 1933

Schon mit dem Erlernen der Buchstaben begann die Indoktrinierung in der Schule.

Schmitt, Hanno: Am Ende stand das Wort "Umsonst". Nationalsozialismus an Marburger Schulen, Marburg 1985, S. 194 ff.

 

 

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Themen schriftlicher Arbeiten in der Ober- und Unterprima der Elisabethschule Marburg von 1933/34
Themen schriftlicher Arbeiten in der Ober- und Unterprima der Elisabethschule Marburg von 1933/34
Themen schriftlicher Arbeiten in der Ober- und Unterprima der Elisabethschule Marburg von 1933/34
Die Themenlisten zeigen bereits eine erste Auseinandersetzung mit den Erziehungszielen des neuen Staats: "Wider den undeutschen Geist", "Raum ohne Volk" oder "Was verlangt der neue Staat von einer deutschen Frau?".
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"Lesestoffe" der Ober- und Unterprima der Elisabethschule Marburg von 1933/34
"Lesestoffe" der Ober- und Unterprima der Elisabethschule Marburg von 1933/34
"Lesestoffe" der Ober- und Unterprima der Elisabethschule Marburg von 1933/34
Das nationalsozialistische Gedankengut hat im Schuljahr 1933/34 bereits Eingang in die Leselisten der Oberstufe gefunden. In der Unterprima (Jahrgang 12) findet sich neben einem Werk des Rassentheoretikers Gobineau die Auseinandersetzung mit dem Thema "Heimat und Boden" in der Lyrik.
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Aufgaben für die schriftliche Reifeprüfung von Ostern 1941
Aufgaben für die schriftliche Reifeprüfung von Ostern 1941
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Schreiben der Berufsberatung Marburg an die Direktoren der höheren Schulen Marburg betr. Ausfüllung von Schülerkarten vom 16. November 1937
Schreiben der Berufsberatung Marburg an die Direktoren der höheren Schulen Marburg betr. Ausfüllung von Schülerkarten vom 16. November 1937
Die Schulen werden dazu aufgefordert, Leistungen und Charaktereigenschaften ihrer Abgänger zu benennen. Zusammen mit Aussagen von Ärzten und HJ will die Berufsberatung mit diesen Informationen angesichts "völkischer, wehr- und allgemeinwirtschaftlicher" Voraussetzungen Schüler, die in das Erwerbsleben eintreten, besser beraten und vermitteln.
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Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die höheren Schulen im Amtsbereich betr. Auslese für die Lehrerbildungsanstalten vom 18. Juni 1943
Schreiben der Abteilung für höheres Schulwesen an die höheren Schulen im Amtsbereich betr. Auslese für die Lehrerbildungsanstalten vom 18. Juni 1943
Das Schreiben betont, wie wichtig die Lehrerschaft zur Erziehung der Jugend im völkischen Sinne ist. Dementsprechend sollen künftige Lehrer und Lehrerinnen "ausgelesen" werden. Die Schulen werden deshalb angewiesen, für den Lehrberuf in Frage kommende Schülerinnen und Schüler zu melden. Auch die Partei hat noch mitzureden: Ohne Einverständnis der NSDAP-Kreisleitung kann der betroffene Schüler kein Lehrer werden.
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"Allgemeine Charakteristik" von Abiturientinnen der Elisabethschule von 1944
"Allgemeine Charakteristik" von Abiturientinnen der Elisabethschule von 1944
"Allgemeine Charakteristik" von Abiturientinnen der Elisabethschule von 1944
Neben einer Bewertung der Leistungen verlangt der NS-Staat auch nach der Ausbildung persönlicher Charaktereigenschaften. So legt die Schule für jede Schülerin ein Gutachten an, beschreibt aber auch die Klassengemeinschaft als Ganzes: Hervorgehen werden Aspekte wie "Kamerad- und Gemeinschaft", der Gesundheitszustand sowie die Bedeutung des Lernens für die weiblichen "schönen Eigenschaften".
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Hitlerjungen beim SA-Aufmarsch in Marburg am 4.-5. Juni 1933
Hitlerjungen beim SA-Aufmarsch in Marburg am 4.-5. Juni 1933
Für ihr erstes "Banntreffen" kamen am 4. und 5. Juni 1933 etwa 15.000 Hitlerjungen des "Gau Kurhessen" in Marburg zusammen. Die Hitlerjungen marschieren entlang des Steinwegs an interessierten Zuschauern vorbei; an den Häusern weht die Hakenkreuzfahne.
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Zeitungsartikel der OZ betr. Treffen der Hitlerjugend in Marburg vom 6. Juni 1933
Zeitungsartikel der OZ betr. Treffen der Hitlerjugend in Marburg vom 6. Juni 1933

1. Zeigen Sie auf, worin - laut Gauleiter Weinrich und Landesjugendpfarrer Schäfer  - der "Kampf" sowie die Aufgabe der Jugend besteht.

 

2. Geben Sie wieder, wie "deutsch" im Text definiert wird. Wie muss sich ein "deutscher" Junge, wie ein "deutsches" Mädchen verhalten?

 

3. Erklären Sie, warum die Nationalsozialisten der Jugend eine große Bedeutung beimessen.

 

4. Beurteilen Sie die hier dargestellte Einheit von Kirche und Nationalsozialismus und setzen Sie sie in Bezug zum Aufbau der Hitlerjugend.

 

Lösungshinweise zu Aufgabe 4:

Die Verehrung, die Adolf Hitler entgegengebracht wird, zeigt religiöse Anklänge und rückt ihn damit in die Nähe eines Heiligen, der das deutsche Volk aus der Not errettet habe. Deshalb betont Gauleiter Weinrich, dass man für den Kanzler „bete“ und stets „seiner gedenke“. Die sich anschließende Formel „So sprechen wir: […]“ lehnt sich an das Sprechen eines Gebets an. Der folgende Feldgottesdienst  will die Gemeinsamkeiten zwischen der neuen politischen Lehre und der Religion hervorheben: „Es soll uns bereit machen, den zu hören, der in der Geschichte herrscht.“ Die Jugend soll in diesem Sinne lernen, an ihre zukünftigen Aufgaben im neuen Staat, in der neuen Gemeinschaft, herangeführt zu werden.

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Kämpfrasen: Aufmarschplatz, Kasernenbau
Kämpfrasen: Aufmarschplatz, Kasernenbau
Der heute mit Wohnungen bebaute Kämpfrasen war in den 1930er Jahren noch eine freie Fläche; er diente dem in der Jägerkaserne stationierten Militär als Übungsraum und Ort für Vereidigungen. Die Nationalsozialisten benutzten ihn zudem als Aufmarschplatz und Ort für Kundgebungen. Noch vor dem Ersten Weltkrieg entstand auf dem Kämpfrasen der erste Block der neuen Jägerkaserne, die sich ursprünglich oberhalb des Kämpfrasens befunden hatte. In den 30er Jahren wurde mit dem neuen Kasernenbau auf dem Gelände des Kämpfrasens begonnen.
Zeitungsartikel der OZ betr. Tag der nationalen Arbeit vom 28. April 1933
Zeitungsartikel der OZ betr. Tag der nationalen Arbeit vom 28. April 1933
Zeitungsartikel der OZ betr. Tag der nationalen Arbeit vom 28. April 1933

Der 1. Mai, ein Montag, sollte auch in Marburg feierlich begangen werden. Das abgedruckte Programm zeigt die Einbindung der Jugend - von Schülern und Studenten - sowie vor allem der in NS-Betriebsgruppen organisierten Mitglieder, u.a. der NS-Betriebszellen-Organisation oder der NS-Beamtenarbeitsgemeinschaft. Arbeiter und Angestellte, die nicht in einem NS-Bund organisiert sind, müssen sich, um teilnehmen zu können, einem solchen für die Zeit des Aufmarsches anschließen. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Gewerkschaften an ihrem Tag nicht mehr im Mittelpunkt stehen.

Nur einen Tage später wurden diese dann auch durch Besetzung der Gewerkschaftshäuser von SA und NS-Betriebszellen-Organisation (NSBO) zerschlagen, ihre Funktionäre verhaftet, die Mitglieder in der "Deutschen Arbeitsfront (DAF) zwangsvereinigt.

 

Abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. 2001. S. 177f.

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Zeitungsartikel des HT betr. Feiern zum 1. Mai vom 29. April1933
Zeitungsartikel des HT betr. Feiern zum 1. Mai vom 29. April1933

Das Hessische Tageblatt hat das Programm der Feierlichkeiten zum 1. Mai nur kurz zusammengefasst. Es veröffentlicht allerdings noch den Aufruf des Marburger Gewerkschaftsvorsitzenden Geilfuß`, der seine Mitglieder zwar einerseits auffordert, sich "restlos an den Feiern zu beteiligen", aber andererseits angesichts der nun vom Staat organisierten Abläufe daran erinnert, dass sie die eigentlichen Wegbereiter, "die Pioniere des Maigedankens", seien.

 

Abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnte. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. 2001. S. 179.

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Zeitungsartikel der OZ betr. Bücherverbrennung vom 11. Mai 1933
Zeitungsartikel der OZ betr. Bücherverbrennung vom 11. Mai 1933

 Der Fackelzug durch die Stadt endete am 10. Mai auf dem Kämpfrasen, in dessen Mitte ein großer Scheiterhaufen brannte. Unter dem Motto "Wider den undeutschen Geist" wurden "undeutsche" Bücher und Schriften verbrannt. Die Bücherverbrennung wurde von der Deutschen Studentenschaft, dem Dachverband der allgemeinen Studentenausschüsse, organisiert und unter Führung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) durchgeführt. Als Anlass nennt der Artikel den "Widerwillen der deutschen Jugend gegen alles Fremde", das ihr in den Jahren der Weimarer Republik aufogezwungen worden sei.

Die Bücherverbrennungen an den deutschen Hochschulen bildeten den Abschluss der vierwöchigen "Aktion wider den undeutschen Geist". In diese sind u.a. folgende Ereignisse einzuordnen: der "Judenboykott" vom 1. April sowie das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April , welches einen Professorenboykott an vielen Universitäten nach sich zog.

Abgedruckt in: Erhart Dettmering: Was alle lesen konnten. Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 72. 2001. S. 215.

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Foto: Eingang zum Kämpfrasen
Foto: Eingang zum Kämpfrasen
Eingang zum Kämpfrasen von der Frankfurter Straße aus. Das Gebäude stammt aus den 30er Jahren.
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